Re: Korsika 2012

von: veloträumer

Re: Korsika 2012 - 30.11.12 23:20

Da ja 1. Advent ist und es kalt wird, reiche ich gleich die zweite sommerliche Adventsgabe nach.

Einführung, 2. Teil

Das leibliche Wohl



Korsika ist zwar Frankreich, aber es hat natürlich auch beim Essen und Trinken seine Besonderheiten – wie eigentlich alle unterschiedlichen Regionen auf dem Festland. Nimmt man die Gesamtheit des Essens, so ist Korsika wohl nicht die erste Gourmetregion Frankreichs. Das Essen ist ein wenig bodenständiger, kräftiger im Geschmack, weniger komplex – Gourmet-Restaurants sind selten oder gar nicht vorhanden (?). Bekanntlich ist zwar Korsika teurer als das Festland, aber es fehlt die absolute Luxusklasse (auch bei den Hotels). Die Schickeria sitzt allenfalls in den Hafenstädten, wo ihre Jachten liegen. So kann es dann vorkommen, dass man in Bonifacio um Mitternacht noch Champagner am Hafen einkaufen kann – aber kein Waschmittel mehr. Hier können Studenten der Volkswirtschaft „prickelnde“ Studien über Angebot und Nachfrage machen. lach Einige Jachtfeten dort sehen entsprechend aus – also nicht nach VWL-Studenten, sondern nach Sektlaune mit Rolexuhr und Begleitdame. grins Zum Glück (?) nahezu untypisch für den großen Teil der Insel.



Ein Blick auf die typischen korsischen Produkte sagt Folgendes: Das Schwein ist sehr wichtig – nicht zuletzt genießt es soviel Freilauf. Manches falsch abgeschossene Schwein hat schon eine Kette in der Vendetta (Blutrache) ausgelöst. Lonzu und Coppa sind herzhafte Trockenschinken, Trockenwürste gibt es natürlich auch in allen gemäßen Varianten und Aromen. Es gibt teils sehr herbe (Ziegen)käse – nicht zuletzt auch aus Sardinien. Ziegenkäse wird gerne als Dessert mit Feigenkonfitüre gereicht. Aus der Macchia (besser gesagt aus der Garigue) stammen einige Gewürze – besonders Thymian, aber auch Myrte – bei uns eher unbekannt als Gewürz. Sieht aus wie Wacholderbeeren und wurde zeitweise als Pfefferersatz verwendet, sind aber weit weniger aromatisch. Sie geben insbesondere Fleischsoßen (Wild) aber eine bereichernde Konsistenz, weil die Beeren etwas aufquellen. Fand sie zunächst zu geschmacklos, mittlerweile habe ich sie lieb gewonnen (habe noch ein halbes Säckchen). Aber auch die Blätter der Myrte werden verarbeitet. Fleisch wird z.B. mit Myrtenblättern umwickelt oder mit Myrtenholz geräuchert. Eine weiter Verwendung der Myrte gibt es in Korsika als Likör.



Eine besondere Stellung hat der Honig aus Korsika. Es gibt ihn in sechs AOC-geschützten Varianten, die sich nach Jahreszeiten und Höhenlagen unterscheiden. So gibt es etwa sowohl einen Frühjahrs- wie auch einen Herbsthonig aus der Macchia. Mehr unter Miel de Corse. In Asco gibt es einen noch spezielleren Honig, der mit einem süßlichen Sekret der Wacholderbeere versetzt wird. Leider gab es diesen Honig nur in nicht radtourentauglichen großen Gläsern im Dorfladen. Für mich eine schmerzhafte Nicht-Erfahrung. traurig

Wie man sieht - die süße Abteilung ist mir immer wichtig. schmunzel Schokolade würde auf einer solchen Sonneninsel arg schnell schmelzen – daher weniger verbreitet als auf dem Festland, wenn auch nicht unbekannt. Dafür der italienische Einfluss auf die gut haltbaren Kekse: Canistrelli gibt es in zahllosen Varianten, aromatisiert, gefüllt, süß – aber auch salzig etwa mit Oliven. Für mich ein Eldorado an schmackhafter wie brauchbarer Marschverpflegung schmunzel – und welch ein Unterschied zu den fettigen Fabrikkeksen in heimischen Supermärkten. bäh



