Re: Ostalpen Salzburg-Wien-Maribor-Salzburg

von: veloträumer

Re: Ostalpen Salzburg-Wien-Maribor-Salzburg - 12.12.10 17:23

Weil ich ordentliche PC-Arbeitsplätze in den Zügen vorgefunden habe, bereits jetzt die Fortsetzung.

TEIL 7: Träumerische Wege durch die Gurktaler Alpen:
Zwischen Kärntner Seenland, kuppeligen Nockbergen und romantischer Mur


Sa, 17.7. St. Veit - Kraigersee - Wimitz - Goggausee (755m) - Feldkirchen - Bodensdorf - Gerlitzen-Höhe Feuerberg/Parkplatz (1761m) - Bodensdorf - Annaheim
90 km | 1710 Hm | 6:59 h | 12,7 km/h

C: Camping Wirt 14,05
AE: Grillteller, Pommes, Salat, Radler, Espresso ~ 17,- €

St. Veit hat eine alte Stadtmauer, die man sich hier als Lebensraum aus dem musealen Stein zurückgeholt. So ist in das Mauerwerk z.B. ein loungiges Cafe geradezu symbiotisch eingefügt. Auch sonst leuchtet die Stadt im Glanz von Alt und Neu. Zwischen Hundertwasser und Dali erfreut ein Hotelbau das Farbenherz in neogotischer Motivbemalung aus Blau, Rot und Weiß auf Eierbecherformen. Logisch, dass das Frühstücksbüffet hier besonders angepriesen wird, glaubt man hier doch in einen Eierkorb zu treten. Der Nobelcharakter St. Veits spiegelt sich in den Geschäften und Cafes wieder, allerdings auch in den Preisen. verärgert Auch die St. Veiter Einkaufspassage präsentiert sich exklusiv in einer avantgardistischen Gebälkarkade aus Stahl und Glas.

Eine der mittlerweile nicht mehr ganz so geheimen Geheimtipps stellt das Wimitzbachtal dar. Zunächst noch Straße an einem sumpfblumengesäumten Bachlauf, führt ein großer Teil über weitgehend autofreie, untenteils asphaltierte Piste (einige Anrainerhöfe). Hier treffe ich auf eine Gruppe Radler, die auf Tagesausflug sind. Wir finden immer wieder zueinander, weil ich immer wieder fürs Fotografieren anhalte. So ganz kann ich die herrliche Atmosphäre des Tals aber nicht ins Bild umsetzen. Weiter oben plätschert Wasser überall von Hängen auf den Weg und einen sumpfige Wiesenebene mit archaisch anmutenden Baumkreationen liefert den blumigen Rückzugsraum für eine lange nicht gesehene Schmetterlingsvielfalt. Der Erfolg als fotografischer Schmetterlingsjäger bleibt allerdings bescheiden. Ein besonders großer, blaufarbener Falter hätte mich fast in den Sumpf gelockt, dann habe ich ihn doch ziehen lassen.

Während die Radgruppe wohl ins zahlpflichtige Strandbad am Goggausee abstieg, suchte ich in der Tageshitze gleich den Weg weiter zum Ossiacher See, was kaum einer echten Abfahrt entspricht. Während der Goggausee mir schon zu viel unkrautfreien Kleingartencharakter hatte, sind am Ossiacher See noch einige stille Badewinkel zugänglich. Noch bei großer Hitze traf ich ein Radlerpaar, die sich für mein Tagesziel interessierten. Darauf erzählte mir der Mann, dass die Gerlitzenstraße sein stetiges Trainingsrevier sei. Neben bei machte er eine kurze Bemerkung, dass sein Rad nicht für die Überfahrt geeignet sei – im Nachhinein verwunderlich, dass er mich nicht stärker warnte.

