Re: Korsika 2012

von: veloträumer

Re: Korsika 2012 - 03.12.12 22:27

Draußen weiter ungemütlich, hier weiter Sommer - das nächste Türchen...

KAPITEL 3 Babylonische Felsen, Schmalspurbahn und viel Schweinerei: Erste Begegnung mit dem zentralen korsischen Hochgebirge zwischen Monte Cinto, der großen Inseltransversalen und Nebenrouten in Gravone und Prunelli

Di 26.6. Camping Monte Cinto - Haut-Asco (1361m) - Asco - Ponte Leccia - dev. N193/D18 - Col de San Pancrazio (731m) - Popolasca - Croce d'Arbitro (664m) - Pont de Castirla - Francardo - Collo di San Quilico (559m) - Corte - Col de Bellagranajo (723m) - Venaco - D43 (~ 2 km) - Venaco
103 km | 13,4 km/h | 7:41 h | 1365 Hm*
W: sonnig, heiß, > 30 °C
E: überbackene Auberginen, Hähnchenfilet, Maronencrème, Roséw., Cafe 23,40 € (+)
Ü: C wild 0 €

Zunächst also noch ein kurzer Rückblick auf den Abend des vergangenen Tages: Gleich bei der Brücke unterhalb von Moltifao beginnt die Fahrt durch ein nunmehr recht enges Tal, der Fluss bietet hier zahlreiche Bademöglichkeiten, die auch intensiv genutzt werden. Freie Badeplätze schon jetzt im Juni Fehlanzeige. Nur wo es bereits schattig ist, ziehen die ersten Tagesfreizeitler zum Abendprogramm ab. Wenig unterhalb gibt es touristische Infrastruktur mit Camping, zudem auch eine Schildkrötenfarm, die sehenswert sein soll, die ich aber nicht besucht habe (eine griechische Landschildkröte ist mir aber trotzdem im weiteren Verlauf der Tour vor meine Linse gelaufen schmunzel).

Bald werden aus bewaldeten Hängen scharfkantige Felswände und man fühlt sich wie in einem Labyrinth aus Stein. Mir kommen Darstellungen des Turms zu Babylon aus meiner Schulzeit in den Sinn. Die markanten Felsfurchen sind teilweise so regelmäßig, dass man glaubt, überall Bogentüren oder -fenster zu sehen. Auch könnten sie der Baukunst Palladios in Vicenza entsprungen sein. Die atemberaubende Gorges de l’Asco kann man gut genießen, denn die Steigung ist bis kurz vor Asco recht gering. Auch der Verkehr ist dank der fortgeschrittenen Tageszeit bereits mager, denn viel Zivilisation gibt es im weiteren Verlauf des Tales nicht.

Nur Asco ist noch ein richtiger Ort – nunmehr die Schlucht hier zu einem Hochgebirgstal geweitet und die Berge alpin umher, aber ohne die Arbeit der babylonischen Steinmetze. Sowohl am unteren Anfang wie am oberen Ende des Ortes gibt es an der Straße je ein Gasthaus mit Unterkunftsmöglichkeiten und Speiseterrassen, die herrliches Bergpanorama bieten. Unterhalb des oberen Endes gibt es am Fluss noch eine genuesische Brücke – erfordert aber eine steile Extratour, die ich nicht absolviert habe. Leider ist man auf der Suche nach einer Wildcampmöglichkeit hier völlig hilflos – alles ist unbrauchbar steil, wenige Restflecken bewirtschaftet oder besiedelt. Mal sehen, was diesmal der Zufall für meine Nacht bereit hält. Ich genieße ein leckeres Essen auf der Terrasse des Restaurants oberhalb am Ortsausgang. Es gibt dem Honigort gemäß (vgl. Einführung) Lamm in leckerer Rosmarin-Honigsauce. Auch der Nachtisch mit Ziegenkäse und Feigenkonfitüre ist nicht nur typisch korsisch, sondern auch typisch für Asco, weil das Bergdorf nicht nur für den Honig sondern auch für die Käseproduktion berühmt ist.

