Re: Vogesen-Tripel 2012

von: veloträumer

Re: Vogesen-Tripel 2012 - 11.03.13 20:11

II. Vogesen mit Schwarzwald: Tour de Col du Petit Ballon – oder:
Warum Damen giftige Maiglöckchen mögen

4-5 Tage | 500 km | 7045 Hm

Neben dem Col du Petit Ballon waren die Hauptziele dieser Tour das Linacher und Simonswälder Tal, der Rimsinger Baggersee, die kehrenreiche Südrampe des Col de Bramont, der Lac de Blanchemer, der Panorama- und Pilgerort Trois-Epis, der Höhenort Labaroche (mit dem Col du Herrenwasen nahebei) über das Walbachtal, der schon zweimal zuvor verfehlte Col de Bermont bei Orbey und die Kalbin-Route mit dem Col du Seelacker (Forstraße zwischen Fréland und Riquewihr). Nachdem ich durch extremen Gegenwind in der Rheinebene den geplanten Aufstieg zum Petit Ballon und einem dort bewusst ausgewählten Berggasthof mit klassischer Melkermahlzeit am zweiten Tag unerwartet nicht mehr zu passender Uhrzeit erreichen konnte, war ich bereits relativ zu Anfang weit im Rückstand zu meinen Plänen. Als dann die Winde am Petit Ballon Orkanstärke erreichten, zudem später am Sonntag ein aufgespalteter Baum durch Blitzeinschlag in unmittelbarer Nähe meines Standortes mitten im Wald eine Forststraße blockierte und garstiges Gichtwetter auf der Route des Crêtes mir den Schüttelfrost in die Knochen jagte, musste ich u.a. die angedachte Schlussetappe durch die nördlichen Vogesen streichen. Da eine abschließende Schwarzwaldquerung ebenso nicht ratsam war, bin ich ein paar weitgehend bekannte Schleifen gefahren, sodass ich im Falle einer massiven Wetterverschlechterung jederzeit die Wege hätte abkürzen können. Die morgens noch berechtigte Erwartung, das wenigstens der erste Maientag nochmal an das sonnige, wenngleich windige Baggerseewetter vom Samstag anknüpfen würde, erfüllte sich denn auch nicht. Abgesehen von dem sommerlichen Samstag und der milden Nacht auf der Schwarzwaldhöhe in Neueck, waren die Temperaturen alles andere als frühlingshaft. Die heftige Wetterfront des Sonntags sorgte am Montagmorgen auf den oberen Vogesenhöhen sogar für eine schmucke Neuschneedecke. Dass die weißen Flocken in den Freiamter Wäldern abschließend tatsächlich Maiglöckchen waren, kommt da schon fast einer botanischen Sensation gleich, die ich aber fotografisch beweisen kann. schmunzel

Fr 27.4. Stuttgart – Böblingen 16:38 || per Bahn || 18:17 Brigachtal – Tannheim – Hammereisenbach – Linacher Höhe (1019m) – Furtwangen – Neueck (981)
54 km | 16,2 km/h | 3:18 h | 790 Hm
E (GH Hirschen): Ziegenkäse m. Thymianhonig überb., Rw, Gulasch, Spätzle, Salat, Himbeertorte, Cafe 25,10 €
Ü: C wild 0 €

Mal wieder eine ungewöhnliche Anreisevariante, indem ich nicht vom schwäbischen Maulwurfbahnhof starte, sondern erst nach Radel-Auffahrt aus dem Stuttgarter Talkessel vom Rand des Gäus die Bahn in den Schwarzwald bemühe. Das reicht bis zur Dämmerung, um immerhin eine neue Route auszuprobieren – nach einem Stück Bregtal in das mir noch unbekannte Linachtal. Die Sehenswürdigkeit des schwach besiedelten und recht hübschen Tales ist eine Talsperre mit einer Gewölbereihenmauer aus dem Jahre 1925. Durch die 13 halbkreisförmigen Gewölbe, geneigte Stützpfeiler und einen verstärkenden Querriegel konnte man 80 % Material gegenüber einer herkömmlichen Massivstaumauer einsparen, wenngleich für die Verschalungsarbeiten viele Fachkräfte benötigt wurden. Eine zweifelsfrei typische, tüftelige schwäbische Sparlösung (badische Schwarzwälder sind mindestens so sparsam wie authentische Schwaben), von der man in der Schwabenmetropole am Neckar heute allerdings nichts mehr wissen möchte. Dort gräbt man hingegen ohne Sinn und Verstand Milliarden in nutzlos überdimensionierte Erdlöcher. böse The times they are a-changin’.

