Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen

von: veloträumer

Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen - 28.03.19 22:20

EUS-8 Steile Klippen, Bergbaulöcher, Ölraffinerien, Belle-Époque-Villen & Jazz-Groove: Ein schwebender Brückenschlag an der Costa de Vizcaya (Teil 2) zwischen Bermeo und Balmaseda mit der Bilbo-Agglomeration

Fr 6.7. Mundaka – Bermeo – Cabo Matxitxako – Alto de San Pelaio (302 m) – Bakio – Alto de Goitosolo (282 m) – Armintza – Elexalde – Plentzia – Barrika – Sopelana – Getxo – via Paseo de la Galea – Azkorri (playa/parking)
69 km | 11,9 km/h | 1245 Hm
Ü: C frei
AE (Getxo): 2 verschiedene Tapas-Bars: Tapas, Bier ~20 €
B: Getxo Jazz (Bilderband, Billy Hart Quartet feat. Joshua Redman) 15 €

Weniger touristisch als die Orte in der Ria de Gernika zeigt sich Bermeo mit geschäftigem Fischereihafen und als historisch bedeutende Stadt am Meer. Zahlreiche Bars und Restaurants laden zum schmackhaften Verweilen ein, Sehenswertes wie ein Kunstgarten, eine Galeere, ein Kreuzgang aus dem 14. Jahrhundert, kühn schmale Treppengänge und Häuser am alten Hafen, die Wellenskulptur an der Hafenmole machen Lust auf viele Entdeckungen. Aufstieg und Fahrt zum Cabo Matxitxako verlaufen teils durch Eukalyptus-Küstenwald. Die Stichstraße zum Kap wird gerade erneuert. Der Leuchtturm eher unspektakulär, aber Meer weit. Mit Mountainbike könnte man Abkürzen, es gibt einen Weg direkt zum Aussichtspunkt Merendero an der Küstenstraße.



Eine Kuriosität besonders für Pilger ist die auf einer Felseninsel isolierte Klosteranlage San Juan de Gaztelugatxe, die gut sichtbar immer wieder von der Küstenstraße zu sehen ist. Man kann hier auch eine Stichstraße abfahren und über die Dammbrücke zum Kloster gelangen, was ich aber ausgelassen habe, derweil nach Teleblick zu urteilen dort auch recht massierte Besuchergruppen zu sehen waren, wie auch Busse am oberen Parkplatz nahelegten. Eher viel Platz findet sich an den immer von diversen Felsblöcken aufgelockerten Strandabschnitten des recht funktionalen Ortes Bakio, da eher nur von Einheimischen besucht.

Nach Westen folgt eine häufig auf und ab führende, verwinkelte Nebenstrecke immer wieder durch Wald, zu Aussichtspunkten oder kleine Stranddörfern, so etwa Armintza mit moosgrünem Flysch- und Geröllstrand. Kurz zuvor quert man die Küstenpassage an einem Gelände wie aus einer anderen Welt vorbei, totes Betongestein und zahlreiche Leitungen. Das Nuklearzentrum war jedoch nie in Betrieb gegangen, die ETA sorgte mit drei Terroranschlägen auf das Gebäude – darunter mit Todesfolge auf den leitenden Ingenieur – für eine solch politisch prekäre wie auch wirtschaftlich desaströse Lage, dass 1984 der Bau endgültig eingestellt wurde. Warum das Werk nicht gänzlich abgetragen wurde und die Bucht nicht für Besiedlung und Strand genutzt wird, entzieht sich meiner Kenntnis.



