Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen

von: veloträumer

Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen - 24.03.19 21:43

EUS-4 Standhafte Leuchttürme, schmackhafte Pintxos, kuriose Steinlöcher, millionenalte Flyschkrusten, goldene Muschelstrände, farbige Fachwerkkulissen: Die Costa Vasca von Gipuzkoa zwischen Irún und Mutriku mit seinem Küstengeopark

Ein kurzer Sprung zurück zum Ende des Kapitels EUS-2: Im Grenzfluss Bidasoa zwischen Béhobie (Hendaye) und Behobia (Irún) findet sich eine staatspolitische Kuriosität. Die winzige und unbewohnte Isla de los Faisanes (Fasaneninsel), im Französischen auch als Île de la Conférence tituliert, stellt das kleinste Kondominium der Welt dar (von verschiedenen Herrschaften/Ländern gemeinsam verwaltete Gebiete, in diesem Fall wechselweise ein halbes Jahr von der französischen Grenzstadt, ein halbes Jahr von der spanischen kontrolliert). Die Insel hatte historisch eine gehobene Bedeutung etwa für den Austausch von Gefangenen, insbesondere aber durch die Unterzeichnung des Pyrenäenfriedens 1659 zwischen Frankreich und Spanien auf neutralem Boden. Heute ist die Insel weder zugänglich, noch gibt man sich Mühe, die Besonderheit touristisch hervorzuheben – ganz im Gegenteil verhindern aktuell Bauzäune für die städtische Verlängerung des Bidasoa-Radweges schon fast gänzlich einen genaueren Blick vom Ufer aus. (Hatte ich auch bereits als Bilderrätsel im Forum thematisiert.) Nur wenig weiter beginnt das neue Kapitel am traumhaften am Leuchtturm des Cabo Higer gelegenen Camping mit einem der doch selten erlebten Sonnenuntergänge.



Mo 25.6. Faro de Higuer – via Cala del Molino – Mirador Guadeloupe – Labetxu/Wanderung Meer/perforierte Steine (insges. ca. 5 h) – Alto de Jaizkibel (450) – Pasai Donibane – Errenteria – Oiartzun/Elizalde (+)
38 km | 9,0 km/h | 880 Hm
Ü: C frei
AE (Oiartzun): Tapas, Bier 10 € + SV

Mo 2.7. Zarautz – Getaria – Zumaia/Acantilado Flysch – Alto de Itziar (225 m) – Deba – Mutriku – Camping Galdona (175 m)
51 km | 11,2 km/h | 705 Hm
Ü: C Galdona 9,60 €
AE (dito): Salat m. Thunfisch; pan. Schnitzel, Pommes; Milchreis; Rotwein, Café 12,60 €
ME (Getaria): Taberna Geva: Tapas, Bier 17 €

Wenn ich hier die Costa Vasca in zwei (bzw. drei) Kapiteln auf die jeweiligen Provinzen aufgeteilt vorstelle, ist das ein wenig willkürlich bzw. mehr dem Reiseablauf geschuldet als den charakteristischen Elementen. An beiden Küstenabschnitten finden sich industrielle Hafenagglomerationen wie in Irún und Donostia/Errenteria einerseits und Bilbo/Portugalete andererseits. Beide Küstenabschnitte sind in Teilen aufgrund der Steilküste auf dem Landwege nahezu unzugänglich, weswegen die Küstenstraßen immer wieder vom Meer wegführen, keine Aussicht möglich ist. Allenfalls ein paar Stichstraßen ermöglichen dann vereinzelte Zugänge. Andererseits ergeben sich auch immer wieder gut zugängliche Strände an auf Meeresniveau verlaufender Küstenstraße, ermöglichen weite Buchten die Ausbreitung mal kleiner Fischerdörfer, mal größerer Städte.



Die meisten Sandstrände leuchten intensiv golden, nicht zuletzt wird die ausladende Doppelbucht von San Sebastián mit der Bucht von Rio de Janeiro verglichen. Wenngleich es auch mal volle Strände im Bereich der großen Städte und einiger weniger touristischer Strandzentren wie etwa Zarautz gibt, überwiegen doch Strände, die eher sparsam bevölkert und deutlich weniger belagert werden als die Topstrände Spaniens am Mittelmeer. Strandurlaub im Baskenland ist daher sicherlich ein Geheimtipp, wenn man mit den Wetterlaunen zurechtkommt.