Es sei erwähnt, dass kurz vor der Linacher Höhe ein Gasthof mit Camping-/Caravanwiese zu finden ist, den ich aber nicht aufgesucht habe, um noch die zweite Passhöhe Neueck zu erreichen. Zwischen Linacher Höhe und Neueck muss man einen nicht unerheblichen Höhenmeterverlust verkraften. Durch einen separaten Abzweig ist es aber möglich, nicht nach Furtwangen einzufahren, sondern oberhalb der Stadt zu bleiben. Das Abendmahl im Gasthof auf der Höhe erweist sich als äußerst schmackhaft, woraus sich eine unbedingte Empfehlung ableitet. Es gibt ausdrücklich lokale, ausgewählte Produkte zur Speisezubereitung. Wildcampen ist auf der Schwarzwaldhöhe schwieriger als erwartet, da mehr gezäunte Weiden als freie Wiesen und Hochleitungstrassen ebenso stören, wie Nebenstraßen, auf denen rasende Ureinwohner auch noch nach Mitternacht unterwegs sind. böse Still und einsam ist der forêt noir zumindest hier nicht, obwohl erste Eindruck hinterwäldlerisch sein mag.

Sa 28.4. Neueck – Simonswald – Freiamt-Gscheid (450m) – Maleck – Emmendingen – Umkirch – Merdingen – Rimsinger See – Breisach – Neuf-Brisach – Hettenschlag – Sundhoffen – Wintzenheim – Soultzbach les-Bains – exc. Route de Col de Marbach (~500m) – Wihr-au-Val
127 km | 16,9 km/h | 7:25 h | 550 Hm
E (Pizzeria): Tomatensalat, Flammkuchen L'Alsacienne, Rw, Erdbeeren m. Sahne, Cafe 21,40 €
Ü: C La Route Verte 6,80 €

Das reicht lang geschnittene Simonswälder Tal erfüllt gleich mehrere Charakteristika und Klischees des Schwarzwaldes. Oben führt die Straße eng teils durch Felsen, weiter unten breiten sich verschiedene Formen von Wiesentälern aus. Kleinbäuerliche Idylle ist greifbar, man kann in Anbetracht der vielen frei in Wiesen pickenden Hühnern sich eigentlich gar keine Hühnerfabriken moderner Machart vorstellen. Simonswald ist dann ein kleines, aber bescheidenes touristisches Zentrum, Angst vor Trubeltourismus braucht keiner haben, auch wenn eine Schaumühle am Bach klappert. Selbst auf moderne Kunst braucht man nicht zu verzichten, direkt an der Straße kann man kreative Skulpturen bewundern.

Wer allergisch gegenüber kräftigen Steigungen ist, wird das Elztal in Richtung Freiburg wählen. Wer noch Körner hat, findet ein paar reizvolle Nebenwege, wiederholt fahre ich über Gscheid, eine kleine Passhöhe mit Gasthaus. Im Osten ein leicht alpines Bergwiesental, im Westen ein weiter geschwungenes Blumenwiesental wo es so aufregende Ortsnamen wie Sexau gibt. Über Maleck fährt man nochmal über ein kleine Höhe mit Altobstwiesen, ein kurzes Bilderrahmenpanorama zur Hochburg über die Breisgauer Ebene der Zähringerstadt vor den großen Schwarzwalderhebung, sowie im Westen in frühlingshaften Buchenwald getaucht, um plötzlich Emmendingen vor dem Auge zu finden.

