ein Tor geht auf - das achte

von: veloträumer

ein Tor geht auf - das achte - 07.12.13 23:05

KAPITEL II
Das alpine Montenegro, Teil 1: Die 3-Schluchten-Route mit gefährlichen Abgründen, grandiosen Bergkulissen, verträumten Karstseen und blumenreichen Almwiesen

Musik: Die Münchner Pianistin Andrea Hermenau, die auch mit der albanischen Sängerin Fjoralba Turku zusammenarbeitet, hat auf ihrem neuen Album „Die Nachtpracht“ einige bosnische und albanische Traditionals in ihrer lyrischen Spielweise arrangiert: Andrea Hermenau Quartet „Te desha me hakitate“ (alban. Trad. 10:39 min.).

Da das alpine Montenegro zu umfassend ist, musste ich es unterteilen, obwohl ich eher kreuz und quer durch das Bergland gefahren bin. In der Tendenz gibt es im 1. Teil mehr nördliche Bergregionen, im zweiten mehr südliche. Die drei großen Schluchten Piva, Tara und Moraca umrahmen gewissermaßen die dazwischen liegenden Gebirge Durmitor und Bjelasica. Zwangsläufig gibt es natürlich schwierige Bergstrecken zu bewältigen, doch bieten gerade die tiefen Schluchten und die Hochpoljen unerwartet leicht zu beradelnde Routen. Beschränkt man sich auf die moderaten Bergstrecken und ergänzt sie mit ein paar Wanderungen, kann man einen durchaus guten Eindruck der alpinen Bergwelt Montenegros gewinnen. Dabei dürfte sogar weniger Schweiß fließen als auf den meisten Routen durch die Küstengebirge. Sicherlich setzen die schwierigen Bergstrecken das berühmte i-Tüpfelchen. Die Offroad-Touren erwiesen sich allerdings als grenzwertig und lassen sich ggf. durch Wanderungen ersetzen.

Mo 17.6. Prhalj – BiH/MNE – Staumauer Pivsko jezero – Pluzine-Brücke – Trsa – Prijespa (1884 m) – Durmitor Sedlo (1908 m) – Razvrsje (Zabljak)
81 km | 9,9 km/h | 8:08 h | 2080 Hm
W: sonnig, teils auch bewölkt (Berge), max. 28-30 °C
E (Camp): gebr. Forelle m. Beilagen, Eis, Rw, 2 Bier 12 €
Ü: C Razvrsje 2,50 €

Glücklicherweise bin ich selbst unbenebelt, doch Nebel raucht aus dem Flusstal auf. An der Grenze zu Montenegro wendet man sich etwas kompliziert über Brücke und Kurven, besonders eindrücklich hier die Morgenstimmung rauschenden Wasser und Tal-schleichenden Nebels. Die Drina (so genannt in BiH) bündelt hier die Tara und die Piva. Auch der Tara kann man wildromantisch auf einer schmalen Asphaltstraße folgen – irgendwo in einer Sackgasse muss ein beworbenes Camp liegen. Irgendwann kommt ein schmaler Canyon, der nur nur zu Wasser zu erkunden ist. Die Einstiege befinden sich dann oberhalb in Tepca oder gar bei der Durdevica-Brücke. Auch gibt es hier eine Alternative nach Trsa, über deren Wegezustand ich aber nichts sagen kann.

An der Piva entlang führt nun eine Straße mit gutem Belag – wichtige Verbindung hin zur Adriaküste und der Hauptstadt Podgorica. Trotzdem hält sich der Verkehr in Grenzen – man merkt, in diesem Land wohnen nicht viele Menschen. Die Stille lässt Hektik vergessen und man schaltet lieber einen Gang runter. Nicht nur wegen einiger Steigungen, die unrhythmisch verlaufen – nein, hier ist Staunen angesagt. Staunen über die nah anrückenden Felsen, immer noch leichte Nebelluft, am Rand blaue Blumen, nach oben kaum ein Himmel, stattdessen Felszapfen, kühn geformt, noch kühner bewohnt von Schirmkiefern, von denen jede scheinbar sich einen Einzelplatz auf einer Felsspitze als Wohnstatt zu wünschen scheint. Es folgen Felstunnel an Felstunnel, ein berauschendes Ein- und Auftauchen in Licht und Schatten.

Die Piva wird auch mal per Brücke gequert, alsdann kommt die Staumauer, die Schlucht weitet sich an dem lang gezogenen, Fjord-ähnlichen Stausee, dessen Ende man weder hier noch bei der mittig befindlichen Brücke vor Pluzine erahnen kann. Dort teilt sich der See in zwei Arme. Die Blicke richten sich vielmehr zuvor nach Westen, hinauf zu schneebedeckten Bergen (immerhin bis knapp 2400 m), aus der Postkartenkollektion „most beautiful“ geklaut – so können echte Berge kaum aussehen! Es könnte auch ein norwegischer Fjord sein, der die Kiefern aus dem Süden geklaut hat. Das Panorama mit Seefläche davor geht ein in meine persönliche Bestenliste gesehener Traumkulissen – und wir schreiben erst Tag Zwei des Via Dinarica!