Die mangelnde Vorbereitungszeit zu dieser Sommertour war denn auch Ursache, dass ich einer heroischen Irreführung im Internet aufsaß, ohne diese zu überprüfen. Denn die Überfahrt von der südlichen Gerlitzenstraße auf die nördliche ist für einen Reiseradler aussichtslos, selbst der Versuch, ab der Ferienanlage Feuerberg (bis dahin asphaltiert) das Rad auf die nicht entfernt scheinende Kuppe zu schieben, scheiterte sicherlich an mehr als einer Portion Nudeln zu wenig. So konnte ich nur den Rückzug zum Ossiacher See antreten, zumal Eile geboten war ob düsterer Teufelswolken. Es wäre aber auch schade gewesen, diese Härteprüfung nicht absolviert zu haben, denn zumindest die untere Hälfte bietet immer wieder überragende Panoramablicke zum See. Und jede Kehre hier trägt einen Namen, wobei man offensichtlich mit der Mathiasl-Kehre auch an mich gedacht hat. lach

Das Gewitter sorgte für einigen Wind auf dem überlaufenen Camping am Ossiacher See, tobte sich aber jenseits der Berge aus. So war die zu steile Schotterrampe am Gerlitzen letztlich auch ein Glück, nicht in das Donnerwetter nördlich davon zu geraten.

So, 18.7. Annaheim - Afritz - Radenthein - Millstatt - Seeboden - Treffling/Burg Sommeregg - Gmünd - Kremsbrücke
75 km | 795 Hm | 5:45 h | 12,8 km/h

C: wild 0,- €
Knobisuppe, Kärntner Pfandl, Rotwein, Apfelstrudel m. Eis, Espresso 22,80 €

Zwar blieb das große Wasser aus, doch zeugten die Wolken von den umliegenden Berge von Wetterschlachten jenseits der Berghorizonte. Der Tag erforderte mehre Unterbrüche und kleinere Passagen durch leichten Regen, das Licht blieb trübe bis in den Spätnachmittag. Das Gegendtal zwischen Ossiacher See und Radenthein entstand der Sage nach so: Der Mirnockriese hauste einst am Mirnock über einem großen See. Eines Tages raubte er die blonde Fischerstochter. Ihr Vater konnte sie mit einem Schlaftrunk des Waldweibchens befreien. Voller Zorn schleuderte der Riese Felstrümmer der Mirnockgruppe in den See, so dass dieser sich teilte und zwei neue Seen entstanden – Brennsee und Afritzsee.

Noch vor dem geographischen Mittelpunkt (großes Schild) findet sich in Winklern/Einöde das Europäische Pilzmuseum, das nach eigener Darstellung einzigartig für Europa auf 1000 qm in das Reich der Pilze einführt und Kinder in einen schaurig-schönen Zauberwald mit phosphorisierenden Algen entführt. Leider bin ich mal wieder vor der Öffnungszeit am Ort. In Radenthein entdecke ich viel Neues, was ich vor Jahren nicht wahrgenommen habe, oder was noch nicht da war. Radenthein ist ein knallharter Ort gewissermaßen, ein Ort des Granits nämlich. Im Granatium kann man nicht nur Mineralien anschauen, sondern gleich seinen Stein auch selbst handfest aus dem Fels klopfen. Soviel Bizeps-Arbeit überlässt der Radler anderen. Es ist ausreichend belustigend dabei Zuzuschauen, wie sich andere Blaufinger einheimsen. grins Näheres zum Granatium steht bereits im Bilderrätsel 657.

Das Wiedersehen mit dem Millstätter See war ein trübes. Trotz der stillen Regenstimmung über dem See sprudelte das Touristenleben in dem Ort mit seiner charakteristischen Doppelzwiebel-Stiftskirche. Als Alternative zur 2003er Tour fuhr ich diesmal auf der Ostseite des Liesertals über Treffling, eine abseitige Weide- und Waldroute bereits aus Römischer Zeit, weitgehend ohne Blick ins Tal.

