Polen im März - Der Wartheradweg warthenah

von: Britta

Polen im März - Der Wartheradweg warthenah - 16.04.19 20:49

Hallo,

im März dieses Jahres hatten wir noch ein paar Resturlaubstage zu verbringen. Allerdings waren wir mit der Planung und Zielfindung diesmal extrem unentschlossen. Aus verschiedenen Gründen war lange nicht klar, wann wir den Urlaub nehmen könnten und auch über das Ziel konnten wir uns auch nicht entscheiden. Wir hatten zwar einige Ideen für „radfreie“ Winterwandertouren, allerdings war mein Fuß von unserer Silvesterwanderung in England noch etwas lädiert, so dass es letztlich doch eher Richtung Radtour tendierte. Frage nun: wohin? Für 10 Tage wollten wir uns den Stress mit dem Flieger ersparen, also sollte die Anreise per Zug in überschaubarer Zeit möglich sein. Idee 1: eine Tour quer durch Deutschland- Idee 2: Polen, den Warthe Radweg – der stand eh schon länger auf unserer „to do-Liste“. Da wir beide auch vor dem Urlaub zeitlich etwas knapp waren, fiel die Entscheidung letztlich auf Idee 2: die Urlaubsvorbereitung beschränkte sich darauf, den Zug Berlin – Warschau und eine Übernachtung in Warschau zu buchen, einen 200 km Track von Warschau zum Start des Warthe Radwegs zusammenzuklicken, den Track des Warthe-Radwegs aus dem Wiki zu laden und die Taschen zu packen. Alles Weitere würde sich unterwegs ergeben.
Es sei hier schonmal vorweggenommen – der Track, den wir letztlich gefahren sind, wich dann doch an vielen Stellen sowohl vom Wiki-Track, als auch vom markierten Weg ab. Das schlicht deshalb, weil wir möglichst viel Wegstrecke nah der Warthe fahren wollten. Und immer wieder fanden wir hier oft gut befahrbare Wege, die uns viel besser gefielen als die markierte oder getrackte Route.
Hier unsere letztlich gefahrene Strecke (um die gröbsten Verirrungen bereinigt) – landschaftlich einfach herrlich, es sei aber darauf hingewiesen, dass eine gewisse Vorliebe für Feld-, Wald- und Wiesenwege von Vorteil ist: zwinker
Von Warschau zur Warthe und Wartheradweg warthenah

Tag 1: Anreise nach Warschau

Der Beginn der Reise ist wirklich entspannt. Unser Zug geht um kurz nach neun, wir können also fast ausschlafen. Das Radabteil ist winterlich leer und so rollen wir gemächlich in rund sieben Stunden gen Warschau.



Eine Kleinigkeit gibt uns allerdings zu denken. Die Fähnchen draußen in den Dörfern flattern fröhlich im Wind – Richtung Osten… Irgendwie wäre es bei der angekündigten Wetterlage mit lebhaftem bis stürmischem Wind aus West für die nächsten 2 Wochen vielleicht cleverer gewesen, von Berlin nach Warschau zu radeln und nicht umgekehrt. Leider kommt uns die Erkenntnis ein bisschen zu spät. Da man das wirklich nur als eigene Dummheit bezeichnen kann, werde ich versuchen, im folgenden Text nicht allzu viel über den Wind zu klagen. Sagen wir mal, in der anderen Richtung wären wir sehr viel flotter unterwegs gewesen.
So bleibt der erste Tag aber erst mal entspannt. Warschau erreichen wir am Nachmittag. Für die erste Nacht haben wir hier ein Zimmer gebucht um uns noch ein bisschen in der Stadt umzusehen.


glücklicherweise nur ein Foto – herrje, das muss doch weh tun!

Die Altstadt gefällt mir ausgesprochen gut, wir essen gut und lassen es langsam angehen.



Tag 2: von Warschau nach Westen - 96km

Gut ausgeschlafen und gefrühstückt machen wir uns gegen 9 Uhr startklar. Wir werden zunächst eine Weile der Weichsel Richtung Nordwesten folgen. Der Radweg aus der Stadt heraus ist prima, zunächst entlang des Flusses, später dann immer mal entlang der Autobahn oder Schnellstraße, aber immer als separater Radweg, der gut zu fahren ist.





Nach ca. einer Stunde haben wir die Stadt hinter uns gelassen und nähern uns dem Naturschutzgebiet Kampinoski Park Narodowy. Hier geht es nun auf meist guten Waldwegen weiter.





