Re: Auf Schotterpisten durch die Westalpen

von: lutz_

Re: Auf Schotterpisten durch die Westalpen - 17.10.12 15:27

Am nächsten Morgen werden wir vom Regen geweckt. Ein ungewohntes Geräusch, das hatten wir zuletzt in Abondance unweit des Genfer Sees. Zunächst gibt es allerdings italienisches Frühstück, Zwieback mit Marmelade, naja, wer's mag…

Glücklicherweise hört der Regen aus den tiefhängenden Wolken zunächst auf, so dass wir uns auf die Weiterfahrt auf der Ligurischen Grenzkammstraße Richtung Passo di Tanarello machen können. Während die Wanderer den direkten Weg über den Grat wählen folgen wir der Piste, die mal mehr näher mal weiter vom Grat entfernt entlang am Hang über Wiesen oder durch den Wald führt. Hier oben treffen wir bei diesem Wetter nur wenige Personen, einige Schäfer kümmern sich um ihre Herden, von den erwarteten Heerscharen in Geländewagen oder auf Enduros ist nichts zu sehen. Immer wieder gibt es einen Regenschauer, wir sind ständig damit beschäftigt die Regenklamotten an und wieder auszuziehen. Als der Monte Saccarello mit dem kleinen Skigebiet ins Blickfeld kommt biegen wir rechts ab und folgen den Serpentinen hinauf zum Passo di Tanarello. Hier oben wird der Regen wieder stärker und wir hören wir dumpfes Donnergrollen. Über Gewitter am ligurischen Grenzkamm haben wir die tollsten Geschichten gelesen, also schauen wir, dass wir weiter kommen. Die Piste führt zunächst steiler bergab Richtung Colle d'Ardente um dann wenig spektakulär im Wald weiter zu verlaufen. Nur hier und da tun sich schöne Blicke auf. Den Abschnitt Richtung Monte Grai und die Trailumfahrung des Monte Tarragio müssen wir wetterbedingt sausen lassen und sausen stattdessen auf Forstautobahnen hinunter Richtung La Brigue.





















Dort angekommen wird es deutlich wärmer und zunächst auch trockener. Auf ruhiger Straße kommen wir ins kleine Örtchen La Brigue. Hier gibt es eine gemütliche Mittagsrast, bevor wir uns weiter Richtung Tende aufmachen. Dort treffen wir auf die Tende-Passstraße, die - wie erwartet - stark befahren ist. Zwischen Tende und Breil sur Roya liegen zwei Tunnel. Der erste lässt sich auf der alten Straße mit schönem Blick hinauf nach Saorge umfahren, für den zweiten warten wir eine Lücke im Verkehr ab und bringen den Tunnel möglichst schnell hinter uns. Entlang der tief eingeschnittenen Roya erreichen wir Breil sur Roya und mieten uns dort auf dem Camping Municipal direkt am Flussufer ein. Wir bummeln noch gemütlich durch das etwas heruntergekommen wirkende Örtchen. Außer dem Tourismus in Form von Rafting-Anbietern und der Vermarktung des nahegelegenen Mercantour-Nationalparks scheint es hier nicht allzuviel zu geben. Genausowenig gibt es für uns eine Gaskartusche zu kaufen. Unsere fast leer gekochte Gaskartusche pfeift aus dem letzten Loch, schafft es aber gerade noch uns eine warme Mahlzeit zuzubereiten. Das war's dann mit Kochen, zwei Tage vor Abflug kaufen wir keine neue Kartusche mehr, die wir dann ggf. mühsam "leerkochen" müssten. Wir fallen bald ins Bett und wenig später in einen tiefen Schlaf…


… aus dem wir mitten in der Nacht plötzlich aufschrecken, weil sich jemand an unserem Zelt zu schaffen macht. Ein Blick nach draußen zeigt, dass eine Radtasche, die zwischen Innen- und Außenzelt verstaut war einige Meter vom Zelt entfernt liegt. Wer macht denn sowas? Ich hole die Tasche wieder zurück und stecke sie wieder zwischen Innen- und Außenzelt. Wenig später - wir liegen mit offenen Ohren im Zelt - wieder ein Geräusch und ein Rucken an der Tasche. Im hellen Schein der Taschenlampe ist niemand zu sehen, die Tasche aber nicht mehr an ihrem Platz. Gibt's doch gar nicht! Wir begestigen die Trageriemen der Ortliebtaschen an der Zeltstange, so dass niemand die Taschen wegstibizen kann, ohne dass das Zelt gleich mitwackelt. An Schlaf ist nicht mehr so richtig zu denken, sehr seltsame Situation. Irgendwann schlafen wir dann aber doch ein. Wieder ein Geräusch, aber es ist niemand zu sehen. Statt dessen stellen wir fest, dass einer unserer Radschuhe fehlt. Weg, einfach weg, nirgends zu sehen. Ich beschließe mich etwas umzusehen und mache mich mit mulmigem Gefühl Richtung Sanitärblock. Alles ist ruhig. Ich leuchte mit der Taschenlampe unter die unseren Zeltplatz umgebenden Hecken, kein Radschuh zu sehen. Was nun? Es ist finstere Nacht, wir sind müde und wollen doch nur in Ruhe schlafen. Einige Zeit später wieder ein Geräusch und einer unserer Crocs liegt einige Meter entfernt vom Zelt. Verdammt, wer klaut hier unsere Schuhe? Wir binden die Radschuhe an der Zeltstange fest, befestigen die Crocs auf den Gepäckträgern der Räder, checken das Fahrradschloss, mit dem die Räder an einem Baum befestigt sind, der Radschuh hingegen bleibt verschwunden. Die Nachtruhe jedenfalls ist dahin, einerseits erschöpft vor Müdigkeit andererseits aufmerksam nach draußen lauschend verbringen wir noch wenige Stunden in unruhigem Schlaf, immer um unsere Ausrüstung besorgt.