Re: Kraichgau, Pfälzerwald & Deutsche Weinstraße

von: veloträumer

Re: Kraichgau, Pfälzerwald & Deutsche Weinstraße - 10.05.23 12:12

Mo, 1.5. Hühnerbusch-Hütte - Neuenbürg - Odenheim - Gallus-Bildhäusel (243/261 m) - Östringen - Rettigheim - via Weinbergroute - Malschenberg - Rot - Sankt Leon - Neu-/Altlußheim - Speyer - Binsfeldseen - Otterstadt - Rinkenbergerhof - Iggelheim - Wehlachweiher/Haßloch Süd - Lachen-Speyerdorf - Hambach - Hambacher Schloss (367 m)/Parkplatz
88 km | 690 Hm

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Immer noch treibt kühler Wind in die Glieder. Die Regenjacke brauche ich immer wieder – nicht, weil es regnet, sondern als Windschutz. Auch Neuenbürg (nicht mit dem Neuenbürg im Schwarzwald zu verwechseln!) liegt in einer Mulde, die von leuchtendem Raps umhügelt ist. Nicht nur, denn auch Rebenhänge gehören zum Gemeindegebiet und lokale Weinspezialitäten gibt es gar 24 Stunden lang in einem Weinautomaten. Ein Kaffeeautomat wäre mir aktuell lieber gewesen, der Ort ist aber sonst totenstill bis auf eine fleißige Joggerin und ebenso eifrige Bauern.

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Auch in Odenheim ist von Maifeierlichkeiten nichts zu merken. Man könnte meinen, es sei noch Corona-Hochzeit. Hier beginnt einer der eindrücklichsten Hohlwege über die Kraichgauhügel, welcher den Bilderstock Gallus passiert. Nach dieser Überfahrt wartet immerhin in Östringen eine geöffnete Bäckerei. An die neuen Inflationspreise habe ich mich noch nicht gewöhnt und zucke immer wieder zusammen. Also gibt es nur eine Nusstasche to go ohne Kaffee.

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Der unangenehme Wind bleibt erhalten, über Malschenberg hinaus in die Ebene hinunter nach Rot und weiter Richtung Speyer. Nur ist diesmal kein Gegenwind, mehr ein Ostwind. Wäre nicht das Problem meines Antriebs, könnte ich ggf. hier neue Rekorde einfahren. Sonst ist immer zäh hier. Mein Sitzfleisch ist aber auch unterentwickelt – so komme ich letztlich auch nicht schneller voran als sonst mit Gegenwind. Für einen Seebesuch nördlich Speyer ist dann doch noch eine gute Zeit, der Himmel macht zumindest ein paar Prozent auf, Sonnenbaden ohne Sonnenbrandgefahr.

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Ab Otterstadt suche ich erstmals ganz neue Wege. Nach Bad Dürkheim bin ich schonmal durch die Ebene, nun soll es Hambach sein. Etwas verwirrend, weil Hambach auch Neustadt heißt, wie viele Weindörfer eingemeindet wurde. Tatsächlich liegen Hambach und Neustadt nicht weit entfernt, die Wege von Osten sind aber unterschiedlich. Bei Rinkenbergerhof wird man als Radler verleitet, zur unüberwindbaren Schnellstraße in eine Sackgasse zu fahren. Man folge der Straße, nicht den Radwegen! Bei Haßloch-Süd ist es genau umgekehrt. Man muss mit viel Instinkt sich über Radwege und gar Pfade bewegen, um im Labyrinth von Teichen und Wasserläufen – sogar Kanu wird hier gefahren – den kürzesten Weg zu finden. In Lachen-Speyerdorf ist dann zu Ende mit Lachen. Welcher Ortsteil wo anfängt und endet, scheint Geheimnis. Es gibt: Speyerdorf, Lachen-Speyerdorf und Lachen. Allerdings fand ich kein Ortsschild Lachen – das wäre ja ein Foto wert gewesen. So wenig Humor können die Pfälzer doch nicht haben?

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Im vermuteten Lachen wird so gebaut, dass der Hambacher Weg entweder nicht zugänglich ist oder wiederum verheimlicht wird. Ein paar Extrazacken und ich bin doch drauf, wenn auch ohne ein Schild gesehen zu haben. Hambach kündigt sich durch vorgelagerte, fast flache Weinfelder an, die alle verdrahtet sind, um regelmäßigen Rebentrieb zu gewähren. Soviel Metall am Wein habe ich noch nicht gesehen – vielleicht ist es aber auch ein neuer Anbautrend. Der Ort sehr hübsch, wenngleich nicht viel auf das berühmte Schloss hinweist. Es liegt auch weit oberhalb, fast unscharf vom Ort nur zu erkennen.

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Die Gasthäuser an der Weinstraße sind nicht selten Edelschuppen für Gourmetzungen, doch gibt es offenbar auch noch einfache Einkehr und Schobbetrunk. Ein Fest ist ausgewiesen und ich folge den Schildern in einen etwas höher gelegenen Ortsteil, obwohl Regen im Anmarsch ist und wohl Festende. Tatsächlich bekomme ich noch eine Wurst, wenngleich der einziehende Regen ein gemütliches Sitzen mit Pfälzer Schoppen nicht mehr gewährt. Die meisten Buden und Schänken schließen bereits. Ein Einheimischer möchte noch etwas über meine Radreiseleben wissen, doch auch dort kommt der Regen dazwischen.

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Die Wurst bekam ich schließlich für drei statt vier Euro, quasi als Schlussgast. Soweit motiviert, wage ich noch den Anstieg zum Hambacher Schloss. Schnell ist Wald und der Regen meint es auch nicht so ernst. Hambacher Schloss am Abend heißt, Gitterstäbe und nur ein distanzierter Blick durch die Torgitter. Die Geschichte des Schlosses ist vergleichsweise wechselhaft, war anfangs als Kästenburg erbaut worden, über bayerische Einflüsse als Maxburg, kam es recht spät zur Bezeichnung Hambacher Schloss und seine spezifische Funktion als einer der ersten Orte zur deutschen Demokratie- und Einheitsbewegung noch vor der 1848/49er Revolution und der Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche. Im Jahre 1832 zogen 20.000-30.000 TeilnehmerInnen zum Schloss, allerdings auch im Rahmen einer Versammlung verschiedener revolutionärer Eliten. Am Fuße der letzten kleinen Auffahrt befinden sich Bushalte und eine Weinprobehütte nebst Gasthof. Geöffnet hat nichts und gefeiert wird auch nicht. Dafür eignet sich die Hütte bestens als Nachtlager, wegen Wind allerdings besser mit Zelt.

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