Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen

von: veloträumer

Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen - 23.03.19 20:53

EUS-3 Knorrige Buchen, herzliche Gastfreundschaft, berauschende Bergflüsse, Parade der Windräder, Silberspiegel der Stauseen, Goldglanz der Weizenfelder, Gruß der Sonnenblumen, Hemingway im Geiste: Das spanische Pilgereck am südwestlichen Pyrenäenfuß rund um Pamplona zwischen Rio Irati und Puente la Reina

Beginnen wir dort, wo die Reise bereits Abschied nimmt, die Rückfahrt über den Pyrenäenkamm von Punte la Reina nach St-Étienne-de-Baïgorry (der frz. Teil ist noch in Bildern dokumentiert, hier aber nur am Rande erwähnt).

Mi 18.7. Puente la Reina – Legarda – Puerto/Alto del Perdón (770/776 m) – Perdón (1037 m) – Sta. Cruz – via Piste – Subiza – Campanas – Otano – Zabalceta – Urroz-Villa – Agoitz – Nagore – Oroz-Betelu
82 km | 11,4 km/h | 1380 Hm
Ü: C frei
AE: R Zaldu: Salat Gallagas; Fleischplatte m. Steaks, Würsten usw., Pommes; Milchreis; Rotwein, Café 27 €

Do 19.7. Oroz-Betelu – Olaldea – Alto de Garralda (941 m) – Aribe – Orbaitzeta – Fábrica de Orbaitzeta – Azpegi Gaina (1060 m) – Col d'Orgambide/Organbideko Lepoa (988 m) – Béhérobie (H/R Source de la Nive) – Esterencuby – St-Jean-Pied-de-Port – Anhaux – Irouléguy – St-Étienne-de-Baïgorry
73 km | 11,6 km/h | 1115 Hm
Ü: C Municipal 6,80 €
AE: H/R Arce: Sardinen m. Tomatenkruste, Ei, Gemüsecarpaccio; Filet, Maccharoni, Bohnen; Sorbet mit Pfirsich-/Aprikosenschaum; Rotwein 49 €

Puente la Reina ist Pilgerort pur. Zwar prägt die Steinbogenbrücke das schöne Ortsbild, jedoch bleiben weitere Sehenswürdigkeiten eigentlich aus, also doch deutlich bescheidener als das französische Gegenstück StJPdP. Immerhin hat man eine große Auswahl an Lokalitäten. Die Ausschilderung des Campingplatzes ist katastrophal, wird man quasi an der Nase herumgeführt und auf einen langen Umweg geschickt. Das hat damit zu tun, dass diese Straße und Piste die gültige Autozufahrt ist. Man kommt aber unmittelbar von der bekannten Brücke aus über eine geschotterte Steilrampe dorthin, wenn auch evtl. ein Stück schiebend. Ausgewiesen ist dort aber nicht der Camping, sondern nur eine Pilgerherberge. Dieser ist der Camping auch zugehörig, wobei auffällig wenige Camper zu sehen waren (nur ein Jakobsweg-Radler), während die Herberge brechend und kinderlaut voll war. Durch die vielen Nischen mit teils platzeigenen, überdachten Picknickecken ist der Camping sogar empfehlenswert für Zelter.

Zum Pyrenäenrand hin erstreckt sich eine Zwischenlandschaft mit gleichwohl unterschiedlichen Facetten. Die weiten, offenen Weizenfelder erhalten unweit von Puente la Reina aufbrechende Elemente der Weinstraße Navarras. Auf dem Wege zum Perdón allerdings weniger ausgeprägt die Rebenhänge als die Beschilderung erwarten ließe. Zur Gegenseite des Perdón zwischen Campanas und Urroz Villa evozieren leuchtende Sonnenblumenfelder berauschende Farbsinfonien zwischen dem Weizengold.



Der Perdón, Name von Pass und Berg zugleich, ist ein Höhenzug mit zahlreichen Windrädern, der markant zwei Ebenen voneinander trennt, nach Norden das Plateau um Pamplona, nach Süden die erweiterte Ebro-Region. Der eigentliche Perdón-Pass liegt abseits der Transversale nach Pamplona, was auf den vielen Karten falsch verzeichnet ist. Am richtigen Pass entspringt unterhalb eine Quelle, ein Arrangement aus flachen Stahlfiguren illustriert die Pilgerzüge, die die Region so stark prägen. Man kann weiter zum Perdón-Berg auffahren, eine wenig markante Kuppe des gesamten Bergzugs, immerzu an Windrädern vorbei. Zur Rückseite geht es noch auf Asphalt weiter, an einer von Pilgerunrat umlagerten Kapelle, weiter hinunter in eine Mulde, aus der heraus auf Asphalt noch weitere Windräder erreichbar sind. Hier findet sich ein Schotterwegabzweig, auf dem man in die Feldebene bei Subiza gelangen kann. Der Weg ist grundsätzlich einigermaßen radelbar, war aber doch teils arg gelitten mit Auswaschungen durch die starken Regenfälle. Man fährt u.a. an ockerfarbenen Lehmwänden vorbei, durchaus eine ansprechende Flora und Felsenwelt, wenngleich selten schattig.