Manchmal ist in den Canistrelli auch Kastanienmehl drin – ein altes Grundnahrungsmittel der Korsen - vom Unabhängigkeitsvater Pasquale Paoli persönlich gefördert, um die Armut zu bekämpfen. Die „Unabhängigkeitsregion“ Castagniccia ist gleichzeitig DIE Kastanienregion der Insel. Kastanienmehl wurde zur Grundlage vieler Produkte einschließlich Brot. Aber die Kastanie verlor – zunächst. Heute werden zahlreiche Produkte wiederentdeckt oder gar neu entwickelt. Kastanienmarmelade, Kastanienhonig, Kastanienkuchen (lecker mit Vanillesoße) oder Kastanienlikör ist wohl nachvollziehbar, aber ein Kastanienbier? – Pietra ist das einzige Bier aus Korsika und wird mittels Zugabe von Kastanienmehl gewonnen. Nicht ganz zufällig eine Neuentwicklung, aus dem Jahre 1996 – ein Korse, der auf dem Festland arbeitete, hatte die Idee.



Trinken tut der Franzose – oder Italiener – lieber Wein. Das ist auch noch in Korsika so. Mehr als auf dem Festland wird Roséwein angeboten – ein Tribut an die Wärme der Insel – um eine Erfrischung im Gaumen zu haben. Korsika hat keine großen Weinanbauflächen – die größten gibt es im Osten bei Aléria. Dort kommt der einzige Massenwein her, den man auch im deutschen Supermarkt erhält – „Corsaire – Réserve du Président“. Das Römersymbol auf dem Etikett verweist auf die römische Besiedlung der östlichen Hügelebene – dort finden sich auch die größten römischen und sehenswerten Ausgrabungsstätten samt Museum. Die edelste Weinregion liegt bei Patrimonio. Hier gibt es preisgekrönte Wein von meist ganz kleinen Weingütern, nicht für den Export bestimmt und recht teuer – zumindest als „Tafelwein“. Die Weinbetriebe müssen mehrere Einnahmequellen erschließen – ich war auf einem mit Campingplatz (vgl. Kap. 11).



Die Versorgungslage auf der Insel ist zu Saisonzeiten in Bezug auf Restaurants erstaunlich gut. Manchmal gibt es gar Restaurants, wo gar kein Ort ist. Nicht jeder Camping bietet Essen an, aber häufiger als auf dem Festland. In manchen Bergdörfern gibt es nur eine Bar, in der es auch mal vorkommen kann, dass es nichts zu essen gibt. Insofern muss man sich trotz des guten Angebotes relativ zu den Einwohnerzahlen durchaus informieren, wo was geht.

Ein ernstes Wort gehört der Fähre Nizza – L’Île Rousse und dem Campingplatz Tuani im Restonica-Tal. An beiden Orten bekam ich für mit die höchsten Preise auf dieser Reise die schlechtesten Essen. Auf der Fähre werden wohl die Rabattpreise im Internet mit den Essenspreisen quersubventioniert. Das Essen war aber nicht nur mager und teuer, sondern eben auch geschmacklich unter aller Sau. böse Viel günstiger war es auf der Fähre nach Livorno nicht – dort hatte ich allerdings teils vorgesorgt. Auffällig war, das für die meist italienischen Fahrgäste die Portionen deutlich größer waren und auch schmackhafter als auf der „französischen“ Linie des selben Fährbetriebes.

Den Campingplatz hatte ich zugunsten eines Abendaufenthaltes in Corte gemäß Internetlobhymnen vorgezogen – er befindet sich recht romantisch am Gumpenfluss, aber auch sehr schattig im Kiefernwald mitten im Restonica-Tal. Mag man auf den Fähren nicht unbedingt preiswertes, gutes Essen erwarten, so geht das Essen auf dem Camping Tuani allerdings unter die Gürtellinie. Für 38 Euro ein grausliches Risotto und eine Schuhplattenpizza nebst einfachstem Dessert und Roséwein wagt sich nicht mal ein durchschnittlicher Schweizer Gastronomieassistent auf den Tisch zu stellen. schockiert Da der Camping im Gesamtbild eher zu den teureren gehört und die Sanitäranlagen eher zu den bescheidenen, kann ich den Camping so leider rundum nicht empfehlen. Auch die Lage ist nicht sooo toll – Ausblick gibt es ja keinen. Offenbar in manchen Bergsteiger- und Raftingkreisen überbewertet.

