Re: Ostalpen Salzburg-Wien-Maribor-Salzburg

von: veloträumer

Re: Ostalpen Salzburg-Wien-Maribor-Salzburg - 06.12.10 12:15

Rechtzeitig zur Mittagspause ein Nachschlag...

TEIL 5: Grenzüberschreitendes Weinhügelland:
Alte Vulkane, Lebenskunst und slowenische Städteperlen


Fr, 9.7. Fürstenfeld - Hatzendorf - Riegersburg - Feldbach - Fehring - Kapfenstein - St. Anna - Klöch - Bad Radkersburg - Ljutomer - Banovci*
126 km | 1000 Hm | 7:18 h | 17,0 km/h

C: Terme Banovci 11,50
AE: Braten Ljutomerer Art, Pommes, Gemüse, 2 Bier, ~ 17,- €

Die Fahrt durch die Südsteiermark führt durch altes Vulkanland. Entsprechend hügeliger ist die Gegend wieder. Die Hänge werden vielfach für Weinbau genutzt, in den Ebenen dominiert wieder Mais, Sonnenblumen und Kürbis. Aber auch kleine Haine oder Flusslandschaften wie etwa an der Raab bieten schattige Abwechslung. Das Vulkanland steht auch für die besondere südsteirische Lebenskultur: Lebenskraft, Kulinarik, Genießen, Lebensqualität durch intensive Mitbestimmung der Bürger. Das Schlagwort Eat & Art findet sich in feinen Produkten wieder: Kürbiskernöl, Kürbiskerne aromatisert zu Knabbern (Vanille, Kaffe etc.), erlesene Weine, erlesene Marmeladen und Pastasaucen, hochwertige Schokolade – oft verbunden mit Kunst oder kunstvoller Gestaltung. Als Fan des süßen Bohnenschmelzes stattete ich natürlich auch bei der Schokoladenmanufaktur Zotter einen Besuch ab. Die erlesenen Kakaobohnen wählt die Riegersberger Edelschmiere nur von ökologisch nachhaltigen Kakaoanbauern aus. Zur braunen Sünde gab es ja bereits das Bilderrätsel 673.

Eine andere Begebenheit über die südsteirische Lebensart erwähnte ich bereits in der Einführung in diesem Bericht unter „Essen und Trinken“. Offenbar hatte ich beim Livegenuss etwas weniger Glück mit der heimischen Küche, in den Shops waren die guten Produkte sehr wohl zu finden. Im eingangs besagten Gasthof Malerwinkl kam ich also am frühen Morgen in den Genuss einer Vulkanwurst. Das Hotel mit Genussshop ist aber ein Idealtypus von Eat & Art, die Zimmer sind individuell und künstlerisch gestaltet, Einflüsse von Hundertwasser sind sichtbar. Aber die Preise sind hier erschwinglich, Einzelzimmer ab 35, im Doppel ab 32 Euro pro Nase. Wer mal in der Gegend ist und Hotelübernachter, sollte hier mal einen Besuch abstatten – es ist ein sehr empfehlenswerter Ort der Gastlichkeit mit vielen Details – natürlich auch wunderbar zum Essen.

Auf einen weiteren Shop mit feinen Regionalprodukte stoße ich in Riegersburg, der sich als Hexenladen bezeichnet. In der Tat war die Südoststeiermark einst auch ein Zentrum von Hexenverfolgung. In einem Prozess in Radkersburg und Graz gegen eine gewisse Benigna Khevenhüller wurde dieser vorgeworfen, eine Kinderfresserin zu sein und Liebeszauber zu betreiben. Die meisten Anklagen waren aber Folge von Unwettern und Ernteausfällen, weil das gewöhnliche Volk Hexen und Zauberinnen für Wettermacher hielten. Manche Bauern suchten sich mit Gaben wie Weizen, Most oder Geld an die Hexen zu schützen. Kam es aber zu Erntekatastrophen, sah man darin das Werk des Teufels, mit dem sich die Hexen verbündet haben sollen. Tatsächlich kam es 1675 im Luttenberger Prozess zu 36 Todesfällen und zu zahlreichen weiteren Peinigungen von Frauen, die nicht ins damalige Weltbild passen wollten.

