Re: Westliche Pyrenäen 2019

von: Tom72

Re: Westliche Pyrenäen 2019 - 07.01.20 22:45

10. Tag (09.07.2019), Larrau – Tardets-Sorholus und Wanderung zu den Gorges d‘Holzarté
Strecke: ca. 18 km
Höhenmeter: ca. 430 abwärts


Heute ist es immer noch bewölkt und regnerisch, so dass ich mich darauf einstelle, heute nicht besonders weit zu kommen und erst einmal ausschlafe. Als ich von meinem Hotel in Larrau aufbreche, ist es bereits fast halb zwölf.



Ich fahre die vom Port de Larrau kommende Straße (D 26), auf der ich gestern hierher herabgerollt bin, weiter abwärts; es regnet erst einmal nicht, aber die Wolken hängen noch tief auf den Berghängen.





Trotz des unbeständigen Wetters unternehme ich die erste, wenn auch kurze, Wanderung der Reise, denn schließlich habe ich ja auch die Wanderschuhe mitgeschleppt, und der Wanderweg, der auf einer spektakulären Hängebrücke eine tiefe Schlucht, die Gorges d’Holzarté, überquert, beginnt an der Straße, auf der ich ohnehin unterwegs bin. Nach etwa einer Dreiviertelstunde erreiche ich auf dem stark ansteigenden Weg die Hängebrücke, aber dann fängt es wieder an zu regnen, so dass ich schnell ein paar Fotos mache und zügig wieder umkehre.





Trotz Regenkleidung ziemlich durchnässt erreiche ich wieder mein unten abgestelltes Rad und flüchte mich vor dem immer noch recht starken Regen zum direkt am Ausgangspunkt des Wanderwegs an der Straße gelegenen Restaurant, vor dem man unter einer Markise regengeschützt draußen sitzen kann. Hier nehme ich ein spätes Mittagessen ein und fahre, nachdem der Regen aufgehört hat, weiter abwärts bis zum nächsten größeren Ort, Tardets-Sorholus.



Obwohl es noch nicht spät ist und ich heute nur bescheidene 18 km, noch dazu ausschließlich abwärts, gefahren bin, beschließe ich, hier zu übernachten. Für morgen ist wieder schönes Wetter angesagt, so dass ich morgen den nächsten bedeutenden Programmpunkt, den Col de Marie-Blanque, in Angriff nehmen kann; heute ist es dafür eindeutig zu spät. Und es gibt in Tardets einen Campingplatz, auf dem ich mein Zelt aufschlage. Der Regen hat endgültig aufgehört. Der Platz ist nur sehr schwach ausgelastet. Das Rad muss als Wäscheständer herhalten, um die bei der Wanderung durchnässten Klamotten zu trocknen.



In Tardets-Sorholus finde ich ein Restaurant, auf dessen Terrasse ich mir zum wiederholten Mal auf dieser Reise ein vorzügliches Entrecôte servieren lasse. Hier komme ich ins Gespräch mit zwei jungen Amerikanerinnen, die auf Radreise durch Europa unterwegs sind (hier ihre Räder). Sie sind in der Bretagne gestartet und haben Istanbul als Ziel. Dafür haben sie noch einige Monate Zeit; ich meine, sie sprachen von September (jetzt ist es früher Juli). Ach, hätte ich doch auch einmal soviel Zeit für eine Radtour…





Auf dem Papier-Untersetzer unter meinem Teller wird für regionale Veranstaltungen zweisprachig auf Französisch und Baskisch geworben. Das Baskenland werde ich aber morgen verlassen.

11. Tag (10.07.2019), Tardets-Sorholus – Laruns
Strecke: ca. 60 km
Höhenmeter: ca. 1160


Heute steht die anspruchsvolle Querung des Col de Marie-Blanque auf dem Plan; Ziel für heute ist Laruns, wo der Anstieg zum Col du Pourtalet beginnt. Ich frühstücke in dem gleichen Restaurant in Tardets-Sorholus, in dem ich gestern auch zu Abend gegessen habe.



