Re: Ostalpen Salzburg-Wien-Maribor-Salzburg

von: veloträumer

Re: Ostalpen Salzburg-Wien-Maribor-Salzburg - 12.12.10 23:48

und nun auch noch das Finale...

TEIL 8: Von der Panorama-Sonne in den Wasserfall-Regen:
Naturpark Sölktäler, Dachsteinmassiv, Altausseer Hüttenzauber und die Gollinger Bilderbuchkaskade


Mi, 21.7. Kreuzerhütte - Sölkpass (1790m) - St. Nikolai - Stein/Enns - Weißenbach - Schladming - Ramsau/Dachstein (1135m) - Filzmoos - Eben - St. Martin*
105 km | 1310 Hm | 6:47 h | 15,2 km/h

C: wild 0,- €
AE: Fischsuppe, Schweinemedaillons Mediterraneo, Rotwein, gebackenes Apfelradl 29,70 €

Wenngleich der Sölkpass seine Reize hat, insbesondere die Nordseite, so möchte ich ihn aber nicht höher bewerten als die bei vielen Radreisenden oft schlechter bewertete Alternative des Tauernpasses im Westen. Auch hatte ich nicht den Eindruck, dass der Verkehr im Sommer durch die Sölktäler geringer ist – beide Querungen der Niederen Tauern sind weder einsam noch übermäßig frequentiert.

Die Fahrt im oberen Ennstal ist eine sensationelle Panoramafahrt an Stoderzinken und den gewaltigen Bergmassiven des Dachsteins vorbei. Wer vor Ort weilt, kann eine Reihe von eindrucksvollen Stichtouren in die Berghöhen machen und das ggf. mit Bergbahnausflügen ergänzen. Auf über 1000m Höhe befinden sich sogar mehrere Campingplätze und natürlich ein üppiges Angebot an Hotels und Ferienwohnungen. Bei soviel Bergschönheit muss man allerdings sich diese Welt mit vielen anderen Liebhabern teilen, die auch nicht gerade alle mi’d’m Radl doh sein.

Nicht vergessen sollte man einen Abstecher nach Schladming, wo historische wertvolle Häuser zu bewundern sind, darunter bild- und textumschnitzte Fenster und Türen mit gar etwas schlüpfrigen Geschichten am Knappenhaus. Noch rechtzeitig bemerkte ich den Anriss meiner Bremszüge. Ich führte nur einen Ersatz mit und hätte ohne die helfende Zange eines Radhändlers die alten nicht herausbekommen. Die Arbeit war dann doch schweißtriefend und langwierig. So kürzte ich wieder geplante Strecke über die Wagrainer Höhe und nahm nach der Dachsteinroute direkt Kurs ins Lammertal. Mit einer kleinen Baderunde samt sauberer Duschräume im kostenlos zugänglichen, künstlichen Badesee von St. Martin konnte ich mich unmittelbar beim anliegenden Terrassenitaliener erfrischen. Diesmal echte italienische Küche von hoher Qualität. Buon appetito!

Do, 22.7. St. Martin - Bad Abtenau - Pass Gschütt (987m) - Gosau - Bad Goisern - Pötschenpass (993m) - Altaussee (Seeumrundung) - Blaa-Alm (889m) - Rettenbach - Bad Ischl - Kräutern
95 km | 1350 Hm | 6:27 h | 14,0 km/h

C: wild 0,- €
AE: Auberginen überbacken, Risotto m. Huhn, Rotwein, Eis m. Himbeeren 23,50 €

Die Route über BAD Abtenau mit alter Schwefelkochsalzquelle – nicht die Hauptstraße über Abtenau! – ist eine ganz entlegene, schmale Straße durch urigen Wald am Bergfluss entlang. Ohne auf die Gschütt-Straße zu wechseln findet sich direkt anschließend eine kleine kurvige, aber steile Straße durch den Wald, die dann später über grüne Almweiden mit einem gigantischen Panorama führt, u.a. mit der Gipfelwelt des Hochkönigs der Salzburger Kalkalpen und der Berchtesgadener Alpen. Diese vollendete Postkartenperspektive gibt es nur auf dieser Route mit ein paar zusätzlichen Höhenmeter, denn alsbald fällt die Straße zur tallagigen Gschütt-Passstraße ab.

