Re: Tour de France: Pyrenäen - Auvergne - Jura

von: veloträumer

Re: Tour de France: Pyrenäen - Auvergne - Jura - 11.02.19 21:05

TdF-8 Tour de France vice versa Tour de France, geometrische Vulkankegel, liebliches Seenland, angeregte Froschschenkelgespräche und knarzende Bettgestelle: Das Zentralmassiv mit dem Cantal und der Auvergne

Mi, 14.7. Entraygues – Lacroix-Barrez – Brommat – Thérondels – (1076 m) – St-Flour (90 km)

Der Aufstieg auf den Sockel des Zentralmassivs ist recht einsam und manchmal auch kräftezehrend, auch wenn die steilen Anstiege fehlen. Vor allem gegen Abend kommen zahlreiche Belgeitwagen der Tour de France entgegen, weil St-Flour Etppenort des Tages ist und am nächsten Tag die Strecke entgegen meiner Fahrtrichtung weiterführt. St-Flour erreiche ich weit nach der Zielankunft der Profis. Der Ort besitzt nicht annähernd die Kapazitäten für ein solches Großereignis. Der Campingplatz ist überfüllt und ich werde abgewiesen, erhalte jedoch postwendend eine Einladung eines Franzosen, auf seiner Parzelle mein Zelt aufzubauen. Als Reiseradler werde ich mit ehrfürchtiger Bewunderung aufgenommen und ein Mietentgelt für den Platz vehement abgelehnt. Weniger erbaulich verläuft die Restaurantsuche im Ort, die alle ihre Töpfe schon leergekocht haben, weil der Tour-Tross Hunger hatte. Besonders auffallend war die große Zahl deutscher Journalisten, viele Tour-Funktionäre waren in umliegende Orte bereits weitergefahren. Eine Pizzeria gewährt dann doch noch einen letzten Fladen, um auch meinen Hunger zu stillen.

Do, 15.7. St-Flour – Paulhac – Plomb du Cantal (1392 m) – Murat – Col d'Entremont (1210 m) – Pas de Peyrol/Puy Mary (1588 m) – Col de Neronne (1242 m) – Salers – Mauriac (112 km)

War zwar die Begegnung mit der Tour de France von mir beabsichtigt, so reichte meine Begeisterung jedoch nicht für ein Warten auf den 11-Uhr-Start. Ich kaufte ein paar Tour-Devotionalien wie einen Nickel-Anhängerchen und eine Plastik-Trinkflasche. Beide Teile waren von derart schlechter Qualität (Gestank, Oxidation), dass sie nicht lange Freude machten. Le Tour auch ein Nepper-Geschäft.

Die große Pässeroute des Tages war genau umgekehrt zur Fahrtrichtung der „echten“ Tour de France des Vortages, nur dass diese sogar von Limoges aus noch weiteres Flach- und Hügelland vorgeschaltet hatte und so eine Megaetappe zu bewältigen war. So verkürzt auf die vier Pässe ist es denn auch für mich als Reiseradler möglich, die honorige Bergetappe zu fahren. Die Cantal-Berge zeichnen sich durch meist sehr offene, grüne Berggrate aus, der Paradepass dabei der am Puy Mary vorbei. Dort treffe ich sogar auf eine deutsche Radfamilie, teils mit Hänger, aber auch Gelenkverbindung, der älteste Nachswuchsradler fuhr schon frei. Ganz ohne Schwiergkeiten ging es nicht, es gab eine Menge Knatsch. Mehr Wald zeigt der Col Neronne, schießlich mit einer sehr lang gestreckten Abfahrt.

Fr, 16.7. Mauriac – Bort-les-Orgues – Gorges de la Rhue – Condat – Eglisneuve (77 km)

War es abends noch mild am kleinen Teich des Campings, machte am Morgen Mauriac seinem Handwerk alle Ehre und ließ es regnen. Denn Mauriac verfügt mit Piganiol über eine Regenschirmmanufaktur, die äußerst einfallreiche Farben, Formen und Muster präsentiert. Allein dem Radler ist der Schirm zu unpraktisch, als dass er sich als Souvenir anbietet. Aber schön sind sie – nur der Regen nicht. Mit den Felsorgeln am Horizont und der recht unbekannten, teils sehr schmalen Gorges de la Rhue bringt der Tag noch sehr eindrucksvolle Ansichten aus Stein und Wasserschläuchen. In Eglisneuve übernachte ich in einer etwas rustikalen Kaschemme. Im Ort bin ich ein oder zwei Tage zu früh, denn Straßen und Plätze wurden für einen Käsewettbewerb hergerichtet – das wäre nach meinem Geschmack gewesen.

