Re: Jakobsweg mal wieder

von: Fricka

Re: Jakobsweg mal wieder - 23.07.12 16:44

15. Tag

Am nächsten Morgen schüttet es immer noch. Wir bleiben zunächst mal liegen und warten, ob das Geprassel nicht vielleicht mal weniger wird. Leider nein. Irgendwann angele ich meinen Regen-Poncho, gehe zum Waschhaus und anschließend in die Rezeption und frage, ob es vielleicht einen Baguette-Service gibt. Wie eigentlich praktisch überall. Hier natürlich nicht. Dann müssen wir wohl ohne Frühstück los.

In dem Moment verlassen zwei bekannte Gestalten die Holzhütte daneben. Das ist die offizielle Pilgerherberge – mit insgesamt vier Betten. Zwei der Insassen kennen wir aus Vezelay. Er ist schon in Regenzeug gehüllt und schiebt sein Fahrrad raus – Baguette holen. Natürlich bekommen wir eins mitgebracht. Perfekt. Und bis wir gefrühstückt und gepackt haben, hört auch der Regen auf. Es wird zwar immer mal wieder regnen über Tag, aber so eine Regenpause zum Packen hat was.

Zur Abwechslung nehmen wir mal die Straße, um zügig voranzukommen, da es in dieser Ecke nicht so besonders spannend zu sein scheint. Der Jakobsweg schlägt hier weiträumige Mäander und nimmt jeden Hügel mit. Bis La Chatre kommen wir so zügig voran, haben aber dort die Nase voll von dem Gebrumm der Lkws und den ständigen Steigungen bei der fast ohne Kurven geradeausführenden Straße, die wir dadurch als ziemlich kraftraubend empfinden. Außerdem möchten wir mal wieder etwas ansehen und nicht nur Straßen entlang radeln. Gesagt, getan. Wir biegen ab und nehmen ein paar große Bögen mit.

Am Ende des ersten liegt Schloss Sarzay. Wenn man schon mit dem Fahrrad bis an die Loire fährt, müssen auch Schlösser geboten werden. Auf dem Foto im Outdoor-Führer sieht es sehr interessant aus. Also nichts wie hin. Zunächst einmal ist die schmale verkehrsarme Straße mal wieder eine nette Abwechslung, auch wenn es – natürlich – gleich mal ordentlich bergauf geht. Aber immerhin in idyllischer Umgebung. Wir passieren einsame Häuser. Einen schmalen Fluss über den eine Bogenbrücke führt. Noch eine Anhöhe hoch und da steht Schloss Sarzay. Die Großform stimmt. Aber es sieht reichlich vergammelt aus und steht auch nicht frei, sondern auf einem Hof, der von allerlei Scheunen umgeben ist. Eine Touristengruppe ist gerade in Autos vorgefahren. Sie klingeln zwecks Führung. Ein Schild schlägt das vor. Es kommt aber niemand. Wir gucken in die Scheunen. Der Schlossherr hat offensichtlich zwischenzeitlich auf Schrotthändler umgeschult. Die Scheunen sind mit unglaublichen Mengen an Schrott jeder Art angefüllt. Wir fahren weiter.

Nächstes Highlight ist ein Zisterzienserkloster. Der Weg wird schmaler und ist streckenweise unbefestigt, so dass wir im wiedereinsetzenden Regen um die Pfützen kurven. Das Kloster sieht ganz nett aus, ist aber verriegelt und verrammelt. Der Regen wird stärker. Aus dem Grün erscheinen drei französische Pilger. Wir quatschen ein bisschen und machen uns wieder auf den Weg. Das nächste Ziel ist Neuvy St. Sepulchre. Weit ist es nicht mehr.