Der Abend bringt es mit sich, dass ich mit dem italienischen Nachbartisch (nette Römer) ins Gespräch komme – einer der Söhne ist die Strecke mit dem Rennrad schon gefahren und ich werde ermutigt, noch die Reststrecke von 200-300 Hm zum nächsten Campingplatz zu fahren. In der Nacht nicht unbedingt mein Seelentraum, aber die Strecke fahre ich ja nächsten Tags wieder zurück und verpasse daher nichts. Die Strecke fortan von Asco ist durchgehend steil, einige Rampen lassen die Zähne besonders laut knirschen – allein in der Nacht hört es keiner. listig

Der Camping „Monte Cinto“ liegt aber immer noch deutlich unterhalb von Haut-Asco, wohin die Straße nicht weniger steil ist. Der Camping ist absolut schattig, mitten im Kiefernwald gelegen, ein kleines Bistro vorhanden – war aber trotzdem gut so, weiter unten gegessen zu haben. Zur Nachtzeit war natürlich niemand mehr da, aber am nächsten Morgen fand ich die Campingwartin vor, die im Haus direkt anbei lebt. Sie fragte mich, ob ich den Monte Cinto, den höchsten Berg Korsikas, erwandern möchte und ich lehnte die Idee dankend ab: „Nicht meine Welt, die Berge auf dem Rad reichen mir.“

In der Tat dreht sich hier alles um diesen Berg mit Schnittpunkt zum GR 20. In Haut-Asco gibt es dann nochmal diverse Unterkunftsmöglichkeiten in Art von Hütten und einfachem Berghotel – allerdings finde ich es dort weniger einladend als die Gelegenheiten im Ort Asco unten. Die Straße endet hier und erste Wanderer beginnen ihren Aufstieg. Neben den Hütten und dem Hotel gibt es auch Möglichkeiten zu zelten – kein richtiger Campingplatz, aber dem Andrang der Wanderer wohl widerwillig abgerungen. Für mich nun der Start zur langen Abfahrt, die ich vollends genießen kann, weil ich das meiste ja schon bei der Auffahrt gesehen und im Bild festgehalten hatte.

In Ponte Leccia ist es dann fast unerträglich heiß. Dieser wichtige Verkehrsschnittpunkt mit einer alten, aber noch funktionsfähigen Brücke ist für viele ein Ort zur Basisversorgung, aber nicht wirklich ein Ort zum Verweilen. So wende ich mich wieder einsamen Straßen zu mit einer lohnenswerten Nebenstrecke über Popolasca. Wer frisches Wasser sucht, sollte mit etwas Geduld durchfahren, nach Popolasca gibt es eine gute Quelle.

Diese Wasserstellen sind manchmal recht primitiv, aber intelligent gemacht: Ich bin mit dem Kopf an das simple Plastikrohr gestoßen und prompt drohte die Quelle zu versiegen. Man muss also genau die Wasserader treffen, sonst fließt nichts. Ich konnte das Rohr dann wieder halbwegs gut richten. Andere Trinkbrunnen fallen dadurch auf, dass auf einer Steinrinne oder dem nackten Stein, über den das Wasser läuft, ein spitzovales Laubblatt liegt – mit einem kleinen Stein am Wegschwimmen gehindert. Der Sinn ist, dass das Wasser dann entlang des Blattes so läuft, dass man einen schönen Strahl zum Abfüllen oder trinken bekommt, während es am Stein entlang nach hinten wegfließen würde. Das Blatt bleibt steif, weil es mit Wasser versorgt wird. Technik kann so einfach sein – braucht es heute wirklich überall Bits & Bytes & Energy?

Die Pont de Castirla ist wieder Kreuzungspunkt mit einer nachfolgenden Etappe. Der Blick nach Westen lässt schon mal auf eine schöne Bergroute schließen. Heute geht es zunächst aber weiter abwärts das mittlere Golo-Tal hinunter bis nach Francardo zur dicht befahrenen N 193 – die großen Inseltransversale. Zum Glück gibt es ein erfrischendes Bad zunächst direkt unter der Autobrücke – schöner als es sich wohlmöglich anhört. Die Passhöhe nach Corte ist sehr gemäßigt. Landschaftlich eher Hügel, ein Eisenbahnviadukt ziert einen Berg. Nach der Passhöhe lässt sich Corte bereits gut erahnen. Auf dieser Etappe fahre ich an Corte achtlos vorbei – die Silhouette an sich ist aber mit den steil aufschießenden Bergen dahinter schon ein stimmungsvoller Blickfang. Ich bin gespannt auf die nächste Begegnung.

