Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen

von: veloträumer

Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen - 27.03.19 20:10

EUS-7 Südseeinseltraum, verschlungenes Delta, bemalte Bäume, Krieg & Frieden: Die Costa de Vizcaya (Teil 1) zwischen Ondarroa und Mundaka mit dem Parque Natural de Urdaibai

Mi 4.7. Alto de Ixua – Eibar – Ermua – Mallabia – Osma – Puerto de Trabakua (440 m) – Markina-Xemein – Ondarroa – Lekeitio – via BI-3238 – Ea – Ibarrangelu – Playa de Laga
80 km | 12,9 km/h | 1045 Hm
Ü: C frei
AE: R Toki-Alai: Muscheln im Sud, Pommes; Cuajada-Crème m. Walnüssen & Honig; Roséwein 32,80 €

Do 5.7. Playa de Laga – Laida – Camping Arketa – Isla – Zelaieta – Kortezubi – Basondo/Cueva de Santimanine – Oma – Wanderung Bosque Pintado de Oma (ca. 1 h) – Barrio Elejalde/Bi-3242 (~ 205 m) – Gernika-Lumo (Besichtigung Museo de la Paz, ca. 1 h) – Mundaka
43 km | 12,0 km/h | 665 Hm
Ü: C Portuondo 16,35 €
AE (dito, self service R): Hähnchen, Pommes, Pimentos; Cocktail Valecino m. Eis & Orangensaft/-likör; Roséwein 32,60 €

Der Etappenfolge geschuldet, führe ich erst hier die Costa Vasca fort, allerdings bereits in der Provinz Bizkaia, entsprechend daher auch spezieller als Costa de Vizcaya bezeichnet. Nicht gerade gering sind auch hier die besonderen Orte. Das zwang mich sogar dazu, diesen Abschnitt nochmals in zwei Abschnitte aufzuteilen – wäre sonst die Bildergalerie zu umfangreich geworden. Immerhin bietet hier die Ria de Gernika eine recht markante natürliche Grenze für zwei in etwa gleich große Teile. Teil 1 schließt demnach die gesamte Brackwasserbucht mit ein – gleichwohl geschlossen zu beiden Seiten auch Naturpark, Teil 2 beginnt entsprechend wieder an der offenen See in Bermeo.

Schon zu Anfang setzt Ondarroa an der Mündung des Rio Artibai mit einer lang gestreckten Altstadt architektonische und detailverliebte Akzente. Lekeitio verblüfft mit einer weiten Inselbucht, die sich immer wieder aus anderen Perspektiven betrachten lässt und einen an die Südsee denken lässt – nur: Gibt es dort so häufig dunkle Wolken? Die Stichstraße zum Leuchtturm führt zu einem Ausflugslokal mit Meerausblicken, die nicht weniger traumhaft sind. Ea scheint sich eng an ein Bergtal anzuschmiegen, ein schnuckelig kleiner Brückenort – und doch auch ein Hafenort, wenngleich die Bucht nur eine Messerspitze schmal ist. Ohne Ortschaft, aber mit Strandrestaurant, lässt sich an der Playa de Laga der Sonnenuntergang genießen – ein der schönsten Sandstrände, mit angedeuteten Zuckerhutfelsen.



Weitere goldene Sandstrände mit kleinen Fischerhäfen umlagern Ria de Gernika – ganz ohne den Wellengang des offenen Meeres. So findet sich hier kindergerechte Urlaubskultur, mit nicht immer schönen Ferienwohnungen in den Hanglagen, mit je einem Campingplatz zu jeder Seite der Bucht. Das kann den Charme der Natur dieser Bucht aber kaum beeinträchtigen, die sich alsbald in ein vieladriges Flussdelta mit kleinen, sumpfigen Grasinseln verwandelt – nur in der Vogelperspektive als silbrig-grünes Schleifenidyll zu entziffern. Zwar mit großer Aussicht eher nahe der Meerseite, möchte ich den Mundaka-Camping weniger empfehlen, zu eng gepackt fühlt man sich im recht steilen Gelände, nicht unbedingt immer gerade Flächen für den Zelter. Direkt neben dem überteuerten Bedienrestaurant findet sich noch ein Selbstbedienungsrestaurant, auch überteuert, welches einzig die Sättigungsfunktion erfüllt und wenig Appetit auf einen wiederholten Besuch macht.