Immer wieder öffnet sich auch der Wald und wir fahren durch kleine Dörfchen die Gelegenheit für einen Halt am Sklep, dem Dorfladen bieten.




Pause im Windschatten des Sklep – hatte ich erwähnt, dass es ziemlich windig war?

Die Waldabschnitte bergen leicht die Gefahr aufkommender Monotonie, aber immer wieder eingestreute Sandpassagen sorgen auch mal für Abwechslung.





Nachdem wir das Waldgebiet hinter uns gelassen haben, geht es eine ganze Weile auf Deichen oder neben Deichen nah der Weichsel weiter Richtung Westen.



Landschaftlich ein wunderschöner Abschnitt. Inzwischen ist auch die Sonne zwischen den Wolken hervorgekommen und wärmt den Gegenwind zumindest etwas auf. Wir folgen noch eine Weile den Deichwegen, bevor wir nach Südwesten abbiegen und uns auf die Suche nach einem Zeltplatz für die Nacht machen.



Den finden wir abseits der Straße auf einer Lichtung.



Ganz wohl ist uns dabei nicht. Das Gelände sieht aus, als würde hier gern mal Motocross gefahren und die einzig ebene Stelle ist offensichtlich eine Fahrspur. Eine ganz ähnliche Situation hatten wir vor rund 10 Jahren (allerdings in einem Naturschutzgebiet) mal auf einer Radtour in Portugal. Da schreckten wir nachts auf, als wir Motorengeräusche hörten und ich hab dann mit Stirnlampe im Schlafhöschen die anrollenden Geländewagen um unser Zelt geleitet, die hier grad eine nächtliche Wochenendralley veranstalteten. Die Fahrer waren damals in etwa so verdattert wir wir. Drum kommt heut nacht noch ein Reflektorband ans Zelt. Diese Nacht bleibt aber ruhig, vielleicht ist die Geländesaison hier noch nicht eröffnet.


Tag 3: Weite und Gegenwind - 102km

Der Tag heute bietet ein leichtes Kontrastprogramm zum gestrigen Tag. Während uns gestern oft der Wald Schutz vor dem Wind geboten hat, geht es heute zwar weitgehend über Asphalt aber durch komplett offenes Land über Felder weiter Richtung Westen.
Dankbar nimmt Bernd die erste Gelegenheit für einen Kaffee an einer Tankstelle wahr, denn die Möglichkeiten einen Kaffee zu bekommen sind hier in Polen rar gesät.





Wirklich beeindruckend allerdings sind die prächtig geschmückten Gräber auf den Friedhöfen.





Nach einigen weiteren etwas zähen Kilometern durch die weite Agrarebene kommt uns eine polnische Radlergruppe auf Sonntagsausflug entgegen.



Froh über die willkommene Abwechslung plauschen wir ein bisschen. Sie sind interessiert an unserer Reiseroute, bemerken aber auch, dass der Wind in unserer Fahrtrichtung aber schlecht sei… Ach was…

Wir strampeln weiter und erreichen pünktlich zur Kuchenzeit in einem größeren Örtchen ein kleines Café. Da ich keine Ahnung habe, was sich hinter den Leckereien, die da auf der Karte stehen verbirgt und die junge Bedienung auch kein Wort Englisch spricht, bestellen wir drauf los und bekommen einmal Apfelstrudel und einen großen Becher Eis. Super, heute wär eh alles lecker!



Frisch gestärkt geht’s an die letzten Kilometer über Land bevor wir dann nach gut 100 km in einem Wäldchen ein Platz für das Zelt suchen.



Tag 4: Auf zum Warthe-Radweg – entlang der Warthe - 102km

Bis zum Stausee bei Warta, wo der Warthe-Radweg beginnt, sind es heute noch gut 20 km. Die bringen wir recht flott und unspektakulär auf kleinen Landstraßen hinter uns.

Die Staumauer erreicht, halten wir erst mal zur Fotosession, bevor wir weiterrollen.



Als wir die Straße auf der Staumauer queren, hat allerdings ganz sicher unser Schutzengel seine Finger im Spiel. Durchaus anders ausgehen können hätte nämlich diese Situation:



Der direkt vor uns fahrende PKW hatte von seinem Anhänger eine Rolle Dämmmaterial verloren. Leider kam genau in diesem Moment ein großer LKW entgegengerollt, der glücklicherweise keine Ausweich- oder Bremsversuche unternahm sondern den Ballen einfach über den Haufen fuhr. Glück für uns, denn bei einem anderen Manöver wären wir vermutlich im Weg gewesen.