Es folgt auf der Inseltransversalen eher offenes Hügelland und die Blick nach Osten zu den Bergdörfern in die liebliche Kastanienregion Bozio. Ein kleiner Vorgriff auf das Schlussdrittel der Tour (Kap. 9). Zum breiten Tavignano-Tal gibt es noch eine Verbindungsachse über einen Bergrücken, auf dem die Abendsonne mild die Dörfer Casanova, Riventosa und Poggio-di-Venaco anleuchtet. Bald finde ich unter mir Venaco – zwar eine größere Ansiedlung, aber touristisch nicht viel mehr als ein zentrales Restaurant mit Hotel. Ich suche zwar noch den empfohlenen Campingplatz Peridundella, komme aber dabei immer tiefer in ein anderes Tal. Um nicht am nächsten Morgen mir eine Extrabergtour aufzubürden, lasse ich die Unterkunft mal wieder weg (zumal Essen dort ungewiss wäre und ist, wie ich später auf der Tour feststellen konnte). Also zurück nach oben zum Restaurant in der Ortsmitte. Aber wohin mit dem Zelt danach? – Ich fahre zunächst weiter, weiß aber um die Sehenswürdigkeit der Pont du Vecchju unwesentlich weiter – die will ich ja bei Tageslicht sehen. So muss an einem Sportgelände der Steinboden eines abgeriegelten Vereinsschwimmbades herhalten – die Nacht ist hier extrem mild – ein Zelt brauche ich nicht.

Mi 27.6. Venaco - Pont du Vecchio - Vivario - Col de la Serra (807m) - Col de Campo di Luppo (824m) - Vizzavona - Cascades des Anglais (Waldpiste, teilw. geschoben) - Col de Vizzavona (1163m) - Bocca alla Sellola (1015m) - Bocca al Zuccaro (761m) - Bocognano - Cascade du Voile de la Mariée (kleine Wanderung) - Col de Scalella (1193m) - Bastelica
61 km | 10,1 km/h | 6:03 h | 1320 Hm*
W: teils sonnig, teils bewölkt, ~ 28 °C
E (Chez Paul): kors. Wurst/ Schinken, Spinat-Canneloni, Schmorfleisch m. Bohnen, Pannacotta, Rw, Cafe 36 €
Ü: C wild 0 €

Die angesprochen Eisenbahnbrücke ist ein Werk von Gustav Eiffel – eindeutig erkennbar im Stil. Per Stichstraße kann man hier in ein Waldgebiet vorstoßen und ruhige Badeplätze finden. Im weiteren Verlauf besteht eine Möglichkeit mit Wanderstiefeln über den Lac de Capitello und den Lac de Melo ins Restonica-Tal zu gelangen. Das nächste Örtchen ist wieder zu erklimmen auf halbem Weg zum Col de la Serra – ein grandioser Terrassenblick schweift von Vivario zurück nach Norden. Obst, Joghurt und Canistrelli gibt es als Frühstück vom lokalen Tante-Emma-Laden, Cafes und Restaurants sind aber auch welche im Ort. Den laut Karte und Reiseführer erwähnten Campingplatz kann ich aber nicht orten – obwohl ich auch durch Vivario noch ein zweites Mal kommen sollte. Unweit über dem Ort nach einer Serpentine sieht man ein verfallenes Fort, zu dem man wohl auch wandern kann. Kaum eine Sehenswürdigkeit, wo nicht auch jemand das Geschäft wittert. Auch hier ein kleiner Tageskiosk am Parkplatz. Es folgt die schon eingangs erwähnte Brandstelle mit Löschkräften im Einsatz und an der Abzweigung zum Col de Sorba findet sich nochmals ein Restaurant.