Mit Armintza beginnt eine weniger küstengebirgige, mehr gedämpfte Hügellandschaft, die auch vermehrt flächige Besiedlung erlaubt und schon im Sog des Großraums Bilbao steht. Das bedeutet jedoch nicht unschöne Verbauung oder fehlende Natur. Bei Plentzia erstreckt sich ebenso eine geschützte Flussdeltalandschaft wie auch der quirlige Ort moderne Architektur mit lebenswerter, auch touristischer Infrastruktur gelungen verbindet. Weil ich schnellstmöglich nach Getxo gelangen wollte, gestaltete sich die geradlinige Route durch Sopelana und Berango eher reizlos, lediglich Barrika überzeugte noch. Diverse Baumaßnahmen machten die Einfahrt nach Getxo etwas schwierig, die Autoorientierung der Straßen beherrscht den Verkehr, auch wenn sich an den Rändern und einigen Cityteilen sichtbare Radinfrastruktur findet.

Diese Radinfrastruktur entfällt insbesondere auf eine Meerroute, die teils als asphaltierter Radweg neben der Straße die letzten Siedlungsabschnitte hin zum Leuchtturm erschließt, später meist als betonierter Küstenwanderweg über den Klippen Spaziergängern, Joggern und Radlern mindestens bis Sopelana einen Weg durch naturgeschützte Küstenvegetation ermöglicht. Diesen Weg bin ich sowohl nachts als auch morgens bis und retour zu einem Parkplatz bei Azkorri gefahren, wo ein erster außerstädtischer Strand zugänglich wird.



Getxo sollte schließlich Etappenziel werden, weil ich dort ein Konzert des Jazzfestivals besuchen wollte, dass gemäß Routenverlauf das einzige der drei großen Jazzfestivals im Baskenland war, welches in meinen Zeitplan passte – San Sebastián und Vitoria-Gasteiz folgen später im Juli. Mit geradezu schweizerischer Uhrenpräzision erreichte ich genau 20 Minuten vor Konzertbeginn den Ticketkiosk, anbei einem Hallenzelt, also nicht Open Air, sondern nur zu einer Seite offen. Die Festivalbühne ist zentral gelegen inmitten der Treffpunktmeile mit zahlreichen Pintxo-Bars umher, sodass ich sowohl noch vor dem Konzert, als auch gegen Mitternacht zu ein paar Genusshäppchen kam.

Gemessen an einigen Locations vergangener Konzertevents, die ich auf Radreisen besucht habe, ist das Ambiente weniger romantisch angelegt, aber gut organisiert und weniger trubelig als etwa das vorjährige Nizza-Jazzfestival mit dem Desaster überambitionierter Ordner. Das Fotografieren war also diesmal kein Problem, wenn man mal von Eigenheiten der Musiker absieht wie der emotionslos dreinblickende Pianist Ethan Iverson und der in den Ansagen durchaus humorige Bandleader Billy Hart, der sich aber beim Spiel recht tief hinter den Becken und Trommeln verschanzte. Ungeachtet fotogener Details war die Performance erste Sahne. Was Iverson, Hart und Bassist Ben Street an spielierischen und rhyhtmischen Delikatessen darreichten, vermochte der gefeaturte Tenorist Joshua Redman zu einem erdigen Jazzgericht weiter anzurühren, dass die Membranen der Hörmuscheln ebenso zischen und pulsieren ließ, energetisch in alle Ecken hineinimprovierte, nicht ohne feinsinnige Harmonie- und Melodiebögen zu spannen, die ausgetüftelt dynamischen offbeat spirits folgten – Bauch und Intellekt mitreißend verbinden konnten. Ein nicht unerheblicher Teil des Konzerts ist online, leider in eher magerer Soundqualität: Billy Hart Quartet feat. Joshua Redman at Getxo Jazz Festival (36:22 min.).



Etwas zu wenig frische Ideen für einen mitreißenden dirty sound brachte die Vorgruppe Bilderband aus Mannheim, die an dem recht renommierten Nachwuchswettbewerb des Festivals teilnahm. Manche Free-Einlagen wirkten zu abgegriffen und berechnet. Sie spielten schöne Themen mit gelungenem Interplay, sehr hörenswert, aber dürfte da und dort etwas mehr modernen Pfiff haben, eine Spur zu konservativ – Potenzial ist vorhanden. Wie im Nachhinein erfahren, konnte sich Bilderband nicht unter den drei Siegerbands platzieren, vielleicht sahen es die Juroren ähnlich wie ich. Der Auftritt ist sogar komplett online: Bilderband at Getxo Jazz Festival (49:13 min.).