Die Ausschilderung in Emmendingen ist noch verbesserungsfähig, die Stadt durch die Bahntrasse etwas ungünstig zerschnitten. Der Schwerpunkt der Weinregion Kaiserstuhl liegt zwar nördlicher, doch befindet sich auch hier südlicher über March und Merdingen noch ein rebenreicher Ableger der Breisgauhügel. Merdingen präsentiert sich als pittoreskes Weinörtchen, das wohl wieder ruhigen Zeiten entgegen geht, nachdem Jan Ullrich schon vor Jahren im Kanton Thurgau sein persönliches Steuerparadies entdeckt hatte. Nunmehr nur noch flach, erstreckt sich der Rimsinger Baggersee etwas versteckt hinter Hainen. Schon fast in Karibikblau leuchtet der See, zunächst noch ein wenig still, doch bald von zahllosen Badegästen überrollt, von denen nicht wenige mit Grillrauch und Müll die Idylle unnötig stören. böse

Noch stolz beschreibe ich einem Badepaar meine Absicht, eine ausgewählte Ferme auberge am Petit Ballon zu Abend zu erreichen, doch straft mir der Wind des Nachmittags in der Rheinebene alle hochtrabenden Bergankunftspläne ab. Selbst in den recht hübschen und dichten Laubwäldern um Colmar fegt der Wind noch mir entgegen. So gebe ich in Soultzbach-les-Bains mein Vorhaben auf, zumal laut Einheimischem im zwischenliegenden Wasserbourg kein Gasthof vorhanden ist. Auch eine Exkursion zum Col de Marbach in verbleibender Restzeit breche ich ab, da auf sehr steiler Strecke der Untergrund zu klitschig ist. Nicht unbedingt für Straßenrad geeignet. Die Pizzeria in Wihr-au-Val, beliebt bei jungen Leuten, kann ich empfehlen, Camping auch – insbesondere mit Blick auf den günstigen Preis im Vergleich zu dem wenig weiter liegenden Camping in Munster (vgl. nächster Tag).

So 29.4. Wihr-au-Val – Wasserbourg – Col du Petit Ballon (1163m) – Sondernach – Col du Platzerwasel (1193m) – Le Breitfirst (1282m) – Le Markstein (1179m) – Kruth – Wildenstein – Col de Bramont (956m) – Col de l'Etang (1018m) – Col de Bramont – Lac de Blanchemer – Col de la Schlucht (1135m) – Munster
107 km | 11,7 km/h | 9:04 h | 2515 Hm
E: Kalbsnieren in Sahnes., Gem., PF, Rw, Himbeertorte, Cafe, 27,10 €
Ü: C Village Center 15,61 €

Der Hauch von Sommer am Vortag ist nunmehr endgültig unter einem bedrohlich dunklen Himmel vergraben. Nur der Wind wurde übernommen, allerdings noch um ein paar Kategorien aufgewertet. Unterhalb des Petit Ballon muss ich kurz anhalten, das Fahrrad festhalten, da es sonst umstürzen würde. Das Stehen fällt ohne Wanderstock schwer, ohne den Flammkuchen des Vorabends wäre ich sicherlich weggeflogen. grins Da der Wind böig ist, gibt es kurze Windpausen, nur so komme ich überhaupt voran und bald in windgeschütztere Bereiche des Berghanges. Zum Glück bleibt die Passhöhe unterhalb der Berghöhe des Petit Ballon, wo man wohl nicht stehen könnte. Die Abfahrt nach Sondernach wie auch der folgende Anstieg zum Col de Platzerwasel ist dann durch die Bergnische vollkommen windgeschützt.

Nicht bekannt war mir, dass auch noch deutlich unterhalb des Petit Ballon eine nette Auberge zu finden ist, zu der ich es wohl auch noch am Vorabend innerhalb der Essenszeit hätte schaffen können. Die Auberge du Ried liegt genau an einer Straßengabelung, wo noch weitere Auffahrten zum Petit Ballon einmünden (von Luttenbach und Eschbach). Zum Mitnehmen gibt es Käse, Wurst und Fleisch aus Eigenproduktion. Die von mir ursprünglich zum Etappenstopp geplante Ferme-auberge Rothenbrunnen liegt hingegen bereits leicht unterhalb des Straßenhochpunktes auf der Westseite. Wem Rothenbrunnen zu rustikal ist, findet in der Auberge Kahlenwasen die etwas feinere Berggasthofadresse – genug Auswahl also hier mit Fernsicht.

Den Col du Platzerwasel bin ich schon mal auf einer Ostertour gefahren, musste ab an der Passhöhe umkehren, da noch schneebedeckt. Diesmal war die Straße frei, wenngleich um den höchsten Punkt Le Breitfirst noch recht hohe Schneefelder einem die Kälte in die Augen trieb. Der Col du Platzerwasel gehört sicherlich zu den weniger reizvollen Aufstiegen zur Route des Crêtes – bescheidener Wald ohne größere Ausblicke, sogar den Col de la Schlucht muss ich höher bewerten.