Die Eigenversorgung hingegen ist schwieriger als die Gastronomieversorgung. Größere Supermärkte gibt es nur in der Agglomeration der größeren Städte. Typischer sind kleine Tante-Emma-Läden oder auch Läden mit „specialités corses“. (Bild: der angeblich älteste Lebensmittelladen Europas in Corte) Das ist aber typischerweise auch immer ein bisschen an Touristen orientiert bzw. an dem, was man gerade produziert. Im Zweifel selten das komplette Angebot für eine abgerundetes Picknick. Schinken und Würste, Marmelade und Honig bekommt man so am ehesten. Käse geht meist auch noch. Gemüse und Obst fehlt häufig, evtl. hat man Glück mit einem Stand an der Straße. Das ist aber auch nur auf den touristischen Achsen in den Küstenregionen üblich – dort sogar im Überfluss.



Brot gibt es im Gegensatz zum Festland selten aus Bäckereien auf den Dörfern. Das Brot kommt von den Küstenorten, wird per Auto rumgefahren. Die Einheimischen holen es meist direkt beim Brotauto. Für Radreisende schwierig – das Zeitfenster dafür ist zu klein. Mit etwas Glück gibt es in einem Laden oder einer Bar ein „depot des pains“ – das wird vom Brotwagen beliefert und tagesweit verkauft. Manchmal fällt der Brotwagen aus oder kommt verspätet. Für die Restaurants und Bistros eine Krise – aber auf Korsika bleibt man trotzdem gelassen. Restaurant und Bistros geben Brot allerdings ungern an Radreisende ab – die abgenommen Brotrationen sind gut berechnet und an die angebotenen Gerichte gebunden. Es ist also oft leichter, ein belegtes Baguette irgendwo zu essen als es sich selber zu machen. Gilt auch für bäuerliche Betriebe wie etwa der Bergerie am Endparkplatz des Restonica-Tales.


Was tun außer Radeln?

Nehme ich meine letztjährige Pyrenäentour als Vergleich, dann war diese Korsika-Reise geradezu kulturlos. Es gab keine historischen Leitfaden, auch keine sonstigen auffälligen Orte – und nun auch keine leidenschaftliche Nachbetrachtung der Geschichte(n). Es war eine Reise, die von den schlichten Eindrücken des Tages geprägt war – nicht zuletzt ist deswegen auch diesmal der große Rahmen der Bilderbogen in den Fotogalerien. Zuweilen hätte etwas mehr Vorbereitung gut getan. Ich vertraute auch etwas auf meine Vorbildung aus der 1999er-Tour – nicht unbedingt ein Vorteil, habe ich doch kulturell aus dieser Zeit kaum etwas herübergerettet. Wie schon auf anderen Touren mit Wiederholungen gab es manchmal das Gefühl von alter Vertrautheit, andere Male wunderte ich mich über das erneut Gesehene wie beim ersten Mal.



Gewiss, ich besuchte das Geburtshaus (und Sterbegruft) des Begründers einer korsischen Unabhängigkeit – Pasquale Paoli – gewiss auch lehrreich nicht zuletzt für die Fehlleitung der heutigen Unabhängigkeitsideen gewaltbereiter Korsen. Im Süden besuchte ich ein Original, an dessen Künstlergarten ein Strom von Autos fahrlässig uninteressiert vorbeirauscht – schade. Auch den Römern widmete ich ein wenig Aufmerksamkeit in Alèria, während ich gleich mehrere Radreisende dort im Geschwindigkeitsrausch vorbeiziehen sah – manche wollen eben gar nichts sehen. Ich selbst hingegen ließ den Besuch der frühgeschichtlich bedeutsamen Stätte Filitosa aus – nun habe ich habe ich aber wahrlich viele wundersame Steine auf der Tour gesehen – ich kann es verschmerzen. Auch open air findet man Bildung – es gibt immer wieder mal ein paar schöne Infotafeln sozusagen im Vorbeifahren. Die Regionen Castagniccia und Casinca zeigten sich diesbezüglich vorbildlich.