Dabei erzeugen nicht nur die Wetterphänomene der Biskaya besondere Strandstimmungen, sondern auch die Flussmündungen mit zuweilen eigentümlichen Sumpfdeltas oder bis ans Meer aufgerückten Bergtälern, die den Hafenorten nur wenig Entfaltungsraum erlauben – eindrücklich etwa in Orio und Deba, wobei man binnenwärts gleich in eine Flussidylle hineinfährt. Zarautz erlaubt eine so breite Ausdehnung, dass nebst der langen Strandpromenade auch noch Raum für ein naturgeschütztes Delta mit Flussmäandern da ist, welches sich am besten im Osten von dem Küstenberg mit dem Campingplatz überblicken lässt.



Andere Küstenorte schmiegen sich auch ohne hervorgehobenes Flussdelta in die Küstenberge hinein, im schnuckeligen Mutriku extrem steil und eng am Berg gestaffelt. Solcher, aber doch anderer Art kann man in Donostia den Blick vom exponierten Monte Igeldo genießen, was sich einige was kosten lassen mit einem Luxushotel (gleich mehrere am Berg verteilt, was den Berg zum einem lohnenden Geschäftsmodell für Taxifahrer macht). Leider musste ich einen abendlichen Abstecher angesichts regentiefen Wetters dorthin auslassen und war froh überhaupt ein Zelt auf dem Igeldo-Camping aufstellen zu können, der sich bereits weit abseits des Aussichtsbergs befindet. Am nächsten Morgen war noch weniger Aussicht.

Gleich zwei besondere geologische Erscheinungen machen die Costa Vasca in Gipuzkoa besonders wertvoll und einmalig – nicht umsonst als Euskal Kostaldeko Geoparkea und UNESCO-Kriterien geschützt. Da ist zunächst die Aussichtsberg Jaizkibel, kontrastreich ein Grün zum Meeresazur, von zahlreichen Wehrtürmen durchsetzt. Versteckter hingegen sind besondere Auswaschungen von Sandstein, der sich in Löchern, Bögen, konkaven Wänden, Küstenhöhlen, myzelartigen Strukturen oder Felsstempeln präsentieren – in unterschiedlichsten Farbschattierungen von Beige- über Ocker- und Rot-Tönen bis zu Schwarz. Die schönsten dieser Ausformungen lassen sich nur per Küstenwanderweg samt abseitigen Klettereinheiten erkunden, der von Hondarribia am Cabo Higuer bis nach Pasai Donibane führt. Da ich wenigstens einen Ausschnitt dieser Steinskulpturen anschauen wollte, hatte ich von einem rechten hohen Straßenpunkt in der Nähe des Jaizkibel-Berges eine Exkursion zum Meer gemacht. Das war sicherlich ein schöner Platz, aber eben auch nicht mehr als nur zwei oder drei Farben und Formtypen.



Es wäre hier in der Tat ratsamer, mindestens einen ganzen Ruhetag auf dem Camping am Faro de Higuer und eine Küstenwanderung per pedes einzulegen. Da die Wanderung einen Tag Zeit kostet, muss man eine Rückfahrt mit Bus ins Auge fassen oder eine Halbtour machen. Die meisten Wanderer, die ich gesehen haben, waren viel zu schnell unterwegs um die Besonderheiten zu erkunden und die Tour zu genießen. Auch sind wohl die auffälligsten Steine näher an Pasai Donibane, sodass von dort aus eine zweite Exkursion Sinn machen würde. Meine Fußtour in der Mitte hinunter zur Küste war sehr mühselig, das Rad muss weit entfernt oben vertrauensvoll abgestellt werden, wobei Schattenplätze rar sind. Auch wenn Pisten noch weiter runterführen, sind diese kaum fahrbar, speziell nicht retour nach oben. Das Schieben eines Reiserades mit vollem Gepäck wäre gleichwohl Harakiri.