In Markstein stoße ich wieder auf die Strecke der ersten Tour dieses Berichtes. In weiten Schleifen fährt man hinunter zum Lac de Kruth-Wildenstein, durch die wechselnden Schattenspiele der Wolken immer wieder in neuen Perspektiven zu erleben. Zum Picknick leider recht ungemütlich, der der kühle Wind hält an. Am Nordende des Sees empfiehlt sich ein Abstecher zum Cascade du Bockloch auf der anderen Seite der Straße (gibt aber auch dort einen Fahrweg, auf dem man das Westufer des Sees abradeln kann).

Durch die grünen Knospen der Bäume ist die serpentinenreiche Auffahrt zum Col de Bramont bereits eine schönes Erlebnis, etwa auf halber Höhe ein weiter Ausblick zurück. Am Col de Bramont täuscht das Gewimmel einiger Radrennfahrer, denn keiner ist auf die Wetterlaunen vorbereitet. Mein Versuch die abzweigende Waldpiste zu fahren, wird jäh durch ein Gewitter unterbrochen. Es kracht auffällig laut unweit meines Standortes. Wenig später erreiche kurz nach dem höchsten Punkt die offenbar frisch durch den Blitz geschlagene Baumleiche – das Grollen des Teufels – mal wieder knapp überlebt. Teufelsbünde habe ich ja schon einige geschlossen. schmunzel

Es ist unmöglich, über den morastigen Waldboden im Steilhang das Hindernis zu Umgehen und ich muss zurück zur Straße. Den Lac de Blanchemer fahre ich so über eine asphaltierte Straße an, die recht steil und schmal von der Straße zum Col des Feignes (weiter zum Col de la Schlucht) abzweigt. Der See selbst ist über einen kurzen Pistenabzweig von der Straße zu erreichen. Hier kleidet sich der See in ein Trauerkleid, am anderen Ende raucht das Feuer von Wildcampern, die verzweifelt die Flamme zu retten versuchen. Eine kleine Hütte bietet Schutz vor den großen Tropfen. Als der Regendampf etwas aufsteigt, zieren die Höhen Neuschnee.

Ich fahre bei leichtem Regen weiter hinauf. Den Lac de la Lande lässt man unterhalb der Straße liegen – er ist weit weniger romantisch als der See Blanchemer zuvor. Kälte und Nässe erfassen mich auf der Route des Crêtes vollständig und ich zittere mich zum Col de la Schlucht. Dort ist aber kein einziges Lokal mehr geöffnet, nur noch ein einziges Ausflugslokal hat überhaupt Betrieb – aber nur zur Tageszeit. Das Hotel, im Jahr zuvor noch in vollem Betrieb, scheint auch geschlossen – ob für immer, konnte ich nicht ausmachen. So muss ich ohne mich Aufzuwärmen den Berg hinunter – unabdingbar von Schüttelfrost begleitet. In Munster mag ich nicht mehr weiter, obwohl der Camping durch die Parzelleneinteilung für Einzelcamper überteuert, eher für Mobilheim- und Blockhausbewohner geeignet. Auch die Sanitäranlagen sind für die Gebühr recht bescheiden. Mit etwas Glück kann man im Elsass sogar ein Gîte mit Dach für denselben Preis finden. Eine schwache Regenphase erlaubt mir so gerade eben das Zelt aufzubauen.

Mo 30.4. Munster – Turckheim – Collet du Brand (327m) – Niedermorschwihr – Trois-Épis – D11-8/D11-1 (Golfplatz) – Labaroche-la-Chapelle – Col du Herrenwasen (708m) – Labaroche – Orbey – Col de Bermont (642m) – Lapoutroie – Hachimette – Fréland – Kalbin – Ursprung – Col du Seelacker (676m) – Riquewihr – Ribeauville
92 km | 11,8 km/h | 7:46 h | 1825 Hm
E: Kartoffeln, Kasseler m. Munsterkäse überb., Salat, Rw, Heidelbeertorte, Cafe 27,10 €
Ü: C Municipal 8 €