Weitere Sehenswürdigkeiten on the road werden in den einzelnen Regionalkapiteln ja noch ausreichend berücksichtig. Dazu zählen in herausragender Weise die Wachtürme und Brücken – verträumte Relikte der Pisaner und Genueser Herrschaftszeiten. An den Brücken liegen häufig beliebte Badeplätze, einige findet man aber auch eher abgelegen und bieten noch einsame Romantik. Baden ist dann auch eine der schönsten Nebenbeschäftigungen für den Radler. Neben den Meeresstränden faszinierenden die Flüsse mit Gumpen und natürlichen Becken – allerdings oft dichter belegt als etliche Strände an der Küste. Manche dieser Flüsse lassen sich quasi feucht bewandern, zuweilen versperren aber größere Wasserfälle einen glatten Durchmarsch. In einigen Fällen findet man Taue, an denen man sich abseilen oder hinaufziehen kann. Für solches Canyoning sollte man natürlich geübt sein und möglichst nicht allein. Eine einfache, aber faszinierende Flusswanderung bei einem Naturisten-Camp an meinem einzigen Ruhetag werde ich in Kap. 7 vorstellen.

Natürliche Seen sind selten – neben dem naturgeschützten Brackwassersee Biguglia sind es vor allem kleine Bergseen, die man nur per pedes erreichen kann. Meine geplante Wanderung zum Lac de Melo im Restonica-Tal habe ich letztlich ausfallen lassen, da bereits schon zu Morgenstunden Massen von Wanderern den schmalen Pfad bevölkert – auch nicht gerade verlockend für mein Radschuhwerk. Laut eines italienisches Radreisenden, den ich in Corte getroffen haben, habe ich dabei nicht so viel verpasst – der Reiz des Sees wird wohl überbewertet. In Tirol traf ich später im Jahr einen Bayern, der hingegen anderer Ansicht war: „Du musst einfach doaah gewesen sein!“ meinte er ganz enthusiastisch. Kombinationen aus Radfahren und Wandern bieten sich natürlich in Korsika an. Um nicht im kollektiven Wanderrausch zu desillusionieren, sollte man aber Reviere aussuchen, die abseits der bekannten Wanderrouten liegen. Unter den Stauseen sind wohl nicht alle zum Baden gedacht, aber der Lac de Tolla ausgangs der gleichfalls empfehlenswerten Prunelli-Schlucht ist sowohl gut zum Baden geeignet als auch ein sehr malerischer Platz.



Das kulturelle Highlight der Tour war jedoch der Besuch eines Musikfestivals – die „Nuits de la Guitare“ in Patrimonio. Das ist ein einwöchiges, vor traumhafter Freiluftkulisse aufgeführtes Gitarrenfestival (mittlerweile erweitert auf Gesang), dass sich verschiedenen Genres widmet – von den traditionellen Spielweisen Korsikas, über Klassik und Rock bis zum Jazz – neben lokalen Größen auch Weltstars. Mein Reiseplan ergab, dass ich den Abend mit Biréli Lagrène (moderner Gipsy-Swing, Mainstream-Gitarrenjazz) und Sylvain Luc (innovativer Jazzgitarrist, auch bluesig) sowie weiteren Akteuren einbauen konnte. Musikalisch wäre auch noch der Abend zuvor noch in Frage gekommen (die brasilianische Musikerfamilie Assad – teils Klassik, teils Jazz), wäre jedoch nicht mit meinem Streckenplan kompatibel gewesen. Der letzte Vollreisetag auf Korsika, der Freitag, wäre zwar reisetechnisch noch möglich gewesen – dafür aber musikalisch für mich nicht interessant. (Näheres in Kap. 11 und unter Nuits de la Guitare)