Die Faszination der Panoramen reißt noch nicht ab, denn nochmal bildet das Dachstein-Massiv – diesmal von Norden und der verstreuten Gemeinde Gosau betrachtet – eine überragende Bergkulisse. Unwissend um die herrliche Lage des Gosausees lasse ich eine Stichstraßenexkursion aus. Am Hallstätter See genieße ich wie schon 2003 am Strandbad Bad Goisern die von hohen Felswände eingefasste Seeromantik. Diesmal ist die Baderast auch schlichte Notwendigkeit, denn die Hitze des Tages ist enorm. Selbst nach ausgiebiger Pause bin ich bereits kurz nach Fahrtantritt zum Pötschenpass eigentlich wieder erholungsbedürftig.

So kommt es, dass ich den Rundweg um den Altausseer See im entschleunigten Tempo entlang pedaliere. Teils über Wurzelwerk führend, ist er aber durchaus passabel fahrbar. Man nehme aber Rücksicht auf Wanderer, die nahezu alle Badegäste sind, denn fast der ganze See bietet klein Badebuchten, die selbst gegen Abend noch gut besucht sind. Dies hat auch darin seinen Grund, dass neben den Urlaubern auch eine große Sprachschule vor Ort ist, deren Besucher wohl abends noch eine Entspannung suchen. Nunmehr hebt sich das Panorama nach Westen sogar hinauf zu den Schneefeldern des Großglocknergebietes Dachsteinmassivs. So teste ich gerne auch hier nochmal das Seewasser. schmunzel Die Urkraft der Natur wirkt hier noch eindringlicher als am Hallstätter See. Eine Frau am Kiesstrand meint: „In den ersten Tagen des Urlaubs hatte ich noch das Ziel, viele Bücher zu lesen. Je länger ich aber hier bin, desto mehr möchte nur noch in die Landschaft schauen.“ Welch eine treffende Weisheit! bravo

Fast zu schade um den Abend nicht mehr hier zu genießen. Aber die Entscheidung weiterzuradeln erwies sich ungeahnt als ein kluge. Zunächst erlebte ich noch ein Almfest auf der Blaa-Alm als Zaungast. Auch hier hätte ich einen schönen, bergtypischen Tagesausklang erleben können. Doch die Weiterfahrt hinunter war noch recht anstrengend, besser gesagt schwierig. Der nicht asphaltierte Teil nach Norden führt durch eine beeindruckende Schlucht, aber auch über eine üble Schotterpiste, die ich in Teilen als nicht radreisetauglich und schon gar nicht als rennradtauglich einstufen muss. Obwohl die Österreicher diese Route als offiziellen Radweg ausgeschildert haben, ist er gleichzeitig Teil einer MTB-Weltmeisterstrecke!? erstaunt Da scheinen doch die Ausschilderer ein wenig von der Rolle gewesen zu sein. Da ein Teil des unnötigen lockeren Schotters erst jüngst dort ausgebracht worden sein muss, darf man sich auch fragen, was die Verantwortlichen sich dabei gedacht haben. böse

Nochmal darf ich bei einem guten Italiener speisen. Doch in Bad Ischl zieht des späten Abends nun heftiger Wind auf. Etwas unbedarft fahre ich aus der Stadt, ein heftiges Gewitter droht hereinzubrechen. Der Gewittersturm ist bald derart kräftig, dass ein Zeltaufbau ausgeschlossen ist. Die unentgeltliche Rettung für die Nachtruhe liefert ein preisdekoriertes Buswartehäuschen vor einer Schule, das ausreichend Windschutz gewährt.