Obwohl nicht gerade mit Vorräten überfrachtet, lasse ich den Exkurs nach Pluzine aus, für das man ein paar Zusatzkilometer machen müsste, da der Abzweig nach Trsa respektive Zabljak zuvor an einem fast übersehbaren Tunnel liegt. Es ist ein schwarzes Loch – kein Licht, dafür steil wie Affe. Doch Geduld zahlt sich aus, ich muss häufig pausieren, aber es gibt ja auch genug zu bestaunen. Der Tunnel erwies sich als eine kurze, scharfe Kurve durch Fels, dann ward wieder Licht und Aussicht auf den See samt Brücke. Die Rampe geht aber zunächst weiter, der Aufstieg hat es in sich. Erst noch schmal, dann geweitet von Wiesen, leuchten die Farben von Blumen und Schmetterlingen so reich als koste es nichts. Das Beste: Es kostet tatsächlich nichts!

Ein paar Bauernhäuser – es wird am eigenen Haus und Hof gearbeitet, laut hämmert es weit über die Almwiesen und bleibt doch still. Noch folgen weitere Hürden durch sehr offenes, sonnengeflutetes Bergland. Große Gipfel sieht man hier weniger. Erst vor der Almsiedlung Trsa kann man durchatmen, wird es flacher. Neben einem Camp gibt es auch ein echtes Gasthaus. Es gibt keine große Auswahl an Speisen, spartanischer Salat und eine deftige Suppe sind mein Frühstücksmahl zur Mittagszeit. Ein Ur-Montenegriner mit sonnengegerbten Faltengesicht stimmt auf der einsaitigen Gusla ein Lied an, erhebt seine monotone, durchdringende Stimme mit einer Intensität als würde er aus dem Innern der hohen Berge sprechen – rau, unwirklich für die Gäste aus Deutschland – bin nicht der einzige! –, wahrhaftig hier für die Menschen.

Gestärkt von der Bergsuppe geht es nun in weiten Bögen durch Almwiesenland, unterbrochen von Hainen. Überall verteilen sich einzelne Häuser, die zuweilen unbewohnt, sogar zerstört wirken, aber nicht sind, sondern mangels professionellen Baumaterials unorthodox gesichert, gehämmert, verkleidet sind. Nach einer weiten Talmulde schwingt sich das Gelände bei weitem Almwiesenblick nach oben hin zu einem Bergmassiv, das sich erst spät zeigt. Es sind die Berge des Durmitor. Nach einer kleinen Rasteinheit im Gras und zurück auf der Straße, holen mich die tschechischen BMW-Biker vom Camp am Vorabend ein. Sie wollten sich ja Zeit lassen und gleichwohl abends in Zabljak sein. Egal ob Motorrad oder Radl – die Etappenlängen sind hier ähnlich, sonst kann man nichts kennen lernen.

Mehr und mehr überziehen sich die Wiesen mit Felsen und die seltsam geschichteten Gipfelflanken des Durmitor erzeugen mit den durchlöcherten Altschneemustern ein erneut atemberaubendes Schauspiel – quasi ein hochgebirgiges Oberflächen-Karsting. Der Restschnee kühlt die Luftschichten, ein Wechselbad von kalt und warm lässt einen leicht frösteln und zugleich Sommer fühlen. Einige Almbauern leben hier sommers in Hütten und verkaufen meist Wurst und Käse ab Hof. Größere Viehherden sehe ich erst auf der anderen Bergseite nach dem höchsten Pass, den man nach einer Zwischenabfahrt erneut mühsam erklimmen muss. Dennoch ist der obere Bergteil weniger steil als viele Passagen zuvor. Am ersten Pass schießen Krokusse ungeduldig durch noch kleine Schneereste – das Sommerleben wird kurz sein dieses Jahr.

Auf dem Sedlo ist mehr Betrieb, weil offenbar viele den Pass von Zabljak aus als Ausflugsziel ansteuern und dann wieder umkehren. Zuvor bekomme ich als Auffahrender noch eine Frau angeboten verwirrt lach – so zumindest wollen mir zwei launige Montenegriner in einem baufälligen Transporter ihre Gastfreundschaft anbieten. Da das zu erwerbende Objekt aber nicht zur Prüfung mit im Wagen sitzt, lehne ich ab, die Dorfschöne kennen zu lernen – wer immer diese Almbraut sein mag. Auf jeden Fall scheint das Land einige Möglichkeiten zu eröffnen. schmunzel Wie gesagt: Erst Tag Zwei – und schon das nächste Wunder mit fast einer Braut auf dem Gepäckträger. unsicher grins

Ein leichtes nun die flotte Abfahrt, weniger steil das Gefälle als auf der Piva-Seite und längst auch weniger hinunter, da Zabljak auf einer Poljen-Hochebene von ca. 1300 m liegt. Man fährt durch lockere Besiedlung, kleine Dörfer, meist mit den typisch steilen, almtypischen Giebeldachhäusern, die nicht selten Ferienwohnungen sind. Landwirtschaft ist hier schon wieder eher selten. Auch die neue Schnellstraße ist kurz zu sehen – man braucht sie aber nicht bis auf die letzen zwei Kilometer nach Zabljak, die ich aber an diesem Abend nicht mehr fahre, denn der Camp Razvrsje (gleichnamig die kleine Ortschaft) liegt hier abzweigend etwas abseits.