Auch auf einem ehemaligen Vulkan steht die weithin sichtbare und markante 850 Jahre alte Burg Riegersburg. Der Weg zur Burg ist derart steil, dass sich das Rad nicht hinaufschieben lässt. Wer den strapaziösen Fußweg sparen will, kann über ein noch recht junge Schrägseilbahn nach oben gelangen. Noch heute wird hier auf einer kleinen Fläche ein exklusiver Burgweinbau betrieben. Auf die Besichtigung des Inneren der Burg verzichtete ich, weil ich im Malerwinkl doch einige Zeit hatte liegen lassen und ich ja auch noch eine Zotter-Besichtigung geplant hatte, die aber dann unerwartet wegen des Betriebsurlaubes ausfallen musste.

Die Routenwahl hier weit im Süden der Steiermarkt Richtung Radkersburg fällt schwer, denn es gibt sehr viele Alternativen – und nicht klar, welche die schönste sein könnte. In der Hoffnung, eine Badestelle an diesem wiederum extrem heißen Tag an der Raab zu finden, schlage ich nach Feldbach den Raabradweg ein. Dieser ist aber sehr verwinkelt und es kommen etliche Mehrkilometer nach Fehring zusammen. Zum Baden ist dieser Fluss, an dem Lederindustrie gediehen ist nicht (auch dazu Info-tafeln zu finden), nicht geeignet. Die Uferzugänge sind ebenso unzugänglich wie auch das meist fast stehende Gewässer eine ziemlich braune Lehmbrühe mit großem Mückenreichtum ist.

Eine faszinierende Weinlandschaft entwickelt sich dann bei St. Anna – der Werbeslogan „Wein ist St. Anna“ ist selbstredend. Die vielen Weingüter machen den Eindruck einer sehr wohlhabenden Gegend und fügen sich mit viel Charme in den vorwiegend kürbistonangwandelten Farben in die Landschaft ein. In Richtung Bad Radkersburg verschwinden die Weinberge zugunsten einer flachen Wald- und Wiesenlandschaft. In Radkersburg selbst fällt die ausgeprägte K.u.k.-Architektur auf.

Ohne die Mur als Grenzfluss wäre die Grenze nach Slowenien kaum zu merken. Die Bauweise ist sehr verwandt mit den Weingüterbauweisen zuvor – allerdings sind die meisten Häuser sehr neu oder gar noch im Rohbau. Offenbar Zeichen eines noch jungen und wachsenden Wohlstandes, wie auch die Autos ein besseren Mittelklasse dem entsprechen. Der Mut zu kräftigen, bunten Häusern ist noch ausgerägter als in der Südsteiermark. Auffällig sind auch die kleinen Kapellchen an den Straßenachsen der kleine Orte, die teils nur eine Art Tempel sind, weil sie nicht oder vielleicht nur von einem Zeremonienmeister betreten werden können. Hügel bieten sich hier wie sonst in Slowenien als Kirchenstandorte nicht an, weil die Felderlandschaft an der Strecke nach Ljutomer extrem eben ist. Nach Westen deuten sich Hügel an, die aber in der Sommerdunstluft kaum zu sehen sind.

Sa, 10.7. Banovci (Ruhetag)
0 km | 0 Hm | 0:00 h | -

C: Terme Banovci 11,50
AE: Schnitzel Jeruzalem Art, Pommes, Salat, Rotwein 13,10 €

Im Tagesendrausch der Flachgeschwindigkeit des Vortages versäumte ich die rechtzeitige Abzweigung nach Banovci, sodass ich ungewollt Ljutomer erreichte und zurückfahren musste um den geplanten Ruhetag in dem Ferienkomplex der Terme Banovci zu verbringen. Der Komplex besteht aus einem frei zugänglichen Restaurant, einer Hotelanlage, einer Saunanlage, sowie zwei Außenthermenkomplexen. Einer davon ist exklusiv für FKK wie auch ein entsprechender Teil des Campings. Die Thermenbereiche können aber nur mit mit einer Chip-Karte betreten werden, sind auch für Tagesgäste gedacht. Will man zwischen den beiden Teilthermalkomplexen wechseln oder mehrfach raus und rein, muss man eine Wartezeit von zwei Stunden akzeptieren, bis sich das Drehkreuz wieder öffnet. Offenbar will man damit verhindern, dass die Campinggäste zum Essen jederzeit ihren Wohnwagen bzw. ihr Zelt aufsuchen und die Angebote der Badebistros nutzen. Von dieser kleinlichen Gängelei mal abgesehen ist die gesamt Anlage hochwertig einschließlich der sanitären Anlagen des Campings. Es wurde weder am schönen Ambiente noch an ausreichend Sprudlern gespart, wer’s mag findet auch ausreichend Animation insbesondere für Kinder (beschränkt sich aber auf den Textilbereich). Durch die Camping-Therme-Kombi ist der Preis auch sehr günstig, denn auch in Slowenien kostet sonst ein Thermenbesuch bereits soviel oder zuweilen auch mehr ohne Campingplatz (z.B. Terme Topolsica bei Velenje).

