Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen

von: veloträumer

Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen - 31.03.19 21:08

EUS-11 Schau, die Buche, sagt die Eiche – Weidehaine, Hinkelsteine, Geierfelsen, Dorfjuwelen, Blau-azur, Käse-bleich: Durch die Bergwelten Urbasa, Andía, Aizkorri-Aratz, Aralar und das Valle de Ollo nach Puenta la Reina

Dieses letzte Gebietskapitel umfasst eigentlich vier markant unterscheidbare und besuchenswerte Gebirgsregionen, die ich jedoch etwas schneller als erwartet beradelt habe. Während die südlichen Gebirge Urbasa und Andía bereits Teil der Provinz Navarra sind, führen Aizkorri-Aratz und Teile von Aralar noch einmal zurück nach Gipuzkoa. Diese „externe“ Schleife umfasste aber nur einen Tag.

In der Sierra de Urbasa sah ich eine weitere Querung der aparten Fels-, Weide- und Buchenhain-Hochebene zwischen Lizarraga-Pass und dem Urbasa-Camping beim Infozentrum des Parks als redundant an, sodass ich bereits einen Tag früher die Sierra Aizkorri-Aratz erreichte. Das soll nicht heißen, dass man im Urbasa-Park auch einen entspannten Urlaub über eine Woche verbringen kann – die entschleunigte Naturwelt ist gleichwohl vielseitig wie weitläufig. Aizkorri-Aratz sollten entsprechend besohlte Bergfreunde ggf. auch noch zur anderen Seite von Oñati bzw. dem Wallfahrtsort Arantzazu ansteuern, weil die Fahrt über den Basisort Zegama nur wenige Blicke auf das Bergmassiv freigibt und der Zugang hier schwieriger ist.

Eine weitere Kürzung betraf die Aralar-Route über das Kloster San Miguel. Diese als raue Betonpiste unten eröffnende Strecke ist seltsamerweise für Fahrräder gesperrt, nicht aber für Autos. Eine Begründung ist mir nicht bekannt, radelnde „Gesetzesbrecher“ sind bereits im Web belegt, auch Forumskollege Moarg war oben. Mir selbst war diese Sperrung aber einerlei geworden, hatte ich diesen geplanten Exkurs ohnehin aus zeitlichen Gründen von meiner Liste gestrichen, hinzu kam noch eine aufziehende Gewitterfront. Sicherlich wäre hier noch eine sehr felsige Landschaft bei der Auffahrt zu erleben, wie die untere Ansicht des Berges vermuten lässt.



Sa 14.7. Salvatierra-Agurain – Puerto de Opacua/Opakua (1020 m) – Legaire (Parkplatz) – Puerto de Andoin (1010 m) – Barrera de Arrasate – Puerto de Urbasa (927 m) – Mirador del Balcón de Pilatos o de Ubaba – Puerto de Urbasa – Zudaire – Baquedano – Wanderung Nacedero del Urederra (ca. 2 h) – Gollano – Camping Artaza
54 km | 11,7 km/h | 1100 Hm
Ü: C Artaza 11 €
AE (dito): Salat m. Ziegenkäse & Sardellen; Entrecôte, Pommes, Pimentos; Eiscrème; Rotwein, Café 23,10 €

So 15.7. Camping Artaza – Larrión – Estella-Lizarra – Puerto de Lizarraga (1031 m) – Etxarri-Aranatz – Urdiain – Altsasu – Puerto de Ortsaurte/Otzaurte (652 m)
81 km | 12,8 km/h | 1100 Hm
Ü: C frei
AE: Jatetxea Otzaurteko Bénta: Spargel; Lamm vom Rost, Salat; Crème Caramel m. Eis; Rotwein, Café 44,90 €

Urbasa – das sind auf dem Hochplateau meist aufgebrochene Buchenwälder und Bergweiden, angereichert von Eichenbeständen, Kiefern, Dorngewächsen, archaischen Totholzskulpturen, bergblumenreich die Ränder der Haine und Almwiesen verziert und großzügig verteilt Zeugnisse altmenschlicher Besiedlung in Form von Megalithen. Manchmal fühlt man sich an Heidelandschaften aus Gäu oder Schwäbischer Alb erinnert. Andere Teile sind stark von Steinmauern geprägt, mehr felsiger Untergrund, auch Geröll, dann mehr Eichen. Beim Urbasa-Pass hat sich eine riesige Abbruchkante (Balcón de Pilatos) gebildet, die Geiern, Adlern, Falken, Raben und anderen Felsvögeln eine großartige Nistplatzkulisse bietet. Man kann hier die Schotterpistenwege noch weiter ausfahren als ich das getan habe und weitere Aussichtspunkte des Felskessels ansteuern.



