Re: Alpen-Atlantik 2010

von: StefanS

Re: Alpen-Atlantik 2010 - 10.05.11 21:52

Mi 11. August: Elsass (Basel - Montbéliard), bedeckt, dann sonnig

Für die Tour von hier bis zum Atlantik, der Eurovelo6 folgend, haben wir die Karten vom Huber-Verlag besorgt. Unter den vielen Logos auf der Karte ist das größte das des Tourismusverbands Baden-Württemberg. Die Strecke in BW beträgt 530 Meter, vom Grenzübergang Kleinhüningen bis zur Dreiländerbrücke schmunzel Etwas monoton geht es am Kanal entlang bis nach Mülhausen. Am Marktbrunnen labt sich eine durstige Ameise.



Danach weiter am Kanal. Noch im Territoire de Belfort ist der Weg netterweise in deutsch beschildert, wenngleich der Text wohl von Yoda stammt.



Gegen vier kommen wir in Mömpelgard an. So jedenfalls kenne ich den Stadtnamen aus den Geschichtsbüchern seit meiner Stuttgarter Zeit. Imposant thront das Château des Ducs de Wurtemberg über einer sonst mäßig interessanten Altstadt. Langwierig gestaltet sich die Suche nach einem Lebensmittelladen, erst jenseits der Gemeindegrenzen werden wir fündig.




Do 12. August: Doubs (Montbéliard - Besançon), wechselhaft

Im Regen verlassen wir Montbéliard, nach etwa einer Stunde hört es auf. Wir fahren den ganzen Tag im Tal des Doubs, dessen Schleifen und Felshänge für mehr landschaftliche Abwechslung sorgen. Flach geht es dahin, besondere Sehenswürdigkeiten sind Fehlanzeige.



In Roche-lès-Clerval ein französisches Radler-Ehepaar. Er ist schon auf unserer Höhe, aber sie hat etwas Interessantes erblickt und ruft ihn zurück. Nur für uns hörbar seufzt er: "Ah, les femmes" schmunzel

Vor Baume kriegen wir aus dem Nichts eine zweiminütige Dusche ab, danach scheint urplötzlich die Sonne. Mein Vater plagt sich mit Schmerzen in der Kniekehle, die ihn noch mehrere Tage begleiten sollen. Die Zitadelle von Besançon dominiert eine weit geschwungene Schleife des Doubs und kündigt das Ende der Etappe an. Abends unternehmen wir noch einen Stadtbummel, die Zitadelle hat leider schon zu.




Fr 13. August: Jura (Besançon - Dole), meist sonnig

Wir verlassen Besançon durch einen Schiffstunnel, der die besagte Schleife abschneidet. Später gibt es noch so einen Tunnel, aber diesmal nur für die Schiffe - wenn überhaupt, denn anscheinend kriegt jeder, der den Tunnel benutzt, eine kräftige Dusche ab.



Die zweite Hälfte des Vormittags verbringen wir an der Tropfsteinhöhle von Osselle, die im Rahmen einer Führung zu besichtigen ist. Wie in der Fränkischen und Schwäbischen Alb hat der Kalkstein auch hier im Jura seine Wunderwerke geschaffen.



Für den Rest des Tages weichen wir von der EV6 ab und machen einen Abstecher nach Arc-et-Senans. Der Architekt Ledoux wollte im 18. Jahrhundert rund um die dortige Saline eine idealtypische Stadt errichten, von der aber nur ein kleiner Teil fertig wurde. Ein weiter Halbkreis von salzweißen Nebengebäuden umgibt das prächtige Haus des Salinenmeisters im Zentrum. Eine Ausstellung zeigt Werke und teils futuristisch anmutende Pläne des Architekten.



Eine sehr ruhige Straße durchs so genannte Val d'Amour führt uns nach Dole. Ruhig deshalb, weil eine Brücke gesperrt und daher kaum Verkehr ist. Wir hingegen können unsere Fahrräder trotzdem um die Bauzäune herumwuchten. Tagesausklang in der Petite Venise, einem italienischen Lokal am Wasser im ehemaligen Gerberviertel.