Ich verlasse das Tal, in dem die Straße (D 26) verläuft, auf der ich vorgestern vom Larrau-Pass herabgekommen bin. Die D 918 führt mich von Tardets ins parallele Aspe-Tal. Auf der verkehrsarmen Straße komme ich durch die Orte Montory, Lanne-en-Barétous, Arette und Issor; der Übergang zwischen den beiden vom Pyrenäen-Hauptkamm herabführenden Tälern ist, wenn auch nicht immer so flach wie auf dem Bild, doch mit überraschend wenigen Höhenmetern verbunden.



Ich fahre nun ein kurzes Stück auf der Nationalstraße N 134 das Vallée d‘Aspe aufwärts Richtung Somport-Pass. Hier bin ich bereits drei Jahre zuvor auf meiner Pyrenäen-Tour in die entgegengesetzte Richtung vom Grenzpass Col du Somport/Puerto de Somport (1640 m) herunterkommend entlanggeradelt. Die Bedeutung der über den Somport führenden Pyrenäenquerung, die diesmal aber nicht auf meinem Programm steht, zeigt sich anhand eines Wegweisers nach Saragossa. Bedeutsamer für mich sind hingegen die Hinweisschilder für das hier, in Escot, beginnende (und entgegen dem durch die Pfeile vermittelten Eindruck nach links abzweigende) Sträßchen, auf dem ich das Vallée d’Aspe schon wieder verlassen werde und das mich über den Col de Marie-Blanque in das nächste parallel verlaufende Tal, das Vallée d’Ossau, führen wird, da ich für die nächste Überquerung des Pyrenäen-Hauptkamms nach Spanien den etwa 10 km östlich des Somport-Passes gelegenen Col du Pourtalet vorgesehen habe.



Nicht weit von der Stelle, wo ich die zum Col du Somport hinaufführenden Hauptstraße N 134 verlasse, kann ich eines der Viadukte der ebenfalls das Aspe-Tal hinaufführenden Bahnlinie bewundern, Teil der ehemaligen, seit 1970 nicht mehr durchgehend betriebenen, internationalen Bahnverbindung Pau – Saragossa, die den Somport-Pass mit einem Tunnel unterquerte. Der hier zu sehende Abschnitt ist erst vor wenigen Jahren wiedereröffnet worden. Näheres zu dieser interessanten Bahnstrecke kann man in meinem Bericht zu meiner Pyrenäen-Reise 2016 (dort Tag 16) nachlesen. Dass sich der Kreis meiner diesjährigen Radreise entgegen meiner (allerdings teilweise nur groben) Planung am Ende doch wieder genau an dieser Stelle schließen wird und sowohl der Somport-Pass als auch die besagte Bahnstrecke später auch auf dieser Tour doch noch eine Rolle spielen werden, wusste ich hier noch nicht.



In Escot, dem Ausgangspunkt der verkehrstechnisch unbedeutenden und daher kaum befahrenen Straße D 294 über den Col de Marie-Blanque, gibt es eine Info-Tafel, der, wie es in Frankreich bei vielen Pässen üblich ist, die für Radfahrer interessanten Daten des bevorstehenden Anstiegs zu entnehmen sind. Was ich bei der Vorbereitung der Reise vielleicht irgendwo gelesen, aber wohl wieder verdrängt habe (in meinem Reiseführer wird das Sträßchen als landschaftlich ausgesprochen schön angepriesen, was sich auch bewahrheiten sollte), wird mir hier deutlich auf Französisch, Spanisch und Englisch verkündet: Die Auffahrt auf den mit 1035 m nicht allzu hohen Pass ist zwar nur 8 km (nach einem späteren Schild gut 9 km) lang, stellt aber, wie es auf der Tafel heißt, wegen der Steigung von über 10 % auf den letzten 4 km für Radfahrer eine besondere Herausforderung dar. Da habe ich wohl noch etwas „Arbeit“ vor mir…