Die Besiedlung ist allseits dürftig. Bald taucht man von der offenen Berglandschaft in dichten Kiefernwald ein, überquert die Bahnlinie, die wenig später am Vizzavona-Pass den höchsten Punkt wie auch die Straße auf der Inseltransversalen überwindet. In Vizzavona kann man die Häuser nicht von der Straße erkennen, es gibt aber diverse, sogar bessere Hotels dort. Noch vor dem Vizzavona-Pass gibt es einen Abzweig zu den Cascades des Anglais – kleinere Kaskaden, aber von großer Schönheit und beliebt als Badeplatz. Die Piste dorthin ist anfangs noch gut fahrbar, wird dann aber zu rumpelig, sodass ich schieben muss. Allein ist man hier nicht so sehr – neben schleppenden Badegästen wartet an den Wasserfällen wieder ein Bistro nebst Klettergarten mit zu bezahlendem „Abenteuercharakter“.

Mit dem Vizzavona-Pass öffnet sich ein weites Tal Richtung Ajaccio – in der Ferne ahnt man bereits das Meer – im Dunst kaum zu sehen. Es gibt nun wieder Kastanien im Überfluss. Mit Bocognano gelangt man auch zu einer der Schweinehochburgen Korsikas – nicht ein zweifelhafter Ruf, nein – vielmehr ein köstliches Prädikat! schmunzel Auch wird nach dem Abzweig auf die ruhige D 27 gleich deutlich, wer die Straßen beherrscht: Schweine – eben jene wild laufenden Hausschweine, für die aber auch überall improvisierte Gehege mit Gattern bereit stehen. Sie sind häufiger leer als voll – Auslauf eben, Schweinefreiheit wird hier groß geschrieben.

Mit Radfahrern können die Schweine nicht viel anfangen – oder besser gesagt: sie fürchten sich mehr vor ihnen als vor Autos. Die Ausweichmanöver in die zum Teil steilen Randzonen der Straße sehen alles andere als einstudiert aus – ich mache mir Sorgen um die Schweine. Manchmal laufen sie nicht runter, sondern rutschen – ein Wunder, dass sie keine Purzelbäume schlagen – Rolle seitwärts kommt aber schon mal vor. Dabei staubt es oft entsetzlich oder sie verursachen mittleren Steinschlag, der wiederum Kollege Sau trifft – was die Panik noch verstärkt. Die Jüngeren beobachten die Alten, was die so machen. Offenbar fehlt es den Alten aber auch an weiser Gelassenheit, sodass die jungen Schweine kaum was dazulernen können, schon gar nicht über Radfahrer. Was sie vor allem beherrschen ist natürlich das Fressen – und das ist ja ihr eigentlicher Job. schmunzel

Bevor es einen lang gezogenen Pass nach oben geht, zeigt sich linker Hand ein größerer Wasserfall, den man recht kurz von der Straße aus erwandern kann (bereits von der Straße zu sehen). Viele Besucher kommen aus Bocognano bzw. von der Inseltransversalen und kehren nach dem Besuch des Cascade du Voile de la Mariée häufig wieder zurück, ohne die die D 27 weiter zu fahren. Einige schließen den Kreis auch mit einem Abstecher nach Tavera – dazu kann man noch vor der Hauptanfahrt zum Col de Scalella abzweigen. So sind dann über den Pass noch weniger Autos unterwegs. Die Steigung ist durchschnittlich gering, auch wenn ein paar steilere Abschnitte zu bewältigen sind. Das Panorama fiel den vielen Wolken etwas zum Opfer, jedoch blieb das scheinbar drohende Gewitter aus.

Bastelica hat zwei wichtige Bedeutungen. Die eine ist der Basisort für das Val d’Ese, das im Winter am oberen Ende ein Skigebiet bereit hält, in das die Bewohner von Ajaccio gerne kommen. Skigebiet heißt in Korsika natürlich etwas anderes als in den Alpen oder Pyrenäen – also ein Parkplatz, ein Lift, ein Kiosk und ein paar Kühe (zumindest im Sommer). Für die große Apres-Ski-Party dürfte es auch nicht in Bastelica reichen – da muss man wohl nach Ajaccio zurück. Im Sommer wirkt der Ort abends fast wie ausgestorben – zum Flanieren gibt es nichts. Wenn ist man in einer Gîtes untergebracht – vielleicht mit toller Aussicht beim Restaurant „Chez Paul“, wo ich im edlen Ambiente zu Abend gegessen habe. Uriger und rustikaler ist ein Restaurant unten in der Flussaue, wenn man Richtung Val d’Ese weiter will – es hatte aber leider geschlossen – dort anhängende Wiese eignete sich für meine Zeltnacht.

