Re: Von Waren an der Müritz nach Frankfurt am Main

von: Christof

Re: Von Waren an der Müritz nach Frankfurt am Main - 10.08.10 13:34

1.000 km quer durch Deutschland – von Waren nach Frankfurt

Teil 3: von Bettrum nach Frankfurt

Radeln auf bekanntem Terrain. Neu waren für mich nur die Abschnitte Heersum – Bodenburg, Niedergandern – Witzenhausen und Schlitz – Lauterbach. Alles andere war ich vorher schon mal, teilweise in umgekehrter Richtung, geradelt.

Dienstag, 13. Juli: Bettrum – Northeim
Aufbruch zum letzten, längsten Abschnitt der Tour – gut 400 km durch Niedersachsen und Hessen. Und Aufbruch zu dritt, denn mein Neffe schließt sich uns an. 17 Jahre jung, schlank, längste bisher an einem Stück gefahren Tour: ca. 15 km. Da ist doch Luft nach oben. Die ersten kleinen Anstiege durchs Vorholz bewältigt er mühelos. Hinter Heersum überqueren wir die Innerste, hinter Hockeln folge ich der Radwanderkarte Niedersachsen, Nummer 24 – und schicke unsere Dreiergruppe auf einen schmalen Weg, der wenig radtauglich ist. In einer plötzlich auftauchenden Kuhle fährt die Gattin auf den Neffen auf und sammelt reichlich blaue Flecken ein. Die Brücke über die Innerste ist inzwischen auf Privatgelände, so dass wir über Heinde und Groß Düngen ausweichen müssen. Das kommt davon, wenn man den Mitreisenden eine landschaftlich schöne Strecke bieten möchte. Auf der direkten Strecke auf der Landstraße von Hockeln nach Klein Düngen hätte es vielleicht 5 Minuten gedauert, so gurken wir eine halbe Stunde herum. Hinter Wesseln geht es im Feld ein wenig hinauf, und bei einer Bank beruhigen wir uns wieder und genießen den Blick auf Bad Salzdetfurth (wer erinnert sich noch an die fiktiven Briefe von Gabi aus Bad Salzdetfurth, die Harald Schmidt in seiner Sendung „Schmidteinander“ verlas?). Beim Durchfahren der Stadt fallen uns mehrere Schilder „Straße des Jahres“ auf – ein stadtinterner Wettbewerb, der jährlich ausgeschrieben wird. Dann Bauchweh in Bodenburg: Der Neffe klagt über starke Schmerzen. Nach Toilettenbesuch im Freibad Bodenburg geht es etwas besser, aber wir überlegen bereits Alternativen: Abbruch der Tour und retour nach Bettrum? Per Zug nach Northeim? Aber er kämpft sich weiter, langsam radeln wir durch Hitze und Gegenwind nach Lamspringe. Nach Vesper am Radweg und frischer Getränkeversorgung geht es dann wieder besser, und wir rauschen auf dem schönsten Abschnitt des Tages auf einer stillgelegten Bahntrasse nach Bad Gandersheim – mehrere Stopps zum Betrachten und Fotografieren der Kunstwerke am Wegesrand inklusive. Der Platz vorm Dom in Bad Gandersheim gehört im Sommer traditionell den Domfestspielen, aber eine Bank für ein Eis ist immer frei. Über Orxhausen erreichen wir Kreiensen und die Leine, dessen (ich nehm’s schon mal vorweg; ziemlich unattraktivem) Radweg wir heute und morgen folgen werden. Am Flüsschen Aue weist das Radwegzeichen nach links, ich aber erinnere mich, den Weg vor Jahren nach rechts über Ippensen, Garlebesen und Volksen Richtung Einbeck gefahren zu sein, und führe die Gruppe nach rechts. Auf der kleinen Landstraße herrscht am Nachmittag kräftiger Verkehr – wäre die Route über Rittierode die bessere Alternative gewesen? Auch auf der L 572 Richtung Süden, an Salzderhelden vorbei, ist viel Verkehr, und die einzelnen Ortdurchfahrten abseits der Landstraße bringen nur minutenlange Erholung. Hier lohnt es sich, mal einen Blick auf das Hochwasser-Rückhaltebecken zu werfen, das das tief gelegene, ganz hübsche Salzderhelden schützen soll. Hinter Hollenstedt radeln wir in die Northeimer Seenplatte hinein, aber als wir endlich beschlossen haben, bei der nächste Badestelle anzuhalten, ist die letzte Möglichkeit vertan, und über die Rhume erreichen Northeim. In der Deutschen Eiche werden wir darauf hingewiesen, dass wir eine halbe Stunde nach 18 Uhr eintreffen, „ich kenne Kollegen, die das Zimmer eine Minute nach sechs weitervergeben, ich bin da ja großzügig, aber wie gesagt, es gibt da Kollegen …“ Willkommen in Northeim. Das Städtchen zeigt sich an diesem warmen Abend sommerlich, viele Gaststätten servieren draußen. Nudeln füllen den Kohlehydratspeicher wieder auf nach 90 km am ersten Tag zu dritt – nicht schlecht für den Anfang.