Gmünd entpuppt sich als engagiertes Kunststädtchen mit Geschichte und Charme. Es ist denkbar, dass ich hier nochmal zurückkehre, etwa um das schöne Maltatal mal zu befahren. Die Katschbergstrecke wird bis zum Tunneleintritt von der Talbrückenarchitektur der Autobahn geprägt. Dennoch finden sich unten im engen Tal nette Häuschen mit Türmchen, mit Blumen oder/und in bunten Farben. Es ist gewissermaßen eine überrauschte Talidylle. Kremsbrücke ist dann quasi ein Gasthof-Weiler als Basis der Nockalmstraße, bekanntermaßen eine mautpflichtige Touristenstraße durch den Naturpark Nockberge – beliebt bei Kurvenfahrern mit und ohne Motor – und auch bei mir, war ich doch bereits zweimal zuvor dort unterwegs.

Mo, 19.7. Kremsbrücke - Katschberghöhe (1641m) - St. Michael - Tamsweg - Predlitz-Turrach - Turracher Höhe (1783m) - Ebene Reichenau
85 km | 1470 Hm | 6:37 h | 12,5 km/h

C: wild 0,- €
AE: Salat, gefüllte Käsnudeln, Nudeln m. Hackbällchen, Topfenstrudel, Rotwein, Espresso 24,30 €

Heute ist der Tag der bergigen Nockerln. Schon wenig weiter nach meinem Nachtlagerplatz öffnet sich die grün-kurzgeschorene Kuppenbergwelt in strahlender Morgensonne. Nach einem teuren Kaffee entdecke ich auf der Weiterfahrt einen Wegweiser zu den Schnitzstub’n in Rennweg-Mühlbach. Dort schnitzt Alfred Peitler sensibel ausgeformte Holzfiguren mit detailtreuen Darstellungen bis in differenzierte Gesichtszüge hinein. bravo Krippenfiguren, verschiedene Zierstücke und kunstvolle Schnitzbücher stehen in der Vitrine. Seine Hauptarbeit sind aber Holzinstrumente, insbesondere das Kärntner Hackbrett und Alphörner. Das Instrumentenbaugeschäft reicht aber nicht als Einkommensquelle, wie er mir berichtet, sodass er das gesamte Spektrum der Schnitzwerke bedient, Schnitzkurse gibt und auch noch selbst volksmusikalisch unterwegs ist. Scherzhaft schlägt ein Nachbar vor, ein Alphorn an mein Rad zu binden für eine authentische Bergtour in Rad und Ton. grins Meine Mitbringsel bleiben aber ein Kleinstflöte für die musikalische Jugend und ein kleines Edelweißgesteck.

Wenn auch der Katschberg trotz seiner Verkehrsader ein liebenswerter Pass ist, so ist die Passhöhe selbst dagegen ein äußerst lauter Rummelplatz mit Hotels, Shops, Berg- und Bobbahn. Winters wie sommers ein Hort einer überflussgesättigten Gesellschaft, die das Bergabenteuer zu einem Fun-Abenteuer in den Bergen umdeutet. verärgert Die Abfahrt nach Norden ist extrem kurz und man muss kräftig in die Bremsen steigen, wenn es für ein Panoramabild über die Murebene reichen soll.

Der Murradweg ist nicht zu Unrecht ein sehr beliebter Radweg. Die Infrastruktur mit den Rastplätzen ist vorbildlich. Die Landschaft liefert immer wieder neue Stimmungen und Perspektiven. In dem weiten Tal zwischen den einladenden Orten St. Michael und Tamsweg breiten sich weite Blumenfelder aus, meist in Weiß mit dem Blau von Kornblumen durchsetzt. Bei Schloss Mosham werden die Feuchtwiesen sogar zu einem kleinen Moor. Das Murtal verengt sich stark nach Tamsweg in Richtung Predlitz, man kann direkt vom Radweg an die Ufer treten und ist teils alleine neben der Murbahnstrecke. Es gibt wie schon sonst an den Radwegen auch hier zahlreiche Informationen und auch Sagengeschichten zu lesen – dem Museradler wird hier einiges geboten. Weiter lehrreich folgt die Holzstraße, von der ich aber in Predlitz-Turrach abbiege.