Wichtig: Miso’s Camp liegt ganz am Waldrand, die Steilrampe zum Schluss noch hoch zur Rezeption. Etwas weiter unten, schon in Sichtweite von Miso, gibt es ein weiteres Camp – da steigen aber schon mal häufiger Busladungen ab – wohl sind auch die BMW-Biker dort verblieben. Miso hat aber die persönlichere Note, wohl auch die besten gebackenen Forellen (das macht die alte Dame des Hauses, die kaum noch laufen kann) und Miso kümmert sich um alles. Nur darf man nicht mit deutschen Zeitvorstellungen kommen. Er versprach mir, ein Ladegerät auszuprobieren – das dauerte einen ganzen Tag, bis ich sein (negatives) Forschungsergebnis bekam. Es gibt zwei giftige kleine Hunde (Mutter und Tochter), mit denen man sich gleich gut stellen sollte – einfach Streicheleinheiten trotz Gekläffe versuchen. Leider abends eine gewisse Lärmbelästigung, nachts schweigen sie aber.

Di 18.6. Razvrsje – Zabljak – Crno jezero – Ivan Do – Zabljak – Pitomine – Zminje jezero (1534 m) – Uskoci – Govedo jezero – Curevac (1626 m) – Uskoci – Zabljak – Vrela – Njegovuda – Bare (1425 m) – Riblje jezero – Vrazje jezero – Javorje – Virak – Razvrsje – Zabljak – Razvrsje
78 km | 12,0 km/h | 6:18 h | 1145 Hm
W: bis Mittag sonnig, danach bewölkt, Gewitter in den Bergen, max. 25 °C
E (R Javivovaca): gek. Lamm in Milch, PF, Rw, 11,30 €
Ü: C Razvrsje 2,50 €
B: NP Durmitor 3 €

Vom Camp führt auch direkt ein Weg zum Schwarzen See. Mit echtem MTB kann man den Weg angehen, sonst empfiehlt sich der Straßenweg über Zabljak. Es sei auch erwähnt, dass auf dem Camp und erst recht im schattigen Nadelwald Horden von Stechmücken lauern, die auch an den schönsten Plätzen die eine oder andere quälende Minute bereiten können. böse Das stechende Gratisvergnügen hat man in der gesamten Umgebung, zumal etliche Strecken der empfohlenen Wanderwege durch ebensolch schattigen Wald führen und sonnige Rastplätze oft nur kleine Lichtungen sind, die die Moskitos souverän zu ihrem Opfer überbrücken können, ohne einen Sonnenbrand zu bekommen.

Für Einkäufe muss man eh durch Zabljak, wo sich um einen Platz die zentrale Infrastruktur aus Post, Bankomaten, Supermarkt, Bäckerei (etwas versteckt) und Cafes gruppiert. Cafes bieten meist kein Frühstück oder Essbares, sodass man sich selbst etwas zu beißen besorgen muss. Montenegriner tun das aber seltener, wenn nimmt man nur ein süßes Stück, Radlerfrühstück mit Käse, Brot, Joghurt, Obst und einer familienträchtigen Auswahl an Keksen und Kuchen wird selbst von Bauarbeitern neidisch beäugt. Inwiefern sich die Einheimischen zuhause bereits ein ausgeprägtes Frühstück zu sich nehmen, blieb mir verborgen. Ein Kaffee (meist Espresso) im öffentlichen Raum gehört aber zu jeder guten Männerrunde morgens, vormittags oder auch sonst wann. (Mit gewissen Nuancen gilt das eigentlich für das gesamte Reisegebiet.)

Am Rande des zweckmäßigen Touristenortes für Sommer und Winter liegen einige der größeren Hotels, deren Bauten aber architektonisch sich meistens an der traditionellen Bauweise orientieren. Natürlich gewinnt die dichtere Bebauung des wachsenden Bergortes keinen Schönheitspreis, von einer Verschandelung wie in einschlägig bekannten Wintersportressorts in den Alpen oder Pyrenäen kann hier aber keine Rede sein. Auch entziehen sich die Liftanlagen weitgehend dem Blick des sommerlichen Betrachters, da doch stark abseits und nicht im Zentrum der Wandergebiete gebaut. Zum Nationalpark – genauer zum touristischen Kerngebiet des Durmitor mit dem Crno jezero – führt eine asphaltierte Straße (bis zum See), die aber eher zum Radeln, Wandern und Befahren mit touristischen Fahrgeräten gedacht ist, denn Autos parkieren außerhalb (auch hier ist nochmal ein Camp mit Traumblick). Eintritt ist aber zu zahlen und zu besseren Uhrzeiten tauchen große Reisegruppen in Bussen auf.

Zur Definition Nationalpark Durmitor: Der gesamte „Nationalpark Durmitor“ umgrenzt das komplette, aber recht kleine Durmitor-Gebirge (auch die Hochgebirgspassage des Vortages), sowie wesentliche Teile der Tara-Schlucht – und zwar sowohl einen zu Lande unzugänglichen Teil nordwestlich der Durdevica-Brücke wie auch einen straßenbegleiteten Flussteil südöstlich der Brücke (vgl. nächster Tag). Durmitor bezeichnet folglich auch das Gebirge, welches nur einen Teil des Nationalparks ausmacht. Zum Durmitor-Gebirge gehören mehrere Seen, von denen der Schwarze See der größte ist und um den eine touristische Nationalparkzone eingerichtet wurde. Alle anderen, sodann weitläufigen Wandergebiete und Seen sowie die Tara-Straßenpassage sind eintritts- und mautfrei zu erreichen (für Rafting auf der Tara ist allerdings eine angeblich eine saftige Gebühr zu zahlen, die in gebuchten Touren meist enthalten ist). Zu allem Überfluss findet man inoffiziell auch noch die Zweiteilung in „Durmitor-NP“ und „Tara-NP“.

