Re: Von Wernigerode nach Nürnberg

von: Radschabe

Re: Von Wernigerode nach Nürnberg - 12.07.13 18:55

8.Juni, Tag 20
125 km nach Lavelant

Die Hauptstraße 200 Meter vorm Zeltplatz kommt auch nachts kaum zur Ruhe. Der Schlaf hätte also besser sein können. Noch vor der Weckzeit strecke ich den Kopf aus dem Zelt, um das Wetter abzuchecken. Noch ist es trocken, aber der angekündigte Regen scheint nicht mehr weit zu sein. Ruck-Zuck ist das Zelt abgebaut. Dann beginnt es auch schon von oben zu tröpfeln. Für mich geht es nun von Beginn an bergauf. Mit dem Port d’Envalira steht der höchste Pass der Pyrenäen auf dem Programm. Zunächst ist es noch mild und sogar eine zeitlang trocken. Das sollte sich aber noch massiv ändern. Auf meist breiten Straßen mit überschaubarem Verkehr ging es fortan durch mehrere kleine Orte. Irgendwann setzte wieder mehr Regen ein. Auch der Wind frischte auf und die Temperaturen sanken mit zunehmender Höhe unerwartet schnell. Ich zog mir da lieber doch noch ein Unterhemd an, um den Wind nicht schutzlos ausgeliefert zu sein. Und irgendwie habe ich es dann schon kommen sehen, denn der Regen ging in Schnee über. Eine geplante Essenspause viel der Kälte zum Opfer. Ich entschied, dass die eisgekühlte Cola mich über den Berg bringen musste. Ab 2000 Metern blieb dann der Schnee auch in der Landschaft liegen. Nur die Straße war nicht weiß. Bei 0 Grad muss ich dem einen oder anderen Autofahrer ein gutes Fotomotiv abgeliefert haben. Mein Glück hier war, dass der Pass einmal mehr recht flach und einfach zu fahren war. Außerdem war die Situation für mich so skurril, dass es schon wieder richtig Spaß machte. Ober am Pass waren mehrere Tankstellen. Hier zog ich mir noch was Warmes über und stürzte mich in die Abfahrt. Ich kam erst mal nur bis Pas de la Casa. Meine nassen Finger waren dabei so kalt, dass ich höllische Schmerzen hatte. Pas de Casa war dann der Gipfel dieses ganzen Andorra-Shopping-Wahns. Hier auf 2200 Meter gab es reichlich Läden und Kaufhäuser. Zudem war der Ort mit Franzosen total überlaufen. Es war schon schwer, meinen Boliden überhaupt durch den Ort zu schieben. Teilweise wurden hier die Shoppingwütenden mit Reisebussen herangekarrt. Die Schadenfreude am Grenzübergang konnte ich mir nicht verkneifen, als so ein Bus vom Zoll mal richtig zerpflückt wurde. Ich machte mich nun auf den Weg nach Ax-les-Thermes. Die lange Abfahrt hinunter machte richtig Laune. Inzwischen war ja wieder Sommerwetter und die Landschaft zeigte sich von seiner schönsten Seite. Da die Straße hier auch meist gerade abfällt, konnte man richtig schön herunterbrettern. Der extrem dichte Verkehr störte mich dabei überhaupt nicht. Bergauf sollte man hier aber besser nicht am Shoppingsamstag die Straße in Angriff nehmen. Unten war dann etwas abseits von meinem Track ein Intermarche ausgeschildert. Ich gehe hier einfach zu gerne einkaufen und nehme ein paar Kilometer Umweg gerne in Kauf. So machte dann mit vollem Magen der 2.Pass des Tages richtig Freude. Der Col de Chioula war zum einen ja nicht mehr so hoch und auch die Steilheit war nicht so schlimm. Aber wahrscheinlich hatte ich auch noch genügend Adrenalin aus Andorra mitgebracht. Jedenfalls ging es hier ohne Pause und ohne Navi-Höhenkontrolle drüber. Bei den anderen Pässen musste ich immer die Höhe wissen, um zu errechnen, wie viele Höhenmeter noch gemacht werden müssen. Hier war das nicht nötig. Oben traf ich tatsächlich noch einen Rennradler. Er hatte kaum noch Zähne und die Verständigung war bescheiden, aber ich hatte mal wieder ein Foto mit Passschild von mir. Er wollte wissen, wie schwer mein beladenes Rad ist. Ich schätze es so auf 40 Kilo und irgendwie konnte ich ihm das noch verständlich machen. Auf dem restlichen Teilstück des Tages überwand ich noch 2 weitere Passschilder. Es ging hier nun stufenweise bergab. Viele Höhenmeter musste ich aber nicht mehr machen. Mein Zelt schlug ich dann auf einem ruhigen Zeltplatz in Lavelant auf – auch dieses Mal wieder neben einem Fußballplatz. Eine hohe Mauer blockierte aber hier die Sichtachse.








































9.Juni, Tag 21
137 km in die Nähe von Fauzan

Da Sonntag ist, schlafe ich heute mal bis 8 Uhr, denn in der Ruhe liegt die Kraft. Bis Limox ist die Strecke recht unspektakulär. Einen kleinen Pass gilt es zu absolvieren. Aber was sind schon 250 Hm? Die folgende Abfahrt bringt mich schnell gut voran. Nach dem zweiten Frühstück zur Mittagszeit fahre ich etwa 40 km durch spektakulär dünn besiedeltes Gebiet. Die Landschaft ist hier einfach ein Traum. Am Straßenrand treffe ich sogar ein Hausschwein. Kleine Ferkel sind hier auch nicht weit. Etwas Regen begleitet mich auch, aber es ist warm und lässt sich gut radeln. Als ich einmal berauscht von der Landschaft nicht aufpasse, komme ich von meinem Track ab. Mitten in der Abfahrt mag ich nicht mehr umdrehen und radle ungewollt nach Carcasonne. Das ist dann aber auch nicht so schlimm, denn der Ort ist durchaus sehenswert zum durchradeln. Später treffe ich in einem kleinen Dorf den einzigen Radfahrer des Tages. Er kommt aus Köln. Der kurze Plausch wird durch den herannahenden Regen beendet. Ich hoffe, irgendwie daran vorbei zu radeln. Doch leider erwischt es mich noch richtig. Hose und Schuhe sind einmal mehr nass. Es ist jedoch warm genug, so dass die Klamotten am Leib wieder trocknen. Am Ende des Reisetages drohte mal wieder der Campingplatz zum Problem zu werden. Da, wo laut Navi hätte einer sein sollen, war nur ein Schild. Es blieb mir nichts weiter übrig, als den Berg hinauf zu kneten. Aber die knapp 200 Hm sollten sich doch lohnen. Es war hier zwar eigentlich zu teuer, aber sonst passte ja alles. Am Abend mussten hier noch zwei anlaufende Esel eingefangen werden. Und obwohl ich hier für meinen Geschmack im absoluten Niemandsland wähnte, war der Campingplatz gut mit Holländern und Belgiern gefüllt.