Re: La Bombinette

von: Mütze

Re: La Bombinette - 24.01.23 08:37

17. August, Tag 3: Montbozon, Loulans, Corcelle, St Hilaire, Roche lèz Beaupré, 44 km

Gleich früh am Morgen brach auf dem Platz ein Streit aus. Erst hatte eine Frau auf einen Mann eingeschimpft, der zu beschwichtigen suchte und dann schließlich sagte: „Ja, warum klärst Du es nicht einfach direkt mit ihr? Sie wohnt doch gleich nebenan.“ Gleich danach stritten zwei Frauen äußerst heftig miteinander. Immer mal kamen Menschen in die Nähe, lehnten sich schweigend an ein Auto, betrachteten den Boden, warteten ab und ließen gewähren, gingen wieder. Und dann war das bereinigende Gewitter vorbei, die Sache war geklärt, das Dorf hatte seinen Frieden wieder.

Schon praktisch, wenn man ein freistehendes Zelt hat, das man zum Trocknen einfach nur umdrehen muss …
Und während das Zelt trocknete (es hatte wieder mal nachts geregnet) und ich packte, tauchte die Verwalterin auf, und wir überlegten, wie ich mit Rad, Gepäck und Hund die Steigung überwinden und wieder zum Radweg gelangen könnte. Sie bot Hilfe an, ihr Mann würde mein Gepäck übernehmen und zum höchsten Punkt bringen.

Und so lief es dann. Der Verwalter verstaute meine Packtaschen in seinem Auto, mit nur dem Hund und mir kam La Bombinette die Steigung gut hoch. Oben am Wasserturm trafen wir uns wieder, ich bekam mein Gepäck zurück und bedankte mich herzlich. Ich wollte mich irgendwie erkenntlich zeigen, aber der nette Mann wollte absolut nichts. So einigten wir uns auf den Kreislauf der Freundlichkeiten: Bei der nächsten Gelegenheit würde ich jemandem helfen, der seinerseits dann wieder jemand anderem helfen würde und immer so weiter, bis der Kreis sich wieder schließ und eine Freundlichkeit zu dem Verwalter zurück kam.

Frei nach dem Satz: „Übe Dich in zufälligen Freundlichkeiten und nicht zielorientierten Handlungen voller Schönheit“ (practice random kindness and senseless acts of beauty), den ich von meiner großen Schwester aus San Francisco mit nach Hause brachte.

Jetzt rollte es sich gut, die stillgelegte Bahntrasse endete bei Loulans, genau bei einer gemütlichen Kneipe, aber mir war nach Picknick.

Die Strecke lief über kleine Sträßchen, durch Dörfer und Felder, gute Beschilderung, es bombinettierte sich auf Beste, bis … Ja, bis in Corcelle-Mieslot eine fast 180 Grad Wende erfolgte und ich vor einer Mauer stand. Will sagen, ich hatte mir immer vorgestellt, zum Doubs ginge es abwärts, lag der Fluss doch unten in seinem Flussbett, oder etwa nicht? Womit ich nicht gerechnet hatte, war, dass man drei Täler überwinden musste, um zu eben diesem Flussbett zu gelangen. Oh weia, war das steil!
Zwischen La Grande Corcelle und Lusans konnte ich den Hund nicht laufen lassen, um 32 Kilo Gewicht zu sparen, das war zu gefährlich, die Straße doch recht gut befahren. Ich schob also. Es war brütend heiß. Immer ein paar Schritte schieben, dann Verschnaufpause machen. Ich suchte mir Punkte auf der Straße, die mir mein Vorwärtskommen bestätigen sollten. Der Schatten eines Grashalms, ein Steinchen, ein Teerfleck … Pause. Der Schatten eines Grashalms, ein Steinchen, ein Teerfleck …
Endlich war ich oben und konnte wieder fahren. Aber da war gleich die nächste Steigung bei St Hilaire. Hier konnte Motek zum Glück aussteigen, ich führte ihn mit meiner Stimme: „Geradeaus, Motek, geradeaus. So ist brav.“

Die letzte Steigung vor Venans war die schlimmste.
Der Schatten eines Grashalms, ein Steinchen, ein Teerfleck … Pause. Der Schatten eines Grashalms, ein Steinchen, ein Teerfleck … Pause.

Ich konnte schier nicht mehr, aber wen wundert's. Leer wiegt La Bombinette schon 65 Kilo, der Hund 32, dazu kamen gut 13 Kilo Gepäck und 3 Liter Wasser.

In Roulans hatte ich endlich alle 3 Täler durchfahren und steuerte direkt auf einen kleinen Laden zu, wo ich mir einen Schweppes Agrum' kaufte, dem Hund zu trinken gab und im Schatten ausruhte. Puuh.

Zum Doubs waren es jetzt nur noch so 2 Kilometer oder so, und die gingen nur abwärts.

Mein erster Eindruck vom Doubs war: ausgetrocknet. Vorhanden war er aber doch - und angenehm. Es folgten Hundespaziergang und -spiel, weitere Pausen, gemütliches Fahren.
Langsam sah ich mich nach einem Campingplatz um, als aber keiner kam erkundigte ich mich an der Kneipe Le Bistro du Barrage in Roche-lèz-Beaupré. Die Kellnerin rief gleich ihre Mutter an, die 200 m entfernt wohnte und organisierte für mich eine Übernachtung in deren Garten. Das war riesig nett, ich hatte nämlich keine Kraft mehr. Motek wurde angewiesen, die Katzen in Ruhe zu lassen, besonders Octa, den betagten Kater. Mein Zelt stand sicher in einem ruhigen Obstgarten. Und nach Dusche und Abendspaziergang mit dem Hund ging ich in dem Bistro auch essen. Einfach köstlich.



Es brach dann noch ein Riesengewitter aus.