Re: Tour de France: Pyrenäen - Auvergne - Jura

von: veloträumer

Re: Tour de France: Pyrenäen - Auvergne - Jura - 11.02.19 21:06

TdF-9 Stille Wasserlandschaften, mystische Wälder, Anglerparadiese, Museenkunde mit Radgeschichte, quirliges Städteleben: Von der Rhone durch die Teichlandschaft Bresse, den westlichen Jura und entlang dem Doubs zur Burgundischen Pforte in den südlichen Oberrheingraben

Mi, 21.7. Lyon – Jonage – Montluel – Chalamont – Bourg-en-Bresse (91 km)

War die Einfahrt einfach, nimmt die Ausfahrt aus Lyon nach Osten groteske, unfranzösische Züge an. Selbst in Deutschland weiß ich kaum eine Stadt zu nennen, wo ich an so vielen Ampeln halten muss. Trotzdem ist die Ausfahrt noch angenehm, keine schlimmen Viertel oder Industrie (wohl mehr im Süden). Mit Erreichen vom Golfclub und der Rhone ist es schon wieder nahezu einsam, das Ufer leider nur selten gut zu erreichen. Die Teichlandschaft Bresse enttäuscht doch eher, zumindest auf dieser schnellen Route. Zu sehen bekommt man wenig, und die meisten Fischteiche sind mehr nützlich als romantisch. Bourg-en-Bresse wirkt ein bisschen betont zweckmäßig, doch kann man recht ruhig auch flanieren.

Do, 22.7. Bourg-en-Bresse – Jasseron – Col de France (371 m) – Chavannes – Gigny – Pimorin – Orgelet – Doucier – La Champagnole (113 km)

Ein wenig hier ist es Jura-light, am Westrand, aber auch schon viele Täler, die den Gebirgszug immer wieder kaum durchschaubar unterteilen. Hatte ich den Lac de Chalain bei Doucier noch als Sonnenfreude pur und mit Fischerkahnidylle im aufsteigenden Morgennebel in Erinnerung, so zeigte sich das Land hier nun so trist und ganz verschieden. Wie sehr doch das Gedeck des Himmels die Sicht auf die Landschaften beeinflusst. Keinen Badehalt wert, dringe ich in Richtung La Champagnole mehr in die moorigen, mystischen Waldlandschaften der jurassichen Hochebenen ein.

Fr, 23.7. La Champagnole – Salins-les-Bains – (Quingey) – Besançon – Laissey – Baume-les-Dames – Clerval (119 km)

Immer noch dominiert dunkles Wolkengbräu den Himmel, doch entlädt er sich nicht. Es dämmert fast wie Nacht und doch bei weit über 30 °C. Schon unwirklich so das graue Häusergestein der Salzstadt Salins-les-Bains. Am Doubs hellt es sich dann doch etwas auf. Die Besichtung der Zitadelle ist Höhepunkt des Tages, nicht nur die Aussicht, auch die Museenvielfalt ist erstaunlich, Schulgruppen bilden sich. Die meiste Zeit verbringe ich im Musée de la Résistance et de la Déportation, ein sehr detaillierte, gelungene Aufarbeitung der schändlichen Kriegsgeschichte. Im Kontrast dazu wartet Anglerromantik am Doubs und ein idyllischer Tagesausklang in Clerval. An die Unterkunft habe ich keine Erinnerung mehr – doch das mag verzeihlich sein, wenn ich gerne solche Orte wiederbesuche wie getan.

Sa, 24.7. Clerval – Montbéliard – Belfort – Burnhaupt – Mulhouse (111 km)

Trotz idyllischem Doubs eigentlich mehr ein Städtetag. Montbéliard ist leicht schick und lebenswert. Am Stadtausgang entdecke ich das Peugeot-Museum – ein Abriss der Firmengeschichte, von den berühmten Mahlwerken der Peffermühlen, zum großen Velomobilproduzenten und schließlich die nationale Autoinstanz. Alles drei entwickelte sich aber erstaunlich parallel, behielt Bedeutung – am meisten Bedeutung verlor leider mal das Peugeot-Fahrrad. Aus allen Bereichen finden sich zahlreiche historische Prunkstücke – also auch Fahrraddinosaurier aus der Renngeschichte.

Belfort zeigt sich fröhlich, lebenlustige Plätze, eine postmoderne Brunnenkonstruktion mit Säulen und flachem Durchgang, wer nass werden möchte – zum Spaß für die Kinder. Der Tag endet mit Schneckenessen am pittoresken Rathausplatz in Mulhouse, Übernachtung in der Jugendherberge (etwas auswärts, recht modern). Nicht doch unerwähnt soll bleiben, wie mich ein eingefleischter Elsässer mir als Deutscher, an einer Tankstelle noch zur Einfahrt vorher, politische und historische Weisheiten entgegenschleuderte, jeder Satz mit Nachdruck den Finger auf die immer selbe Stelle meiner Brust gestochen. Jedem Schritt, den ich zurückwich, rückte er mir wieder nach. Es blieb ein Wunder, dass kein bleibendes Loch in meiner Brust zurückblieb.

So, 25.7. Mulhouse – Neuenburg – Breisach – Endingen – Kenzingen – Lahr – Offenburg || per Bahn, ca. 21:00-23:00 || Stuttgart (132 km)

Die Brücke zurück nach Deutschland, ein ausgeprägter Fahrtag in der Gegend, die ich sonst schon mit weit mehr Zeit bedacht hatte und noch zu bedenken gedachte – was durchaus wahr wurde. In der Brust blieb letztlich nicht ein leeres Loch, sondern ein großes, gutes Stück Frankreichherz, was noch immer weiter wachsen sollte und wächst.

- Ende -