Die 700 zu bewältigenden Höhenmeter sind tatsächlich sehr ungleichmäßig auf die 9 km lange Auffahrt verteilt. Zunächst geht es noch recht gemütlich aufwärts mit 4, dann 5 %, wie den (auch das ist ja bei vielen französischen Passauffahrten üblich) im Abstand von jeweils einem Kilometer zur Informationen der Radfahrer aufgestellten Schildern zu entnehmen ist (sie geben jeweils die aktuelle Höhe, die verbleibende Strecke bis zum Pass und die durchschnittliche Steigung des folgenden Kilometers an).







Dann geht es auf den letzten 4 km, wie angekündigt, zur Sache; der auf den Schildern angegebene Steigungswinkel erhöht sich fast von Kilometer zu Kilometer, was auch die Messung meines Radcomputers bestätigt: 4 km vor dem Pass sind es 11 %



und auf dem letzten Kilometer 12 %.



Ich lasse mir Zeit und lege auf den letzten Kilometern alle paar Hundert Meter eine kurze Verschnaufpause ein; so erreiche ich schließlich zufrieden die Passhöhe. Im Endeffekt war es doch recht gut machbar.



Auf dem Pass unterhalte ich mich mit einem französischen Radreisenden, der mit leichtem Gepäck in meine Richtung unterwegs ist und dem ich am kommenden Tag auf der Auffahrt zum Col du Pourtalet wieder begegnen werde. Dann kommt aus der anderen Richtung ein spanischer Rennradler auf der Passhöhe an und ergänzt die interessante Gesprächsrunde. Er ist über 60 und berichtet, dass er auf einer Tages-Rundtour unterwegs sei: Gestartet sei er heute morgen in Jaca in Spanien (die Stadt liegt am Fuß des Somport-Passes, sie ist mir von zwei meiner Radreisen bekannt), dann sei er über den Pourtalet gefahren, jetzt über den Col de Marie-Blanque, und nun werde er nach der Passabfahrt das Vallée d’Aspe aufwärts fahren und über den Puerto de Somport wieder zurück nach Jaca. Er erzählt, dass er diese für mich extrem beeindruckend klingende Runde nicht das erste Mal fahre; während er jetzt allerdings dafür etwa acht Stunden veranschlage, habe er dafür in jüngeren Jahren nur etwa sechs Stunden gebraucht (wenn ich mich an seine Angaben richtig erinnere). Respekt! Wenn ich diese Runde bei Google Maps „nachspiele“, komme ich auf etwa 180 km und 3000 Höhenmeter.

Die Abfahrt ist landschaftlich fast noch reizvoller als die Auffahrt. Zunächst eher flach führt das nach wie vor kaum befahrene Sträßchen über das Plateau de Bénou.





Dann geht es steiler hinunter ins hier, in seinem unteren Bereich, noch recht breite Vallée d’Ossau, in dem ich auf die Richtung Col du Pourtalet hinaufführende D 934 treffe. Ich folge ihr heute aber nur noch etwa 10 km bis Laruns, dem eigentlichen Ausgangspunkt der morgen auf dem Programm stehenden Passquerung.





In Laruns treffe ich wieder auf bekanntes Terrain; ich habe hier bereits 2013 auf einer Radreise übernachtet (damals habe ich den Ort vom Col d’Aubisque herabkommend erreicht) und am Folgetag den Col du Pourtalet überquert; diese Überquerung des Pyrenäen-Hauptkamms nach Spanien, die ich als landschaftlich äußerst reizvoll in Erinnerung habe, darf ich morgen also zum zweiten Mal genießen.



In Laruns gibt es mehrere Campingplätze. Ich entscheide mich für denselben, auf dem ich auch vor sechs Jahren übernachtet habe und kehre nach dem Zeltaufbau auch wieder im selben Restaurant im Ortszentrum ein, an das ich mich noch von damals erinnere.

Fortsetzung folgt…