Schon Ende – nicht mehr? – Oh, doch! – Die Ria de Gernika wird recht großräumig vom Parque Natural de Urdaibai umschlossen. Zwei Attraktionen warten dort in und bei Basondo. Die Cueva Santimamiñe mit prähistorischen Höhlenmalereien war aus diversen technischen Gründen nicht zugänglich, obwohl der Ticketverkäufer noch Rede und Antwort stand. Eine kleine illustrierte Geschichte der prähistorischen Lebensweise lässt sich auf Steintafeln außerhalb im Park anschauen.

Ganz anders braucht es für den Bosque de Oma „El Bosque Pintado“ keine Eintrittsbeschränkungen, ist es doch zunächst einmal nur ein schlichter Kiefernwald. Aus schlicht wird bald bunt. Der Künstler Agustín Ibarrola bemalte bereits in den 1980er Jahren zahlreiche Bäume, Farbe erneuert 1998. Es handelt sich aber nicht um einfach aufgetragene Farbe, sondern um eine Vielzahl von Mustern, die unterschiedlich große Baumgruppen bilden, und die man nur erkennt, wenn man an bestimmten Sichtpunkten in eine eigens dazu markierte Richtung schaut. Die Bedeutung der in recht steilem Gelände zu erwandernden und nummerierten Elementgruppen entnimmt man einer Übersicht, die man bei dem Höhlenticketkiosk erhält. Leider gestaltete sich die Besichtigung mit Fotoapparat etwas schwierig, rieselte doch andauernd die atlantische Wolkensuppe hernieder.



Als Radler hat man hier einen großen Vorteil, weil man nicht nur vom Parkplatz bis zum recht weit entfernten Eingang zum Oma-Wald über sonst für den Allgemeinverkehr gesperrte Straße gelangt, sondern auch die schmale, teils steil ansteigende Fahrbahn noch weiter als Durchgangsverbindung zur BI-3242 fahren kann, auf der man z.B. runter nach Gernika-Lumo gelangt oder weiter die Südecken des Naturparks mit dem Balcon de Bizkaia erkunden kann. (Forumskollege Moarg schwärmte noch nahebei vom Aussichtsberg Oiz – das empfahl sich heute nicht wirklich.) Witterung und Zeitfenster drängten mich zur Abkürzung direkt nach Gernika-Lumo.

Schon der Wald von Oma ist auch eine Begegnung mit Gewalt – Gewalt, die das Maß verloren hat, auch wenn ihr Impuls einmal von Motiven von Gerechtigkeit und dem Kampf gegen Unterdrückung geleitet war. Stellte sich Ibarrola in der Zeit der politischen Neuordnung Europas in den 1950er und 60er Jahren an die Seite der antifrankistischen Kommunisten, wanderte für den baskischen Standpunkt in die Kerker des spanischen Nationalstaates, und wurde gleichwohl von den ETA-Separatisten als Verräter an der baskischen Identität bekämpft, nachdem er sich 1999 unter ¡Basta Ya! zu einem der Wortführer gegen den Terrorkampf der ETA machte. Selbst sein Regenbogenwald – die Farben des friedlichen Miteinanders – wurde Opfer von Borkensabotage und der immer heimatverbunden gebliebene Vaterlandsbaske bekam zwei Leibwächter von der spanischen Zentralmacht zur Seite gestellt. Die Zeitung El País nannte ihn dann auch einmal „den Einzigen, der stehen bleibt“ – das ist eben was Haltung von Rattenfängern unterscheidet, die überall und immer wieder den Planeten verseuchen und stets die werten Werte verraten.