Bereits zu Anfang der Tour hätte ich Gelegenheit gehabt, den Abschlussabend des Calvi Jazz Festivals zu erleben. Doch dauerte die Tagestour unter der brütenden Hitze länger als erwartet und abends hat zunächst mal Essen Vorrang. Als ich danach noch zu später Stunde für die Resttöne in die Zitadelle wollte, wurde immer noch (reduzierter) Eintritt verlangt. Ich dachte mir dann aber, dass sich das nicht mehr lohnt. Von den oberen Mauern der Zitadelle konnte man als Zaungast einen guten, wenn auch etwas entfernten Blick auf die Bühne werfen. Es spielte der Funkjazz-Mann Boney Fields mit Brass-lastigen Grooves – ein bisschen like Maceo Parker – so richtig mitgerissen hat es mich aber nicht. So war denn auch die Erkenntnis, dass die Truppe noch lange in die Nacht hinein spielte und sich eine Konzertteilnahme noch gelohnt hätte, eher nebensächlich. Für Interessierte: Calvi Jazz Festival



Zu den typischen korsischen Musikerlebnissen gehört aber unbedingt ein Auftritt mit den traditionellen polyphonen Gesängen – meist in Gitarrenbegleitung von mindestens zusätzlich zwei Sängern dargeboten. Der Gesang – ähnlich auch auf Sardinien praktiziert, lässt die ganze Melancholie aus Jahrhunderten von Unterdrückung in die Herzen dringen – nicht selten haben die Texte auch politische Inhalte. (Heute gibt es auch Gruppen, die diese wehmütige Nostalgie für zu eng gefasste Interpretationen des „Unabhängigkeitsgeistes“ missbrauchen.) Man kann solche Konzerte auch immer wieder mal gratis und zufällig in Dörfern bei Festen oder in den Gassen bei Restaurants in den Städten erleben. Andere Konzerte gegen Eintritt muss man vorher gut recherchieren. Eine Empfehlung für alle, die das einrichten können, wäre ein Konzert in einem kleine offenen Theater in dem kleinen Kunsthandwerkerdorf Pigna in der Nähe von L’Île Rousse – leider ließ sich so was nicht in meinen Reiseverlauf einbinden. Zufällige Gratishörproben erlebte ich aber mehrfach – u.a. recht professionell in Sartène (Bild).

Ohne alle Sehenswürdigkeiten aufzuzählen noch ein Gedanke an eine Besonderheit. Schon die Menschenfriedhöfe sind auffällig, liegen am Hang zuweilen fast so groß wie die Orte und imponieren mit großen Grabmalen. Interessant ist auch, dass es immer wieder allein stehende Familiengräber unweit der Friedhöfe oder auch weiter weg vom Ort gibt. Ich vermute Familienfehden, bei denen man sich auch nach dem Tode nicht zu nahe kommen will. Die Vendetta reicht auch noch weiter in Himmel und Hölle.

Doch kaum eine Friedhofsgestaltung ist so gelungen wie die der Autos! Zwar verboten, aber anscheinend immer noch gelegentlich praktiziert, werden Autos einzeln gerne an Abhängen oder im Busch entsorgt und werden über die Zeit zu wunderschönen Teilen der Natur, in rostbraunen Farbvarianten, sich in absplitternden Pastelltönen auflösend, von Bäumen überwuchert oder als mahnende Blechskulptur am Geröllhang sich dem Verfall ergebend. Was kann es Schöneres geben, als die Endlichkeit des Automobils seiner natürlichen Bestimmung zuzuführen? lach Man mag das aus ökologischen Gründen nicht so gerne haben – aber in überschaubaren Einzeldarstellungen sind sie einfach eine Augenweide. Schon auf meiner 1999er-Tour war ein solches Friedhofsauto mit das schönste Fotomotiv. Es lebe der schönste Autotod – möge bald noch viele Folgen! lach wein




Pleiten, Pech & Pannen

Von Pannen am Rad blieb ich auf dieser Reise gänzlich bewahrt. Ich hatte weder Stürze noch Kollisionen mit anderen Verkehrsteilnehmern. Die Momente des Sekundenschlafes erwähnte ich bereits. Ein radtechnisches Ärgernis gab es doch – bereits zum wiederholten Male – mit einem Ciclomaster-Tacho: Die Höhenmeter musste ich an diversen Tagen mithilfe von Kartendaten schätzen, da der Radcomputer ganz oder teilweise bei hohen Temperaturen ausfiel (meistens ab Mittag). Ich konnte ihn aber jeden Abend wieder reaktivieren. wirr