Mittwoch, 14. Juli: Northeim – Spiekershausen
Wer hat bloß diesen Leine-Radweg angelegt? Auch wenn die Leine ein breites Urstromtal mit entsprechend vielfältiger Verkehrsnutzung ist (Regionalbahntrasse, ICE-Trasse, A 7, B 3, Landstraßen) ist, muss der Radweg doch nicht so oft dermaßen unattraktiv und umständlich geführt werden. Kurz vor Sudheim: Umleitung, und statt über Elvese werden wir über die B 3 nach Nörten-Hardenberg geleitet. Und immer wieder abwechselnd über die Bundesstraße oder die Landstraße oder die Bahntrasse oder alles zusammen – Genussradeln ist was anderes. Eingezwängt zwischen Straße und Bahn liegt die Klostergemeinde Marienstein im südwestlichen Teil Nörten-Hardenbergs, die uns einen kleinen Abstecher wert ist. Bald kommt die Burg Plesse ins Blickfeld, aber meine Vorschlag, von Bovenden aus einen kleinen Abstecher auf die Höhe zu machen, wird dankend abgelehnt. War auch nicht ganz erst gemeint. Lang zieht sich Vorbeifahrt an Göttingen, die zumindest teilweise ganz hübsch ist, durch einen kleinen Grünstreifen direkt an der Leine. Kurz davor muss man allerdings sein Fahrrad über eine Brücke tragen – ein weiteres Puzzlestein im getrübten Leineradweg-Bild. Am Südende Göttingens erreichen wir den Kiessee, den ich meinen Mitradlern zur Stimmungsaufhellung als möglichen Badestopp in Aussicht gestellt hatte. Denkste: schöne Grünanlage, aber kein Badestrand. So treten wir, bei Gegenwind etwas schwerfällig, weiter durch mäßig interessantes Gelände über Rosdorf, Niedern- und Obernjesa und Klein Schneen, nach Friedland, wo dringend Mittagsrast eingelegt werden muss. Der Sportplatz jenseits der Bahnlinie bietet dazu Gelegenheit, und ebenso dazu, über die Weiterfahrt nachzudenken. Ergebnis. Wir teilen uns kurzfristig auf, die beiden nehmen den Zug von Friedland nach Witzenhausen, ich selbst fahre den Buckel mit dem Rad. Und bleibe damit auf Kurs, bis Frankfurt keinen Meter Streckenabschnitt mit Zug oder Auto zurückzulegen. Die Radwiki-Beschreibung hilft mir bis Niedergandern, dann folge ich nicht dem Wiki-Wegvorschlag über Hottenrode, sondern der Radhinweistafel Witzenhausen und fahre weiter nach Hebenhausen. Dort weist der Radweg nach links Richtung Eichenberg, aber ich will doch nach Witzenhausen? Und schon bin ich an der B 27. Zurückfahren? Nein, jetzt keine Kompromisse mehr. Auf der großteils dreispurig ausgebauten Bundesstraße, nur teilweise mit einem Radstreifen geadelt, jage ich dahin wie auf einer Autobahn. Und bin so flott, dass ich glatt den Radweg-Abzweig (ja, den gibt es plötzlich) nach Witzenhausen verpasse. Gebremst, gedreht, abgebogen, und kurz danach rolle ich in die Kirschenstadt, vorbei an zahlreichen Verkaufsständen. Soll ich ein Kilo mitnehmen, oder wird das, in der Gepäckstasche kräftig durchgeschüttelt, nicht schnell zu Marmelade? Und während ich noch über diese Frage nachdenke, ist die letzte Kirschenbude passiert, und ich erreiche die Werra. Anruf bei meinen abtrünnigen Mitradlern: Sie suchen gerade den Weg vom Bahnhof zum Fluss. Ha, Punktsieg für mich, mit einer Viertelstunde Vorsprung. Natürlich wird vor der Weiterfahrt das Kirschen-Tryptichon am Werra-Ufer ausgiebig fotografiert. Und dann endlich mal wieder ein Flussradweg, der den Namen verdient. Schöne Streckenführung, schöne Landschaft und ein paar kleine Anstiege, die von zügigen Abfahrten abgelöst werden. Man kommt gut voran, müssen wir aber auch, denn es geht auf 18 Uhr, und an der Radtasche der Gattin ist eine Halterung abgerissen, so dass wir noch technischen Beistand in Hann. Münden benötigen. Dummerweise geht uns der Neffe kurz vor Laubach verloren, weil er den Abzweig Richtung Hann. Münden verpasst, aber dank mobilen Telefonierens kann auch dieser Lapsus recht schnell korrigiert werden. Wo Werra sich und Fulda küssen, bekommt die lädierte Fahrradtasche einen vorläufigen Verband in Form einer Spinne – das sollte bis Frankfurt halten. Ein Eis für sofort, zwei Stück Käse für den Abend (hervorragender Laden in der Altstadt: Käsefeinkost Veronika Bode) und Antritt zum letzten Teil der Etappe. Ein besonders schöner Teil, denn die Fulda am Abend ist ausgesprochen stimmungsvoll. Warmes Licht, Blick auf die umliegenden, bewaldeten Hänge, von der B 3 bekommt man wenig mit. Wir überqueren, ohne es zu merken, die niedersächsisch-hessische Landesgrenze, der Wald tritt gelegentlich dichter an das Ufer auf der gegenüberliegenden Flussseite heran. Die Fulda zieht hier einige weite bogen, und nach etwa einer Stunde haben wir vor der großen Fuldaschleife das Wehr erreicht, über das wir, erneut die Landesgrenze überschreitend, noch fahren können, um kurz darauf im Wald sehr steil bergauf zu schieben. Aber das kennen wir schon von früheren Touren, und nach fünf Minuten sind die Räder nach oben gewuchtet. Jetzt noch die tolle Abfahrt nach Spiekershausen, dann der extrem steile Aufstieg der Straße Im Kreuzsiegen, den ich mit den letzten Körnern schaffe (aber auch das kenne ich schon), und wir werden von Onkel und Tante in ihrem wunderschönen Haus hoch über der Fulda erwartet. Der Swimming Pool ist wohl temperiert, was vor allem den Neffen zu einem ausgiebigen Aufenthalt animiert. Dann weht eine stürmische Bö die Sektgläser vom Tisch, und wir verlegen den Ausklang des Abends lieber ins Wohnzimmer.