Sa, 17.7. Eglisneuve – Lac Pavin (1212 m) – Lac Chambon – Col de la Croix Morand (1401 m) – Col de Guéry (1268 m) – Lac Servière – Lac d'Ayat – St-Saturnin/St-Amant-Tallende – Theix – Clermont-Ferrand (126 km)

Die nördliche Auvergne, auch die Auvergne im engeren Sinne, wandelt sich von den vulkanischen Berggraten des Cantals zu einer Landschaft mehr lieblicher Kegelvulkane. Diese verfügen nicht selten über eine Deckel, in dem sich heute Seen befinden. Manche Seen unterliegen überwiegend dem Naturschutz, andere sind als Badeseen beliebt. So ist der Lac Pavin eher geruhsam, der Lac Chambon ziemlich trubelig, der Lac de Guéry bietet eine Naturbeobachtungsweg, der Lac Servière war belebt, aber mit noch wilden Wiesenufern und der Lac d‘Ayat teilt sich in eine betriebige Badezone neben überwiegend kaum zugänglichen Naturufern. St-Amant-Tallende zeigt sich in der Reihe schönste Dörfer mit ansprechnder historsicher Bausubstanz und doch noch stillem Charme.

Hatte ich am nächsten Tag einen Ausflug zum Puy de Dôme von einem FKK-Campingplatz aus angedacht, so entwickelt sich dieser und der nächste Tag ganz anders. Zum Glück konnte man mir auf dem abgelegenen Camping keine Speisen anbieten und ich entschied mich zur Weiterfahrt in die Doppelstadt Clermont-Ferrand und strich den Exkurs um den Puy de Dôme, ohnehin nicht wissend, ob die Aufffahrt möglich war (die Beschränkungen für Radler änderten sich immer wieder).

So, 18.7. Clermont-Ferrand – Chignat – Billom – St-Dier – Ceilloux (51 km)

Das Glück in die Stadt durchgefahren zu sein, offenbarte sich bald mit der Wetterentwicklung. Es regnete nachts wie tagsüber ohne Unterlass und auf dem Camping in den Bergen hätte ich weit unkomfortabler lahm gelegen. Hier im Hotel in Bahnhofsnähe fand ich einen gesprächigen Hotelier, mit dem ich den ganzen Vormittag verplauderte – besonders über die Eigenheiten und Unterschiede von Franzosen und Deutschen. Unfassbar für ihn, dass die Deutschen keine Froschenkel mögen. Ich selbst musste ihm erklären, nicht der typische Deutsche zu sein – Schnecken und Froschschenkel, bitte gerne!

Nach dem Mittagessen (keine Froschschenkel!) ebbte der Regen etwas ab und ich suchte fortzukommen. Der Erfolg war mager. Die schöne hügelige Auvergne versank erneut im Regenschleier. Zur nächsten Trocknung fand ich eine rustikale, preiswerte Gîte, wo es gutes Landessen gab und ich ganz allein im Haus im urig knarzenden Bett verbrachte, da die Eigentümer woanders wohnten und solch Wetter keine Touristen anlocken konnte. Ein wunderbares Erlebnis à la ferme, nur das Frühstück war nicht ganz auf meiner Wellenlinie.

Mo, 19.7. Ceilloux – St-Amant – Col des Toutées (996m) – Ambert – Col de la Pradeaux (1196m) – St. Anthème – Col de la Croix de l'Homme Mort (1163m) – Montbrison – Montrond-les-Bains – St-Symphorien (122 km)

Die Pässe werden zunehmend leichter und wirken ziemlich unauffällig, während die Namen martialischer klingen. Immerhin trocknete es langsam ab und die Sonne kam hervor. Höhepunkt des Tages das Fachwerk der Käsestadt Ambert. In St-Symphorien ein kleiner Camping, im Ort mal wieder das einzige Restaurant geschlossen. Abhilfe schafft ein neuer Dönerladen, auf dem französischen Land eine Kuriosität. Ich warne aber, dass die wenig überzeugende Fremdkost sich weiter ausbreiten könnte, wenn man nicht die Öffnungszeiten der heimischen Gastronomie modernisiert. Sicherlich eine schwierige Balance zwsichen Wirtschaftlichkeit und Untergang.

Di, 20.7. St-Symphorien – St-Martin – Thurins – Lyon – Neuville/Saône – Lyon (97 km)

Die Einfahrt nach Lyon bleibt zunächst am Nordrand einfach, aber auch später tiefer hinein in die Stadt bereitet kaum Probleme. Zu einem Flussbad fahre ich ein Stück an der Saône nach Norden, es herrscht dort natürlich viel mehr Verkehr als irgendwo im Zentralmassiv denkbar gewesen wäre. Auffällig sind in Lyon die Fassadenmalereien, die zum Kulturgut der Stadt geworden und längst vielfach nachgeahmt worden sind. Die Jugendherberge auf dem Berg ist überfüllt und mit zu großen Schlafsälen, entsprechend schlecht mein Schlaf. Zur Gourmetmetropole mit der Altstadt ist man aber nur fußweit entfernt – allein mal wieder der Regen einen größeren Rundgang vereitelt.

Fortsetzung folgt