Tatsächlich war es Folge der Batterieschwäche, was aber vom Gerät nicht angezeigt wurde. Ich hatte aufgrund früherer Störungen an einem anderen Modell Anlass dazu, dass das Gerät definitiv defekt sei. Ungewöhnlich war auch die Temperatur- bzw. Sonneneinstrahlwirkung. Ich konnte z.B. an zwei Tagen durch Sonnenabschirmung (Bild) den Ausfall vermeiden – das gelang danach aber nicht mehr. Mein zweiter Sicherheitsradcomputer (wegen der Uhrzeit) verfügt über keine Höhenmeterfunktion. Die entsprechenden Schätzdaten sind mit einem (*) gekennzeichnet – m.E. auf ca. +/- 150 Hm genau. Es dauerte noch über 10 Tage bis die Batterieanzeige aufleuchtete und alsbald der Tacho sich ganz ausblendete. Das nährte meinen Verdacht, dass die Fehlfunktion doch nur einer zu schwachen Batterie geschuldet sein könnte. Sodann konnte ich einige Tage später in Porto Vecchio die Batterie ersetzen und tatsächlich arbeitete das Gerät auch bei hohen Temperaturen in der Sonne wieder einwandfrei. Ärgerlich, dass die Batterieanzeige so mangelhaft ist. verärgert




Reisewegbegleitpapiere, Straßen & Pisten

In Korsika sind Straßen ein Thema. Zunächst die gute Nachricht vorweg: Die meisten Straßen sind verkehrsarm, teils geradezu einsam. Es gibt wenige Hauptverkehrsachsen, die man schnell auf der Karte identifizieren kann. Dazu zählen ein Route um die Insel (N 198 Bastia - Bonifacio, N 196 Bonifacio – Ajaccio, D 81 Ajaccio – Calvi, N 197/N 1197/ D 81 Calvi – Bastia), die Inseltransversale (N 193 Bastia - Ajaccio) und ein paar kleinere strategische Verbindungsachsen (N 1197 Ogliastro – Ponte Leccia, D 82 St-Florent – Biguglia, N 200 Aléria – Corte, D 589 Bocca di Testa – Porto Vecchia). Je nach Touristenandrang gibt es zumindest tagsüber stärker befahrene Routen – etwa Asco-, Restonica-Tal, Bavella-Route Porto Vecchio – Solenzara). Am Cap Corse ist der Verkehr nördlich Bastia stark, nimmt aber Richtung Norden deutlich ab (jenseits von Erbalunga). Natürlich sind nicht alle anderen Straßen einsam – so ist die Castagniccia z.B. ziemlich dicht besiedelt – doch ist auch dort der Verkehr letztlich ziemlich harmlos.

Nimmt man den Vergleich zum französischen Festland, dann sind die Straßen auf Korsika im Schnitt von schlechterer Qualität. Das hat nicht zuletzt auch Auswirkungen auf die machbaren Radeldistanzen auf der Insel. Sogar auf den Hauptrouten kann man ruppige Streckenabschnitte vorfinden. Es gibt natürlich auch hier immer wieder aalglatt neu asphaltierte Fahrbahnen – doch scheinen die Mittel begrenzt und die Krise der öffentlichen Haushalte in Europa dürfte noch weitere Löcher in den Asphalt hauen.

Derzeit wird u.a. am Col de Sorba (Vivario – Ghisoni) gebaut, offenbar auch eine neue Querverbindung zur Inseltransversalen. Der Campingwart von Peridundella wollte mich noch von der Strecke abhalten, weil er meinte, die sei nicht fahrbar. Wenn ich mich richtig erinnere, hatte auch Forumsmitglied Lutz ein Problem mit der Baustelle dort auf einer Tour vor meiner Zeit. Ich fand aber bereits eine ausreichend gute Fahrdecke vor, die Südseite ist war schon fast komplett fertig. Die gesamte Strecke dürfte im nächsten Jahr einwandfrei befahrbar sein.