Die Umgebung besteht aus Feldern und Wiesen und ist absolut flach. Es riecht nach Kornfeld. Der pannonische Ort Banovci ist sehr klein und bedeutungslos, es gibt aber einen kleinen Laden mit nicht sehr üppigem, aber ausreichendem Angebot, eine Pizzeria und noch ein oder zwei weitere Cafes oder Kneipen. Über das Thermenrestaurant hinaus habe ich nur noch den Laden genutzt, am Ruhtag stand das Rad tatsächlich 100%ig still. Außer Wäschewaschen stand nur Faulenzen auf dem Programm. schmunzel

So, 11.7. Banovci - Ljutomer - Jeruzalem - Ormoz - Tomaz - Dornava - Ptuj - Vurberg (via Drauradweg) - Maribor - Limbus
110 km | 835 Hm | 7:15 h | 14,7 km/h

C: wild 0,- €
AE: Fischsalat, Gnocchi Gorgonzola, Rotwein 13,25

Ljutomer ist zwar ein zentraler Ort mit wesentlicher Infrastruktur. Kaffee kann man überall an der Tanke trinken, dort gibt es meist eine Cafeecke innen und/oder außen. Die Tankstellensandwiches haben aber immer noch den Status von Waschlappenwickeln. Bäckereien finden sich seltener, eine bessere mit Cafe in Ljutomer fand ich erst leider nach meinem Tanke-Besuch. Die Stadt selbst wirkt sehr aufgeräumt mit einem großen Platz, die Gebäude im eher unauffälligem K.u.k.-Stil.

Das folgende Hügelland entpuppte sich als mindestens ebenso liebliches, sonnnig-leuchtendes Land der Rebstöcke wie die angrenzende Südsteiermark. Auch hier spürt man ein gewissen Wohlstand, der sich in neu gebauten, aber stilvollen Häusern und den vielen mitunter neu asphaltierten Weinbergstraßen widerspiegelt, die längst nicht alle in den gängigen Straßenkarten eingezeichnet sind. Nur ein kleines Abkürzungsstück musste ich auf Schotterpiste überwinden, die aber passabel fahrbar war. Das Herzstück der Weinroute ist namensgebend Jeruzalem, ein kleines charmantes Weinörtchen auf dem Hügel mit traumhafter Aussicht gelegen. Jeder Blickwinkel auf der leicht hügeligen Route bereitet wieder neue Freude über die anmutige Landschaft.

Die Weinroutenfahrt nach Süden setzte ich mit Unterbrechung in Ormoz nochmal nach Nordwest fort. Ormoz ist ohne besondere Architektur, dafür infrastrukturell wohl noch etwas besser ausgestattet als Ljutomer. In einem Supermarkt kann ich mich versorgen, denn die Lebensmittelabteilung ist sonntags eingeschränkt geöffnet. Unweit der Stadt stoße ich auf ein Kloster, in dem eine Kunstsammlung zu sehen ist, die aber offenbar wegen Sonntag geschlossen ist. Ab Tomaz wird das Weinland weniger, Feld- Wald, und Wiesenhügel, unterbrochen von einem See (eher ein Angelrevier) führt die Route in die Drau-Ebene, in der der See von Ptuj liegt und die Stadt mit dem Schlossberg etwas aus der Ebene herauswächst. Nördlich schließt sich am linken Drauufer wieder Weinhügelland an, während nach Westen die Ebene weithin bis zu den entfernt im Dunst steil aufsteigenden Bergen des Pohorje verläuft.

