Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen

von: veloträumer

Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen - 22.03.19 20:03

EUS-2 Weit mehr als ein „El Camino“ – Farnwälder & Hochweiden, Forellen & Pottoks, schwarze Schafe & Schweinisches, Wein & feinste Schokolade: Das atlantische Pilgergrenzland zwischen Ordiarp und Irún im nordwestlichen Pyrenäenendbogen mit Französisch-Iraty, Kintoa, dem Valle de Baztan und dem Naturpark Señorío de Bertiz

Dieser und das nächste Kapitel sind sehr eng verbunden, weil ich die Grenze häufiger gewechselt habe, französische und spanische Teile nicht chronologisch abgefahren wurden, auch die Etappen überfließen. In Iraty (frz.) und Irati (span.) zu unterteilen, scheint gewagt. Dennoch gibt es Unterschiede in den Landschaften, überwiegt auch in den hier behandelten spanischen Teilen das atlantische Klima mit entsprechender Vegetation, sind Farnwälder noch weit ausgeprägter. Nicht weniger schwierig abzugrenzen sind die Pilgerrouten, denn diese scheinen überall zu sein. Welche Wege die des Camino del Norte sind, welche die des Camino Frances, welche Zubringer aus welcher Himmelsrichtung, bleibt oft im Ungewissen – zumindest für den Ungläubigen, nicht nur hier.

Und obwohl einige Pilgerrouten abseits der bekannten Wege zu liegen scheinen, so werden doch viele attraktive Alternativen verschmäht. Es ist wohl auch manchmal Zufall, denn auf der für Radler bekannten Ibañeta-Passroute traf ich keinen einzigen Pilger, obwohl im Ausgangsort St-Jean-Pied-de-Port ebenso großer Pilgerbetrieb herrschte wie im spanischen Verbindungsort Roncesvalles (dort aber keine Radler). Diese Strecke entpuppte sich unter den Alternativen als die landschaftlich magerste mit einem relativ glattstämmigen Buchenwirtschaftswald und nur kleinen Bergausblicken, soweit mal nur die französische Seite betrachtet.



So 17.6. Haranéa – Col de Légarré/Legarreko Lepoa (345 m) – Predoenea – Legordia Borda – Berrrandotz/R St-Pierre Félix – Col de Méhatché (719 m) – Col des Veaux/Eguzkimendiko Lepoa (572 m) – Venta Esteben Borda – Gorospil Lepoa/Muga Lepoa (662 m) – via Piste – Collado Lizarzu (676 m) – via Piste – NA 2655 – Collado Inzulegui (698) – Otanarte (1064 m) – via Piste – Gorramendi (1071 m) – Collado Inzulegui – Puerto de Otxondo (602m) – Urrasun – Erratzu – Gorostapolo/Wanderung Cascata Xorroxin (ca. 1 h) – Erratzu – Urrasun – Arizkun – Bozarte – Urrasun – Erratzu
73 km | 9,2 km/h | 1980 Hm
Ü: C Baztan
AE (Urrasun): Entrecôte, Pommes, Gem., Salat; Crème Caramel, Café 18,20 €

Mo 18.6. Erratzu – Col d'Ispéguy (672 m) – St-Etienne-de-Baïgorry – Otikoren – via D 615 – Itzalguy – Uretako/Urtzateko Lepoa (379 m) – Jaxu – Col des Palombières (337 m) – St-Martin/Lantabat – Col d'Ipharlatze/Iparlatzeko Lepoa (328 m) – Aguerria – ? (355 m) – Juxue – Pagolle – Kakueta (409 m) – Musculdy – Ordiarp
79 km | 10,0 km/h | 2105 Hm
Ü: C frei
AE: SV

Di 19.6. Ordiarp – Col de Napale (529 m) – St-Just-Ibarre – Ibarolle – Askonzalat/Azkonzabal Lepoa/Col de Gamia (504 m) – St-Jean-Pied-de-Port – Arneguy – Puerto de Ibañeta (1057 m) – Roncesvalles – Urrobi Camping
72 km | 10,0 km/h | 1860 Hm
Ü: C Urrobi
AE (Hostel Roncesvalles): Spiegelei & Speck, Pommes; Flan Caramel m. Eis; Rotwein, Café 12,20 €

Fr 22.6. Banca – St-Étienne-de-Baïgorry – Col d'Aharza (734 m) – Col d'Urdanzia/Urdantzeko Kurutzea (872 m) – via Piste – Urdiako Lepoa (925 m) – ? (950 m) – Chuhy – Espila – ? (765 m) – Irigoyen – Haira – teils via Piste – Col d'Hauzay (965 m) – Urepel – Col de Paradar (610 m)
72 km | 9,0 km/h | 2130 Hm
Ü: C frei
AE: SV

