Re: Ostalpen Salzburg-Wien-Maribor-Salzburg

von: veloträumer

Re: Ostalpen Salzburg-Wien-Maribor-Salzburg - 06.12.10 00:31

Eine weitere Fortsetzung:

TEIL 4: Bahnwelten, Badewelten und ein Toter Mann:
Rund um Semmering und Joglland


Di, 6.7. Kirchberg/Wechsel - Ramsattel (824m) - Gloggnitz - Schottwein – Maria Schutz - Schottwein - Adlitzgraben - Semmering (985m) - Steinhaus - Pfaffensattel (1372m) - Rettenegg
81 km | 1730 Hm | 6:56 h | 11,6 km/h

C: wild 0,- €
AE: Maibockschnitzel in Sesam-, Kürbiskernkruste & Wiener Art, Kartoffeln, Salat, Rotwein, Schoko-Palatschinken, Espresso 23,50 €

Die Fahrt entlang der ältesten Gebirgsbahn war eines meiner Marksteine für diese Tour. Mit 15 Tunnels, 16 teils doppelstöckigen Viadukten und weiteren 100 Brücken ist die Semmeringbahn mehr als ein schlichtes technisches Meisterwerk aus dem Jahre 1854, das lediglich Eisenbahnfreunde in Verzückung versetzt. Der Verlauf der Bahn ist eines der auch heute noch gültigen Musterbeispiele, wie Technik in die Landschaft symbiotisch eingebunden werden kann und sie gleichzeitig bereichert. Der Fotograf kann sich zudem auf eine hohe Frequenz von unterschiedlichsten Züglein freuen.

Für meinen Tourverlauf war es letztlich günstiger, die Semmeringbahn in meinen Südkurs statt in meine erste Tourwoche auf dem Weg von Salzburg nach Wien einzubinden, obwohl ich ja bereits dabei der Bahntrasse sehr nahe gekommen war und die Landschaft auf der Ostanfahrt dem nach Norden weisenden Höllental ähnelt. Die Auffahrt sollte man nur von Osten machen, die Westseite besteht aus einer doch eher langweiligen geradlinigen Route, auf der es weit weniger aufregende Bahnlandschaft zu sehen gibt. Aber auch von Osten muss man noch weitergehend aufpassen, denn es gibt drei Routen, die zum Semmering führen – nimmt man die Autobahn hinzu, sind es sogar vier (selbstverständlich keine Radalternative).

Die eigentliche Bahnroute führt über den Adlitzgraben, in den man am Ortsanfang Schottwein abbiegen muss. Dort ist aber der Semmering nicht angeschrieben, so folgte ich zunächst der ausgewiesen Semmeringroute bis kurz nach Maria Schutz. Erst da wurde mir klar, dass ich so die Bahnarchitektur nicht zu sehen bekomme. Somit fahre ich erhebliche Höhenmeter umsonst – allerdings nicht ganz nutzlos, denn auf dieser offenen Strecke bekommt man einen guten Überblick über das Tal, während die Bahnroute sich in einige Nebentäler hineinbohrt und es kein weites Panorama gibt. Im Adlitzgraben findet sich schließlich noch ein Abzweig über den Haidbachgraben zum Semmering – diese Strecke dürfte die steilste und gleichzeitig unbefahrenste sein, verläuft aber ebenfalls ohne Bindung an die Bahnstrecke. Für bessere Blicke auf die Bahnviadukte muss man nochmals von der Strecke abweichen, etwa zur Kalten Rinne, dem vermutlich imposantesten Viadukt. Wer mehr von der Bahn sehen will, kommt aber nicht drumrum, den Bahnwanderweg abzulaufen. Alle Sehenswürdigkeiten sind mit informativen Tafeln versehen, die ersten stehen bereits am östlichen Ausgangsbahnhof Gloggnitz.

Leider entwickelte sich am Nachmittag ein Regenfront und ich erlebte den Semmering – nicht nur Passhöhe, sondern auch Kurort – in Nieselwolken gehüllt. Während Semmering Kurort einige schöne alte Villen besitzt, hat man die Passhöhe mit einem Funpark ein wenig verschandelt. Der Regen ebbte zwar ab, es blieb aber stark bedeckt und doch empfindlich kühl – insbesondere bei der Auffahrt zum Pfaffensattel. Dieser hat eine Straße mit schlechtem Belag, besticht aber mit abwechselnden, stimmungsvollen Landschaftsteilen – bei allerdings kräftigen Steigungswerten. Im südlichen Tal ist Forellenzucht verbreitet, letztlich speise ich aber bei einem Wildspezialisten. Wieder empfinde ich die – zwar kreativen Panaden – dem Fleischgeschmack eher abträglich.

Mi, 7.7. Rettenegg - Freistritzsattel (1290m) - Kirchberg - Aspang - Wechselpass (967m) - Pinggau - Rohrbach - Kreuzwirt (1030m) - Toter Mann (1065m) - Auf der Halt (1063m) - Ratten*
115 km | 1800 Hm | 8:11 h | 14,0 km/h

C: wild 0,- €
AE: Schweinslendchen an Sahnesauce, Spätzle, Gemüse, Rotwein, Maronentorte 17,20 €

Dieser Tag verläuft durch schönes Radelland – allerdings eher unspektulär. Das Pass-Highlight des Tages liegt gleich am Anfang mit dem Freistritzsattel, dessen Südanfahrt immer wieder von blau-violetten Lupinienflächen gesäumt wird. Den architektonischen Höhepunkt hingegen bildet das Augustiner Chorherrenstift in Vorau. Die weitläufige Anlage mit rosenblühen Klostergarten in Rot und Grün besticht durch reich verzierte Fassaden in pastellfarbenem Rosa neben erhabenem Weiß – trotz der monumentalen Ausmaße verströmt es eine leichte, besinnliche Atmosphäre, die zum Verweilen einlädt.