Der Crno jezero ist ein Karstsee mit besonderer Ausprägung. Eigentlich ist er ein Doppelsee mit einem großen und einem kleinen See. Der große See wird aus Quellen des Durmitor gespeist einschließlich Schmelzwasser und gibt das Wasser an den kleinen See ab, versickert aber auch zu einer Karstquelle, die sich später in die Tara ergießt. Das Wasser des kleinen Sees hingegen speist zur anderen Seite die Komarnica, die spätere Piva. Nimmt der Wasserstand des großen Sees im Winter ab, kehrt sich das Fließverhältnis um, da der kleine See seinerseits eine autarke Karstquelle besitzt, und läuft in den großen See über, sodann dieses Wasser dann auch in die Tara gelangt. Das gemeinsame Wasser, durch getrennten Abflüsse zu Tara und Komarnica entzweit, vereint sich wieder an der Grenze zu BiH zur Drina (s. Vortag). Eine ebenso wundersame wie seltene Karsterscheinung. Bei soviel Mysterium liegen natürlich auch Sagengeschichten nahe, die sich um die Entstehung des Sees ranken. Den See kann man auf einem Pfad gänzlich umrunden, was aber in Teilen und je nach Jahreszeit ein zuweilen gefährliches bis unmögliches Unterfangen werden kann, denn die Quelle ergießt sich in Wasserfällen in den See, die den Weg überspülen. Ich sah ein Paar, das recht gewagt barfuß durch den Sprühnebel des Wasserfalls kletterte. Teile kann man auch beradeln, doch werden irgendwann Wurzelwerk und Treppen zu unüberwindbaren Hindernissen. Es gibt auch ausgewiesene Picknick- und Badestellen.

Nun gibt es neben dem Kassenhäuschen eine Steilstraße nach Ivan Do, einer Almsiedlung mit Camp, doch versuchte ich einen anderen Wanderweg ab See dorthin. Die Piste erwies sich nur kurz als radelbar, dann musste ich Schieben, wenngleich es eine Abkürzung bedeutet. Der Versuch, von Ivan Do den Wanderweg zum See Jablan Do mit dem sich spiegelnden Bergmassiv der Mala Crna Greda hier weiterzufolgen, muss ich als gescheitert erklären. Ich hätte das Rad abstellen müssen und war mit nicht wandergerechten Taschen (ein Backpacker + Lenkertasche) zur Aufgabe gezwungen. So suchte ich nach einer Alternative, die über Zabljak und Pitomine zunächst auf Asphalt, dann auf fahrbarer Piste, aber mit besagten gestochen scharfen Terrorangriffen (durch lange Hose hindurch) zum weniger besuchten, idyllisch eingefassten See Zminje führte.

Da die Wanderung ausfiel, hatte ich Zeit für weitere Abstecher. So nahm ich quasi als Stichstraße einen Ausflug zu einem Hochpunkt (Curevac), von wo aus man einen weiten Blick hinunter in die Tara-Schlucht hat, hier eine etwas weiter eingefasste Flussschleife. Unten liegt der kleine Ort Tepca mit Einstiegsmöglichkeit für Rafter, hinunter kommt man auf kehrenreicher Piste, da hier am Aussichtspunkt der Asphalt endet. An der obigen Asphaltstrecke liegen weitere kleine Seen und Tümpel, meist von Wald umgeben und von weiteren Blutsaugerarmeen wehrhaft verteidigt.

Mangels sonnigen Wetters – ein Gewitter zog über den Gipfel des Durmitor auf, blieb jedoch bis auf ein paar Tropfen von den Hochweiden um Zabljak fern – entfiel eine längere Rast und es reichte noch für eine Runde über den Bare-Pass, den ich eigentlich für den nächsten Tag im Programm hatte. Es handelt sich um einen leichten Berg, zu beiden Seiten gibt es wieder kleine Seen (für den Zminicko-See müsste man eine zusätzliche Runde einfügen, die ich nicht mehr anging). Landschaftlich darf man diese Strecke zwischen Njegovuda und Javorje als Geheimtipp handeln, der Autos nur ganz wenige, herrliche Wiesenlandschaften mit rot leuchtenden Karthäusernelken versorgen das Auge wohlgefällig hier oder mit grünen Poljen dort. Ein orthodoxes Kirchlein mitten in den Wiesen setzt kurz vor der Heimkehr einen hübschen Schlusspunkt.