Sa 14. August: Saône (Dole - Chagny), freundlich

Wir sind in der flachen Übergangslandschaft zwischen Jura und den Hügeln des Burgunds angekommen, bei St-Jean-de-Losne erreichen wir die Saône. Ein kleiner Junge gibt sich redlich Mühe, den Kühen das Muhen beizubringen. Aber die denken gar nicht daran, es ihm nachzutun.

Wir weichen wieder von der EV6 ab und fahren Richtung Westen auf die Côte-d'Or zu. Das berühmte Kloster Cîteaux verpassen wir, weil ein auf der Karte vorgesehener Weg nicht existiert. Nach Mittagspause in Nuits-St-Georges geht es durch die Weinberge nach Süden.



Beim Frühstück in Dole hatte ich ein Bild vom Hôtel-Dieu in Beaune gesehen. Das will ich jetzt unbedingt anschauen, während mein Vater ein Café vorzieht. Meine Wahl bereue ich nicht, das ehemalige Spital mit seinen bunt gemusterten Dächern und bedeutenden Kunstschätzen zählt sicherlich zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten des Burgunds. Aber auch mein Vater hat seine Unterhaltung, als ein barfüßiger IrrerOriginal mit Eberkopf vor dem Café Verkehrspolizist spielt.



Über winzige Straßen in den Weinbergen weiter nach Süden, in Meursault ist gerade eine prächtige Hochzeit mit Kutsche und allem Drum und Dran. Übernachtung in Chagny, wo wir gegen 17:30 eintreffen. Unter der Veranda des Hotel-Restaurants sitzen wir den einsetzenden Regen aus, der noch die ganze Nacht anhält.


So 15. August: Dheune (Chagny - Digoin), wechselhaft

Auch morgens regnet es noch. Die EV6 schickt sich an, uns die nächsten zwei Tage über die Hügel zu hetzen. Wir ziehen die flache, ruhige Straße entlang des Canal du Centre vor und sind dabei nicht die einzigen: Ein Schweizer Paar aus Zug und ein Radler aus Saarbrücken auf der Rückreise vom Zentralmassiv sorgen für kurzweilige Unterhaltung.

Das waren fast schon die Höhepunkte des Tages, denn zu sehen gibt es lange Zeit nicht viel. Immerhin: Das Wetter bessert sich, und der Scheitelpunkt des Kanals markiert die Wasserscheide zum Atlantik, eine gedanklich bedeutende Wegmarke.

Endlich erreichen wir Paray-le-Monial, Pilgerstadt und südlichster Punkt der EV6. Ziemlicher Trubel, irgendeine kirchliche Veranstaltung. Gerade als wir wieder losfahren, prasselt nochmal ein kräftiger Schauer hernieder. Auch die Pilger hatten die Vorsehung nicht auf ihrer Seite, klatschnasse Gruppen begegnen uns am Kanal. Da uns die Wolken entgegen kommen, lege ich den Turbo ein nach dem Motto "wer schneller fährt, ist kürzer nass". Klappt auch, nach 15 Minuten haben wir wieder Sonnenschein.



Kurz darauf sind wir in Digoin und erstmals an der Loire! Wir quartieren uns im kleinen Hôtel des Diligences ein, wo wir nach einem kurzen Rundgang auch zu Abend essen und den Tag beschließen.




Mo 16. August: Nièvre (Digoin - Nevers), bedeckt

Auch heute gibt es unterwegs nicht viel zu sehen, wenigstens bleibt es trocken. Die ersten 30 km spulen wir auf einem neuen Radweg am Loire-Seitenkanal ab. In St-Aubin werfen wir einen Blick auf das "erste" Château der Loire. Freilich beanspruchen diesen sinnfreien Titel noch mindestens zwei andere Stätten (Arlempdes und Sully).



Hübsch sind die Altstadtgassen von Bourbon-Lancy rund um den Torturm, wo wir uns eine Weile aufhalten. Danach folgen wir der Routenempfehlung der EV6, nur um uns davon zu überzeugen, dass all die Hügel einfach nur ermüdend und langweilig sind. Nach Mittagspause in Cronat fahren wir auf der Hauptstraße weiter. Offenbar hat der gestrige Regen tausende Nacktschnecken auf die Straße gelockt. Weiter als bis zum rechten Autoreifen sind sie nicht gekommen, ein makabrer Todesstreifen bietet sich uns dar. Igittigitt.