Eher ungeplant fahre ich beim Kreuzwirt eine Waldstraße ein, die anfänglich noch asphaltiert, sich alsbald in eine teils rumpelige Waldpiste verwandelt. Die Gegend scheint eine Stätte für Geisterbeschwörer zu sein, denn der alte Römerweg bezeichnet einen Kultwanderweg, auf dem sich Wegweiser wie „Bergmesse“ finden lassen. Das ist nicht ohne Grund: Der Name des Passes „Toter Mann“ hat die Sagenerzähler inspiriert und zu folgender Legende angeregt:

Unter einer Kapelle an dem Römerweg liegt ein Büßer. Dieser wollte mit seiner Frau von Ungarn eine Wallfahrt auf Knien nach Maria Zell machen. Doch er wurde in dieser Gegend krank und verstarb. Ein mitleidiger Bauer fand und begrub ihn und errichtete eine kleine Kapelle über seinem Grab. Dort kann man um Mitternacht zwischen dem 5. und dem 6. Januar mit dem Teufel sprechen, wenn man seinen Namen dreimal ruft. Die Frau des Verstorbenen wanderte weiter nach Maria Zell. Aber auch sie verstarb vor ihrem Ziel im oberen Mürztal. Diese Gegend mit einem beachtenswerten Wasserfall heißt seitdem „Totes Weib“ (s. Teil 2 des Berichts).

Die Analyse des Namens ergibt aber, dass es sich um eine keltische Bezeichnung handelt – für einen Ort auf einer Kuppe mit Wegkreuzungen, an dem sich die Männer zu Beratungen trafen um Stammesentscheidungen zu treffen. Den Teufel hingegen ereilte an diesem Abend die deutschen Nationalkicker. Als sie im Halbfinale gegen die Spanier verloren hatten, kam ein Österreicher aus dem Nebenraum der Gaststube und sagte „Passt schon!“ Damit hatte ich auch einen für mich vollkommen ausreichenden Spielbericht erhalten. :zufrieden:

Do, 8.7. Ratten - Am Alpstieg (1099m) - Krieglach - Mitterdorf - Kindbergdörfl - Auf der Schanz (1171m) - Fischbach - Jägerkreuz (1060m) - Birkfeld - Gschaid (806m) - Pöllau - Kaindorf - Bad Blumau - Fürstenfeld
130 km | 1430 Hm | 8:34 h | 15,0 km/h

C: Fürstenfeld 11,-
AE: Griech. Salat, Spaghetti Arabiatta, Rotwein, Eiskaffee 16,90 €

Neben den angrenzenden Hügellandschaften von Buckliger Welt und Joglland kreuze ich auch noch die angrenzende nordwestliche Ecke zur Mürz hin mit den Fischbacher Alpen. Der hier liegende Ort Alpl ist der Geburtsort des patriotischen Schriftstellers Peter Rosegger, der in den Verdacht geriet antisemitisch zu sein, weil er mit daran beteiligt war, dass der jüdische Heinrich Heine keinen Nobelpreis erhielt und ein Teil seiner Schriften posthum von den Nationalsozialisten für ihre Zwecke eingesetzt wurde. Der Vorwurf des Antisemiten konnte die Wissenschaft aber widerlegen, Roseggers Haltung war humanistisch, aber auch konservativ-monarchistisch geprägt.

Der Mürzlauf zwischen Krieglach und Kindberg erfreut Auge und Seele mit träumerischer Flussidylle nebst Weiden in der breiten Talebene. Malerische Fassaden erstrahlen in Kindberg, herausragende Produkte hier sind Lebkuchen und einfallsreiche Glaskunst. Die romantische Auffahrt durch das Stanzer Tal ist reichlich schweißtreibend, kommt doch zum steilen Berg noch die vollendete Sommerhitze des Tages hinzu, ohne dass ich geeignete Badestellen finden kann – obwohl doch auf dem Weg ins südsteirische Thermenland.

Nicht nur die Sonne sorgt für farbenfrohe Stimmung. Das Schloss Pöllau (ehemals Kloster) mit seinem Blumengarten, das Blumen- und Thermendorf Bad Waltersdorf und schließlich die weitläufige Hundertwasser- Thermenanlage von Bad Blumau sorgen für einen bunten Augenschmauß in der nun zur Ebene auslaufenden Strecke nach Süden. Auf den Feldern wird überwiegend Mais und Kürbis angebaut – das Kürbiskernöl wird überall direkt von den Produzenten vermarktet.

Den Hundertwasserbau in Bad Blumau kann man recht weitreichend sich anschauen, bevor man an die Rezeption des Hotels oder den Thermeneingang gelangt. Die nicht gerade billigen Thermenanlagen mit integrierten Hotelzimmern und Appartments scheinen sich großer Beliebtheit zu erfreuen, nicht zuletzt bei Familien. Eine Übernachtung in Bad Blumau mit freiem Thermenzugang gibt es ab 120 Euro bei Einzelbelegung, ab 90 Euro pro Nase bei Doppelbelegung. Da fast alle Zimmer individuell gestaltet sind, gibt es große Abweichungen, auch je nach Saison. Es kann auch auf über 300 Euro pro Nase rauslaufen, und weil an Wochenenden z.B. ein Mindestaufenthalt von zwei Nächten vorgeschrieben ist, kann eine Familie da schnell mal einen 1000er loswerden, ohne was gegessen zu haben. Der Name Hundertwasser bekommt hier eine ganze neue Bedeutung. schockiert