Der Ort ist bekannt für seine Templerkirche in Ortsmitte. Ein Zentralbau. Wir umrunden sie einmal, um den Eingang zu finden. Von innen ist sie sehr eindrucksvoll. Ein bisschen hilflos möbliert. Bei so einem Bau gibt es immer Schwierigkeiten bei der Frage, wo der Altar hin soll. Aber wir freuen uns, dass sie offen ist. Die Athmosphäre im halbdunklen Inneren ist geheimnisvoll.

Direkt daneben ist der Abzweig von der Hauptstrecke. Hier soll es eine Pilgerherberge geben. Wäre das nicht was für uns? Es regnet immer noch stark. Wir finden die Adresse. Aber hier ist nichts. Also weiter. Es geht im Regen einen Bach entlang. Idyllisch, aber ziemlich viel Wasser für unseren Geschmack. Durch die tiefhängenden Regenwolken sieht es fast so aus, als würde es schon dämmern. Dabei ist es dafür noch deutlich zu früh. Wir fühlen uns, als wären wir völlig allein auf der Welt. Die Dörfer sehen mal wieder völlig unbewohnt aus. Kein Mensch zu sehen. Keine Lichter. Wir umrunden Cluis mit seinen zwei Burgen. Die sehen äußerst romantisch aus. Aber wegen des schlechten Wetters und der fortschreitenden Zeit haben wir keine Lust, sie uns näher anzusehen. Weiter.

In der Ferne sehen wir ein Aquädukt. Da der Reiseführer keins erwähnt, ist es wahrscheinlich eher ein Viadukt, also irgendeine Talbrücke. Die Steigungen ziehen an. Die Hügel türmen sich höher auf. Die Täler werden enger. Unser Ziel ist Eguzon. Das liegt an einem Stausee. War also zu erwarten, dass wir da auf Berge treffen. Es geht immer heftiger auf und ab. Wir sind jetzt auch langsam müde. Und ziemlich nass.

In Eguzon gibt es mehrere Campingplätze. Wir diskutieren schon mal, welcher davon denn wohl am ehesten warmes Wasser zu bieten hat. Dummerweise nähern wir uns Ort und Staudamm von unten. Der Staudamm türmt sich vor uns auf. Der Ort ist noch nicht zu sehen. Wir überqueren den Fluss, der aus Richtung des Staudamms kommt. Dann geht es rund. Eine Kehre über uns. Wir keuchen rauf. Es wird immer steiler. Noch eine Kehre. Wenn man durch den Nebel nach oben guckt, sieht man hoch über uns die Autos weitere Kehren passieren. Auch das noch. Uns bleibt tatsächlich nichts erspart. Einen Großteil der Steigung schiebe ich. Es reicht einfach. Außerdem muss der Ort dort oben irgendwo sein.

Tatsächlich kommt er irgendwann in Sicht. Wir nehmen gleich den ersten Campingplatz. Vorne steht eine Scheune. Auf einem weitläufigen Platz stehen ein paar Wohnmobile. Und auf einer Wiese eine unübersehbare Masse kleiner Zelte mit Fahrrädern daneben. Es handelt sich um die Jahreshauptversammlung eines niederländischen Fahrradclubs. Das Protokoll hängt nachher an der Clotür. Der Platz ist unter niederländischer Führung. Das Betreiber-Ehepaar empfängt uns freundlich. Wir bestellen erst einmal ein Bier. Es sieht gemütlich aus in der Kneipe. Eine Menschenmenge hat sich dort an Bierzeltgarnituren niedergelassen und kocht. Draußen hätte das nicht viel Sinn.

Wir fragen, ob es vielleicht irgendeine Hütte zu mieten gibt. Unser Zelt ist zwar schwimmfähig, aber es reicht irgendwie. Man bietet uns für 20 € einen Wohnwagen an und wir akzeptieren gerne. Endlich im Trockenen. Wir können in einer Art Aufenthaltsraum unsere Sachen zum Trocknen ausbreiten. Es gibt Wi-Fi. Nach einer heißen Dusche wollen wir nur noch schlafen.