So biegen wir mit noch leicht klopfendem Herzen von der Straße ab und stehen kurz danach am Beginn des Radwegs:





Der Weg verläuft hier als Fahrweg neben oder meist auf dem Deich. Es fährt sich super und wir genießen die Landschaft – so sehr, dass wir schon bald feststellen, dass sowohl Track als auch Markierung den schönen Deich schon verlassen haben und auf Sträßchen parallel verlaufen.



Da sich der Weg aber gut fahren lässt, beschließen wir erst mal weiter dem Fluss zu folgen, und erst am nächsten Örtchen zur Straße zurückzukehren, um dort nach einem Laden Ausschau zu halten.



Da wir den Laden nicht auf Anhieb finden, fragen wir eine im Garten werkelnde Dame nach dem Weg – bzw. des Polnischen nicht wirklich mächtig beschränkt sich die Frage auf: „Sklep ?“ Wortreich und extra laut, damit wir sie auch bloß verstehen erklärt sie den Weg – immerhin bekommen wir mit, dass es wohl 2 Läden im Dorf gibt und dank der zahlreichen Gesten wissen wir dann auch, wo wir suchen müssen.



Wir kaufen ein paar Teilchen und Saft für eine kurze Pause. Weiter geht es dann über kleine Landstraßen – nun auf Track und markiertem Weg, der aber schon nach wenigen weiteren
Kilometern in Uniejow an einer Baustelle endet.



Während bei Douglas Adams Arthur Dents Haus einer Hyperraumumgehungsstraße weichen muss, ist es hier genau umgekehrt, der Hyperschöne Radweg muss einem klotzigen Neubau weichen.
Wir schlängeln uns an der Baustelle vorbei und stehen dann direkt vor einem sehr schicken Spa-Hotel. Es ist punkt eins: Mittagszeit! lach



Leichte Namibia-Erinnerungen kommen hoch – draußen die karge Weite und hier ein schickes Hotel mit Restaurant, in dem wir für trotzdem vergleichsweise kleines Geld ein exzellentes Mittagessen bekommen.

Frisch gestärkt schwingen wir uns eine Stunden später wieder auf die Räder und folgen nun weiter dem Deich bis zu unserer ersten Fähre.



Ein Fährmann ist vor Ort und die Fähre im Wasser – das ist, wie wir später feststellen durchaus nicht immer so – und wir schippern flott auf die andere Seite der Warthe.



Und hier stellt sich dann wieder die Frage: Folgen wir dem offiziellen Weg der jetzt wieder über Landsträßchen von der Warthe wegführt, oder nehmen wir die Autospuren auf dem Deich, die ganz ausgezeichnet zu Fahren aussehen. Und da wir ja schließlich die Warthe entlang fahren wollen, machen wir letzteres und sind einmal mehr begeistert.
Es bleibt landschaftlich wunderschön und bestimmt die bessere Wahl.







Wir passieren kleine Ortschaften und folgen den restlichen Tag Deich und Warthe. Es ist herrlich, die Landschaft, die Farben, das Licht – man kann sich gar nicht satt sehen.







Der Rest des Tages bleibt schön – die Sonne kämpft sich immer weiter durch die Wolken, der Wind bläst nicht mehr ganz so stark von vorn und die Landschaft – die lässt uns gar nicht mehr los. Den ganzen Tag bleiben wir auf dem Deichweg und finden am Abend auch ein schönes Zeltplätzchen gleich am Fluss.




Tag 5: Kuchen, Schnellstraße und eine Eisenbahnbrücke - 100km

Weiter geht’s bei bedecktem Himmel und leichtem Gegenwind den Fluss entlang. Einmal mehr queren wir mit einer Fähre und erreichen nach gut 2 Stunden Fahrt das Städtchen Konin. Hier finden wir eine Konditorei und sind erschlagen von dem immensen Kuchen- und Tortenangebot. Langsam dämmert mir, warum einige der Berliner Forumskollegen so eine große Affinität zu Polen haben! grins



Die Pause fällt etwas länger aus und Bernd hätte sich gern noch durch weitere Tortenstücke gefuttert – aber die Warthe ruft.
Der Radweg führt allerdings einmal mehr über eine immer stärker befahrene Straße – Spaß macht das nicht. Laut GPS sollte es aber auch Wege entlang der Warthe geben, also biegen wir recht bald wieder von der offiziellen Route ab und machen uns auf zum Fluss. Einige Kilometer geht es so auch sehr schön entlang des Deichs,



Allerdings müssen wir immer wieder kilometerlange Schleifen fahren, um Bewässerungskanäle zu umfahren. Wir kehren noch einmal zur Straße zurück, biegen dann aber bei nächster Gelegenheit wieder Richtung Fluss ab. Die Straße ist einfach zu öde.