Abgesehen von einer kurzen Pause in Decize fahren wir bis Nevers durch, unserem Zielort für heute. Kultureller Höhepunkt ist die Kathedrale mit ihren modernen, bunten Glasfenstern. Übernachtung im Etap nördlich der Stadt, abends tun wir uns beim Chinesen am Büffet gütlich.


Di 17. August: Loire (Nevers - Briare), meist freundlich

Da wir schon mal nördlich von Nevers sind, nehmen wir eine Abkürzung querfeldein nach La Charité-sur-Loire. Von der dortigen Priorei, Station der Jakobspilger, wird behauptet, dass sie einst die zweitgrößte Kirche des Okzidents war. Ob das stimmt, weiß ich nicht, heute scheint sie stattlich, aber nicht größer als viele andere zu sein.



Wir wechseln aufs linke Ufer, die Region Centre, begrüßt uns mit einer netten Radroute durch die ruhige Uferlandschaft. Nach einer Stunde baut sich Sancerre vor uns auf, malerisch auf einer Bergkuppe gelegen. Oben warte ich vergeblich auf meinen Vater, erst per Handy finden wir uns wieder. Irgendwie hat er einen anderen, steileren Anstieg als die Hauptstraße gefunden.

Nach Mittagspause und Stadtbesichtigung geht's geschwind wieder bergab. Nächste Station ist das Briefträgermuseum in Cosne. Da fühlt sich mein Vater zu Hause, er interessiert sich für Postgeschichte. Nur ein sehr kleines Museum, dafür umso enger mit allerlei Exponaten bestückt, und die Museumswärterin ist sehr nett und spart nicht mit Erklärungen. (Post-)Fahrräder gibt's natürlich auch, und eine Hundekutsche, angefertigt für die erste Briefträgerin der Region.



Nach einigen unfreiwilligen Navigationsabenteuern auf der EV6 erreichen wir das heutige Ziel Briare, wo wir uns gleich neben der berühmten, 660 m langen Kanalbrücke einquartieren. Laternen und Drachenköpfe zieren den Beginn des Wasserwegs, der Briare mit Paris und der Normandie verbindet.




Mi 18. August: Loiret (Briare - Orléans) / 106 km, überwiegend heiter

Anfangs ist es noch bedeckt, aber je näher wir Sully kommen, desto mehr zeigt sich die Sonne. Wieder ein erstes Loire-Schloss, diesmal im Weltkulturerbe "Schlösser der Loire" - wir sind im klassischen Fluss-Abschnitt angekommen. Schick ist das Schloss auch, von außen jedenfalls. Wir treffen ein deutsches Ehepaar mit Fahrrädern und tauschen Erfahrungen aus.



Der Rest der Route besteht aus kleineren Zwischenstopps: an der Abteikirche von St-Benoît, der karolingischen Dorfkirche von Germigny, in Châteauneuf. Dort verlieren wir uns wieder aus den Augen, als mein Vater eine Fotopause einlegt und dann einem anderen Radler folgt, der wie ich ein rotes Trikot trägt, aber leider in eine andere Richtung fährt.



In Jargeau steht zwar kein Schloss, dafür das erste Jeanne-d'Arc-Denkmal der Reise. In der offenen Landschaft am Flussufer haben wir längere Zeit mit Gegenwind zu kämpfen. Kurz vor Orléans treffen wir nochmals das Ehepaar aus Sully. Der Weg nach Orléans rein ist ganz nett durch einen Park. Wir nehmen das Etap im Süden der Stadt und fahren abends zur Stadtbesichtigung ins Zentrum.


Do 19. August: Châteaux (Orléans - Blois), sonnig

Orléans ist eine Tagestour von Paris weg. Ein komisches Gefühl, nach fast drei Wochen so nahe von zu Hause zu sein und trotzdem noch eine Woche zu fahren. Aber der beste Teil der Loire kommt ja noch, das motiviert. Dazu das Wetter: nach einer Woche wird es endlich wieder richtig sommerlich.