Nach der Regennacht benetzt die Vogesenhöhen ein weißes Winterkleid. Doch habe ich die größten Höhen bereits hinter mir und darf so hoffen, dass ich dem nahen Angesicht des Winters entkomme. Im Munstertal gibt es selbst nach mehrfachen Besuchen immer noch was zu entdecken. Als erste Höhenleistung sollte es zum Wallfahrts- und Kurort Trois Epis aufwärts gehen, doch schiebt sich zwischen Turckheim und Niedermorschwihr bereits eine zusätzliche Weinberghöhe dazwischen (man kann auch direkter von Turckheim auffahren). Vom Collet du Brand geht es wohl ohne Höhenmeterverlust auf Asphalt durch die Weinberge auch Richtung Trois Epis, doch lohnt der Umweg über Niedermorschwihr unbedingt – eines der weiteren von vielen malerischen Elsassdörfern. Der Anstieg dann weniger spektakulär, auch Trois Epis bietet dem Radler wenig, an trüben Tagen schon gar nicht.

Sehr lieblich geht es nach Abfahrt vorbei am Golfplatz von Ammerschwihr vorbei erneut hinauf. Entlang des Walbaches ist es bereits sehr grün, Frühling jubelt im Auge. Der Pistenabzweig (nicht ausgeschildert) zum Col du Herrenwasen ist wenig einladend, da der Regen den Boden unangenehm matschig gemacht hat. Auch sehr furchenreich, insgesamt keine Empfehlung, wie auch mein Eindruck von oben ist, als ich den Pass noch von Labaroche aus ansteuere (dort über Stichstraße und Piste gut und leicht zu erreichen). Es würde schlicht durch dichten Wald gehen ohne Besonderheiten. Auch mein Abstecher von Labaroche aus lohnt eigentlich nicht. Labaroche verteilt sich auf einen Unter- und Oberteil, ein sehr verzweigte Gemeinde, auch nahezu ohne Infrastruktur, aber doch wohl als Wohngebiet beliebt. Ein Agrarmuseum vermittelt Bäuerliches, ist allerdings natürlich zur Mittagszeit geschlossen.

Eindrücklich begleiten Löwenzahnwiesen nach Orbey hinunter. Der recht geschäftige Ort liegt strategisch wichtig an einer Verzweigung für verschiedene Vogesenauffahrten – so auch ein Basisort für Wintersport, strahlt Bergatmosphäre aus. Den Col de Bermont hatte ich bereits bei einer anderen Vogesentour von der Nordseite versucht, aber verfehlt, da dort nicht ausreichend ausgeschildert. Ein anderes Mal reichte die Zeit nicht mehr für einen erneuten Versuch. Nun endlich konnte ich ihn fahren – ein durchaus lohneswerter Kurs über offene Wiesen, besonders auf der Nordseite mit weitem Panorama ins Vallée de Kaysersberg. Ein Hauch von wärmenden Sonnenstrahlen macht die Sache noch schöner – sogar das Zelt trocknet.

Fréland ist eine alter Mühlenort mit einem ungewöhnlichen Museum – genau genommen die drei Museen Barlier. Präsentiert wird Schmiedekunst von Handwerkszeugen. Ambroise Barlier führte die einzige durch Wasserkraft betriebene Schmiede in ganz Frankreich. Heute wird Ambroise durch einen Roboter dargestellt, den der Enkel entwickelt hat. Weitere Roboter sind hinzugekommen und können vom Besucher per Knopfdruck in Gang gesetzt werden. Während das Äußere vom ersten Fahrrad von Fréland geziert wird, gibt es im Inneren eine Kopie der Laufmaschine von Baron von Drais zu sehen. Leider – die Beschreibung ist nur zitiert – ist das Museum nur auf Anfrage und für Gruppen mit Mindestgröße zu besichtigen.

Die folgende Kalbinroute oberhalb Fréland per Abzweig (kurze Steilrampe) zu erreichen, ist wohlmöglich komplett asphaltiert zu fahren. Vermutlich bin ich auf eine untere Variante (Ausschilderung Ursprung) gerutscht, sodass ich einen Pistenteil vorgefunden habe, kam aber später wieder auf die asphaltierte Variante zurück. Die Besiedlung ist etwas unübersichtlich. Im westlichen Teil gibt es verteilte Häuser, teils im Wald, teils auf panoramareichen Bergwiesen. Nicht alle scheinen bäuerliche Betriebe zu sein, sondern auch Jahreszeit- oder Wochenendhäuser sind wohl darunter. Nach Osten wird der Wald dichter, dort gibt es weder Besiedlung noch Aussicht. Der Abstecher über eine recht gut fahrbare Waldpistenschleife mit dem Col du Seelacker lohnt eigentlich nicht, da nur dunkler Nadelwald. Wer sich für gut offroad-tauglich hält, hat vom Col du Seelacker noch verschiedene Alternative ins Tal (Ruine Bilstein, Bilsteinthal, Hunawihr).