Wir kommen nun in das Naturschutzgebiet nördlich von Zagorow – und wenn uns die Tour bis hierhin nicht überzeugt hätte, spätestens jetzt wäre das der Fall!
Auf einsamen Feldwegen rollen wir durch eine traumhafte Flussauenlandschaft – wir sind begeistert und genießen jeden Meter.





Wir passieren das Städtchen Pyzdry, füllen die Vorräte auf für die nächste Nacht im Freien und rollen weiter.





Auch nun leiten uns Track und Radweg über die Hauptstraße. Die ist hier zwar kaum befahren, aber trotzdem ziemlich langweilig und vor allem weit weg vom Fluss. Also – abbiegen!

Über Feld- und Waldwege geht es ein bisschen querfeldein, und bald haben wir auch wieder den Fluss erreicht.







Bald müssen wir nochmal über die Warthe drüber – Laut Wiki gibt es die Alternativen a) Fähre oder b) Eisenbahnbrücke. a) nicht verlässlich und b) nicht offiziell. Da in unserer Fahrtrichtung die Brücke zuerst kommt, wählen wir diese Option. Letzte Zweifel räumt eine alte Dame mit ihrem Hündchen aus, die vor uns quer über alle Gleise spaziert. Weit und breit ist kein Zug in Sicht - also schwingen wir uns auf die Räder und klappern mit etwas mulmigem Gefühl über die Brücke. Letztlich die bessere Variante, denn die Fähre wäre tatsächlich nicht gefahren.




die fährt vorläufig noch nicht…

Es geht noch ein paar Kilometer durch ein weiteres Naturschutzgebiet bis zum Örtchen Nowe Miasto, einem unerwartet großem Ort mit vielen Lokalen und viel Betrieb. Wir fahren einmal quer durch und gleich wieder raus um dann wenige Kilometer weiter wieder ein schönes Zeltplätzchen am Fluss zu finden.



Tag 6: Durch’s Wildschweinparadies nach Posen - 83km

Der Morgen begrüßt uns mit Sonnenschein. Nebelschwaden hängen über dem Fluss und wir brechen auf, um uns wieder einen Pfad entlang des Ufers zu suchen.





Da wir den Radweg gestern auf der Suche nach einem Platz fürs Zelt wieder hinter uns gelassen haben, verfolgen wir nun den Ansatz – wo ein Wanderweg, da auch ein Weg. Und hier ist es sogar ein Jakobsweg.



Der ist zwar nicht ganz durchgängig befahrbar, führt uns aber wieder mal durch zweifellos schönste Landschaft. Die nächsten 30 km bis zur Ortschaft Srem kommen wir zwar ziemlich langsam voran – aber schön ist‘s auf alle Fälle!















In Srem wollen wir eigentlich eine Mittagspause einlegen, aber irgendwie eiern wir ziemlich orientierungslos in dem Städtchen rum und können uns nicht so richtig entscheiden, was wir eigentlich wollen – in der Hoffnung noch sowas wie ein Stadtzentrum zu finden rollen wir immer weiter und sind schwupps wieder aus der Stadt raus. Das Zentrum wäre wohl auf der anderen Flussseite gewesen.
So machen wir einen kleinen Picknick an einem Rastplatz und fahren dann wieder auf kleinen Feldwegen entlang der Warthe.





Einmal mehr geht es über weite Wiesen – diesmal allerdings umgegraben wie ein Acker. Hier müssen Horden von Wildschweinen unterwegs gewesen sein, nie hab ich ein so riesiges Gelände so großflächig durchwühlt gesehen – wie Bernd sagt: „Denen müssen doch die Nasen wehtun!“

Rund 15km vor Posen führt der Weg dann wieder durch ein Naturschutzgebiet. Und die nächsten Kilometer sind jetzt wirklich ein Highlight – nicht nur landschaftlich sondern auch von der Wegbeschaffenheit. Im Sauerland müsste man für sowas mit dem Mountainbike Eintritt zahlen – hier ist es ein Fernradweg! Und offensichtlich auch die Feierabendspielwiese der Posener Mountainbiker.





In Posen haben wir ein kleines – sehr nettes Hotel an der Altstadt. Die Dusche ruft! Nach einem ausgiebigen Badefest ziehen wir noch los in die Altstadt und finden ein nettes Lokal mit ausgezeichneter Küche.





gleich geht's weiter....