Donnerstag, 15. Juli: Spiekershausen – Alt-Morschen
Bei der steilen Abfahrt aus dem Kreuzsiegen muss man aufpassen, dass man nicht ungebremst in die Fulda rauscht, sondern rechtzeitig nach links auf den Weg am Fluss entlang abbiegt. Die Landesgrenze zwischen Niedersachsen und Hessen verlief früher quer durch den Sportplatz; heute üben hier Hunde grenzübergreifend artgerechtes Verhalten ein. Entspann rollt man durch die Fuldaaue über Sandershausen nach Kassel, muss nur an der Scharnhorststraße eine lästige Baustelle überwinden, und dann kreuz und quer durch das neue Stadtviertel Unterneustadt zu radeln. Und schon ladet der nächste See zum Bade, in der vormittags noch recht ruhigen, weitläufigen Karlsaue. Was meine beiden Mitradler gern und ausgiebig ausnutzen. Danach beginnt ein Abschnitt weitläufiger Flussschleifen, und wir erreichen Guxhagen erst gegen Mittag. Im schönen Innenhof des Klosters Breitenau genießen wir eine schattige Mittagsrast; das Kloster selbst mit langer, wechselvoller Geschichte lohnt ebenfalls einen Besuch. Wunderschön der Abschnitt um die Fuldaschleife bei Büchenwerra, während hoch oben der Verkehr der A7 donnert. Über ein paar kleine Hügel geht es nach Melsungen, der Fachwerk-Idylle an der Fulda. Schmuckstück ist das Rathaus, auf das wir bei einem Eisbecher blicken. Die Ausfahrt aus der Stadt führt vorbei an der Firma Braun – interessant für Freunde zeitgenössischer Industriearchitektur. Oft auf eigenen, gut ausgebauten Radwegen, gelegentlich auf schwach befahrenen Straßen lässt es sich hier wunderbar radeln. Zudem wurde in den vergangenen Jahren stetig am Ausbau des Radweges gearbeitet, was ihm sichtbar mehr Attraktivität verliehen hat. Gruppen, Paare, Solisten, Genuss- und Rennradler: Es ist auch unter der Woche einiges unterwegs. In Beiseförth plötzlich die Qual der Wahl. Geradeaus über die Kreisstraße oder links ab und eine Seilfähre nutzen. Die muss neu sein, kennen wir noch nicht. Aber bis wann wird die Betrieb haben – es geht ja schon auf 18 Uhr? Wir entscheiden für die „sichere“ Variante Landstraße, doch beim Anblick der Steigung aus Beiseförth hinaus schaut die Gattin so böse, dass wir umgehend umkehren. Die Seilfähre entpuppt sich als ein über der Fulda schwebender Metallkasten, in den man offiziell vier Fahrräder hineinbekommt (aber wohl nur ohne Gepäck) – und dann heißt es kurbeln. Wir haben das doppelte Vergnügen, müssen die Kiste erst einmal auf unsere Seite kurbeln. Das ist mit Sicherheit nicht schneller als die Straßen-Variante, aber auf jeden Fall ausgefallener. 3 Minuten soll die Rekordzeit betragen – wäre vielleicht mal ein Fall für „Wetten dass …“ Bei uns dauert das alles viel länger, bis wir endlich auf der anderen Seite einschweben. Bodenständig-witzig sind die Wirtsleute im Gasthaus Semmler, in dessen Biergarten wir den Abend nach einem Bummel im Abendlicht durchs Kloster Haydau ausklingen lassen.

