Von Nizza nach Weinheim. Juni 2008

von: hemavomo

Von Nizza nach Weinheim. Juni 2008 - 10.08.08 21:33

Freitag 13. Juni 2008

Heute geht es los, mein Wecker klingelt um 5.10: Müsli, Tee und Kaffee. Die Taschen habe ich letzte Nacht gepackt, das hintere Laufrad noch mal nachgespannt. Jetzt schleppe ich mein gepacktes Reiserad die 4 Treppen hinunter und ab geht’s: zur Arbeit.

Trotzdem kein Tag wie jeder andere. Schon in den letzten Tagen habe ich bei meinem Alltagsrad öfters statt am Lenker zu schalten zum Unterrohr gegriffen. Ich bin bereits unterwegs. Die paar Stunden Arbeit sind locker geschafft, das Wetter ist genau richtig zum Radfahren. Aber ich muss zum Bahnhof, die Stillsitzerei und Warterei auf Anschlüsse nervt, aber ich bin rechzeitig für meinen Nachtzug in Straßbourg.

Hier habe ich genug Zeit, den neu gestalteten Bahnhof zu bewundern. Vor der alten Fassade ist die große, helle Glaskuppel als Warteraum fertig gebaut.



im Zug Offenburg Straßbourg


Im Zug hat mein Fahrrad den Radstellplatz allein für sich, ich das 6er Liegeabteil direkt daneben. Herrlich. Trotzdem bin ich wehmütig, keiner meiner Freunde hat Zeit mitzufahren.

Strecke:
Arbeitsweg und zum Bahnhof 19km

Pässe:
Eisenbahnbrücke auf dem Arbeitsweg 8 hm


Samstag 14. Juni 2008

Die Nacht ist grässlich, der Zug zu laut. Gegen 6Uhr bin ich das tausendste Mal wach, ich habe heftig Kopfschmerzen; noch mal dösen: tut gut; waschen: tut gut: Kotzgefühl, tut nicht gut: noch mal dösen: tut gut; umziehen, freie Fuße, freie Beine: tut gut. Es wird besser. Mein mitgenommenes Frühstück ist ein Reinfall, langweilig, außer der Banane, und der Cafe fehlt so richtig.

Ankunft Nizza 9:20, Cafe trinken: tut richtig gut, Meer ansehen: tut richtig gut, atmen: tut richtig gut.



die frische Meerluft vertreibt Kopfschmerzen




so schlimm ist Nizza auch nicht


Schon in Nizza beginnt der Anstieg, die Bebauung zieht sich lange hin. Von den ersten Passstrassen gibt es schöne Blicke zurück aufs Meer oder am Hang klebende Orte, aber auch langweilige Stücke ohne Aussicht.

Mittag mache ich in l’Escarene, am Beginn des Anstiegs zum Col de Turini. Ein schöner Pass, ich fühle mich richtig in den Bergen. Anfangs bis weit hinauf viel Aussicht auf die zerklüftete Landschaft, zum Ende bewaldet. Leider findet an diesem Samstag eine Motorsportveranstaltung statt, zwar nur kurz auf meiner Route, aber die lauten Motoren dringen aus den Nebentälern herüber. Kurz vor der Passhöhe fängt so richtig der Regen an, ich werde heftig durchnässt. Die Passhöhe ist noch für die Rallyefahrer gesperrt, Aussicht bei diesem Wetter gleich null. So macht die Abfahrt nach Freigabe keinen Spaß, ich suche ab la Bollene-Vesubie, dem nächsten Ort, eine Unterkunft und werde die Abfahrt weiter hinunter geschickt. Schade, der Ort gefällt mir gut, auch im Regen. Weit ist es nicht mehr zum Hotel, ich kann mich und meine Sachen trockenlegen. Nur der km-Zähler ist ertrunken und lässt sich weder heute Abend noch an folgenden Tagen wieder beleben.

Mein Tagesziel habe ich nicht erreicht, bin aber zufrieden. Trotz schlechtem Tagesbeginn und heftigem Regen hatte ich einen schönen Tag, und vor allem bin ich jetzt wirklich im Urlaub.