Zu beliebten Saison- bzw. Wochenendzeiten herrscht in Teilen größerer Wanderandrang, so etwa zu den Megalithen Legaire, die über den Puerto de Opakua und eine für Autos eingeschränkt nutzbare Hochweidepiste – weitgehend asphaltiert, nur ein kleiner Teil schottrig – zumindest näherungsweise erreichbar ist. Dort finden sich auch ebenso Menhire als einzelne Hinkelsteine wie auch Cromleche (Steinkreise), die sich weit verteilen und der unorthodox dahingetupften Landschaft geometrische Muster verleihen. An dem Fahrweg werden aber auch beliebige Plätze als Ausgangspunkt von Wanderungen genutzt. Hingegen ist zur Gegenseite die Straße vom Urbasa-Pass nur für motorisierte Fahrzeuge mit Genehmigung erlaubt, ein Verstoß mit drakonischen Strafen angekündigt. Die Straße ist unweit des Abzweigs zu den Megalithen mit einer Barriere aus Steinblöcken zudem verstellt, sodass auch das Rad recht mühsam übergehoben werden muss, ohne Taschen abzumontieren geht es nicht. Es ist jedoch mehr als eine Durchfahrtssperre, denn gleichwohl verläuft hier die Grenze zwischen Euskadi und Navarra. Es fehlt zudem an einer durchgehenden Ausschilderung, obwohl das Radfahren erlaubt ist. Verwirrend daher auch eine Verzweigung beim Menhir de Itaida, soweit aber hier die südliche Pistenvarianten ebenso zum Ziel nach Osten geführt hätte – möglicherweise dort auch keine Sperre vorhanden. Der besser besuchte und schönere, westliche alavesische Teil wird auch separat als Sierra de Entzia bezeichnet, alles was westlich der Naturparkgrenze Urbasa liegt, zudem auch als Limitaciones de Améscoa. Alles gehört jedoch geologisch zum Urbasa-Massiv.



Launig wirbelt man die kehrenreiche Südrampe des Urbasa-Passes hinunter (Gefälle trotzdem mäßig) – ähnlich, aber doch anders die Felsorgelkulisse zur Nordseite am Lizarraga-Pass. Die markante Felswand mit dem Balcón de Pilatos zur Südseite des Urbasa-Passes bildet einen tief eingeschnittenen Talschluss mit der Karstquelle des Urederra-Flusses – ein romantischer Wasserfall mit türkis-blauem Naturbecken, allerdings nicht zum Baden erlaubt und recht rigoros abgezäunt, gleichwohl Pilgerort für verliebte Seelen – eher selten einsam, da beliebtes Wanderziel, auch mal für ganze Busladungen. Der nicht ganz kurze Wurzelweg zum blauen Quellbecken ist nur zu Fuß erlaubt, letzte Abstellmöglichkeit für das Rad an einem Picknickplatz unweit des Eingangs mit Drehkreuz und jenseits des Ausgangsortes Baquedano, zuvor auch ein erlaubter Badeplatz unterhalb des Ortes. Uyarra und Urederra bilden gemeinsam das Valle de Améscoa zwischen Puerto Opakua und Estella als südliche Grenze zum Urbasa-Massiv. Weiter nach Süden fällt die Straße recht flach nach Estella ab.

Historisch als Pilgerzentrum zur königlichen Residenzstadt und als mittelalterliches Handelszentrum gewachsen, wirkt die Lizarra auf mich etwas protzig und überbaut, stellen sich die Blicke sehr steil auf zu den Dachkanten in der Altstadt, die modernen Bauten suchen Flucht in steil ansteigenden Seitenhügeln. Andere schätzen die Stadt als architektonische Perle, was wohl auch dem Postkartenblick mit der Römerbrücke geschuldet ist, die ich verfehlte. Auch in der jüngeren Geschichte spielte Estella eine gewichtige Rolle als Versammlungsort (Plaza de los Fueros) und später mit der tragischen Liquidation der Republikaner, mit der die Putschisten ihren schnellen Siegeszug in Navarra zu Beginn des Spanischen Bürgerkriegs einleiteten. Das historische Bewusstsein wird an dem Ort auch durch Fest und Forschung zum Mittelalter aufrecht erhalten, aus den modernen Zeiten ist Radsport ein fester Anker geworden (und zufällig komme ich jenseits der Stadt an den Rand eines offensichtlichen Radsportevents).



