Re: Polen (Dresden-Danzig) Juli 2013

von: Tom72

Re: Polen (Dresden-Danzig) Juli 2013 - 11.10.13 23:44

7. Tag (11.07.2013), Bydgoszcz (Bromberg)-Grudiadz (Graudenz)
Strecke: 92 km
Fahrzeit: 5 Std. 40 min
Höhenmeter: 321
Durchschnittsgeschwindigkeit: 16,2 km/h


Vormittags sehe ich mich in Bromberg um. Auch hier erhält die Stadtbesichtigung wieder einen familiengeschichtlichen Aspekt, auch hier suche und finde ich Örtlichkeiten, in denen in preußischer Zeit Vorfahren von mir lebten.

In Bromberg gibt es viele schön gestaltete Uferbereiche an der Brda (Brahe).



Am Rynek esse ich zu Mittag.



Ich fahre durch die Danziger Straße (Gdanska), den repräsentativen Boulevard aus der vorletzten Jahrhundertwende.





Ich folge der Straße bis zu einem Park, weil ich mir dort eine Bronzeskulptur ansehen möchte, die zu einem der Wahrzeichen Brombergs geworden ist. Seit 1910 steht hier die „Bogenspannerin“ des Bildhauers Ferdinand Lepcke.



Auf diese Statue, die aus irgendeinem Grund bei den Brombergern seit jeher sehr beliebt ist, nimmt auch die einige hundert Meter entfernte Plastik des Seiltänzers über der Brahe Bezug, die ich gestern Abend fotografiert habe. Er trägt die gleichen Sandalen wie sie, hat einen Köcher umhängen und hält ihre Reservepfeile. Eine nette Idee, wie ich finde. Allerdings ist der Seiltänzer, anders als seine fast hundert Jahre ältere Freundin, nicht aus Bronze, sondern aus Kunstharz gegossen. Abgüsse der Bogenspannerin stehen in mehreren deutschen Städten, das Bromberger Exemplar ist das Original.

Über eine mehrspurige Ausfallstraße (Landesstraße 80), die über Radwege verfügt, geht es in östlicher Richtung aus der Stadt heraus Richtung Weichsel. Es geht mehrere Kilometer durch endlose Hochhaussiedlungen, dann bin ich endlich in freier Natur auf einem kleinen, verkehrsarmen Sträßchen (Woiwodschaftsstraße 256) im Landschaftspark Niederweichseltal (Zespól Parków Krajobrazowych Chelminskiego i Nadwislanskiego), der sich von hier über die gesamte heutige Etappe entlang der Weichsel bis Graudenz erstreckt. Die Weichsel sieht man zunächst allerdings nicht, die Landschaft begeistert mich trotzdem.







Die Weichsel verläuft hier in einem breiten, flachen Tal, die Hänge sind für nordpolnische Verhältnisse relativ hoch und steil, auch wenn es wohl nicht viel mehr als 50 Meter sind. Schließlich führt die Straße sogar in einigen steilen Serpentinen den Hang hinauf; so etwas hatte ich hier nicht erwartet. Kurz darauf kündigt ein Schild für die (kurze) Abfahrt zurück ins Tal ein Gefälle von 10 Prozent an.



Auf der Abfahrt habe ich endlich einen Blick auf die Weichsel.



Dann geht es landschaftlich reizvoll, aber wieder ohne Weichselblick, weiter über Sträßchen fast ohne Autoverkehr durch winzige Dörfer. Linkerhand sieht man die Hänge des Weichseltals.





Schließlich fällt mir die Beschilderung des Europaradwanderwegs R 1 auf. Ich hatte gar nicht gewußt, daß der hier entlang führt. Zufällig entspricht er nun ein Stück weit meiner Reiseroute.





Die Straße verläuft nun direkt entlang der Weichsel, man muß aber auf einen Deich steigen, um sie zu sehen. Auf der anderen Seite des majestätisch und in enormer Breite dahinfließenden Stroms erkennt man die Türme von Chelmno (Kulm), wo mich mein Weg nun hinführen wird.







Einige Kilometer weiter überquere ich die Weichsel über die Brücke der Landesstraße 1; hier herrscht bis Kulm wieder stärkerer Verkehr. Den Blick von der Brücke auf den breiten Strom mit den sich darin spiegelnden Wolken finde ich sehr beeindruckend.



Auf der anderen Flußseite angekommen, steige ich zum Ufer hinunter, um die Weichselbrücke, über die ich gerade gefahren bin, zu fotografieren.



Kulm liegt am Hang hoch oberhalb der Weichsel, es geht eine ziemlich steile Straße hinauf in die Altstadt. Der Ort, der heute eher Kleinstadtcharakter aufweist, erlebte seine Blüte zur Zeit des Deutschen Ordens und bietet eine Fülle an mittelalterlichen Baudenkmälern. Es ist eine der bedeutendsten Stadtgründungen des Deutschritterordens und war eine der wichtigsten Städte des Deutschordensstaates. Nach der Stadt wurde die gesamte Region als Kulmerland bezeichnet. In der Stadt sehe ich mich ausgiebig um. Neben mittelalterlichen Monumenten findet sich in der Altstadt auch des Geburtshaus des Schriftstellers Hermann Löns und das des SPD-Politikers Kurt Schumacher.











Bis kurz vor Graudenz geht es nun wieder landschaftlich reizvoll über verkehrsarme Sträßchen.



Der Campingplatz, auf dem ich übernachte will, liegt ein ganzes Stück südlich von Grudiadz (Graudenz) an einem kleinen See. Dorthin gelangt man über eine kleine Straße ein paar Kilometer durch einen Wald.

Nach dem Zeltaufbau stellt sich die Frage nach dem Abendessen. Hier am See gibt es nichts, und ich will den Abend sowieso in Graudenz verbringen. Also die ca. 3 km durch den Wald zurück zur Hauptstraße. Diese ist anfangs wegen Bauarbeiten verengt, und ein Schild verbietet die Benutzung für Radfahrer, das ignoriere ich aber mangels Alternative. Ins Zentrum sind es noch ca. 5 km. Da habe ich heute Nacht eine ziemliche Strecke zurück zu radeln…

Graudenz liegt direkt an der Weichsel, die Brücke darüber ist laut meinem Reiseführer eine der längsten des Landes.





Auf dem zentralen Platz der Altstadt (heißt der auch hier Rynek? Ich bin nicht ganz sicher…) genieße ich eine Pizza.







Nun muß ich die ganzen Kilometer zurück zum Zeltplatz, am Ende wartet die unbeleuchtete Straße durch den Wald. Natürlich habe ich Licht am Rad. Ich bin trotzdem froh, als ich schließlich im Zelt liege. Ich bin sehr zufrieden, die heutige Etappe war landschaftlich eine der schönsten.

Fortsetzung folgt…