Kraichgau, Pfälzerwald & Deutsche Weinstraße

von: veloträumer

Kraichgau, Pfälzerwald & Deutsche Weinstraße - 10.05.23 12:09

Maientour Kraichgau, Pfälzerwald & Deutsche Weinstraße
In memoriam Jim Knopf (Jürgen)

[ von lh3.googleusercontent.com]

30.4.-4.5.2023 (5 Tage)
385 km
5505 Hm
Topografische Schwierigkeit: 1430 Hm/100 km

Der Mai und sein Maiengrün, das leuchtende jungfräuliche Chlorophyll ist kaum so durchdringend wie in einem der größten zusammenhängen Waldgebiete Deutschlands – dem Pfälzerwald. Eigentlich ein gemeinschaftlicher Naturraum mit den Nordvogesen, so gleich auch in der Typik der Wälder und roten Felsen, ja oft Felsskulpturen oder kleine Tafelberge, die ihrerseits gern Kletterer anziehen, sei hier mal nur auf der deutschen Seite aufbereitet.

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Verbindet mich hier auch noch die Besonderheit, das erste von zahlreichen mehrtägigen Forentreffen erlebt zu haben, deren Dahner Serie alle von Jim Knopf alias Jürgen organisiert wurden. Viele Forumsteilnehmer werden wissen, dass Jim Knopf einem tragischen Schicksal ergeben sein Leben allzu früh beenden musste, doch bleiben Erinnerungen ja stets lebendig. Diese meine Pfalzrunde erinnert in einem Teil insbesondere an die Eschkopfrunde des Dahner Treffens 2008, derer es einige Überschneidungen gab, wenngleich frei von Pannen – die TeilnehmerInnen der kleinen Gruppe werden sich an einen damaligen Pannenkönig erinnern (nicht ich!). Es war zudem der gleiche Zeitraum Anfang Mai und somit ziemlich exakte 15 Jahre her. Da mir doch sehr oft einiges aus der Erinnerung durch den Kopf ging, möchte ich diesen meinen Maienausritt ausdrücklich Jürgen alias Jim Knopf widmen, auch wenn ich ihn nie so gut gekannt habe wie einige andere Foristen.

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Verwundert war ich indes, dass ich manche Orte nicht wirklich wiederkannte. Erst der Blick auf alte Bilder zeigte mir – ja, ich war auch schon im schönen Annweiler, aber alles wirkte neu auf mich. Manche Verbindung sind wir seinerzeit auch anders und schneller gefahren, sodass es nicht verwundern kann, dass mir manche Wald- oder Talstrecke jungfräulich dünkte. Indes fand ich mir noch bekanntes Forsthaus Heldenstein als aktuelle Gastronomieleiche wieder, das Schicksal scheint noch unklar, eine teilweise Nutzung als Ferienwohnung ist offenbar derzeit gegeben, eine Gaststätte wohl irgendwann wieder geplant, die Ausstattung noch weitgehend vorhanden.

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Anders als früher leitete ich meine Anreise an den Rand des Pfälzerwaldes – namentlich besser bekannt als Deutsche Weinstraße – durch den Kraichgau (statt dem Schwarzwald) ein. Auch verblieb ich weitgehend in der ersten Hügelkette im Osten, ohne die Westflanke des Pfälzerwaldes zu beackern. So richtig weiße Flecken habe ich ja im Pfälzerwald auch wieder nicht, mehr sind es spezifische Orte, die ich noch nicht kenne oder kannte. Ziel wurden einige Burgen und Schlösser, in deren Schatten ich auch noch gute Übernachtungsmöglichkeiten fand. Bei einer solch kurzen Radreise blieb für das eigentliche Zielgebiet in der Pfalz nur etwa die Hälfte der Zeit, fallen die anderen Zeiten auf mir recht vertraute An- und Abfahrtsrouten in Strohgäu, Stromberg und Kraichgau. Gemäß meiner auch insgesamt schwachen Radlerphysis in diesem Jahr verkürzte ich zudem die Rückreiseroute noch mit der Bahn zwischen Bad Bergzabern und Zaisenhausen.

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Trotzdem ereilte mich im Nachhinein eine Schleimbeutelentzündung am Knie, die mein geplantes Sommerprojekt gefährden könnte. Plötzliches Nasenbluten auf der Schlussetappe zeigte mir, dass meine Fitness nicht die beste ist. Erschwerend kam hinzu, dass ich einige Probleme mit meiner Kurbel habe, da es mittlerweile gravierende Mängel bei Ersatzteilen für alte Modelle gibt und die Kompatibilität manchmal an Nuancen scheitert. Die gesamte Tour über hatte ich entsprechend Probleme, hohe Gänge schleiffrei zu treten, ebenso machte das mittlere Kettenblatt ein paar Probleme. Auch deswegen suchte ich die Tour kurz zu halten, wäre ich doch schon fast verärgert nach 10 km umgekehrt. Am Montagehaken schien noch alles tippitopp.