Nach den leicht hügeligen Fahrten bis Aoiz erreicht man eine Stauseeregion, die aber nicht alle straßenbegleitend zu erschließen sind, sondern auf gleichwohl hügeligen, auch mal steileren Passagen durch hinterliegende Täler oder Bergkuppen verbunden sind. An den Seen erheben sich mal schroffe Felsen, werden aber gleichwohl von lieblichen Seespiegeln gekontert. In Aoiz, mit Römerbrücke unterhalb des Ortes geschmückt, vereitelte ein Gewitter die naheliegende Erkundung des dortigen Stauseeufers. War in Nagore die angesteuerte Gaststätte am milden See geschlossen, endete der Tag doch noch versöhnlich im gastfreundlichen Oroz-Betelu, einem besonderen Schlag von Menschen in bewegender Natur – wohl nicht zufällig Anbeginn des funkelnden Silberglanzes von Irati.



Oroz-Betelu, diese Geschichte mit der herzlichen Gastfreundlichkeit, muss noch erzählt sein. Zwar bevölkerten zahlreiche Dorfgäste die Terrasse, aber ich sollte der einzige bleiben, der eine Mahlzeit in Anspruch nehmen wollte. Das sorgte für ziemliche Unruhe. Die Küchengeräte mussten erst angeworfen werden, für einen seltenen Gast, zumindest unter der Woche, Exklusivbedienung für mich, jede Gabelbewegung wurde beäugt. Die Dame war verdammt hübsch – Irati hat nicht nur schöne Buchen.
„Was können wir anbieten?“ die Frage – Zum Beispiel Fleisch? Der Jungwirt kam mit einem Gefriersack von Fleischstücken.
„Ist das okay?“ – Ich sagte ja, glaubte, ich bekomme etwas davon. Nichts da! Ich bekam den ganzen Sack aufgetischt! Fleisch für 2 Personen, nein eher für 3-4 große Mäuler. Der Magen grummelte die ganze Nacht – Schwerstarbeit. Am nächsten Morgen spendierte der Altwirt einen Kaffee – der Jungwirt schlief noch. Ich war Gast in Irati – wirklich, Gast! Der sympathische Laden heißt übrigens Zaldu, kann nicht verfehlt werden, weil ein kleines, heimeliges Dorf an der Irati-Straße am nördlichen Ende des Stauseeschlauches.



Also ja, Silberglitzer, die Bergflüsse. Darin Seltsames, ein verwildertes Kuriosum und hatten wir als Variante schon in Olaberri (Eugi) im Arga-Tal, Collado Urkiaga (vgl. EUS-2). Eine verfallene Eisengießerei, besser gesagt Waffenfabrik für Kanonenkugeln: Fábrica de Orbaitzeta, zurzeit weitgehend abgesperrt, aber Infotafeln vorhanden. Man übertunnelte den Fluss, heute sind die Steinbögen nur noch Ruinen. Kommt man hin, wenn man den Irati-Fluss oberhalb Orbaitzeta verlässt und einem Nebenfluss folgt. Einer der unbekanntesten Übergänge der Region zwischen Spanien und Frankreich über Azpegi bzw. den Orgambide-Pass, auf dem Plateau zahlreich Megalithen verbreitet – dann schattig und steil ins Nive-Tal und den französischen Iraty-Wald führend.

Man denke sich nun den Sprung zurück zum Vormittag im Mühlenort Garralda nahe der Irati-Strecke, nur einen Steinwurf entfernt zum Urrobi-Camping südlich des Ibañeta-Passes und Roncesvalles, mit dem Fluss Erro und Ähnlichkeiten zum Irati-Fluss, aber eher gegen Anfang der Reise beradelt.

Mi 20.6. Urrobi Camping – Acre – Lusaretta – Túmulo San Pau (915 m) – Esnotz – Erro – Urricelqui – via Piste – Finca Zaldaitz (750 m) – Urricelqui – via Piste – Otakatzeta (Sackgasse) – via Piste – Errea (800 m) – Urdániz – Zubiri – Leranotz – Inbulutzketa – Larrasoaña – Arleta – Azotz – Camping Ezkaba – Sorauren
74 km | 12,3 km/h | 1070 Hm
Ü: C frei
AE: Posada Sorauren: Hirschgulasch, Pommes; Crème Caramel; Rotwein, Café 19,50 €

Do 21.6. Sorauren – Olague – Alto de Ekozgue (894 m) – Eugi – Zubiri – Puerto de Erro (801 m) – Erro – Puerto de Aurizberri/P. de Espinal/Mezkiritz Lepoa (922 m) – Aurizberri – Sorgain – Sorgain Lepoa/Collado Aztakarri/Atztakarriko Lepoa (962 m) – Urepel – Aldudes – Banca
82 km | 12,4 km/h | 1400 Hm
Ü: C frei
AE: H/R Erreguina: Kintoa-Schinkenplatte; Forelle, Kart., Gem., Limonensauce; Schokomousse; Rotwein, Café 33,80 €



