Mit dem Ordonnanzrad 05 vom Léman nach Zürich

von: Biotom

Mit dem Ordonnanzrad 05 vom Léman nach Zürich - 21.04.21 05:27

Prolog

Als wir im Berner Seeland wohnten, konnte ich in der Innerschweiz günstig zwei alte Ordonnanzräder 05 der Schweizer Armee kaufen. Das Modell mit Baujahr 1940 zügelte vor fünf Jahren mit uns ins Wallis und verstaubte seither im Keller, zum leichten Ärger meiner Liebsten. Als uns ein Zürcher Freund besuchte, bot ich ihm das Teil für die Abfahrt zum Bahnhof Sion an. Er verzichtete zwar, fand aber den alten Eingänger wunderschön, und so reifte der Entschluss, ihm das Teil zu schenken: zufriedene Liebste, glücklicher Freund schmunzel


Hier mal ein erstes Bild der Perle:





Letzten Sommer überlegte ich mir, das Militärvelo mit einer Fahrt über Grimsel und Brünig nach Zürich zu überführen, aber ich purzelte am Ende doch lieber mit dem Cutthroat durch die Tessiner und die Berner Alpen. Die Idee der Überfahrt schlief dann wieder ein bisschen ein, bis ich diesen Winter ein paar kleine Fahrten mit dem Militärvelo unternahm. Wobei, «Fahrten» trifft es nur ungenau, denn hier im stotzigen Wallis führt die Kombination von 22.5 kg Gewicht und nur einem Gang immer auch zu Geschiebe.
Auf einer abendlichen Fahrt traf ich einen Fuchs. Hm, ich treffe auf dem Militärvelo mein Lieblingstier? Das musste ein Aufruf des Schicksals sein, mit dem Teil Grösseres zu unternehmen! Am selben Abend legte ich mir mit Pink Floyd’s Echoes auf den Ohren eine wintertaugliche Route zurecht: durchs Rhonetal in die Waadt, und von dort den Flüssen nach relativ flach nach Zürich.

Als nächstes brachte ich das Velo für eine leichte Revision dem Mechaniker. Er fluchte ziemlich feste über die Montage der neuen Wulstpneus und liess den Rest – enormes Spiel der Radlager, knorziger Antrieb, etc. – unangetastet, bzw. verschlimmbesserte es vielleicht sogar: jedenfalls hatte ich nach der Revision keineswegs den Eindruck, dass das Velo leichtgängiger zu fahren war. Das kann aber auch schlicht daran gelegen haben, dass ich mich für die billigen Reifen von Deestone entschied statt für die Originale von Maloja.
Auf den folgenden Probefahrten entstanden ein paar Bilder, welche ich euch nicht vorenthalten möchte. Zudem erbrachte ich im Gravelfaden bei den MTB-News drüben den Beweis, dass es sich beim Ordonnanzrad 05 um ein klassisches Gravelbike handelt (ich wage mal zu behaupten, dass ein Klick zur Konkurrenz rüber der einen oder dem anderen ein Lächeln aufs Gesicht zaubern wird grins ).


Wie bereits erwähnt: das Velo wurde 1940 gebaut, nach den Plänen von 1905 (daher auch der Name Ordonnanzrad 05):





So eine Stempelbremse ist was Feines! Und die Lichtanlage funktioniert natürlich einwandfrei.





Wikipedia spricht von der Einführung der Böni-Trommelbremse im Jahre 1944. Wieso mein Rad trotz der Prägung von 1940 eine Trommelbremse hat, weiss ich nicht. Was ich aber weiss: die Rücktrittsbremse erwies sich auf der Tour als wunderbar! In Abfahrten freihändig Karten lesen und Entspannungsübungen machen: verliebt





Der Antrieb. Leider habe ich vergessen, die Zähne zu zählen. Die Übersetzung scheint mir aber eher aufs Mittelland als auf die Alpen ausgerichtet zwinker





Das Cockpit. Die grosse Klingel ist wichtig: für Fussgänger abzubremsen liegt aufgrund des enormen Efforts beim Wiederanfahren fast nicht drin grins





Bikepacking à l’Ancienne:





Die Geometrie sorgt für einen sehr stabilen Lauf. Aber man muss schon sagen: das Velo ist für meine 1.88 m definitiv nicht zu gross…





Weil es so schön ist noch ein Detail…





…und in doppelter Ausführung:




So, jetzt legen wir aber los, bevor wir allzu sehr ins Veloposing abdriften.

Wobei, so zackig geht’s dann doch nicht: zuerst verhinderte meine Coronainfektion die Fahrt, und dann wehte an den Wochenenden eine stramme Bise durchs Mittelland. Ich nutzte diese Wochen, um die Route noch ein bisschen anpassen: aus Zeitgründen verlegte ich den Start auf den Mont Pèlerin ob Vevey; so vermied ich die Strecke durchs Rhonetal, welche ich bereits recht gut kenne. Da ich den Mont Pèlerin u.a. auf dieser Tour bereits erreicht hatte, war ich in Einklang mit den Spielregeln meiner abenteuerlichen Schweizer Reise.