Mit Jutta und Micha, Radlerpaar aus Traunstein, treffe ich mich noch im vom Reiseführer empfohlenen Restaurant, das die Erwartungen aber nicht ganz erfüllt. Eine der neueren Konobas im Ortszentrum dürfte die bessere Wahl sein. Campbetreiber Miso vereint dann noch die Abrechnungsrunde mit einigen Geschichten, Witzen und Schnaps. Für mein kleines Zelt traut er sich kaum, etwas zu verlangen. Jeder Gast erhält eine CD mit ein paar Videos zur Umgebung und Rafting-Abenteuern. Miso ruft schon mal in Gusinje beim befreundeten Hotelier an, ob das ich vorbei kommen würde – doch konnte ich selbst diesen Etappenplan so nicht einhalten.

Mi 19.6. Razvrsje – Zabljak – Vrela – Most na Durdevica Tari – Gornja Dobrilovina – Bistrica – Donja Polja – Mojkovac – Biogradsko jezero
89 km | 15,2 km/h | 5:50 h | 955 Hm
W: sonnig, abends bewölkt, max. 28 °C
E: Vorspeise „Kolasin“ (Käse, Schinken, Rauchfl.), gegr. Gem., Fleischtopf, Kart., Crêpes Choco, Rw 29 €
Ü: C Biogradsko jezero 4,50 €
B: NP Biogradska Gora 3 €

Die teils schon vortags absolvierte Strecke zu Durdevica-Tara-Brücke verläuft zunächst über die Hochpolje, um dann nach einem kleinen Anstieg in das Tara-Tal abzufallen. Spät erst erkennt man jenes eindrückliche Viadukt, das im zweiten Weltkrieg ob seiner strategischen Bedeutung ein tragisches Schicksal in sich birgt. Der Erbauer Lazar Jaukovic war es selbst, der aufgrund seiner Kenntnisse die Sprengung eines Stahlbogens der Brücke durchführte, um den faschistischen Verfolgern der Partisanen den Weg abzuschneiden. Seine heldenhafte Tat im eigenen Zwiespalt wurde ihm schließlich zum tödlichen Verhängnis, da er von den Faschisten gefangen und auf der Brücke hingerichtet wurde. Die am linken Brückenufer platzierte pathetische Büste bezieht sich aber wieder auf eine andere Geschichte eines Offiziers.

Hier gibt es natürlich ein paar Touristenbuden, deren Betreiber noch morgenmüde die Schutzbretter entfernen und Honig mit eingelegten Trockenfrüchten ebenso feilbieten wie Karten, Getränke oder auch Kitsch. Zu beiden Seiten kann man in Cafes (auch Essen) den Ausblick genießen. Die Straße führt danach hinunter zur Flussebene und windet sich fortan durch eine Schlucht in der Froschperspektive. Die Tara-Schlucht – hier nur ein müder Abklatsch der engen und höchsten Felspassagen weiter unten, die nicht per Straße erreichbar sind – unterscheidet sich deutlich von der Piva-Schlucht. Gewissermaßen sind die Felsen gedrungener, es gibt recht wenige Felsentunnels, imponierend aber auch ein Stück weniger überraschend – an manche Schlucht in Frankreich erinnernd. Ein paar Wasserfälle wie auch Brunnen liegen auf der Strecke, kleinere Sehenswürdigkeiten sind dokumentiert wie etwa eine historisch frühe Schule, wo das Klassenzimmer unter freiem Himmel von Felswänden umringt war. Beim Kloster Sveti Dorde gibt es Speis und Trank einschließlich Camping

Es folgt eine weite Kehre, mit Steigung und anschließendem Höhenmeterverlust wieder – hier weitet sich die Schlucht zu einem Tal mit größeren Flusssandbänken. Da lässt sich auch mal ein Platz zum Baden finden. Die Besiedlung nimmt zu, trotzdem ist das in einem weiten Talrund liegende Mojkovac nicht mehr als eine Kleinstadt, an der der Transitverkehr zwischen Adriaküste und Serbien vorbeirauscht. Das markanteste Gebäude ist eine orthodoxe Kirche vor den Toren der Stadt – in knalligem Weinrot ein leuchtender Kontrast zu einer sonst funktionalen bis langweiligen Stadt. Es gibt im Zentrum einen überdimensionierten Platz, immerhin mit etwas plätschernder Brunnenatmosphäre und Lokalitäten unter kleinen Laubengängen.

Der Weg entlang der Tara ist nunmehr durchschnittlich, ein sich verengendes Tal, die Eisenbahn parallel, aber selten sichtbar da in Tunnels abtauchend. Man quert eine Brücke ohne Ortschaft anbei, um zum Nationalpark zu gelangen. Gleich zu unterst gibt es Infotafeln auch zum Top Biking Trail 3, sowie ein Kassenhäuschen für den Eintritt – Autos dürfen auch rein bis zum See (Parkplatz). Die Strecke verläuft schattig im Wald, fast kühl, dafür mit herber Steigung. So erkennt man den See zwischen Bäumen erst auf den letzten Metern – dort baumüberdachte Flächen für Autos, Zelte, Picknick. Der See ist ein stilles Kleinod, gänzlich von Wald umgeben wie auch rundum begehbar. Die Ruderkähne mögen ein kitschige Touristenattraktion für Fußfaule sein, doch verleihen sie dem See eigentlich erst die vollendete Postkartenillusion. Eben dort findet sich die Rezeption für Camping und Hütten, angeboten werden auch Souvenirs, Karten und Broschüren.