Strecke:
Nizza – la Bollene-Vesubie 89,1 km

Pässe:
Col d'Aspremont 530 hm
Col de Chateauneuf De Contes 249 hm
Col de Nice 0 hm
Col de Turini 1247 hm



Sonntag 15. Juni 2008

Die Wirtin sieht morgens im Internet, dass Lombarde und Agnel noch immer gesperrt sind. Ich ändere also schon heute meine Strecke und nehme mir den Bonette vor. Aber erstmal geht’s über den Col St Martin, dessen unschön verbaute Passhöhe der Auffahrt unangemessen ist. Die Abfahrt führt ins Tal der Tinee mit den rötlichen Felsformationen.



es könnte sooooo schön sein (Col St Martin)


na, geht doch (Col St Martin)


In St.Sauveur sur Tinee gibt es eine Pause, bevor ich mich an den Aufstieg zum Col de la Bonette mache. Langsam zieht sich der Himmel zu, je höher ich komme umso geringer ist die Aussicht. Im unteren Bereich fand ich die Fahrt angenehm; nun wird es kalt, manchmal fast langweilig ohne weite Blicke, und dieser fiese, alles durchdringende Nieselregen beginnt. Kurz vor der Passhöhe bin ich ordentlich geschafft, und die Auffahrt zur Cime sieht furchtbar grässlich schrecklich steil aus. Während ich mich weiter hochkämpfe, schwanke ich zwischen meinem Ergeiz, die Cime nochmals zu erklimmen und meiner Erschöpfung. Aber beide Seiten der Zusatzschleife sind von den Schneeräumern mit hohen Schneebarrieren gesperrt, ich müsste das Rad irgendwie darüber tragen, um weiterzufahren, oder es hier stehen lassen und zu Fuß dahin. Welch ein Glück! Ich darf mich also umziehen und auf der fahrerisch angenehmen Abfahrt hinab nach Jausiers ins erste nette Cafe zum aufwärmen.

Nach Cafe und Kuchen suche ich die Gite, in der ich schon zweimal übernachtet habe. Kein Hinweis mehr, als ich sie finde, ist sie verlassen und steht leer. Ein kurzes Stück zurück finde ich eine andere nette, neue Gite, verstehe aber zu wenig von der Erklärung, weshalb die alte Gite aufgegeben wurde.

Strecke:
la Bollene-Vesubie - Jausiers 123 km
Pässe:
Col St Martin 997 hm
Col de la Bonette 2218 hm ab St.Sauveur



Montag 16. Juni 2008

Entgegen der Wettervorhersage und meiner Erwartung ist akzeptables Wetter. Gestern dachte ich noch, ich bleibe in Jausiers, jetzt will ich weiter. Da ich meine Strecke geändert habe, würde ich viel schneller Richtung Norden kommen als geplant, wenn ich heute über den Vars fahre. Denn kenne ich zur Genüge und mag ihn nicht so richtig. Ich verschiebe seine Überquerung also auf später und fahre Richtung Süden über Barcelonnette zum Col de la Cayolle, einfach einer der schönsten. Anfangs der überwältigende Gorges du Bachelard, dann herrliches Tal mit Ausblicken der Extraklasse sowohl vorwärts als auch zurück, ab Bayasse schon öfter im lichten Wald, immerwieder den Bach mit vielen Wasserfällen querend, oben freier werdend mit den typischen 2000 Meter Bach- und Wiesenflächen. Auf der Passhöhe fehlt mir die Sonne zum länger Verweilen und fürs Oberglück.



hier vielleicht normal, aber im Anstieg nur schön


Die Abfahrt passt anfangs in ihrer Schönheit zum Aufstieg, wird je flacher sie ist aber unspectakulärer und zieht sich dann bis Guillaumes. Dafür entschädigt der Gorges de Daluis mit der tief abfallenden Schlucht und den vielen Tunneln trotz Fahrt auf der talabgewanden Seite, das zweite Highlight heute.

Die N202 ist öde wie erwartet, schön wird es wieder ab Annot beim Anstieg zum Col de la Colle St Martin. Es bieten sich tiefe Einblicke ins Tal mit Bach und Eisenbahnstrecke. Auf der Passhöhe werde ich wieder naß, diesmal aber erträglich. Ich breche bald wieder auf, komme ins Verduntal und fahre auf mäßig attraktiver Strecke bis Colmars.



Colmars mit seiner Stadtmauer



außen



innen



und darüber


Es ist noch früh, aber ich will hier übernachten. Passenderweise beginnt es wieder heftig zu regnen, ich trinke in aller Ruhe Cafe, warte den Regen ab und bekomme in der Gite einen riesigen Schlafraum ganz für mich allein. Ich bin glücklich.

Strecke:
Jausiers - Colmars 137,4 km
Pässe:
Col de la Cayolle 1220 hm ab Jausiers
Col de la Colle St Michel 622 hm

Später mehr

Volker