Freitag, 16 Juli: Alt Morschen – Schlitz
Durch das Kloster Haydau verlassen wir Morschen Richtung Rotenburg. Der Weg führt angenehm dahin, die Sonne brennt schon wieder heftig. Rotenburg hat ja durch einen Kriminalfall fragwürdige Publizität bekommen, ist wegen seiner vielen Fachwerkhäuser einen Besuch wert. Vor Jahren haben wir mal in der „Gerichtsschänke“ ebenso originell wie bizarr übernachtet. Die Gaststätte gibt es noch, Zimmer werden derzeit nicht mehr vermietet. An der Brücke über die Fulda liest uns ein nettes älteres Paar („wir sind ja früher auch große Strecken geradelt; heute machen wir noch Tagesausflüge mit dem Rad“) den Abschnitt über die „Rotenburger Knaben“ des Bildhauers Ewald Rumpf vor. Ein paar Kilometer hinter der Stadt: böse Bremsenattacke bei einer Dopingprobe. Und dann wird auf dem landschaftlich sehr schönen Abschnitt vor Breitenbach vor Attacken von Raubvögeln gewarnt, die ihre Brut schützen. Da geht der Blick dann doch immer wieder mal etwas bang gen Himmelt. Aber die Raubvögel sind wegen der Hitze offenbar ebenso matt wie wir und verzichten auf eine hautnahe Begegnung. Wir nähern uns langsam Friedlos, wo der Radweg früher direkt an der B 27 besonders fried- und freudlos entlang führte. Die neue Streckenführung ab Mecklar ist zwar etwas länger, aber dafür ruhig durch Feld und Wald. Sie mündet in den Solztal-Radweg, mit dem man eine kurze Verbindung hinüber zur Werra nach Phillipstahl nutzen kann. Wir fahren aber nach rechts und landen irgendwann doch noch an einem unkomfortablen Radweg an der B 27, von dem wir nach endlos scheinendem Gestrampel endlich rechts ab Richtung Bad Hersfelder Innenstadt abbiegen können. Wahrscheinlich wäre es viel besser gewesen, vorher dem Radweg-Hinweis „Bad Hersfeld Bahnhof“ zu folgen. Die Proben für die Aufführungen der Festspiele in der Ruine der Stiftskirche sind leider nur zu hören, nicht zu sehen; die Ruine beeindruckt aber bereits mit ihrer schieren Größe. Auch der Weg hinaus aus der Stadt ist nicht ganz leicht zu finden, aber mit der Orientierung „Eichhof“ klappt es ganz gut. Der Ort gehört zu Bad Hersfeld, das Schloss gehört ebenfalls zu den Bühnen der Festspiele, mit dem Schwerpunkt Komödien. Im Landwirtschaftszentrum Eichhof beginnt kurz nach unserer Durchfahrt ein Seminar zum Thema ökologischer Gartenbau. Was ja auch mal ganz interessant wäre. Das wellige Gelände in Kombination mit Gegenwind strengt meine beiden Begleiter doch ziemlich an, aber eine Pause in Mengshausen, verkürzt und gewürzt durch launig vorgetragene Erläuterungen einer rüstigen Seniorin ("ich bin 80 Jahre alt, aber mir macht hier keiner was vor“) zum Ortsgeschehen. Der folgende Abschnitt ab Niederaula schient mir auch relativ neu und besser zu sein, jedenfalls erinnere ich mich daran, 2002 eine andere Strecke gefahren zu sein. Über uns rauschen ICE und A7 dahin, wir rauschen auf gut ausgebautem Radweg, so gut es die hitzegeplagten Waden noch vermögen, rasten noch einmal auf einer schattigen Bank und biegen kurz dem Ort mit dem schönen Namen Fraurombach ab nach Schlitz. Dort beziehen wir unsere Zimmer im putzigen Braustübchen, drehen noch eine Runde durch die Stadt inklusive Auffahrt zum Turm der Schachtenburg – ein Muss, denn von oben bietet sich ein herrlicher Blick über die Stadt und die Umgebung. Der Turmführer empfiehlt uns fürs Abendessen passenderweise das Braustübchen, und wer hockt dort beim Bier? Zwei Freunde aus dem Rhein-Main-Gebiet, die morgens in Bad Vilbel aufgebrochen zu einer einwöchigen Tour waren. So wird es ein kurzweiliger, mit vielen Radleranekdoten gewürzter Abend.