Fr, 23.7. Kräutern - St. Wolfgang ||Fähre|| Reith - Strobl - Postalm - Lienbachsattel (1304m) - Voglau - Unterscheffau
65 km | 1005 Hm | 4:51 h | 13,1 km/h

H: Pointwirt 35,- €
AE: Knobisuppe, Grillteller, Pommes, Reis, Gemüse, Salat, Rotwein 15,90 €

Obwohl das große Gewitter woanders niederging, ist der Wetterwechsel unübersehbar. Tief hängende Wolken verhindern den Blick auf die Berge, Nebelschleier kleiden die Landschaft in hörbare Stille. Der Wolfgangsee (Abersee) verweigert die touristische Trubelstimmung und vermindert untergründig den Lebenspuls. Es wäre falsch, in St. Wolfgang nicht auch eine idealisierte Kitschkulisse zu sehen, doch ist es mehr Kunst als Kitsch, und die Kunst ist von bestechlichem Charme. Es ist doch eher das Abziehbild in unseren Gedanken, das die vom Fernsehen ersponnenen Klischees verfestigt. Tatsächlich ist St. Wolfgang ein Kleinod bemerkenswert kunstvoller historisch geerdeter Architektur und gekonnten Kunsthandwerks – schlicht ein Ort, der zum Verweilen einlädt – egal ob das Rössl Schwarz oder Weiß heißt.

Die Rad- und Fußgängerfähre ans andere Ufer fährt zwar bei meiner Ankunft schon, wer aber zu frühen Morgenzeiten oder zu Abendzeiten die Seeseite wechseln möchte, muss wieder von St. Wolfgang die Straße zurückfahren. Neben der seeferneren Bundesstraße gibt es auch eine seenahen Radweg auf der Südseite.

Zu den entdeckungswürdigen Passstraßen zählt die Postalmstraße, die auch teils Mautstraße ist. Enger, schluchtartiger Charakter mit geschliffenen Gumpen des Weißenbachs und tropfenden Moosen oder kleinen Wasserfällen bestimmt die untere Anfahrt. Auf einem Hochplateau besteht heute das größte Almengebiet Österreichs umfasst. Die Weiden sind in einen großes Walgebiet eingebunden und im Winter ist hier ein weit verzweigtes Skigebiet, bei dem hohe Ökostandards gesetzt werden. Den höchsten Straßenpunkt erreicht man auf Asphalt per Stichstraße oder mit Schotter auch per Durchgangsstraße. Diesen Exkurs bin ich aber nicht gefahren. Die Straße hat zwei Hochpunkte, genau genommen sogar drei, in der Hauptmulde dazwischen liegt der Lienbachhof. Auf der offenen Südostseite ergeben sich weite Panoramablicke, die aber bei meiner Fahrt in den Wolken stecken bleiben.

Der hängende Himmel ließ schon mal eine leichten Regen nieder, doch trödelte ich ein wenig unbeeindruckt. So kam ich noch vor den Lammeröfen in dicken Regen. Am Schluchteingang stand ich dann stundenlang unter. Das Etappenziel des Tages wandert in meinem Kopf immerzu näher heran bis ich schließlich nur noch den nächsten Gasthof erreichen wollte. Als der Regen ein wenig abzuebben schien, lief ich noch durch die Klamm der Lammeröfen auf den klitschigen Stegen. Das Wasser tobte stärker und lauter durch die Felsspalten als es ohne Regen der Fall ist und beeindruckte umso mehr. Unvermeidlich war aber, dass in die Schuhe über die Schuhplattenöffnungen Wasser eindrang, sodass mir allmählich Schwimmhäute wuchsen. grins

Nach dem Klamm-Run war ich auch ausreichend aufgeweicht und Wasser konnte ja nur noch an mir abtropfen. Eigentlich kam ich mir eigentlich etwas wie beim Petrus-Rekord-Dauerduschen vor, denn gewöhnlicher Sommerregen macht ja auch mal Pause. Der unmittelbar nächste Gasthof war ausgebucht, aber was sind schon weitere 4 Kilometer mit gefühlten 40 Liter Wasser pro Quadratzentimeter Hautfläche. teuflisch