Die silbern glitzernden Bergflüsse von Urrobi, Erro und Irati ähneln sich auf gewisse Weise. Es ist ein Leuchten und Blitzen, Gedichte der Iris, Poesie des Betrachtens. Die Buchenwälder reichen von Ost bis West, mal heißen sie Irati, mal Kintoa. Alles gleich? – Mitnichten. Es ist eine Region der stillen Momente, der Blicke – einjeder ein Schatz, ein Kosmos für sich. Jeder Baum hat seinen Charakter, knorrige Altbäume und Totholz bevölkern einen stets neu bewundernswerten Skulpturenpark – Urwald ganz im Gegensatz zu den modernen umsatzorientierten Nutzwäldern mitteleuropäischer Prägung. Wohl kein Zufall, dass auch Ernest Hemingway die Irati-Region zum Forellenangeln schätzte, während er in Burguete weilte. Er äußerte sogar, dass Angeln am Irati-Fluss der Vorstellung, dem Himmel nahe zu kommen, am besten entsprechen würde.

Der Urrobi beschreibt nach Süden hier ein erfrischend wildes Tal, mit Felswänden immer mal wieder durchscheinend im Schleier des leuchtenden Buchengrüns der Morgensonne. Doch schon bald wähle ich ein Querformat zur Flusslinie. In der Ost-Westachse südlich des Pyrenäenhauptkamms liegen zwischen den erfrischenden Tälern eine Reihe von Pässen, teils auch Schotter, derer ich längst nicht alle denkbaren Alternativen ausgetestet habe. Dadurch sind Rundschleifen trotz der Nord-Süd-Talfurchen möglich. Die Pilger halten sich weitgehend eng an die N-135, die wenig Schatten hat und auch landschaftlich weniger überzeugt. Südlich leuchtete besonders der Übergang Lusaretta – Esnotz hervor mit schieferigem Flysch oder Mergel, gelben Blumenschmuck und Schmetterlingsvielfalt, einem historischen Kornspeicher im fast verlassenen Lusaretta. Schon die Römer waren in der Urrobi-Region unterwegs.



Während ich auf Urricelqi – Errea für den richtigen, auch gefurteten Weg mehrere Anläufe benötigte, kam die Verbindung Zubiri – Etsain, wie eingangs schon erwähnt, gar nicht zustande. Der verkehrsreiche Umweg an den Rand von Pamplona ist dann wegen der Bergbarriere unvermeidlich. Das Restaurant des weit stadtauswärts liegenden Pamplona-Campings hatte für spanische Verhältnisse ungewohnt früh schon die Küche geschlossen, der Camping zudem übervoll, sodass ich weit schöner an einem Terrassenrestaurant am Flussufer etwas weiter oben in Sorauren strandete. Der Morgen präsentierte den Alto de Ekozgue als ebenso einsamen wie reizvollen Pass mit sehr unterschiedlichen Seiten – liebliche Bergweiden unter aufsteigenden Nebelschwaden, dichter Gipfelwald und panoramareiche Abfahrt mit Felsschlucht – einer der zahlreichen Höhepunkte dieses Kapitels. Hier traf ich auch das Reiseradlerpaar Chantal und Jean Paul aus dem Elsass auf ihrer etwa zweimonatigen Reise mit Spanienschwerpunkt – auch im Radreiseforum zumindest lesend unterwegs.

Nicht vergessen werden sollte der vielleicht schönste Grenzübergang dieser Ecke – Sorgain, bereits in der Kintoa-Region gelegen. Das ist an der südlichen Basis ein Bergweiler, Herberge, sah geschlossen aus – vielleicht aber nur fehlende Gäste wegen der düsteren Nebelwolken. Zur spanischen Seite unten verwunschener Buchenwald, flyschige Rippen der Bachläufe – man kann die Eindrücke sowohl vom Buchenwald als auch von Hochweiden noch vermehren, wenn man die von mir gefahrene zusätzliche und lohnende Schleife über Aurizberri fährt. Ab Sorgain steigt man in einer offenen Almweidelandschaft auf, nur noch kleine Haine, Bergblumen. Durch die Wolke erscheinen die Kühe wie Nebelgeister, die Härchen der Arme wie von Silberfolie überzogen, eine Stille erschallt in Kuhglocken (auch jedes Pottok hat eine). Geheimnisvoll, wundersam – und müsste noch herrlicher sein, wenn die Sonne scheint, denke ich. Von Süden radlerisch keine große Sache, von Frankreich aus extrem steil (für Urepel – Banca vgl. EUS-2).

Bildergalerie EUS-3 (130 Fotos, bitte Bild anklicken):



Fortsetzung folgt