Die zweite Felserscheinung an diesem Küstenabschnitt ist Flysch, markant gefaltetes Gestein, nicht selten von Ammoniten und anderen Fossilen durchsetzt. Während das Flysch meist die Steilküsten strukturiert, tritt er hier auch als horizontale Fläche auf, die bei Ebbe riffige Felsstrände offenlegt, während bei Flut nur wenige Grate aus dem Wasser ragen. Weil auch schwierig zu begehen, sind solche Strände nicht ungefährlich, bemerkt man die Flut zu spät und hat dann ggf. Probleme ans gesicherte Ufer zu gelangen. Besonders eindrucksvolle Beispiele für Flysch findet man bei Zumaia (hier gibt es auch geführte Touren, teils mit Boot, aber auch per pedes; ein Flysch-Strand im Westen vom Ort) und bei Deba, aber auch bei Lekeitio (vgl. EUS-8).



Bleiben noch die besonderen Orte der Küste zu nennen. Donostia weist eine Reihe von Radwegen sowohl in die Stadt hinein als auch in der Stadt aus. Nicht alles davon ist erste Sahne. Für die Einfahrt aus dem Urumea-Tal kommend wäre eine bessere Ausschilderung von Nöten, den startenden Radweg bei Astirraga muss man suchen. Im Bereich der großflächigen Neustadt mit breiten Einfallstraßen hat man Radwege mitten zwischen die Autospuren gelegt, manchmal nebst Baumreihen, manchmal auch ganz nackt. Währenddessen sind die eher breiten Fußgängerstreifen am Fluss entlang für Radfahrer verboten, was zumindest einigen Einheimischen wichtig ist, die sich gleich beschwert haben, als ich dort fuhr. Von den Radstreifen kann man aber weder mal eben schnell ein Foto auf der Flussseite machen, noch kann man mal eben in die City-/Fußgängerzone abzweigen – man ist quasi gefangen auf dem Streifen und darf langsame Ampelschaltungen aussitzen, wenn man wechseln will. Dabei wird man von ambitionierten Stadtradlern auch noch umgefegt. Aus Sicht des Reiseradlers, der ja mitunter städtische Erkundung im Auge hat, sind diese innerstädtischen Radstreifen komplett ungeeignet. Selbst die Radwegstreifen auf der weniger belebten Promenade zwischen den beiden Buchten ist eher eine Rennmarkierung für Jogger – Basken joggen aber weniger, sondern rennen mit Vollgas – das so nebenbei bemerkt. Dort ist allerdings die Flaniermeile der Fußgänger noch breiter und Konflikte kaum denkbar.



Wer Donostia besichtigen möchte samt diverser Museen, Freiluftkunst, Aussichtspunkten, speziellen Locations und einem gewissen Spektrum an Kulinarik, braucht mehrere Tage Aufenthalt in der Stadt. Für wenige Stunden bleibt eher nur ein Gang durch ein paar Straßen und Gassen, bei besserem Wetter ein Strandsprung ins Meer. Diesen ersetzte ich quasi durch den Besuch eines kleinen Fotomuseums mit Kameramodellen verschiedener Generationen und einer Fotoausstellung, die man auch bewerten durfte. Das eintrittsfreie Museum befindet sich genau dort, wo die bebaute Zone aufhört und die felsbegleitete Promenade (Paseo Nuevo) mit Radweg von der Zurriola- zur Concha-Bucht beginnt.



Ein weiteres Fotomuseum erspähte ich in Zarautz, konnte es aber da nicht besuchen. Am Paseo Nuevo finden sich weiters freie Kunstobjekte, etwa von Jorge Oteiza, der vielleicht bedeutendste baskische Vertreter abstrakter Kunst mit seinen offen interpretierbaren Stahlkonstruktionen. Vom Paseo Nuevo und den Panoramawegen zur Festungsanlage gelangt man zur Hafenebene mit Altstadtanschluss und Concha-Strand mittels eines kostenfreien Fahrstuhls.