Der Campingplatz ist alles andere als ein Weicheieldorado. Man muss sehr suchen, um Heringe einlochen zu können – ein Geodät wäre von Vorteil. Den eigentlichen Härtegrad machen aber die Sanitäranlagen aus – eine Dusche gibt es nicht, lediglich kaltes Wasser und ein Radieschensalat-großes Waschbecken. Für eine Waschlappenkomplettbenetzung des Körpers bedarf es einiger artistischer Balancekünste auf einem schmalen Bretterbalkon. Für luxusverwöhnte Städterinnen gibt es sogar einen Spiegel. Die sexy gekleideten Damen der mit mir gleichfalls campierenden Slowaken mit einem Großkombi machten sich schlau und benutzten die Toiletten des Restaurants. Das Restaurant hingegen – ich erwähnte es – war entgegen der Warnungen des Reiseführers der überraschende Hit. Ich vergebe den ersten Gourmetpunkt auf der Reise. Auch stimmt die Angabe nicht, dass das Restaurant um 19 Uhr schließt – die Küche hat bis (fast) 22 Uhr geöffnet. Schade, dass so wenige Gäste da waren – vielleicht kann sich Nationalparkverwaltung mal zu etwas besseren Campingkonditionen durchringen. Wasseranschluss hat das Hotel ja – so schrecklich könnte eine Dusche für durchgeschwitzte Radler der Natur da nun auch nicht schaden. Was die Hütten an Luxus bieten, weiß ich nicht.

Do 20.6. Biogradsko jezero (1110 m) – Dolovi/Quelle – Svatovsko groblje – Hochpunkt (1930 m) – Jusin brijeg (1900 m) – Velika chala (1940 m) – Bjelasica-Hütte – Vranjak/Raskrsnica (1725 m) – Jezerine – Kolasin
43 km | 7,3 km/h | 5:54 h | 1055 Hm
W: bis Mittag sonnig, danach bewölkt, Gewitterfront am Rand, abends mild, max. 25 °C
E (R histor. Konoba/Zentrum): gebrat. Lamm, Kart., Salat, Rw 13,30 €
Ü: PZ Rakocevic 20 € m. Fr.

Den empfohlenen Rundgang um den See lasse ich aus, da ich mich Größerem verpflichtet fühle. Das bedeutet unmittelbar ab Zelt einen Aufstieg durch Wald mit bis zu 400 Jahre alten Bäumen, der bald die Steigungskategorie „beachtlich“ erreicht. Der Untergrund ist wechselhaft, mal steinig, mal weicher, auch ein wenig matschig, teils mit stark gefurchten Fahrrinnen. Dass ich es mit nur ein paar Metern Schieben durch die Waldpassage weitgehend im Sattel nach oben schaffe, mag die Hoffnung nähren, dass die Machbarkeit der Route besonders bei etwas besseren Bedingungen durchaus gegeben ist – wenngleich es mit Gepäck eine gewisse Qual bleiben wird. Nicht nur hier, sondern auch im späteren Verlauf, wäre jedoch etwas Wegepflege durch die Ranger wünschenswert, wenn nicht sogar ein Verpflichtung. Irgendwo sollte man ja das Gefühl vermittelt bekommen, wofür man Eintritt zahlt. Gleiches gilt auch für den gesperrten Aussichtsturm, was ich zur Saisonzeit (?) nicht erwartet hätte.

Es folgt eine grandiose Panoramapassage mit Blick über leuchtende Blumenwiesen hin zu den Schneebergen des Komovi am Horizont – eine grandiose Entfaltung von irisierenden Farbsinfonien, von denen man – nun auf härterem Schotter und etwas weniger steil – ergriffen wird. Im Blick nun auch der markante Bendovac-Gipfel, gelangt man alsbald zu einer Glockenblumen-überbordenden Engstelle, wo die Steigung sich weiter mindert und eine mittelschwere bis leichtere Hochweidenfahrt ansteht. Hier schwingen sich die grünen Kuppenberge des Bjelasica-Gebirges auf über 2000 m hoch – ein Hauch Nockberge, wenn man so will. Bei einer unbewohnten Hütte spendet ein Brunnen Erfrischung und man kann sich in weiches Gras fallen lassen. Gegen Ende der Hochebenenpassage mit eher festgefahrenen lehmiger bis sandiger Piste tritt ein Hütte ins Auge, die bewirtet ist. Es gibt Kleinigkeiten wie Kaffee, hauseigenen Käse und Joghurt.

Die Stärkung tut Not für eine erneute Steilpassage, auf schwer-brockigem Untergrund, ruppige Stumpen und auch wieder tiefe Fahrrinnen. Es folgt eine Heidelandschaft – nur kurz, dann beginnt eine offene Berglandschaft von großer Weite geprägt. Die Piste wird zunehmend besser, sicherlich nie wirklich gut. Aus der Ferne winken – nun von dunklen Wolken übermannt – schon bedrohlich die Berge Crna glava und Zekova glava, auf Letzterem thront ein militärischer Horchpostenturm. Nach einem Hochpunkt und im ersten Anflug von Regentropfen baut sich die erste von noch einigen folgenden Schneehindernissen auf. Als ich das mühsame Geschleppe über dem Rand des Schneefeldes hinter mir habe, kommt eine tschechische Mountainbikegruppe, die ziemlich unbeirrt teils in die nicht ganz ungefährliche Schneefläche marschiert. Andere nehmen doch lieber den Umweg am steilen Hang – die Frauen erfreuen sich dabei ihrer männlichen Kollegen als Tragekavaliere. – Neid!