Stehenbleiben, Abscheu des Verbrechens, Atem holen, Haltung zeigen – das durchfährt mich gleichwohl auf der nächsten Ortsbegegnung. Das historische Schicksal der Stadt Gernika scheint in gewisser Weise auch ihr Kapital zu sein, präsentiert doch die Peripherie intakte Gewerbebetriebe und einen modernen Krankenhausbau, wuselt in der Innenstadt eine große Einkaufszone neben vielen historischen Besichtigungspunkten und verzierten Fassaden, die auch Maler anlocken. In der Geschichte der Basken wurde Gernika zum Zentrum der wichtigen Entscheidungen des Volkes, ihrer Freiheit und den Sonderrechten, den Fueros (Foralrecht) – in symbolischer Weise unter einer Eiche getroffen, die nach Ableben stets durch eine neue Eiche ersetzt wurde, die aus den Eicheln der alten erwachsen ist. Einige Eichen überlebten Jahrhunderte, andere verendeten recht schnell. Tragisch für die Geschichte der dritten Eiche, die das faschistische Infernal auf Gernika überlebte, aber später an schlichtem Pilzbefall verendete.



Es war mir ein Anliegen, das dortige Friedensmuseum (Museo de la Paz) zu besuchen. Zwischen den zwei Etagen schweigt eine Kopie des berühmten Gernika-Bildes von Pablo Picasso, das Mahnmal gegen den modernen Krieg. Die spanischen Nationalisten unter Francisco Franco drohten im Spanischen Bürgerkrieg (1936-39) den beabsichtigen Sturz der demokratischen Rebublikaner zu verwirken. Sie suchten daher die Kollaboration mit den faschistischen Kräften aus Italien und Deutschland. Für die Legion Condor der deutschen Wehrmacht stellte das Bombardement jedoch mehr einen Probelauf für Taktik und Kriegsgerät für den 2. Weltkrieg dar als eine echte „Bruderhilfe“ unter Faschisten. Letztlich wurden Hitler und Franco nie rechte Freunde, ließ Franco sogar Nazi-Verfolgte über Spanien in die Welt ausreisen. Die neu erdachte Kriegsführung der deutschen Faschisten bestand in der Demoralisierung der Menschen durch Bombardierung der Zivilbevölkerung, nicht von strategischen Zielen. Erstmals wurde ein komplett wehrlose Stadt angegriffen. Brücke, Waffenfabrik und sogar die Eiche wurden nicht bombardiert, wohl aber der volle Marktplatz, der gesellige Mittelpunkt des zivilen Lebens. Der Zynismus griff noch weiter, soll doch eine Begründung für den Angriff gewesen sein, dass General Wolfram von Richthofen Hitler ein Geburtstagsgeschenk machen wollte. Ähnliches, fast vergessen, trug sich bereits kurze Zeit zuvor in Durango zu, wurde aber wohl wegen Picassos Gernika-Bild weit weniger bekannt.

Neben der menschenverachtenden Taktik des deutschen Bombenangriffs am 26. April 1937 auf das wehrlose Gernika gehört es zu den neuen Formen des Krieges, systematisch und politisch-strategisch Lügen zu streuen, wie etwa den eigenen Angriff zu leugnen und als inszenierte Brandkatastrophe der antifaschistischen Rebellen zu verkaufen. Doch wer heute schaut, frägt sich, wie das Zurechtbiegen von vermeintlichen Wahrheiten in die freiesten, wohlhabendsten und friedlichsten Gesellschaften ungebremst Einzug halten kann, um genau wieder jenen hasserfüllten Unfrieden zu nähren, der die Welt schon einmal an den Abgrund – die Stunde Null – brachte. Obacht, der spricht von Lüge und es selber tut und Wahrheit leugnet! Achtet die Sprache, die aufrichtige! Und wir sehen uns wieder dort, im Wald der vielen Bäume, auf der Suche, was Haltung bedeutet – bei der Sehnsucht, dass die fragile Borke der Regenbogenfarben halten möge.



Ins Gästebuch trug ich ein paar spontane Worte ein, obwohl innerliche Sprachlosigkeit mich bis in die zittrige Schreibfeder hinein quälte:

Die Stille bringt alles zurück –
das Rauschen des Meeres
das Schreien der Toten
die Scham der Schuld
Wohl doch schön, dass
Gernika lebt und rauscht
– ich gäbe dazu gerne eure Seelen zurück
lasse sie weinen, im Regen der Biskaya
und doch – es wäre so schön
jeden Tag Sonnenschein und laute Lieder
die Geschichte ist Schrei und Gesang
Regen und Sonne – immerzu alles.
Biskaya, auch Du!




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Fortsetzung folgt