Re: Auf Schotterpisten durch die Westalpen

von: lutz_

Re: Auf Schotterpisten durch die Westalpen - 10.09.12 20:41

Am nächsten Morgen führt unsere Route auf einer Piste forestiere nur wenige Meter hinter unserem Zeltplatz vorbei. Aber ohne Frühstück wollen wir die über 1200 Höhenmeter zum Col de Sollieres nicht angehen. Also geht es zunächst zu einem schnellen Frühstück in den Ort. Wir rollen auf der Straße Richtung Mont Cenis und direkt nach der Brücke über den Arc-Fluss am Sessellift vorbei nach rechts in den Wald. Auf der anfangs gemütlichen und später aber recht steilen Piste Forestiere gewinnen wir an Höhe. Erst nachdem wir die Gipfelstation des Sesselliftes passiert und die Waldgrenze erreicht haben öffnet sich das Panorama nach Norden auf den Dome de Chasseforet im Vanoise Nationalpark. Dort würden wir gerne mal die Skidurchquerung "la Poule" in Angriff nehmen. Leider hat das dieses Frühjahr witterungsbedingt nicht geklappt. Im Gegensatz zu den vorangegangen Tagen ist es heute leicht überzogen und eine Wetteränderung vorhergesagt. Auf den Almen wird das Heu eingefahren und auch ein Traktor mit Anhänger quält sich die Piste hinauf. Leider lassen wir uns an einer Wegkreuzung von der VTT-Beschilderung verwirren und verpassen den oberen Weg, der auf der alten Militärpiste in gleichmäßiger Steigung durch ein Geröllfeld zum Col de Sollieres führt. So fahren wir zunächst nur mehr leicht bergaug und bleiben im Talboden. Nach dem Passieren einer Alm müssen wir die letzten 300 Höhenmeter zur Passhöhe schieben, hoch über uns zieht die eigentliche Route am Hang entlang.













Das letzte Bild zeigt die Militärpiste, auf der wir die Passhöhe erreichen wollten. Leider sind wir zuvor falsch abgebogen und mussten diesen Fehler durch einstündiges Schieben büßen. Dafür ist die Abfahrt vom Col de Sollieres ein Heidenspaß, ein komplett fahrbarer Wiesentrail hinunter zum Refuge du Petit Mont Cenis. Etwas unwirklich sieht die Landschaft aus mit den tiefliegenden Wolken, durch die wir den Lac de Mont Cenis nur ahnen können. Die Murmeltiere pfeifen und auf der Westseite des Sees führt eine ehemalige Militärpiste gen Süden. Auf nahezu jedem Gipfel, der über uns aufragt, befinden sich die Ruinen eines ehemaligen Forts. Leider können wir davon nicht allzuviel sehen, immer dichter wird der Nebel. Auf endlosen steinigen Pisten holpern wir dahin. Am im Nebel kaum sichtbaren Lac de Roterel überqueren wir die Grenze nach Italien, ab dem Lago d'Arpon beginnt ein steiles Schottersträßchen, auf dem wir kurz oberhalb von Bar Cenisio die Asphaltstraße des Col du Mont Cenis erreichen.

















Von der breiten Passstraße biegen wir bereits nach wenigen Hundert Metern auf ein kleines Sträßchen ab, das uns tendenziell bergauf nach Montcenisio führt. Hier befinden wir uns nun wieder unterhalb der Wolken und können tief unten im Tal bereits Susa erkennen. Nach dem Dörfchen Montcenisio stürzt sich die schmale Asphaltstraße förmlich bergab und die Scheibenbremsen müssen Schwerstarbeit verrichten. Unten im Tal wird es deutlich wärmer und bald ist Susa erreicht. In der Touristeninformation erfahren wir, dass es hier keinen Campingplatz gibt. Entweder 8 km Richtung Turin oder rund 20 km und 500 Höhenmeter talaufwärts in Salbertrand. Aber es gebe einen kostenlosen Shuttlebus mit Radtransport dorthin. Prima denken wir uns, um zur Abfahrtszeit des Shuttles an der Haltestelle festzustellen, dass der Bus nur zwar Personen aber keine Fahrräder mitnimmt. Zurück in der Touristeninformation stellen wir im Kleingedruckten fest, dass in der Tat die Linie Susa-Oulx des Shuttle-Verkehrs die einzige ist, die _keine_ Fahrräder mitnimmt. Auf allen anderen Linien ziehen die Busse Anhänger, auf denen bis zu 10 Fahrräder mitfahren können. Aber eben nicht auf der von uns gewünschten Strecke nach Salbertrand. Mittlerweile ist es spät geworden, auch die nächste Zugverbindung von Susa über Bussoleno nach Oulx tranportiert keine Fahrräder. Deshalb beschließen wir die paar Kilometer talabwärts nach Bussoleno mit dem Rad zum dortigen Campingplatz zu fahren. Gesagt getan und nach einiger Suche sind wir am hässlichsten Campingplatz angekommen, auf dem wir je übernachtet haben. Es gibt dort ausschließlich Wohnwagen, die in Holzpavillons fest eingebaut sind und sicherlich seit Jahrzehnten nicht mehr bewegt wurden. Auch die Bewohner des Campingplatzes scheinen die letzten 60 Jahre jede Sommerferien hier in ihrem Wohnwagen zugebracht zu haben. Obwohl nicht mehr die Jüngsten senken wir hier den Altersdurchschnitt deutlich. Wir "dürfen" uns für teures Geld auf einen schmalen Grasfleck zwischen zwei Wohnwagen quetschen. Wenigstens war die wohlverdiente Dusche heiß. Zum Glück wurde uns in der Touristeninformation in Susa eine Pizzeria im Nachbarort San Gioro di Susa empfohlen. Dort speisen wir am lauen Sommerabend vorzüglich und reichhaltig. Unseren hier eingeplanten Ruhetag wollen wir aber auf diesem Campingplatz definitiv nicht verbringen…