Ähnliches gilt für das Cap Corse – im Norden und Osten bereits einwandfrei, zwischen Kap und Pino jedoch extrem schlecht – fast ein Offroad-Erlebnis. Die Arbeiten sind zwar im Gange, schätze aber, dass das auch noch etwas länger dauern kann als Col de Sorba. Eine Besonderheit ist wohl die Strecke Galeria – Calvi (D 81B, Bild). Diese Route ist rein touristisch, es wohnen kaum Leute dort (z.B. ein kleiner Camping in Argentella), es ist Naturschutzgebiet und Gesteinswüste. Diese Streck war schon 1999 eine Stoßdämpferteststrecke und ich meine, dass sie heute noch schlechter ist als damals. Es dürfte auch Kalkül sein, dass der Transitverkehr nach Calvi nicht von der D 81 auf die Küstenvariante der D 81B ausweicht. Insofern muss man es schon wieder begrüßen, dass die Strecke wohl bewusst nicht in Stand gesetzt wird (ein Teil im Norden vor Calvi ist jedoch einwandfrei) – die Strecke ist nämllich traumhaft.

Wer auf Korsika Offroad-Touren sucht, sollte sich lieber an den passenden Bericht von Lutz halten Korsika auf Abwegen. Ich selbst fahre nur gelegentlich Pisten und halte mich für keinen guten Geländefahrer. Die Eindrücke, die ich von Pisten gewinnen konnte (ohne sie zu fahren) war der, dass sie von weitem einladend wirken, weil breit gespurt, aus der Nähe mir aber i.d.R. unfahrbar erschienen – zuviel lockerer Schotter. Eine Quälerei, die man in Anbetracht der vielen Möglichkeiten, die das Straßennetz bietet, nicht unbedingt benötigt. Sicherlich könnte man geübt auf Wanderpisten manches Tal von der Sackgasse zur Durchfahrtspiste machen und neue Rundkurse erschließen.

Soweit man sich auf den Spuren des GR 20 (einer der bekanntesten Wanderwege Europas) aber bewegt, sollte man wissen, das dort mehr Menschen unterwegs sind als auf den dazu quer laufenden Inlandsstraßen. Auch sind die Hütten, Unterkünfte und Gasthäuser am GR 20 meist gut besucht, während viel Orte an den Zufahrtswegen in die Berge mit Gästeschwund zu kämpfen haben. Ich habe zweimal in Orten allein im Restaurant gesessen – trotz Hochsaison -, obwohl diese Orte als Basislager für Bergregionen gelten (Zicavo, Ste-Marie-Sicché). Es mag auch ein Zeichen der allgemeinen Krise in Europa sein, so wie in Spanien viele Restaurants und Hotels schließen müssen. Jedoch meine ich auch, dass diese mittlerweile recht ausgeprägte Flucht in die Einsamkeit der Berge dort eine seltsame Menschendichte mit selbst kochenden Tütensuppenwanderern erzeugt, während die eigentlich für das Touristische geeigneten authentischen Bergdörfer um ihre Existenz kämpfen. Die einsamen Orten werden belebt, die belebten Orte sterben. Ich meine, eine ungute, paradoxe Entwicklung, wenn Abenteuerlust und Jedermannseinsamkeit ein Massenphänomen wird.

Meine Karten (kein GPS): Für die meisten Touren könnte bereits die Michelin-Karte 1:200 000 reichen. Ich hatte noch eine von meiner alten Korsika-Reise. Diese habe ich auch am häufigsten verwendet. In einigen Fällen war es aber allein schon wegen der Lesbarkeit sinnvoll, zusätzlich die IGNs 1:100 000 zu benutzen (zwei Karten: Nr. 175 & 176).

Reiseführer: In der 1996er-Auflage habe ich noch den Nelles Guide „Korsika“ – Historisches und Hintergründiges ist gut dargestellt, zudem finden sich einige gute Tipps z.B. zum Essen gehen. Wer eine ausführlichere Darstellung der Regionen sucht, sollte auf Wolfgang Kathe „korsika“ (Reise Know-How) zurückgreifen. Die 2011er-Auflage habe ich mir noch zusätzlich gegönnt. Letzterer war auch im Gepäck dabei. Sehr umfassend und auch konkret in den Tipps. Separate Kästen für Geschichte und Hintergründiges – sehr gut recherchiert. Kleinere Fehler konnte ich allerdings auch entdecken – manches wurde offenbar nicht wirklich aktualisiert (steht zwar drauf – aber was sagt ein Etikett?).

Fortsetzung folgt