Noch vor Ptuj komme ich in Dornava an einem träumerischen Barockschloss in Dornava vorbei, das etwas verfallen wirkt, was aber wohl eine Täuschung ist, denn es finden dort aktuell u.a. Konzerte statt. Ptuj offenbart sich dann als äußerst sehenswerte Stadt mit pittoresken Fassaden, filigranen Türmchen, detailverliebten Schnörkeln, schmucken Balkonbrüstungen, aufsteigenden Gassen, kleinen Plätzen, mit zahlreiche Cafes, Restaurants, Bars und Hotels. Am Drauufer fahren Schnellboote zum Drau-gestauten See, der ein beliebtes Freizeitrevier vor der Stadt ist – mit Terme, Golfplatz, Camping, Segelrevier usw. Ich habe aber den See nicht näher inspiziert. Noch mehr Ausblick hat man vom Schloss, das man besichtigen kann und im Schlosshof eine beliebte Lokalität bietet.

Den Drauradweg finde ich eher zufällig, denn er ist nicht ausgeschrieben und bei den Einheimischen offenbar weitgehend unbekannt. Genau betrachtet ist es auch kein Radweg, sondern eine Nebenstraße, die verteiltes Siedlungsgebiet und nachfolgende Orte an den Rebstockhängen erschließt. Trotzdem wollte mir jeder, den ich ansprach, erzählen, dass nach Maribor nur die Schnellstraße durch die Ebene auf der anderen Drauseite (aber nicht entlang des Flusses) führt. Am besten findet man die Straße von der Burg kommend nach Nordwest abzweigend bevor es hiunter in die Stadt geht. Wenig später führt diese Straße auch ans Drauufer, im weiteren Verlauf entfernt man sich aber gelegentlich von der Drau und fährt auch mal in einem Ort ein Hügel hinauf.

Auf der Einfahrt nach Maribor überquere ich zweimal die Drau, vielleicht gibt es aber auch eine rein nordseitige Einfahrt. Die zweitgrößte Stadt Sloweniens wird außen bereits deutlich von den Verkehrsadern dominiert. Auch die Innenansicht ist weniger intim als die von Ptuj. Es überwiegt eine monumentale, monarchische Bauweise mit breiten Straßen und großen Plätzen. Zwar finde ich viel Cafes, in denen sich die Fußballgemeinde zum WM-Endspiel eingefunden hat, aber die Suche nach einem Esslokal erweist sich als überraschend schwierig. Ich treffe auf eine Dame des Jazzclubs Satchmo, erkläre ihr, dass ich zwar in Deutschlands ältester Jazzzeitschrift arbeite, ich mich aber als hungriger Radler heute mehr für Esslokale interessiere. Sie versteht zwar meine Lage, meint aber, dass am Sonntag und mit Fußball es nur wenig Möglichkeiten gibt. Auch das reaktivierte Flößerviertel Lent ist offenbar nach dem Ende des dort jeden Sommer stattfindenden Festivals keine geeignete Essecke. Ich finde schließlich auf Hinweis eines Eiscafekellners ein italienisches Restaurant. Zwar befindet sich unten ein Freiluftbereich in der Gasse, aber nur für Getränke. Zum Essen muss man in die obere Etage, die trotz angepriesener Klimatisierung extrem aufgeheizt ist. Leider passt sich das Essen wie schon eingangs des Berichts angedeutet an die unangenehme Temperatur an. Hm, das war ein ziemliches Armutszeugnis für Maribor. Auch im sonsitgen Gesamteindruck klarer Verlierer gegenüber Ptuj.

Zwar gibt es mittlerweile einen neuen Camping in Maribor, allerdings nicht an der Drau und in einer anderen Richtung als die meinige gelegen. Diesen nun in der Dunkelheit zu später Stunde zu suchen empfand ich als unproduktiv und fand bei Limbus ein Plätzchen für mein Zelt. Allerdings sei erwähnt, dass nicht nur diese Gegend dicht besiedelt ist und es mancherorts weniger geeignete Wildcampingplätze gibt als man denken mag – auch in den folgenden Nächten in Slowenien. Man sollte damit leben können, auch im Sichtbereich von Häusern zu weilen.