Re: Von Wernigerode nach Nürnberg

von: Radschabe

Re: Von Wernigerode nach Nürnberg - 12.07.13 18:29

4.Juni, Tag 16
93 km nach Beost

Viel später als sonst krieche ich aus dem Zelt. Ausnahmsweise gönne ich mir auch mal am Morgen eine Kanne Tee. Ich lasse mir Zeit. Bezahlen muss ich auch noch. Die Frau an der Rezeption spricht nur Französisch. Nach dem ich ihr das Geld gegeben habe, will sie mir einen Platz zuweisen. Ich aber verlasse ja den Campingplatz. Immerhin gibt es hier mal eine Katze, die sich auch streicheln lässt. Auf diesem Gebiet hatte ich bis dahin noch kein Glück. Da ich ein paar Tage nicht mehr online war, fahre ich erst mal zum Schnellrestaurant. Man will ja auch mal in Erfahrung bringen, wie das deutsche Pokalfinale vor ein paar Tagen endete. Schön zu wissen, dass der FC Bayern das Triple geholt hat. Nun aber beginnt der Urlaub erst so richtig. Seit über 2 Wochen freue ich mich auf die tolle Bergwelt. Es ist einfach ein anderes Gefühl, als durch das flache Land zu radeln. Ich kann mich hier einfach nicht satt sehen. Allerdings bekomme ich schon ziemlich früh einen kleinen Schreck. Der Aubisque ist als Pass gesperrt. Ich mag das gar nicht glauben. Mit nicht mal 1800 Metern geht es hier doch gar nicht so hoch hinaus. Ich radle erst mal dem Fuß entgegen. Hier und da gibt es schon mal kleine giftige Anstiege, aber Pau liegt ja auch noch recht tief. Unten in Laruns gibt es wieder den Hinweis, dass der Pass geschlossen ist. Ich nehme den Berg trotzdem in Angriff und will mal sehen, was man machen kann. Für den ersten Pass auf meiner Tour ist der Aubisque ziemlich schwer. Ich fühle mich hier nicht so wirklich wohl. Allerdings komme ich trotzdem gut hinauf. Man trifft ein paar Rennradler. Viel Verkehr gibt es nicht. Und was hoch fährt kommt auch wieder herunter. Mir wird klar, dass mich dasselbe Schicksal ereilen wird. Passschilder lügen eben nicht. Oben treffe ich auf einen einheimischen Radler. Er durchbricht die Absperrung und setzt zur Abfahrt an. Das will ich genauer wissen. Er erklärt mir, dass man noch 2 km radeln könne, dann kommen Tunnel, die voller Schnee sind. Weiter erfahre ich, dass der Col du Tourmalet ebenfalls gesperrt ist. Hier herrschen die schlechtesten Wetterbedingungen seit 34 Jahren. Nach diesen Informationen bin ich erst mal bedient. Ich rausche den Berg hinunter und suche mir einen Zeltplatz. Die trübe Stimmung erhellt sich lediglich durch das angenehme Wetter und Chili con Carne aus der Dose.




































5.Juni, Tag 17
113 km nach Arreau

Jammern hilft ja nichts. Auch heute wird wieder aufs Rad gestiegen. Am Morgen war es noch etwas frisch. Die Berge werfen halt lange Schatten, aber schon nach einer Stunde konnten die Beinlinge wieder eingepackt werden. Im Prinzip war es lange Zeit sehr flach. Das hatte ich so gar nicht erwartet. Es machte wieder richtig Spaß. Das lag wohl auch daran, dass heute viele Radler unterwegs waren. Mit Stefan an Bayern kam ich mittags für eine Weile ins Gespräch. Genau wie ich radelt er 5 Wochen ab Pfingsten. Nur fährt er genau andersherum und seine Strecke ist nicht ganz so bergig. Er klagte über den vielen Gegenwind. Während dieses Dialogs rauschen an uns jede Menge andere Reiseradler vorbei. Das war schon verrückt. Irgendwo hier musste ein Nest sein. Offenbar kamen viele aus Lourdes, was auch mein nächster größerer Ort war. Hier sind ohne Ende Touristen unterwegs. Ich suchte mir nur einen Supermarkt und gab meinem Velo die Sporen. Solche Städte sind nichts für mich. Ich will mehr Berge! An einem kleinen Hügel kassiere ich einen Radler, der mich kurz zuvor im Flachstück noch überholt hatte. Eigentlich wollte ich auf solche Späße dieses Jahr verzichten, aber er war am Anstieg einfach viel langsamer als ich, obwohl er nur einen kleinen Rucksack trug. Das hatte zur Folge, dass ich die nächsten Kilometer recht flott fuhr und so ging es am frühen Nachmittag dem Aspin entgegen. Die Straße stieg eine ganze Weile nur leicht an. So kam es, dass ich auch mit einer Gruppe älterer Rennradler mitfuhr, die von hinten Aufschloss. Ein paar Worte konnten gewechselt werden, da auch ein bisschen Englisch gesprochen wurde. So verging die Zeit recht zügig. Später überholte ich sie noch mal, da einer ihrer Jungs einen Platten hatte. Der Aspin war dann eigentlich nur die letzten 5 km etwas schwieriger. Aber im Großen und Ganzen war das einer der leichteren Aufgaben in den Pyrenäen. Oben grasen Kühe direkt am Straßenrand. Die Optik hier kann ich gar nicht richtig genießen, da ein Gewitter aufzieht. Ich versuche mein Glück, diesem auf der Abfahrt zu entkommen. Das Gegenteil ist der Fall. Ich bekomme die volle Packung ab und bin nur am Bremsen. Nach ein paar km tun mir schon die Finger vom Bremsen weh. Unten in Arreau ist das Wetter dann wieder besser, allerdings sind einmal mehr die Füße nass. Das ist die gerechte Strafe, wenn man meint, dass es ohne Überschuhe schon gehen wird. Ich bin nun aber richtig früh am Zeltplatz und kann den Abend in vollen Zügen genießen. Die Laune ist wieder oben auf.