Sa 23.6. Col de Paradar – Urepel – Larateia – Arcainmotca – D 58/ NA 138 – Collado de Urkiaga (890m) – Olaberri – Puerto de Artesagia (996 m) – Meaka Lepoa (636 m) – Irurita – Oronoz – via Piste Parque Natural Señorío de Bertiz – Parking NA-4453/Bertiz (535 m)
62 km | 10,7 km/h | 1305 Hm
Ü: C frei
AE: SV

So 24.6. Parking NA-4453/Bertiz – Collado de Esquisaroy/Ezkisaroi Lepoa (518 m) – Urtzumeatza Lepoa (535 m) – Etxalar – Puerto de Lizarietta (441 m) – Istilharte/Lehenbiskai – Collado de Lizuniaga (250m) – Bera – Collado de Ibardin (317 m) – Herboure – Urrugne – Col de Courlecou (104 m) – Béhobie/Isla de los Faisanes – Irún – Hondarribia – Faro de Higuer
85 km | 11,4 km/h | 1520 Hm
Ü: C Faro de Higuer 12,20 €
AE (dito): Schnitzel, Pommes, Paprika, Spiegelei; Eis; Rotwein, Café 21,30 €

Vom entsagungsreichen Pilgern zur Völlerei. Essen in Frankreich, auch immer wieder eine Herausforderung in den einsamen Regionen. Urepel ist so ein Dreh- und Angelpunkt gewesen, weil hier verschiedene Varianten zusammenlaufen – der Übergang nach Sorgain, zum Ibañeta-Pass, zum Urkiaga-Pass, Vallée d’Haya – alles auch für Pilger Alternativen, aber man sieht keine. In Urepel gibt es eigentlich ein nettes Restaurant – einmal zu früh am Abend, ein anderes Mal war geschlossen, schließlich habe ich beim dritten Mal doch nur ein schnödes Sandwich zum Frühstück bekommen. Aldudes noch ärmlicher. Drei Radler haben gleich ihr Zelt bei der Ortsbrücke aufgestellt. Einmal habe ich noch eine Passhöhe gestürmt und Fischkonserven verdrückt, ein anderes Mal bin ich noch bis Banca durchgerauscht.



In Banca gab es dann Kintoa-Schinken. Keine Japaner oder Hula-Hula-Tänzerinnen aus Hawaii, das sind wohlgenährte Schweine, die besonderes Fleisch hergeben, Kintoa (Quinto Real, Pays Quint) heißen Region, Wald und Schwein. Benannt nach einer königlichen Steuerabgabe, erfuhr der Landstrich einige Turbulenzen in seiner Geschichte und ist heute im südlichen Teil spanischer Staatsteil (Navarra), steht aber unter französischer Verwaltung. Sau und Ferkel hatte ich vorher fotografiert – dann darf ich sie auch essen? (Die entsprechende Etappe nach Banca ist im nächsten Kapitel aufgeführt, die Bilder zwischen Urepel und Banca aber bereits hier in der folgenden Bildergalerie.) Anbei (zwischen Urepel und Aldudes) gleich ein Schinkenrestaurant – aber nur tagsüber geöffnet. Gute lokale Gerichte gibt es in Banca im H/R Erreguina, ganz steil den Berg hoch – aber das ist in Banca normal. Das Dorf besteht nur aus Rampen. Zelten in einer Bauecke – mehr Platz gibt es nicht. Neben Kintoa-Schinken ist das Aldudes-Tal für Forellen bekannt, die silbern blitzend in Zuchtteichen ihre Flossen schlagen. Logisch: Nächster Gang, Forelle, bitte!

Aber auch das gibt’s: In St-Étienne-de-Baïgorry steht eine Kaschemme namens Arce. Habe ich mich von der schönen Lage blenden lassen. Hotel 4 Sterne, das Restaurant versucht sich an Gourmet-Gerichten. Zunächst störte die Empfangsdame mein Fahrrad in der Garten- und Terrassenanlage, selbst außerhalb des Sichtfeldes, draußen wurde nicht einmal serviert. Die Anzahl der Kellner und Gäste hält sich etwa die Waage. Die Portionen lassen allerdings keine Waage ausschlagen. Nein, das ist nicht Gourmet, wenn drei Makkaroni vom überbackenen Käse trocken verbrannt mit Lineal aufgelegt werden, wenn die meisten Sardinen schon weggeschwommen waren, bevor der Teller überhaupt serviert wurde. In jedem italienischen Gefängnis würde das eine Revolte auslösen. Der geschmacklich durchaus gelungene Pfirsichschaum zum Abschluss flüsterte sinnbildlich Luft in den Darm wie das gesamte Menü. Auf nüchternen Magen musste man auch noch ein Flasche Wein bestellen, 0,375 l für schlichte 18 Euro. Da sind schnell 49 € fürs Menü weg. Immerhin konnte ich guten Gewissens das Trinkgeld für den Etikettenschwindel sparen.