Ziemlich verschieden von der Route ab Urbasa-Pass ist die langatmige Auffahrt mit Zwischenhöhen zum Lizarraga-Pass. Dabei ist die Urederra-Route nicht nur schattiger, sondern auch abwechslungsreicher als die offenere und eher flussferne Lizarraga-Route, die erst mit Erreichen des Hochplateaus besondere, aparte Landschaftselemente mit Steinblumen und Flechten entfaltet, die sich nach Osten zum Andía-Massiv hin weiter fortsetzt. Das Andía-Massiv bildet mit Urbasa einen einheitlichen Bergstock, den ich erneut am übernächsten Tag von der Osteite her erreiche. Zur Gegenseite nach Norden besticht am Lizarraga-Pass (zwei Einkehrmöglichkeiten, Schotterpiste auf der Höhe nach Westen denkbar, aber recht rau) nach einem kleinen Tunnel eine weite Aussicht von der Felsabbruchkante des Urbasa-Massivs über das plane Arakil-Tal hinüber zum Aralar-Gebirge, eine Bergwand der Sierra de Andía schiebt sich dabei markant in den Vordergrund.



Hat man bereits jenseits der Urbasa-Runde die verkehrsreiche Talebene (meist auf Nebenstraßen verkehrsarm, neben der Autobahn) durchquert, eröffnet sich jenseits von Altasu (dort schlecht ausgeschildert) eine neue Waldlandschaft – manchmal gar parkartig hinauf zu einem leichten Pass. Die Freude ward heuer eingetrübt vom Aufzug eines komplett durch die Nacht tobenden Hagelgewitters, dem ich aber gerade noch rechtzeitig durch unerwartetes, gutes und beliebtes, aber auch überteuertes Restaurant auf der Passhöhe Otzaurte entkommen konnte. Obwohl nur eine handvoll Häuser, findet sich eine Kapelle mit ausreichend großem überdachten Steinbogenvorhof für eine geschützte Nachtruhe. Indes blieben die Flüsse der Region für zwei Tage braune Sedimentfluten und mancher Baum fand ein geknicktes Ende.

Mo 16.7. Puerto de Ortsaurte/Otzaurte – Zegama – Segura – Idiazabal – Iurre – Olaberria – Lazkao – Ataun-St. Martin – Puerto de Lizarrusti (620 m) – Arbizu – Lakuntza – Uharte-Arakil – Satrustegi – Irurtzun – Errotz – Anoz – Arteta (Salinas)
90 km | 12,8 km/h | 1070 Hm
Ü: C frei
AE: SV

Ganz im Unterschied zur Südostseite entwickelt sich auf der Nordseite des Otzaurte-Passes ein rauschendes, wildes Bergtal, ähnlich enger Schwarzwaldtäler, gegen Zegama mit einer alpinen Bergkulisse aufgewertet, die aber von den Wolken nicht ganz frei gegeben wurde. Das Aizkorri-Massiv, auch Ziel eines bekannten Berglaufs, beherrscht sodann bei guter Sicht den einladenden Bergort. Teils über eine explizite Radroute erreichbar (fortführend bis an die Industrie- und Siedlungsagglomeration Beasin/Idiazabal), hebt sich Segura als mittelalterliche (von der Stadtmauer sind nur noch Tore erhalten) wie pittoreske Perle hervor, mit zahlreichen Infotafeln zu den Gebäuden aus verschiedenen Epochen, zum System der Wasserversorgung und Kanalisation bis hin zu millionenalten Spurenfunden der einstigen Fauna. Einst kaum weniger bedeutend als Estella, versprüht das heute eher verschwiegene Bergörtchen einen besonderen und stillen Charme. Eine Empfehlung.



Die idyllische Berglandschaft wird allmählich durch Industrie, Gewerbe und Verkehrsachsen aufgebrochen, auch hier nur wenig Platz für die Ausdehnung der menschlichen Urbanisation. Idiazabal ist bekannt für seinen Käse, soll auch ein Käsemuseum haben, dass ich aber nicht finden konnte. Die städtische Agglomeration von Beasin kann man recht gut südlich über einen kleinen Querhügel umfahren, in Lazkao mündend – eine dicht gepackte Wohnstadt am Fuße des Aguantza-Tales. Erneut sind es nur wenige Kilometer, die die urbane Übersiedlung von den idyllischen, kaum besiedelten Bergtälern trennt. Ataun und San Gregorio sind noch zwei Bergdorfperlen, bevor sich eine einsame Buchenwaldstrecke durch die Sierra Aralar mit zahlreichen Kurven windet. So ist denn der faszinierende Teil auf den unteren Talabschnitt beschränkt, bleibt doch weiter oben und zur Südseite der recht flache Lizarrusti-Pass eher arm an Aussicht und Abwechslung.



Meidet man die Schnellstraße zwischen Arbizu und Irurtzun (die ich wohl 2008 gefahren bin), ist die Strecke nicht ganz flach, quert man schon mal die Schnellstraße und erklimmt einige abseits liegende Dörfer. Die Fahrt nach Irurtzun mündete schließlich in einem Wettrennen mit einer aus Westen angreifenden Gewitterfront. Dabei verbuchte ich den einzigen sportlichen Erfolg der Reise, blieb ich bei diesem Wettrennen doch unerwartet Sieger! Wahrscheinlich stoppte die Wetterfront noch vor Irurtzun, dass mir aber keine einladenden Avancen machen wollte.