Hondarribia (nur wenig angeschaut) glänzt mit dekorativen und bunten Holzbalkonen an den Häusern, zu unterscheiden vom baskischen Fachwerk, das die gesamte Hauskonstruktion trägt. Derlei buntes Gebälk ziert auf eindrucksvolle auch den Fischerort Pasai Donibane, der sich ganz eng an den Felsen schmiegen muss, für die schmale, gepflasterte Unterstadtverbindung durch überbaute Gassen ein ampelgeregelter Einbahnverkehr besteht. Zum gegenüberliegenden Stadtteil San Pedro verkehren ständig Personenfähren, an den Kais tummeln sich die heimischen Kinder beim Wasserspringen, der Marktplatz ist zugleich Badeplatz. Für etwas ruhigere Badenischen führt ein Weg in Richtung Kap, nach dem hippen Kneipentreffpunkt am Ende des befestigten Weges nur noch ein Trampelpfad durch Gebüsch (offiziell wegen Steinschlaggefahr Begehung untersagt, was aber offenbar nicht beachtet wird). Und wäre nicht ohnehin schon Victor Hugo hier wohnhaft gewesen (Museum vorhanden), so muss man dieses Städtchen als Ort der Poesie bezeichnen, in dem auch zahlreiche Fischrestaurants und gehobene Küche den Gast erwarten – mal wieder hatte ich den falschen Etappenrhythmus, strandete abends in genau gegensätzlicher Provinz, die schlagartig jenseits von Errenteria beginnt.



Ach ja, die Pintxos. In San Sebastián sollen es die besten geben. Gleich an einer Ecke zur Altstadt von der Concha-Promenade kommend fand ich eine solch ausgezeichnete Pintxo-Bar, auch Restaurant. Darf man tatsächlich kein Menü klassischen Zuschnitts bestellen, das war nur durchschnittlich. Die Pintxos an der Theke machten da weit mehr Eindruck. Das Prozedere ist leider immer wieder etwas anders, meistens zahlt man direkt an der Theke, wenn man auswählt. Manche haben Pauschalpreise für eine gewisse Anzahl von Pintxos, aber es gibt Standard-Pintxos und Spezial-Pintxos, die dann mehr kosten, evtl. nicht im Portfolio drin sind. Einige warme Pintxos sind nicht ausgestellt, muss man bestellen, reguläre Speisekarten gibt es nicht. Manchmal bekommt man einen größeren Teller für mehrere Pintxos, manchmal muss man mehrere Teller von der Theke wegschleppen, weil jedes Pintxo mit Teller und Besteck ausgehändigt wird. (Auch Croissants werden mit Besteck gereicht und gegessen!) Das ist nicht unbedingt immer übersichtlich und praktisch.



Den vollendeten Pintxo-Genuss leistete ich mir in Getaria, das Meer setze sich dort in mich hinein. Der Ort ist Müßiggang pur, schon wieder Poesie – alte Ausgrabungen, Flaniermeile des guten Geschmacks, von auffällig vielen internationalen Gästen besucht, künstlerische Shops und Galerien, Fischereihafen und ein entschleunigter, schattiger, kaum besuchter Küsteninselberg San Anton, den man zumindest teils mit Rad auffahren kann. Strände sind Nebensache, hingegen führt ein langer, mit edlem Geländer dekorierter Promenadenweg neben der Straße von Zarautz am Meer entlang. Ich fand einen Fotografen, Kommunikator, auch mal gelegentlich Poet, Surfer, Globetrotter und Verkäufer, der regionale Meereskonserven, aber auch Souvenirs oder holländische Schokolade in seinem Laden „Cetaria“ anbietet. Offensichtlich hat der Australoamerikaner zwischen Sydney, Hawaii und Nepal in Getaria seine geliebte Wahlheimat gefunden und promotet gerne die Vorzüge des Baskenlandes. Jonathan musste natürlich auch den deutschen Globetrotter schon wegen der farblichen Akzente – nicht unähnlich den baskischen Nationalfarben – porträtieren und der Facebook-Gemeinde vorstellen. Ich will nicht nachstehen, das Licht des Ortes in seine gemäße Stimmung zu dichten:


Getaria

Wohlgeruch die Gassen füllt – menu del día,
wilder Fels umrankt so steil, so grün – Getaria,
segeln Möwen leicht am Horizont gemein,
Fisch gefangen schuppig rau und fein.

Lachen meinst du, aber mehr Gekreische,
wehend‘ Haar die Lippen süß erreiche,
glüht mein Liebesflug ins ferne Blaue,
feucht geleckt im Speichelgaumen.

Weit der Ferne betört deines Auges Blinzeln,
Gichtfontänen schmeicheln deine Brandungsinseln,
mich so prickelnd heiß und leicht verführt,
dein Gesang vom Meeresgrund Sirenen kürt.



Bildergalerie EUS-4 (152 Fotos, bitte Bild anklicken):



Fortsetzung folgt