Die folgende Strecke könnte einfacher zu befahren sein, gäbe es nicht diese Schneefelder und einige Passsagen voller Pflanzengeröll, das nach der Schneeschmelze noch unbeleckt liegen geblieben ist. Bei einer Hütte muss ich sogar die Schuhe ausziehen – die gesamte Wiese mit Weg ist geflutet. Nach der Odyssee über die vielen Schneestellen erreiche ich den letzten Kulminationspunkt bereits reichlich spät, die Abfahrt indes ist kaum schneller als der Aufstieg, das Gerüttel eminent. Hier liegen ein paar Berghütten (auch touristisch buchbar) – nur über Schotterstraßen zu erreichen. Am Pass Raskrsnica hatte ich heimlich auf Asphalt gehofft – ein frommer Wunsch. Ich versuche die nicht mehr offiziell ausgeschilderte und stark überwucherte Strecke Richtung Jelovica – doch die Rüttelei ist so vehement, dass ich die Fahrt abbrechen muss. Nach Süden führt Top Biking Trail 3 – scheinbar besser ausgebaut als die Straße, doch auch hier endet der Versuch bei riesigen Steinblöcken und erneuten Schneefeldern über der Piste. So nehme ich Kurs auf der ebenfalls extrem rappelnden Piste abwärts Richtung Kolasin und hoffe auf Asphalt, der mich an der Liftstation Jezerine endlich erlöst. Wie auf einem Luftpolster fliege ich nach Kolasin – solche samtene Liebkosung durch Asphalt habe ich schon lange nicht mehr empfunden.

In Kolasin überlege ich noch weiterzufahren, doch treffe ich Daniel, einen Schweizer Reiseradler auf dem Weg nach Istanbul und nehme seinen Tipp an, im selben Gasthaus zu übernachten wie er. Zum Essen sitzen wir einer alten, historischen Konoba, die wie ein unscheinbarer Bretterverschlag wirkt. Das Essen ist ausgezeichnet und man sitzt angenehm am Anfang der kleinen Flaniermeile, einer Fußgängerzone, in diesem wenig spektakulären, aber wohltuend entspannten, lebenswerten Bergstädtchen.

Fr 21.6. Kolasin – Crkvine (1045 m) – Manastir Moraca – Bioce – Podgorica – Bioce
98 km | 18,3 km/h | 5:20 h | 400 Hm
W: sonnig, heiß, max. > 35 °C
E (R Mijovic): Serb. Salat, Pocelli (Rouladen m. Käse/Milch), PF, Gem., Rw, Crêpes, Cafe 21,10 €
Ü: C wild 0 €

Die vorliegende Strecke zwischen Kolasin und Podgorica ist eine der Haupttransitachsen in Montenegro. Zugleich liegt auf der Strecke aber auch eine weitere der beeindruckenden Schluchten, sodass eine Beradlung trotzdem empfehlenswert ist. Da ich Gelegenheit hatte den Verkehr zu verschiedenen Tageszeiten einzuschätzen, empfehle ich die frühen Morgenstunde – bis Vormittag geht noch. Keinesfalls Abendstunden und gar bei Dunkelheit! Gerade dann verkehren überwiegend LKWs und Busse. Das ist zumindest bedingt gefährlich, wenngleich auch die Strecke eigentlich ausreichend gut ausgebaut ist – bis auf einige schlechte Asphaltstücke vor allem im unteren Bereich (dort aber nicht mehr enge Schlucht). Wie aber eingangs berichteter tödlicher Busunfall und andere Vorfälle belegen, entscheidet über die Gefährlichkeit die Fahrweise. Bereinigt man das Verkehrsaufkommen auf PKWs, ist es sogar vergleichsweise gering für so eine wichtige Strecke. Noch wichtiger als der Zeitpunkt ist es, die Strecke von oben nach unten zu fahren – da ist man mehr im Fluss mit den Autogeschwindigkeiten, muss nicht aufwärts durch Tunnels. Nachteilig ist abwärts, dass man auf den spektakulären Abschnitten auf der dem Fluss abgewandten Spur fährt.

Der obere Teil ist von Kolasin aus einfach bis zur Passhöhe zu bewältigen – es sind nur wenig Höhenmeter. Die Straße ist hier zu beiden Seiten exzellent, auch teils mit zusätzlicher Überholspur, der kurze Tunnel abwärts kein Problem. Auf der Passhöhe befinden sich ein Restaurant und ein weiteres Bistro – das Restaurant weist 24-Stunden-Service aus. Die Aussicht ist grandios – weit über den Talgrund schweift der Blick zu alpinen Gipfeln jenseits der Moraca. Maganik und Krmovo heißen die Bergzüge, die eine nicht überwindbare Barriere in Richtung Niksic und Danilovgrad bilden. Kurz bevor man jedoch die Passhöhe mit dem Restaurant erreicht, sollte man einen kleinen asphaltierten Abzweig zu einer orthodoxen Kirche einschlagen, die an der Hauptstraße auf einem Plakat abgebildet ist. Es sind wohl 300 m, wo das schmucke Bauwerk nebst Friedhof (Wasseranschluss, aber defekt) einen schönen Platz der Rast bietet, gleichwohl mit ähnlicher Aussicht wie am Pass-Restaurant.