Quasi beginnt damit ein weiterer landschaftlicher Einschnitt, in diesem Fall auch eine Wettergrenze. Obwohl immer noch dem Arakil folgend, schneidet eine Kluse bei Errotz die Talbereiche komplett voneinander ab. Dieser ersten kleinen eindrucksvollen Schlucht folgt noch eine weitere jenseits von Anoz, nunmehr schon im Valle de Ollo, welches zunächst die waldreiche Bindung an einen Bergfluss beschreibt, dann aber über weithin leuchtende Weizenfelder auf ein größeres Felsmassiv, die Ostseite der Sierra de Andía zustrebt. Dort frisst sich auf einer langen Passanfahrt die Straße panoramareich in den Fels und über die Felder.

Di 17.7. Arteta (Salinas) – via Piste – Ulzurrun – Manatial/Nacedero de Arteta – Ulzurrun – Arteta – Puerto de Arteta (820 m) – Goni – Aizpún – Urdánoz – Alto de Guembe (920 m) – Muez – Arizala – Alloz – Lerate/Embalse de Alloz – Irurre – Puerto de Arradia (628 m) – Garisoain – Alto de Guirguillano (725 m) – Artazu – Puente la Reina
92 km | 12,3 km/h | 1645 Hm
Ü: C La Reina 10 €
AE: La Conrada: Schnitzel, Pommes, Spiegelei, Kroketten; Schokotorte m. Eis; Rotwein, Café 21,10 €
ME (Muez): warme Artischocken m. Schinken; Hähnchenfilet, Pommes; Cuajada; Rotwein, Café 12 €

Arteta, zugleich Pass-, Orts- und Flussname, hält zusammen mit der Ulzurrun ein paar Besonderheiten bereit – etwa die frei zugängliche Saline in der Flussaue, über eine Piste ab Arteta erreichbar. Zur anderen Seite ist ab Ulzurrun die Karstquelle des Arteta-Flusses zu finden, ein gewaltiger Wasserschwall entsteht urplötzlich aus einem zuvor dahinplätschernden Bach, der sich zuletzt nur noch fast halsbrecherisch zu Fuß zwischen Felsspalten und auf glitschigem Stein mit weiteren Kaskaden erkunden lässt.



Am Arteta-Pass darf man kaum Verkehr erwarten, umso überraschender, dass 3-4 Busse auffuhren. Die luden in Goni eine Schülergruppe aus, die eine Herberge bezogen, die zu dem einzigen Hotel/Restaurant dort gehört, dass aber für den Normalbürger geschlossen hielt, wie es in dieser Gegend ohnehin kaum etwas Beißbares gibt. So musste ich letztlich unterhalb von Muez die fast einzige Einkehrmöglichkeiten mit einem Mittagsmenü nutzen, weil ich weder Abendessen noch einen Einkaufsladen auf der Strecke jenseits von Irurtzun finden konnte. Verzweifelt versuchte die Dorfjugend von Arteta meinen Missstand freundlich abzumildern, indem sie meine Schokoladenvorräte aufstockte. Ich bedanke mich, wurde aber auch nicht satt davon.

Der Alloz-Stausee setzt sich bereits am Guembe-Pass als blaue Lagune ins Bild. Die Landschaft hier passt schon eher in die Folgeetappe mit seinen zahlreichen Stauseen (vgl. EUS-3). Der See besteht aus einem Unter- und Obersee mit Staumauer dazwischen, Badestellen zu beiden Teilen zu finden, der eigentliche Seetourismus konzentriert sich jedoch am weit größeren Obersee und insbesondere um den Ort Lerate mit einer überschaubaren Zahl von Ferienhäusern und einem Campingplatz. Nicht unwesentlich scheint der Anteil von Tagesgästen zu sein, die zum Baden oder Bootsfahren kommen. Anders ist kaum zu erklären, dass sich keine breitere Ferieninfrastruktur ausgebreitet hat. Das bereits abseitige, herrlich aussichtsreich postierte Irure ist trotz einem Kunstmuseum schon nahezu ein toter Ort, dessen Jugendliche im See die einzige Attraktion vorfinden. Ist der landschaftliche Eindruck zum Guirguillano-Pass hin eher nur durchschnittlich, darf man den Wechsel zu einem dichten Kiefernwald im unteren Teil zur Gegenseite im Arga-Tal als sehr geglückt begrüßen. Alsbald verströmt dann die Brücke von Puente la Reina ein Gefühl von Ankunft und Heimsuchung.

Bildergalerie EUS-11 (146 Fotos, bitte Bild anklicken):



Fortsetzung folgt