17.12.2021: Valladolid - Chichen Itza

von: joeyyy

17.12.2021: Valladolid - Chichen Itza - 08.01.22 01:08


Die Verkäuferin vor der Kirche in Valladolid hat eine infektiöse Art zu lachen. Ich sage ihr das: "Wenn du lachst, steckst du mich an und ich muss auch lachen." Daraufhin lacht sie wieder und ich kaufe eine kleine Geldbörse aus Stoff bei ihr. Somit muss ich nicht immer die große Brieftasche rausholen, wenn ich etwas bezahlen muss.

Nach 25 Kilometern bin ich fertig. Völlig fertig. Die Beine sind absolut leer, Hungerast, Tribut an die Hitze. Ich muss wohl meine Kilometer-Tageskontingente runterschrauben und einfach lockerer fahren. Das nächste Hotel ist meins.

Eine amerikanische Teenagerin, auf die ich mit ihren Eltern in einem Comedor (eine Mischung aus Imbiss und Restaurant) treffe, fragt mich, ob sie mich interviewen könnte. Sie macht das mit allen möglichen Menschen, die sie unterwegs trifft, für ihren Social Media Account auf TikTok. Ihr Vater hält das Telefon und sie interviewt mich. Ich frage sie wie alt sie ist, wo sie herkommt und warum sie das tut. Ich frage sie ob sie Journalistin werden möchte und wie ihre Follower auf die Interviews reagieren. Ich frage sie ob das ein Projekt ist und wenn ja wofür. Ich frage sie ob sie mehr Interesse an den Menschen hat, die sie interviewt oder an den Likes, die sie erzielt. Mich fragt sie, wo ich herkomme und wo ich hin will. Nach dem Interview will ihr Vater noch wissen, ob ich schon in den USA gewesen wäre und wie das denn so wäre, mit dem Fahrrad unterwegs zu sein. Am Schluss sage ich ihr, dass ich jetzt mehr über sie weiß als sie über mich, obwohl sie mich doch interviewt hat. Eine gute Journalistin zeichnet sich durch tiefes Interesse und daraus abgeleitete Fragen aus. Fragen sind es, die die Welt bewegen, nicht die Antworten. Ich fühle mich ein wenig wie Sokrates vor zweieinhalbtausend Jahren.

Die Menschen in Mexiko haben ein positives Verhältnis zum Tod und ihren Toten. Bei aller Orientierung am christlichen Glauben ist die spirituelle Seele Mexikos immer noch auch von den Mayas und Azteken geprägt. Die Friedhöfe sind bunt und wenn die Toten einmal im Jahr aus dem Jenseits zu ihren Familien zurückkehren, dann soll das Tor zwischen Leben und Tod bunt sein. Am "Dia de los Muertos", dem Tag der Toten, wird auf den Friedhöfen schließlich gegessen, getrunken, getanzt und gefeiert.

Ich miete mich in einem Hotel direkt an den Ruinen von Cichen Itza ein. Nach einer zweistündigen Siesta lerne ich, dass die Ruinen schon um halb fünf schließen. Schade. Zum Glück war ich ja schon einmal dort und nehme mir vor, dieses mal Teotihuacán bei Mexico Ciudad zu besuchen.