Sa 7.7. Azkorri (playa/parking) – via Paseo de la Galea – Getxo – Las Arenas || Puente de Vizcaya || Portugalete – Trapagaran – Alto de la Reineta (403 m) – La Arboleda/Zugaztieta – Ortuella – Muskiz – Sopuerta – Alto de Avellaneda (261 m) – Balmaseda
63 km | 10,2 km/h | 1130 Hm
Ü: C frei
AE: R Los Gelemos: Entreôte, Pommes, Pimentos; Crèmekuchen; Lambrusco, Café 19,30 €

Getxo selbst hat zwei Stadtstrände, der nördliche, ziemlich von der höher liegenden Stadt abgetrennte ist dabei weniger belagert. Mehrere Stadtteile verteilen sich auf Ober- und Unterstadt, die auch durch einen (kostenpflichtigen) Fahrstuhl verbunden sind. Die oberhalb der Promenade verlaufenden Höhensäume bilden die Kulisse mit vornehmen Bürgervillen, von denen einige im Stadtteil Las Arenas schlossartige Türmchen tragen. Ebenso Höhepunkt wie Abschluss der baskischen Küstenfahrten bildet die Puente Colgante/Puente de Vizcaya, jene eifelturmähnliche Stahlkonstruktion der Schwebefähre zwischen Getxo/Las Arenas und Portugalete, die längst zum UNESCO-Kulturerbe erhoben wurde. 2008 hatte ich bereits zur Gegenseite gestanden, diesmal bin auch übergefahren, dort gleich ein traditioneller Festaufmarsch stattfand wie auch einige Adrenalinsüchtige mit Bungee-Jumping den Fährbetrieb etwas aufhielten.



Noch lange das Panorama auf die Bilbo-Agglomeration im Blick, steigt man nicht ohne Wadenbeißerqualitäten nach La Arboleda auf, eine alte Bergbauregion, deren Erdeinbrüche eine Reihe von Seen gebildet haben und heute als Erholungsgelände mit Freiluftkunstwerken dient. Passend zum Picknickplatz gibt es dann auch eine überdimensionierte Gabel aus Stahl. Zusammen mit schroffen Felszapfen hat sich eine sehr attraktive Landschaft entwickelt. In La Arboleda wurde gleich noch die Vorbereitung für ein Radrennen getroffen. Fährt man nach Muskiz ab, muss man eine teils sehr hässliche und rauchige Industrielandschaft ertragen, eine alternative höher liegende Route war weder ausgewiesen noch ließ sich diese erfragen, existiert aber laut GoogleMaps.

Mit Muskiz endet die direkte Anbindung an die Costa de Vizcaya und die Kette der Raffinerieanlagen am Meer, wie es dann nur noch wenige Kilometer bis nach Kantabrien wären. Noch bis Artziniega beherrschen dicht wuchernde Flusstäler das Küstenhinterland, hier in der letzten Etappe nach Balmaseda ab Muskiz anfangs auch über einen Bahntrassenradweg radelbar, der allerdings stark bremsende, wechselnde Beläge aufweist – da helfen die Investitionen in dekorative Holzbrücken wenig (daher nicht gefahren). Nach mehreren Hügeln wartet als kleinstädtische Perle Balmaseda mit einer alten Steinbogenbrücke, deren Torturm einst als Zollgrenze diente – ich kam heuer frei rüber. Mit der unmittelbar am Fluss liegenden Häuserfront schält sich ein märchenhaftes Ortsbild heraus, nochmal in gemalter Form auf einer Mauer abgebildet und somit ein gelungener Brückenschlag zum nächsten Kapitel.

Bildergalerie EUS-8 (103 Fotos, bitte Bild anklicken):



Fortsetzung folgt