Samstag, 17. Juli: Schlitz – Merkenfritz
Die Nacht ist schwül, und die Hitze staut sich in den eigentlich ganz gemütlichen Kojen im Braustübchen. Gut angelegt der Radweg Richtung Lauterbach, wo sich die Schwüle schon im nächsten Ort, Bernshausen, in heftigem Regen mit Gewitter entlädt. Gut, wenn ein Bushäuschen in der Nähe ist. Nach zehn Tagen Dauersonne ist heute der Tag des unbeständigen Wetters, was im weitern Verlauf zu regelmäßigen Umkleidestopps führt. Der Weg ist weiter toll zu fahren, um Bad Salzschlirf (klingt für mich immer noch nach Inbegriff betulicher Kur-Kultur) herum, weil der Ort bei Nieselregen nicht für einen Stopp lockt, ehe man in Angersbach, drei Kilometer vor Lauterbach, noch einmal an die stark befahrene B 254 muss. Für den Abschnitt noch eine schöne Strecke einrichten, und es gibt eine perfekte Verbindung von Schlitz nach Lauterbach. Dort gibt es einen Metzger mit dem schönen Namen Otterbein, bei dem wir für die Mittagsvesper einkaufen. Die wird vorgezogen, weil es gerade mal wieder heftig regnet – im traumschönen Ambiente der Eichbergschule, aber immer im Trockenen. Der Vulkanradweg steigt hinter Lauterbach für kurze Zeit etwas kräftiger an, dann geht es moderat bergauf. Ein Feuersalamander sitzt seelenruhig mitten auf der Piste, und hätte uns ein anderer Radler nicht gewarnt, hätten wir ihn wahrscheinlich überfahren. Er lässt sich per Hand ins sichere Grün versetzen und krabbelt langsam davon. Wir passieren das schön gelegene Schloss Eisenbach, umfahren in weitem Rund Herbstein, auf das man kilometerlang blickt, ehe der Weg rund um Ilbeshausen eben wird oder sogar leicht abfällt. Das mäßige Wetter wirkt sich umgehend auf die gastronomische Versorgung aus: Wo sonst Bahnhöfe geöffnet haben oder Stände aufgebaut sind, ist heute nichts zu sehen. Kurz vorm Schlussanstieg nach Hartmannshain sehe ich dafür am Zaun des ehemaligen Bahnhofs Crainfeld ein bekanntes Gesicht: eine Freundin aus Frankfurt, die den Bahnhof vor Jahren gemeinsam mit ihrem Mann gekauft hat. Was für ein Zufall, was für eine Überraschung. Sie haben zu tun, denn der Sturm vor ein paar Nächten hat das Dach beschädigt. Eigentlich müsste man einen Besichtigungsstopp machen, aber wir sind in Merkenfritz verabredet und haben durch die Regenpausen schon viel Zeit verloren. Also hinauf nach Hartmannshain, was auf den letzten zwei, drei etwas steileren Kilometern erfahrungsgemäß etwas länger dauert. Umso mehr genießen wir die Abfahrt nach Ober-Seemen, wo man leider immer noch für ein kurzes Stück ein ehemaliges Werksgelände umfahren muss, und den weiteren Streckenabschnitt hinunter nach Gedern. Immer wieder treffen wir eine fidele Frauengruppe aus Fulda, die seit vielen Jahren eine gemeinsame Tour macht und heute noch bis Altenstadt kommen will. Für uns aber ist bereits Schluss in Merkenfritz, wo wir traditionell bei Freunden übernachten. Das haben wir, vom Vulkan- oder vom Südbahnradweg kommend, bereits häufiger gemacht und fühlen uns nach zwei Wochen auf dem Rad fast schon wieder daheim. Das Haus ist voll, die Gespräche abwechslungsreich, Essen und Getränke reichlich, die Hunde wollen („wo ist das Quietschi?“) ununterbrochen spielen – was für ein schöner letzter Tour-Abend!