Gleich zu Beginn der Fahrt zur Turracher Höhe befindet sich neben der Straße ein extremer Felsspalt, durch den Fluss seinen Weg findet. Die Landschaft ist nicht spektakulär, birgt einen leicht geheimnisvollen Charakter, aus dem die Kuppenberge herauswachsen. Ungeachtet des Naturparks befindet sich auch auf der Turracher Höhe wieder ein ganzes Arsenal für die Ski- und Fun-Kultur – Nockyflitzer statt Murmeltiere? verärgert Immerhin passen sich die Hotelbauten in die Landschaft am Passsee gut ein, sodass die Bauplaner hier von mir noch einen kleinen Schönheitsorden bekommen, während die von der Katschberghöhe den Hintern versohlt bekommen. grins Nach der Passhöhe erlebe ich dann noch den ultimativen Kick des freien Falls auf „entschärften“ 23 % Gefälle. (Früher gab es an einer Stelle maximal 34 % Steigung bzw. Gefälle und diente daher als Leistungsteststrecke für Porsche und Audi.)

Di, 20.7. Ebene Reichenau - Hochrindl (1561m) - Deutsch-Griffen - Glödnitz - Flattnitzer Höhe (1400m) - Steindorf - Murau - Schöder - Kreuzerhütte**
101 km | 1830 Hm | 8:52 h | 11,4 km/h

C: wild 0,- €
AE: Schweinebraten, Knödel, Salat, Rotwein, Heidelbeerkuchen 17,70

Mystisch verträumt erlebe ich die Almweiden mit flechtenüberwucherten Lärchen auf der nebeligen Morgenfahrt über Hochrindl. Ein sehr empfehlenswerter Tipp, um die Gurktaler Alpen auf einer Straße etwas abseits der Hauptrouten zu erleben. Die Flattnitzer Höhe scheint mir ein wenig mehr frequentiert zu sein, insbesondere dient die kleine, hochmoorige Almebene als Ausgangspunkt für viele Wanderer. Der See ist nicht unmittelbar von der Straße einsehbar, dazu müsste man von Süden kommend noch vor der öffnenden Almebene eine geschotterte Piste linksseitig wählen. Von der Almebene an begleitet die Straße den Bergbach durch eine archaische, lichte Niederwuchsbewaldung.

Zurück in der Murebene und auf der Holzstraße, entwickelt sich der Murradweg etwas tückisch mit sachten kleine Zwischensteigungen und verwinkeltem Kurs. Die Sache wird mir etwas lästig, sodass ich teils auf die Straße ausweiche. Murau verfügt über ein wunderbares Ortsbild, insbesondere wenn man die pittoresken Häuserzeilen an der Mur vom Südufer aus betrachtet. Aber auch die Gassen und Häuser dahinter sind eine Augenweide und laden an gastlichen Orten zum Verweilen ein. Dem bildungsgetränkten Bierfreund zwinker steht ein Museum zur Verfügung, welches aber auch schon die Pforten geschlossen hat. Der Versuch, mit neuer Batterie den Tacho von seiner unheilbaren Höhenkrankheit zu heilen, scheitert leider kläglich.

Ohne das heimische Bier probiert zu haben, peinlich strebe ich weiter Richtung Sölkpass. Am Fuße der Passtraße bekomme ich die strittige Ansichten zu hören, ob denn nun die Kreuzerhütte für mich noch zu österreichischen Essenszeiten erreichbar sein könnte. Der alte Bauer ist ähnlich pessimistisch wie ich, der junge Handwerker spielt den Überflieger und meint, dass selbst er das in einer Stunde mit dem Rad schaffen würde. Ich ging der Sache trotz meiner Bedenken nach und muss einräumen, dass die Jungprahlerei diesmal der Altersweisheit überlegen war. erstaunt Tatsächlich verläuft die Strecke nur in der untersten Passage sehr steil, danach folgen zwar unrhythmisch, aber in weiten Abschnitten ziemlich gemäßigte Steigungen, in denen man ein recht rasantes Bergtempo fahren kann. Zwar nicht eine Stunde, aber nur ungefähr 20 Minuten später erreiche ich die Kreuzerhütte und kann nach dem Essen am Spielplatz des Berggasthofes campieren und werde dabei auch Mitglied in der „Du-Society“ der Bergwelt. schmunzel