So, 30.4. Stuttgart-West - Botnang - Solitude - Gerlingen-Waldsiedlung - Leonberg - via Lohlenbachtal - Rutesheim - Flacht - Weissach - (Porscheareal) - via Waldpiste - Heubergkopfhütte - via Feldwegstraßen - Nussdorf - Aurich - Vaihingen/Enz - Ensingen - (Horrheim) - Seewaldseen - Gündelbach - Gündelbacher Steige (375 m) - Häfnerhaslach - Bannhalde (419 m) - Sternenfels - Oberderdingen - Flehingen - Gochsheim - Hühnerbusch-Hütte
90 km | 1310 Hm

Die Horrheimer Seewaldseen erreichte ich erst am Nachmittag, sollte ich doch eigentlich einen See weiter bei Zaberfeld sein. Die Sonne machte sich ohnehin rar, wenngleich manche Rapsfelder das sonnengelbe Leuchten zu ersetzen suchten. Sonntagsausflügler am Maienwochenende waren erstaunlich wenige unterwegs. Ich wählte nunmehr den kürzeren Weg direkt von Häfnerhaslach nach Sternenfels.

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In Sternenfels gibt es wieder Auftrieb, eine neue Bäckerei hat sich Caféterrasse gegenüber der Pizzeria im oberen Dorfkern niedergelassen. Zunächst folge ich dem Kraichradweg, den ich so bewusst noch nie gefahren war. Sehr schön durch Altobstwiesen, der Kraichbach schafft leicht kühlenden Auencharakter – besonders hübsch zwischen Flehingen und Gochsheim. Das Flehinger Wasserschloss dient heute als Bildungszentrum ist kaum als Wasserschloss zu identifizieren, die Wassergräben sind weitgehend trocken gelegt.

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Gochsheim zeigt sich dem Betrachter ganz verschieden, je nachdem, von welcher Seite man es anfährt. Vom Kraichradweg unten kommend, thront der Ort geradezu sinnbildlich und herrschaftlich über dem Kraichbachtal. Der Graf von Eberstein ließ die einstige Burg im Jahre 1520 in ein repräsentatives Renaissanceschloss nahezu neu umbauen. Die adelige Ebersteindynastie währte noch bis ins 17. Jahrhundert, löste sich dann aber ohne Nachkommenschaft auf. Indes belegen Hausportale ehemals wohlhabendes Handwerk und Gewerbe. Das Badische Bäckerei- und Deutsches Zuckerbäckermuseum wecken Lust auf Wohlgeschmack, aber nur an Sonntagnachmittagen geöffnet.

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Mit dem Kraichgau bin ich bereits im Fokus des Pfälzer Erbfolgekriegs, also gewissermaßen auch schon im Zielgebiet. Der neunjährige Krieg von 1688 bis 1697 ist eher irreführend bezeichnet und hatte eine weit größere Dimension in ganz Südwestdeutschland und gar weiteren europäischen Ländern bis zu den Kolonialgebieten. Im Wesentlichen entstand der Krieg aus dem machtstrategischen Expansionsdrang Frankreichs unter Ludwig XIV., der sich vorsorglich gegen die erstarkende Wiener Große Allianz zu wehren suchte, die England, die Niederlande, Spanien, Savoyen und das Heilige Römische Reich umfasste. Man könnte eine gewagte moderne Parallele zu Putins Bedrohungsszenario einer übermächtigen Westallianz ziehen, gegen die er vorbeugend mit Tod und Zerstörung ziviler Opfer („Bauernopfer“) einen Expansionsriegel vorschieben möchte. Man sieht, wie alt und skrupellos das Denken noch heute sein kann. Anfangs lag die Keimzelle des Konflikts noch in der Kurpfalz und dem Badischen – also auch dem Kraichgau, doch schnell folgte die Zerstörung von Burgen und Dörfern in der heutigen Pfalz und dem Rheinischen.

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Noch vor Münzesheim zweigt eine Feldstraße ab, über die man die Weierbachsiedlung auf östlicher Seite und später Neuenbürg erreichen kann. Stufenweise ergeben sich mehrere Anhöhen, aus dem Tal klingt erstmals sowas wie Feierlaunemusik zum Ersten Mai hinauf. Ausgerechnet jetzt, denke ich an einer panoramareich gelegenen Bank unter einem Baum. Ich ziehe doch noch weiter, weil mir die Karte eine Hütte wenig weiter verrät. Da könnten natürlich auch Feierlaunige sein. Doch ist an dem riesigen Grillplatz niemand anzutreffen, nur die Laute aus dem Kraichtal sind noch dezent zu hören.