1. Exkurs korsische Unabhängigkeit: Tagsüber blüht der Ort auch mit ein paar Touristen mehr auf. Zwischen dem Col de Cricheto und Bastelica verkehrt ein kitschiges Touristenstraßenbähnchen – das aber ist noch nicht die andere Bedeutung von Bastelica. Vielmehr ist es der korsische Freiheitsheld (?) Sampiero Corso, der hier geboren wurde und dessen Abbild als animalisch kämpferisch wirkende Bronzestatue im Ortszentrum unübersehbar ist. Sampiero Corso lebte von 1498 bis 1567 und stieg zu kriegerischer Generalität durch die Gunst der Medici und des französischen Königs Henri II. auf. Der Kampf gegen die Genuesen blieb mehr ein Wechselspiel der großen Mächte Genua, Medici und Frankreich, als dass es zu einer erfolgreichen Unabhängigkeit kam. In diesem Machtpoker heiratete Sampiero als 50-Jähriger die 15-jährige Vannina – eine reiche korsische Adlige. Doch was nicht aus Liebe geschaffen ist, auch nicht von langer Dauer sein kann. Über die Gründe von Vanninas Flucht vor ihrem Mann gibt es unterschiedliche Legenden – jedenfalls sucht sie bei den Genuesen Schutz – entweder wegen einer alten Jugendliebe, wegen der Bewahrung ihres Besitzes oder wegen politischer Kooperation mit den Genuesen, was einem Verrat gleich kam. Das Drama soll Shakespeare zu Othello inspiriert haben. Der rachsüchtige Sampiero Corso verfolgte seine Frau nach Aix-en-Provence und würgte sie ebenso zu Tode wie zwei ihrer Mitwisser. Während es die Justiz nicht wagte ihn zur Rechenschaft zu ziehen, wurde er Opfer der Vendetta, verraten von einem Knappen und in der Nähe seines Heimatortes erstochen von zwei Brüdern Vanninas. Über die etwas zweifelhafte Verehrung Sampiero Corsos unter den heutigen Korsen wird noch später zu sprechen sein (vgl. Kap. 9).

Do 28.6. Bastelica - Col de Ciano (993m) - Col de l'Usciola (1612m) - Station du Val d'Ese (~1680m) - Bastelica - Col de Menta (756m) - Tolla - Col de Mercujo (715m) - Ocana - Cauro - Bocca Sant'Alberto (521m) - Cascade de San Alberto (kleine Wanderung) - Col de Marcuccio (670m) - Pont genois de Zipitoli - Col de Cricheto (725m) - Cauro - Bastelicaccia - Mezzavia (Ajaccio) - Col de Listincone (232m)
122 km | 12,2 km/h | 9:58 h | 2045 Hm*
W: sonnig, ~ 30 °C
E (Sapparella, Cauro): Rw, Entrecôte Sauce Roquefort, Eis, Cafe, Likör gratis 28,80 €
Ü: C wild 0 €

Die Fahrt ins Val d’Ese ist sicherlich nicht spektakulär, aber ich finde sie wegen der vielen Ausblicke und der zunehmenden Kargheit, aus der die Blumen umso wirkungsvoller hervortauchen, sehr lohnenswert. Dieser höchste korsische Straßenpunkt mit der Skistation am Ende ist nicht einfach zu erklimmen, die Steigungen sind recht ordentlich. Der schon eingangs angesprochene höchste Pass ist für mich nicht richtig zu erkennen gewesen – ich vermute sogar, dass er nicht auf der Straße, sondern mindestens 50 Meter abseits und oberhalb vom Asphalt liegt. Die „französische“ Passologie ist aber auch für mich nicht immer zu durchschauen. Für das Erleben spielt es auch keine Rolle. Wichtig: Es gibt im Sommer jenseits von Bastelica keinerlei Versorgungsmöglichkeit an der Straße.