Cléry-St-André, Meung und Beaugency heißen die ersten Stationen, wo wir uns kürzer oder länger aufhalten. Es sind deutlich mehr Radler als vor Orléans unterwegs, zwischendurch treffen wir auf einen älteren Deutschen, der selbst noch viel vorhat und uns mit Fragen nach Kilometerstand und dergleichen zu löchern versucht. Schnell weg.



Chambord nennt sich "le château absolu". Etwas großspurig, aber wenn man die unzähligen Türmchen auf dem imposanten Mittelbau sieht, kann man sehen, woher der Name kommt. Natürlich ist es ein Touristenmagnet erster Ordnung. Wir schauen uns das Schloss auch von innen an, was eher von der Architektur her interessant ist. Ein Erfolgserlebnis habe ich in der Schlossboutique: Zum ersten Mal fragt mich die Kassiererin nach meinem Département und nicht nach der Nationalität grins



Nach zwei Stunden haben wir vom Trubel genug und fahren weiter nach Blois, wo wir uns gleich das nächste Schloss anschauen, eine Zeitlang Sitz der französischen Könige. Unser Besuch, etwas im Schnelldurchgang, dauert "nur" anderthalb Stunden, interessant ist die Innenausstattung. Danach suchen wir uns ein Hotel und lassen den Abend beim Italiener ausklingen.




Fr 20. August: Touraine (Blois - Tours), heiß

Das Frühstück ist mal wieder dürftig. Als erstes holen wir die Besichtigung der Innenstadt nach, dann weiter am Südufer. Vor Candes-sur-Beuvron führt uns die Ausschilderung auf einen mehrkilometrigen Umweg. In Chaumont wollten wir eigentlich durchfahren, entscheiden uns dann doch spontan für eine Besichtigung. Von außen imposant, von innen weniger - nett, aber kein "incontournable" wie Chambord.



Die letzten 10 km bis Amboise fahren wir auf der Landstraße, gesäumt von Felsenkellern, in denen Wein feilgeboten wird. Amboise hat auch ein großes Schloss, unsere Hauptattraktion für heute ist aber das Clos-Lucé, wo Leonardo da Vinci seine letzten Jahre verbracht hat. Im Haus ist eine Ausstellung über ihn und sein Werk, im großen, schattigen Park findet man Nachbauten seiner zahlreichen Entwürfe. Auch Vorläufer von Panzern und Maschinengewehren sind dabei, das freut die Kinder. Nee, im Ernst, sehr sehenswert das Ganze.



Die nahegelegene Pagode hätten wir uns gerne von außen angeschaut, aber selbst das soll 8 Euro kosten, nein danke. Durch nahezu flache "Weinberge" (Weinebenen?) geht es auf Tours zu. In der Innenstadt führt uns die Ausschilderung "Office de Tourisme" an der Nase herum. Bei allem Respekt, aber Franzosen und Ausschilderung, das geht nicht zusammen. Und wenn ich schon mal am Meckern bin: Warum kommen die OTs eigentlich nicht auf die Idee, ein Gastgeberverzeichnis frei auszulegen? Jedesmal eine Viertelstunde anstehen, um eins zu ergattern, das nervt. Am Ende wird's eh das Etap beim Bahnhof.


Sa 21. August: Vienne (Tours - Saumur), Hitze

Auch diesmal wird die Stadtbesichtigung am nächsten Morgen nachgeholt. Vor der mächtigen Kathedrale treffen wir zwei Holländer mit dem Rad auf dem Jakobsweg, die sich hier einen Stempel abholen. Tours ist ja die Stadt des Hl. Martin, der mit dem halben Mantel. In der Altstadt stehen drei scheinbar zusammenhanglose Türme, die alle mal zur selben riesigen Pilgerkirche gehört haben, die dann während der Revolution zerstört wurde; die heutige, kleinere Basilika ist ein Neubau aus dem 20. Jahrhundert.



Außerhalb von Tours geht es auf einem netten Radweg am Südufer des Cher entlang. Schloss des Tages ist Villandry, in dessen abwechslungsreichen Gärten wir die zweite Hälfte des Vormittags verbringen. Anschließend weichen wir von der EV6 ab und fahren auf kleinen Landstraßen nach Azay-le-Rideau, dessen Schloss wir nur von außen anschauen.