Nach dem Tunnel schwingt sich die Straße in den noch weit geschnittenen Talschluss der Moraca. In einer großen Haarnadelschleife (Mijoska) gibt es ebenfalls ein Restaurant, direkt anbei liegt der Straßenabzweig, den ich einige Tage später einschlagen werde. Hier zunächst aber wendet sich die Hauptstraße von westlicher Ausrichtung streng nach Süden. Zu den Attraktionen der Strecke gehört noch vor dem engen Schluchtteil das Moraca-Kloster mit seiner lieblich gepflegten Gartenanlage. Hygienisch und gesund luftig gekleidete Radler (kurze Short, Singlet-Trikot) gelten hier aber als unzüchtig und dürfen die Hauptkapelle nicht betreten – Herren und Damen werden etwa gleich herabwürdigend behandelt. Ausreichend schöne Plätze finden sich auch so. Wegen der zahlreichen Bustouristen ist hier eine frühe Besuchszeit zu empfehlen. Neben touristischen Verkaufsständen gibt es Verpflegungsmöglichkeiten mit Restaurant und Minimarkt, eine weitere Einkehrmöglichkeit besteht noch südlicher vor dem Abzweig zum Mrtvica-Canyon (nicht besucht). Unklar blieb mir, ob die Unterkunftsmöglichkeit am Moraca-Kloster noch im Betrieb oder verwaist ist.

Unterhalb beginnt die eindrückliche Schluchtfahrt mit majestätischen Felsen, zu denen man aufschaut, der Mensch schrumpft in seiner kleinen Gestalt zur Nichtigkeit. Einige Felstunnels überwinden die engsten Schluchtabschnitte, nicht immer ist der Blick in den Canyon möglich. Ähnlichkeiten gibt es mehr zur Tara-Schlucht als zur Piva-Schlucht. Der spektakuläre Teil ist letztlich recht kurz. Noch vor Bioce gibt es ein erstes Restaurant, weitere folgen dann – sie profitieren vom Transitverkehr. Man nähert sich unweigerlich der Bratpfanne von Podgorica. Während es am frühen Morgen in Kolasin fröstelnde 12 °C herrschten, sind es zur gleichen Zeit in Podgorica bereits 24 °C gewesen. Jetzt hat es ca. 38 °C, vielleicht erreichte die Quecksilbersäule die 40-Grad-Marke an diesem Tag. 10-15 Grad Unterschied zwischen Bergregionen auf 1000 m Höhe und der Tiefebene sind keine Seltenheit. Abkühlung tut Not, den Mittag verbringe ich vor den Toren der Stadt am Fluss – der Kies brennt auf den Fußsohlen wie glühende Kohlen.

Den ersten Fotoladen finde ich in Podgorica im zufälligen Vorbeifahren, anschließende Versuche, die Touristinfo zu finden gestalteten sich schwieriger – dort konnte man mir auch keine weiteren Adressen nennen bis auf den Zweitladen von „Foto Boni“, der mich aber immerhin von meiner Krise erlösen konnte. Sicherlich fehlt Podgorica zwar ein Stadtbild, das einer gehobenen Würdigung bedarf, jedoch gibt es einzelne moderne architektonische Akzente und ihr Erscheinungsbild besser als ihr Ruf. Es ist eine recht quirlige wie lebenswerte Stadt ist, besonders für junge Leute, für hippe Partys abends spät in die Nacht mit zahlreichen Cafes und Kneipen – eine riesige, offene Flaniermeile fröhlicher Menschen. Erfreulich ist die Sperrung der Straße ab den frühen Abendstunden, sodass diese zu Fußgängerzonen werden. Einige Parkanlangen sowie verschiedene Stadtstrände am Flussufer sorgen für ein savoir vivre für Lebenskünstler und Verliebte.

Innerhalb der Stadt wollte ich dann doch nicht übernachten. Zwischen Podgorica und Bioce gibt es ein günstiges Hotel sogar mit Campingmöglichkeit. Dem Vortrieb verpflichtet, speise ich aber in Bioce in einem Transitrestaurant, campiere in der Nähe auf verstecktem Weidegrund, bereits in der Anfahrt der Passstraße des nächsten Tages (das Gelände ist aber eher schwierig). Interessant war das Treiben am Transitrestaurant. Zunächst war ich als einziger essender Gast die große Hoffnung des Wirtes. Fast mit dem Essen fertig, also bereits nach 22 Uhr, begann dann erst das eigentliche Geschäft. Erst hielt ein erster Bus, am Ende zählte ich insgesamt sechs Busse, die den nationalen und internationalen Linienverkehr bedienen (u. a. nach Pec, Prishtina, Belgrad). Der Wirt konnte aber aufatmen – nur wenig der Busreisenden hatten Lust auf Gastronomisches, überwiegend stärkten sich nur die Busfahrer. Schwierige Planung für so ein Transitrestaurant, denke ich.

Bildergalerie zu Kapitel II (100 Fotos):



Fortsetzung folgt