Zunächst fährt man vom Fontana Majo mit „goldenem“ Becher aus Bastelica hinaus durch Kastanien- und Schweinewald – grunz, grunz schmunzel Es geht tierisch weiter mit kämpfenden Ziegenböcken – klack, klack. Die Hormone sind so stark, dass ich als Radfahrer unbeachtet bleibe – normalerweise suchen Ziegen da immer das Weite. Dann ist Ruhe, viel Aussicht, viel Sonne. Beim Usciola-Pass gibt es etwas bäuerliche Besiedlung innerhalb eines rosaroten Fingerhutmeeres – unklar, ob das Ganzjahresbehausungen oder temporär bewohnte Almhütten sind. Um den letzten Berg rum endet die Straße bald an einer Schranke mit Rindviechbewachung in freier Flucht zum offenen Berg. Lift und Kiosk linker sind natürlich geschlossen. Weniger zuvor befindet sich rechter Hand eine gute Piste, die aber laut Karte später in einen Wanderweg übergeht. (Eventuell für Mountainbiker durchfahrbar nach Tasso und Zicavo.)

Die Rückfahrt ist wohl die schnellste Abfahrt der Reise. Nach Bastelica bleibt die Strecke zunächst unauffällig, mit der Fahrt durch die Gorges de Prunelli beginnt aber wieder ein kleines Felsenwunderland. Mancher Stein ist bewohnt – insbesondere herrscht dort ein Froschkönig – und ich erlebe nun erstmals – und später öfters, dass die Felsen mächtige Geister sind, die gelegentlich zum Leben erwachen und ein Herz für Radler haben – denn sie grüßen recht freundlich zwinker – vgl. Bildergalerie. Nach schönen Felsen kommt schönes Wasser – der Stausee von Tolla. Die Straße vom Ort zum See ist sehr steil, was man beim Zurückfahren bedenken sollte. Ein Abstecher lohnt aber, es hat stimmungsvolle Ecken dort neben einem dezenten Wassertourismus.

Die Westseite des Bocca di Mercuju ist mit seinen Kurven und der Aussicht auch ein Genuss. Auf der Querverbindung nach Cauro durch eine Talmulde nimmt die Zahl der Olivenbäume deutlich zu. Beim Ort Eccica wurde Sampiero Corso ermordet – der Schweiß des Tages ist dessen ungeachtet natürlich auch mörderisch. In Cauro hätte schon Schluss sein können – ich rechne mir aber noch aus, bei Tageslicht bis zum Col de Cricheto und zurück zu gelangen. Dazu musste ich allerdings verschärft Gas geben – zumal noch zwei kleine Wanderabstecher auf dem Programm standen: Der Cascade de Sant’Alberto (Piste dahin teils radelbar) und zur genuesischen Brücke Zipitoli (Piste dahin ebenfalls radelbar) – ein idyllisches Fleckchen Erde.

Dass der Radeltag mit dem Essen in Cauro noch nicht zu Ende war, ist wohl eher einem ungünstigen Zufall zu verdanken. Ich konnte – zumal im Dunkeln – nirgendwo einen geeigneten Platz zum Zelten finden. Natürlich beginnt hier auch die dichtere Besiedlung im Raum Ajaccio. Nach Ajaccio zum Camping wollte ich definitiv nicht einfahren. Aber auch die Straße hinauf zum Col de Listincone (auch nachts noch teils gut befahren) ist dicht besiedelt, eingezäunte Gebiete oder steiles, steiniges Ödland. Von der Passhöhe wollte ich dann aber wirklich nicht mehr weiterfahren (letztlich geht es kurz später weiter hoch), weil ich auch nun wieder die Landschaft sehen wollte. Zwangsläufig war der Biwakplatz eher ungemütlich nahe der Straße hinter einem Strauch.

Bildergalerie zu Kapitel 3 (108 Fotos):



Fortsetzung folgt