Bei teils unangenehmer Hitze schlagen uns durch den Wald ins Tal der Vienne durch und statten Chinon einen Besuch ab. Schön ist es bei Candes-Saint-Martin am Zusammenfluss von Vienne und Loire. Tagesziel für heute ist Fontévraud, etwas abseits des Flusses gelegen. Nur dass es dort keine Unterkunft mehr zu kriegen ist, irgendeine Veranstaltung. Die Abtei ist eine Enttäuschung; abgesehen von vier bemalten Sarkophagen, darunter der Richard Löwenherz', sind Kirche und Kloster komplett leer; dafür ein Eintrittspreis wie in Chambord.



Wir fahren noch weiter nach Saumur. Die Tourist-Info hat schon zu, aber man ist modern: Es gibt ein Info-Terminal, das sich freilich weigert, mehr als die erste von fünf Seiten mit Hotels anzuzeigen. Und dann geht gar nichts mehr, denn Punkt 20 Uhr fährt das Ding runter böse Nach einigen Anläufen finden wir trotzdem was. Auch die Gastronomie hat schon zu (Samstagabend um 9 - hallo?), so muss der Pizzabäcker aushelfen.


So 22. August: Anjou (Saumur - Chalonnes), meist sonnig

Zum Ausgleich dafür, dass es im Zimmer irgendwie zu heiß war, gibt es morgens ein üppiges Frühstücksbuffet, das beste Frühstück auf der ganzen Tour. Auf dem weiteren Weg am Südufer treffen wir einen Radler mit Platten, der sich partout nicht helfen lassen will, weil er "nur" zwei Dörfer weiter wohnt. In Saint-Mathurin-sur-Loire stoppen wir am Supermarkt und werden anschließend, zusammen mit spanischen Radlern, für ein Foto vereinnahmt - das örtliche Gemeindeblatt will einen Bericht über den Loire-Radweg schreiben.



Mit Rückenwind geht es fix weiter. Übrigens, über Gegenwind hatten wir trotz Fahrtrichtung West nie viel zu klagen. Schon um 13 Uhr sind wir in Angers. Die Burg beeindruckt mit ihren dicken Wehrtürmen und birgt einen Schatz: den gigantischen Wandteppich der Apokalypse, mit bestimmt über 100 Metern Länge auf zwei Flügel eines eigens errichteten Gebäudes verteilt. Jedes einzelne Bild des Zyklus ist riesig, man kann sich die Arbeit gar nicht vorstellen, die das gekostet haben muss.



Am späten Nachmittag fahren wir noch ein Stück weiter und machen Station in Chalonnes, diesmal in einer Chambre d'hôtes. Abendessen auf einer Terasse am Flussufer, auf dringende Empfehlung unseres Gastgebers, der wohl mit dem Wirt bekannt ist und selber dort speist. Gutes Essen, aber die Portion hätte etwas größer sein dürfen.


Mo 23. August: Bretagne (Chalonnes - Nantes), verregnet

Heute ist mal wieder schlechtes Wetter angesagt. Andererseits, hätte ich mir einen Tag dafür aussuchen müssen, dann diesen, wo unterwegs so rein gar nichts zu sehen ist. Nach einer halben Stunde geht der Regen los und hält sich den ganzen Tag, im Wechsel mit kurzen Trockenphasen.

Die Brücke von Ancenis hat, wie so viele andere in der Gegend, ein Schild, dass Radfahrer doch bitte aufs Trottoir wechseln und schieben möchten. Sonst geht's gut? Ancenis, obgleich Sitz einer Unterpräfektur, ist ein ziemlich trostloses Nest, im Stadtzentrum ist nichts zu Essen zu finden, nur zufällig finden wir einen Imbiss im riesigen Leclerc-Supermarkt am Stadtrand.