Sa, 24.7. Unterscheffau - Golling - Gollinger Wasserfall - Hallein - Salzburg (via Tauernradweg)
43 km | 390 Hm | 2:48 h | 15,3 km/h

Es regnete die ganze Nacht, ohne dass dadurch die Wasservorräte im himmlischen Gebälk knapper wurden. Immerhin waren die feuchten Fäden etwas dünner geworden beim Ausblick aus dem Morgenfenster. Es war aber auch klar, dass die Tour heute zu Ende gehen würde. Die Übernachtung in dem Gasthof Pointwirt war die einzige Hotelübernachtung auf meiner Tour. Anlass dafür, an dieser Stelle ein paar Bemerkungen zu meinem Übernachtungs- und Hygienekonzept auf dieser Radtour zu machen. Von den insgesamt 28 Nächten campierte ich 18mal in der „Wildnis“, nur 9mal war es ein Campingplatz.

Neben Budgetgründen lag es auch daran, dass meine notdürftig schnell geplante Tour nicht ideal auf Übernachtungsplätze ausgerichtet war. Auch einige Teile in Österreich und Slowenien zwingen quasi zur Improvisation mit freien Schlafstellen, wenn man die radlerisch anvisierten Ziele nicht so erreicht wie geplant. Die Körperpflege ließ sich erstaunlich gut bewältigen, wenn man am Abend im Gasthof einen Waschlappen mit zur Toilette nimmt. Am Morgen hingegen haben sich neben Kaffeebesuchen besonders die öffentlichen WCs in Österreich bewährt. Diese sind oft derart sauber gewienert und luxuriös, dass man sich in spendierfreudigen Scheichtümern zu befinden glaubt. Manche Camping- oder Gasthof-Toilette kann da nicht mithalten – insbesondere beim Blick hinüber in das Nachbarland der Schweiz.

Immerhin konnte nahezu trocken beim Pointwirt noch starten, aber es dauerte nicht lange bis zur Fortsetzung des Dauerregens. Die Berge taten mittlerweile alle 100 % geheimnisvoll und ließen sich nicht mehr blicken. Einen besonderen Ort wollte ich aber noch ansteuern, weil ich ihn vor drei Jahren unbeachtet ließt: Den Gollinger Wasserfall, einer großen Naturimpressionen, die zahlreiche Romantiker zu Gemälden zu berauschender Naturdarstellung anregte. Von der Eintrittshütte muss man nur ein kleines Stück hinauflaufen. Durch den Regen sind aber Passsagen klitschig und matschig, eine Passage ist sogar gesperrt. Trotz der ungünstigen Begleitumstände ein lohenswerter Besuch. Auch hier grollt das Wasser durch die erhöhten Wassermassen mit gehobener Inbrunst.

Zunächst überlege ich noch, direkt ab Gollinger Bahnhof zu fahren, schlage mich dann aber noch wechselweise durch starke und leichtere Regenströme bis Hallein auf der linksseitigen Radwegstrecke durch. In Hallein dann noch mal zu Bahnhof und wieder weiter auf dem Rad mit durchgebissenen Zähnen. Kurz vor Salzburg vermute ich sogar ein Ende des großen Wassers, doch das war wohl eine Wunscheinblendung. Als ich in den Straßen Salzburgs einfuhr, wurden schließlich alle Schotten geöffnet und ich vermisste mein U-Boot. grins Endlich am Baustellen-Bahnhof, empfand ich im Zug tiefe Genugtuung über ein herrliche Sommertour, die dennoch unsommerlich endete. Irgendwie war der Regen aber innerhalb weniger Minuten verdunstet und die Erinnerung voller herrlicher Bilder und Eindrücke. schmunzel



Das Ende ist dann auch wieder ein Anfang, denn es haben sich wieder neue Lücken auf den Karten aufgetan – aber hier ist jetzt erstmal Schluss.