Sonntag, 18. Juli: Merkenfritz – Frankfurt
Letzte Runde, nein, nicht in Mac’s Place, sondern auf der Radtour. Wir wissen: wir werden heute die 1.000-Kilometer-Marke knacken, und der Neffe wird stolz auf die mehr als 450 Kilometer sein, die er bei seiner ersten großen Tour im Sattel gesessen hat. Der Vorteil am Vulkanradweg Richtung Rhein-Main-Gebiet: Man rauscht zügig leicht bergab. Der Nachteil am Vulkanradweg Richtung Rhein-Main-Gebiet: Man rauscht zügig leicht bergab. Und weil es so schon rollt, macht man unterwegs zu selten Halt, um die Gegend zu betrachten und die Städtchen (Hirzenhain, Ortenberg, Lissberg, Glauburg) zu besuchen. Der Fluch des guten Radweges. Nicht mal am Forellenteich in Lissberg wird gestoppt, weil wir befürchten, dass den Fischen die Hitze bis Frankfurt nicht gut bekommt. Und so sind wir bereits nach einer Stunde ab Merkenfritz in Altenstadt. Über Höchst erreichen wir Eichen, wo sich immer wieder die Frage stellt: wie weiter in Richtung Frankfurt? Über Ostheim auf die Hohe Straße? Wir wählen diesmal die Variante Heldenbergen (bis dahin brauchbarer Weg) – Büdesheim (das Stück ist nicht so angenehm), dann links ab nach Kilianstädten (Radweg neben der Straße), im Ort rechts über Oberdorfelden (überflüssiger Radweg am Ortsanfang) und Niederdorfelden nach Gronau und dort auf den Niddaradweg. Das gute Wetter lockt viele Radler und Spaziergänger an den Fluss, wir gönnen uns ein letztes Eis in Bad Vilbel, biegen rechts ab Richtung Massenheim und erreichen nach 1.055 km in 17 Tagen (davon ein Ruhetag und eine Kurztour) und vielen großartigen Eindrücken in teils für uns neuen, teils schon bekannten Regionen unseren Frankfurter Stadtteil.