Ein Stückchen weiter sind wir dann in Loire-Atlantique. Unter dem Departementschild befriedigt der Hinweis "Bretagne historique" die regionalen Empfindlichkeiten. Ohne weitere Besonderheiten erreichen wir Nantes. Nach Einquartierung und Dusche machen wir uns an die Stadtbesichtigung, außer der Burg der bretonischen Herzöge wäre da noch die ehemalige Keksfabrik im Jugendstil und die Kathedrale. Die Allegorie der "Force morale" schaut ziemlich bedient aus der Wäsche - Kommentar zum damaligen Zeitgeist, oder ist es nur langweilig, Würmer aus Türmen zu ziehen?




Di 24. August: Atlantik (Nantes - St-Nazaire), sonnig

Zum Abschluss haben wir nochmal richtig schönes Wetter. Wir verlassen Nantes am Nordufer und nehmen versehentlich eine Fähre zu früh, die nach Indre, dafür ist sie kostenlos. An Bord versucht uns ein Schlauberger weiß zu machen, wir seien falsch, St-Nazaire läge doch am Nordufer. Ach ne.

Am Südufer ist es dafür ganz nett, etwas hügelig bis Le Pellerin, dann an einem netten Kanal entlang bis Paimboeuf. Hier ist der Atlantik schon deutlich zu spüren, die Loire ist über einen Kilometer breit, und ein kleiner Leuchtturm steht am Hafen, wo wir unsere Mittagspause einlegen.



10 Kilometer weiter auf der Landstraße nach St-Brévin, und wir stehen am Strand, vor uns der offene Atlantik. Ein toller Anblick und ein stolzes Gefühl, vom Herz der Alpen bis hierher gefahren zu sein. Wir verweilen ein bisschen, dann machen wir uns auf, um die größte Steigung seit Basel in Angriff zu nehmen: die Brücke nach St-Nazaire. Der Verkehr lässt einem nicht so recht die Muße, das Erlebnis zu genießen, aber auch das geht vorbei, und bald sind wir am endgültigen Ziel unserer Reise.



In St-Nazaire setzen wir uns in eine Crêperie und lassen es uns schmecken: Crêpe mit Banane, Vanille-Eis und Nutella, hmm. Gegenüber prägt stabile deutsche Architektur das Stadtbild, nur so verdammt grau. Heute ist eine Art Vergnügungspark drin. Der Bahnhof von St-Nazaire wirkt, als wäre er einem Schiff nachempfunden. Nur, dass uns dieses Schiff dem Alltag näherbringt und nicht fernen Welten. Am späten Nachmittag bringt uns ein TGV nach Paris.




Epilog

Mein Vater bleibt noch zwei Tage und schaut sich Paris an, dann geht es heimwärts für ihn, und für mich geht die Arbeit wieder los.

Mitte September mache ich nochmal einen Wochenend-Ausflug in die Bretagne und fahre von St-Nazaire aus an der Küste weiter bis nach Vannes. Das Stück von St-Nazaire bis Le Croisic und Guérande ist wirklich sehr nett, ich würde jedem, der die EV6 fährt empfehlen, dieses Stück noch mitzunehmen, zumal der TGV eh bis Le Croisic fährt.

Und wenn wir schon bei Empfehlungen zur EV6 sind, ein kurzes Fazit: Die Strecke ist nett, hat aber auch ihre Längen, insbesondere im Burgund, dessen interessante Partien anderswo liegen. Die Varianten über Arc-et-Senans und Beaune sind empfehlenswert, um die Monotonie aufzubrechen. Interessanter ist die zweite Hälfte, insbesondere zwischen Orléans und Angers.

Es war mit Abstand meine bisher längste Radreise und trotz aller erworbenen Routine ein besonderes Erlebnis. Vielen Dank an alle im Forum, die mich mit ihren Reiseberichten von den Alpen und der EV6 inspiriert und zum Gelingen beigetragen haben. Doch bleibt, bei allen schönen Erinnerungen, auch ein bitterer Nachgeschmack: zwei Monate später wurde mein treues Fahrrad, das mich sechs Jahre zuverlässig durch dick und dünn begleitet hat, gestohlen, als ich es bei der Arbeit geparkt hatte. Ihm sei dieser Bericht gewidmet. Wenigstens war ihm vorher noch vergönnt, diese Tour zu fahren, wer weiß, wer es jetzt verrotten lässt traurig