Kommt man die Asphaltstraße hinunter in die elsässischen Weinhänge, hat man gleich Riquewihr vor Augen. Das schmucke Weindorf habe ich bereits im Rahmen der 2011er-Vogesenberichte ausführlich vorgestellt. Diesmal als nur ein paar Varianten des Panoramablickes in der Bildergalerie. Nur wenig weiter erreiche ich das nicht weniger museumsträchtige Ribeauville mit dem mir ebenfalls schon bekannten Camping am unteren Ortsrand beim Sportplatz.

Di 1.5. Ribeauville – Col de Fréland (831m) – Kalbin – Fréland – Kaysersberg – Houssen – Barrage de Marckolsheim – Königschaffhausen – Kichelingsberger Eck (397m) – Schelingen – Bahlinger Eck (434m) – Bahlingen – Nimburg – Mundingen – Landeck – Brunicher Berg/Freiamt-Eckle (420m) – Brombach – Kenzingen 20:23 || per Bahn || 23:25 Stuttgart
120 km | 15,0 km/h | 7:59 h | 1365 Hm
E: Döner, PF, Salat, Bier 8,50 €

Ich erwähnte bereits, dass der Tag eine Reihe von Fragezeichen bzgl. der Wetterentwicklung setzte. So kann ich den Tag nur als Verlegenheitslösung bezeichnen. Noch sehr schön, da auch sonnenbegleitet, verlief der erste Tagesteil. Der Col du Haut de Ribeauville ist ein recht lieblicher Pass, mit viel Grün und recht viel Blumen am Wegesrand, sodass eine Wiederholung durchaus lohnenswert ist. Kleinere Passagen des Passes enthalten noch Pflastersteine, die aber echt gut fahrbar sind und der Strecke einen besonderen Charakter verleihen. Mehrere Destillerien erlauben auch hochprozentige Besichtigungsabstecher, wenn die Beine mal durchhängen sollten. Ich fahre den Pass aber nicht aus, sondern nehme die mir noch nicht bekannte Variante zum Col de Fréland, der etwas anspruchsvoller ist als der untere Teil des Ribeauville-Passes. Hier gibt es mehr Buchenwald, einen Ausblick zu den Burgen bei Ribeauville und später die kleine Weidehochebene um Aubure unmittelbar vor der Passhöhe.

Wieder im Vallée de Kaysersberg wähle ich die Radwegvariante, die eine Empfehlung ist. Man fährt direkt neben dem Bachlauf und unter lichten Buchenblattdächern durch. Kaysersberg ist erwartungsgemäß gut besucht, Maiglöckchen (muguet) werden in kleinen Bünden gerne verkauft. 2-3 Maiglöckchenstengel sind ausreichend, um einem Menschen, den man mag, zu beglücken – selbstverständlich meistens die Geliebte. Der Brauch ist in Frankreich wesentlich älter als der Tag der Arbeit als politischer Feiertag, ein lieber Brauch, der auf das Mittelalter zurückgeht. Etabliert wurde Maiglöckchen zu verschenken unter Karl IX., der 1560 seinen Hofdamen mit den weißen Giftlilien seine Zuneigung beteuerte.

Die Fahrt durch das Kaiserstuhlgebiet litt unter dem sehr tristen Himmel. Recht hübsch war es daher, nochmal durch leuchtend grünen Buchenwald bei Freiamt zu fahren. Hier standen dann auch die Maiglöckchen und Maikräuter um den hoffnungsfrohen Frühlingsmonat einzuläuten. So ganz gelungen war das Geläut wohl nicht – der Mai zeigte auch noch später ein ziemlich giftiges Gesicht, wie die spätere Juratour um Himmelfahrt untermauerte. Aber immerhin: Maiglöckchen statt Schnee – das ist ja schon eine versuchte Liebeserklärung an den Frühling.

Bildergalerie Tour II (170 Fotos, bitte auf Bild klicken):