Beglückender Ausgleich im selben Ort: Das kleine Café Laia mit hervorragender Chocolaterie einschließlich heißer Schokolade als Spezialität. Feinste Schokolade und Pralinen aus Bayonne werden auch im Atelier du Chocolat in St-Jean-Pied-de-Port verkauft. Ein lokaler Meister dort unweit der Zitadelle kreiert in seiner Fabrique de macarons besonders schmackhafte Makronen. Konkurrenz erwächst indes im Nachbarland: Im Café Arkupe in Irurita (Stammlokal in Elizondo) mundet die heiße Trinkschokolade mit besonders sämiger Konsistenz und herausragendem Geschmack noch besser als in St-Étienne-de-Baïgorry. Der Laden vermarktet auch hervorragende Marmelade von einem lokalen Hersteller. Grenzüberschreitende Konkurrenz aber auch beim Schinken: Neben Kintoa-Schinken aus Aldudes und Bayonne-Schinken (auch Trockenwürste und Fleischkonserven) im Maison du Jambon, St-Étienne-de-Baïgorry, wartet ein weiteres Schinkenhaus (auch Käse, Konserven, Obst & Gemüse) an der Ibañeta-Straße im spanischen Valcarlos mit versammelten baskischen Spezialitäten.

Zur spanischen Seite sind natürlich auch größere Lücken bei der Versorgung zu beachten, selbst im scheinbar dichter besiedelten Baztan-Tal. Das Camping-Restaurant in Erratzu hatte geschlossen, die meisten Bars dort boten nicht mehr als bescheidene Tortillas, sodass ich eine ziemliche Irrfahrt für einen größeren Happen hinlegen musste, als ich in Erratzu das Zelt aufschlug. Der Hunger war indes berechtigt, lag auf der Eröffnungsetappe dieses Kapitels mit dem Col de Méhatché gleich einer der härtesten Rampen an, für den Gipfel des Artzamendi reichten die Kräfte nicht mehr – nebst ohnehin unfreundlicher Wolkensuppe. Tipp für Erratzu: Wanderung zu einem schmucken Wasserfall (Cascata Xorroxin), etwa zur Hälfte anfahrbar auf Piste oder Straße.



Beim Parque Natural Señorío de Bertiz steht man parkausgangs nach der fahrraderlaubten Forstpiste in einem kaum besiedelten Gebiet, das recht zeitraubend durch mehrere Auf und Abs sich bis zu nächsten Orten hinzieht (Dantxarinea, Urdax, Zugarramurdi, Etxalar, am Otxondo-Pass gäbe es Schutzhütte mit Picknickeinrichtung und Toilette). Es empfiehlt sich also Unterkunft beim offiziellen Parkeingang zu suchen (zwei Jugendherbergen und ein Hotel). Im agrarischen Zwischenland jenseits des Bertiz-Parks steht noch ein Forellenrestaurant – ungewiss aber, ob regelmäßig geöffnet. Wählt man etwa zum Wandern im Bertiz-Park als Basisort Etxalar, bestehen dort mehrere einladende Einkehrmöglichkeiten – aufgrund des heimeligen Ortsbildes die vielleicht beste Empfehlung für einen Etappenstop in dieser Ecke. Noch pittoresker, aber schon mehr an einer betriebigen Achse, gibt sich Bera an der Schnittstelle zum Bidasoa-Tal (Kap. EUS-5).



Bleiben wir noch beim Parque Natural Señorío de Bertiz. Es gibt eine einzige Fahrstrecke, die für Fahrräder erlaubt ist. Die Schotterpiste führt vom Parkplatz beim eintrittspflichtigen botanischen Garten, Villa und Pavillon aus Zeiten des gönnerhaften Parkgründers zu einem eher unauffälligen Parkplatz am östlichen Parkrand an der NA-4453, welche die asphaltierte Alternative außerhalb des Parks darstellt (eher empfohlen). Obwohl man die besondere Atmosphäre dieses Farnwaldes dabei einfangen kann, erweist sich der obere Teil als sehr rumpelig, steil bis unfahrbar, nicht selten schlammig und wegen des dichten Schattens auch von zahlreichen Mücken bevölkert. Und trotz der offiziellen Fahrerlaubnis für Radler hat man auch noch das Ausgangstor oben abgeschlossen, sodass man mühevoll das Rad mit abmontierten Taschen über eine Barriere hieven muss. Ich empfehle ggf. im unteren Bereich ein paar Eindrücke zu sammeln oder zu wandern, entsprechend auch weitere Wege einladen, und dann außen rum aufzufahren (oder wohin auch immer). Die eintrittspflichtigen Garten- und Gebäudeanlagen waren zu meiner späten Abendzeit gerade geschlossen worden, sodass ich nur flüchtige Eindrücke durch die Sichtsperren erheischen konnte.

Der mythisch beladene La Rhune, mit der panaromareichen Zahnradbahn (Bahnhofsseite bereits in Kap. EUS-1) zu einem nicht selten überbevölkerten Touristenmagneten geworden, lässt sich nach meinen Erkenntnissen nur von der spanischen Südseite ohne besondere Mountainbike-Ausstattung beradeln (kaum erkennbarer Abzweig westlich des Collado de Lizuniaga), konnte die Trasse aber nicht austesten. Die Weiterfahrt über Bera und das französische Gebiet zum Atlantik geht in eine zunehmend aufgeräumte Landschaft über, gewiss auch mit verstärkter Besiedlung. Trotzdem bleiben stark ländliche Elemente um den Col de Courcelou (Passname kennt keiner vor Ort) quasi bis über die Autobahn hinaus vor die Tore der Agglomeration am Bidasoa-Delta erhalten (Bilder und Anmerkungen zu Irún – Cabo Higer in Kap. EUS-4).



Sprung zurück nach Osten. Den aufstrebenden Wein der Region – Irouléguy – hatte ich ja teuer genug im Restaurant Arce gekostet. Ein guter Tropfen (moderner Weingut-Shop in St-Étienne-de-Baïgorry nahe dem Camping), den ich mir redlich mit den steilen Rampen in den Weinbergen auf dem Weg zum Col d'Aharza schon in der ersten Reisephase verdient hatte (Etappe 22.6.). Die Passnamen kennt da keiner, ich habe gleich eine ganze Schulklasse samt Lehrerinnen und Lehrer damit ins Schwitzen gebracht. Nur ein kleiner Teil oben beim Urdiako-Pass ist Schotter. Wenn man dort nicht nach Banca abfährt, geht es in einer Auf-und-Abschleife ins Vallée d’Haya (allerdings auch unten aus dem Aldudes-Tal in Banca direkt durch eine enge Kluse erreichbar). Ein wildes Tal, sehr reizvoll. Oben wird es dichter Wald und hart, unten lange leicht zu radeln. Auch Schotter teils, aber meist auflösende Straße, ganz oben sogar glatter Asphalt. Man kann ohne Urepel gleich zum Ibañeta-Pass nach Osten überfahren – die Verbindung habe ich ausgelassen. Auf keiner Karte als Straße eingetragen, ist aber! So wie oben schon erwähnt Sorgain.



Noch ein Exkurs führte östlich von St-Jean-Pied-de-Port bis in die östlichste französische Baskenprovinz Soule, zugleich nördlicher Teil des Bosques d‘Iraty. Die meist agrarisch geprägten Routen kombinieren Auen, Hügelkuppen und Waldpassagen mit kleinen Bauerndörfern oder Weilern abseits von fast jeglicher touristischer Infrastruktur, selbst im schon mal besuchten Bunus mit Campingplatz hatte der einzige Dorfladen mit Café geschlossen, das äußerlich adrett hergerichtete Restaurant mit ähnlich undurchschaubaren Betriebszeiten wie ehemals. Einige heftige Rampen warten auf die Wadenmuskeln mit den Pässen Napale und Uretako oder die Bergkuppe zwischen Juxue und Pagolle. Der hier gefahrene Col des Palombières bei Jaxu darf nicht verwechselt werden mit dem nur wenig weiter südlich gelegenen gleichnamigen Pass zwischen Bunus und Lecumberry, den ich als extrem steile Rampe vier Jahre zuvor kennen lernte. Im Vergleich hier dieser Palombières bei Jaxu eine deutliche Spur leichter, wenn auch noch kein Selbstläufer.

Landschaftlich darf man den panoramareichen, mit weiten Serpentinen umwundenen Col de Gamia aus dieser östlichen Schleife als schönsten Übergang hervorheben, wohl auch den Col de Napale, der sich allerdings in dichtesten Wolkennebel hüllte. Dem liegt das idyllische Pilgerjuwel Ordiarp mit seiner Steinbogenbrücke und Kirche zugrunde. Wer aber gesicherte Unterkunft und Verpflegung sucht, muss nach Mauléon-Licharre ausweichen, denn viele ländlichen Gastbetriebe in dieser Region fallen eher durch unstete und häufige Schließzeiten auf. Ein mitfühlender Anwohner stockte großzügig meine Nachtvesper mit einer Pâte Basque und Äpfeln auf, wenngleich die nebst geöffneter Toilette vorhandene öffentliche Dusche nicht in Betrieb war.

Bildergalerie EUS-2 (158 Fotos, bitte Bild anklicken):



Fortsetzung folgt