"Goldrausch"...

von: dogfish

"Goldrausch"... - 22.07.06 17:42

Hallo alle miteinander!

Möchte gleich zu Anfang einen Hinweis geben:

Die Geschichte von ("stephan_7171"),
nicht direkt "Die Unendliche", aber die längste... zwinker



..................................................................................Mein neues Rad
........................Nach langer Planungsphase und noch längerer Warte- und Bauzeit ist es nun endlich fertiggestellt. party

Das ganze begann mit einem Unfall, der meinem letzten Fahrradneubau ein jähes Ende bereitet hatte. Von den Komponenten haben
lediglich die Rohloff und der SON überlebt. Ich wollte unbedingt ein 26"-Rad mit Stahlrahmen, wegen der Stabilität und dem Fahrkomfort,
den Stahl bietet. Aufwändige Federungstechnik sollte nicht eingesetzt werden, nur über Reifen und gefederte Sattelstütze realisiert werden.

Favorit war zunächst Patria, denn ein solches ist seit ca. 20 Jahren mein Alltagsrad und wirklich sehr zuverlässig. - Das Terra, Ranger und
Falcon (leider 28", aber ein tolles Rad) waren in der engeren Wahl. Leider bietet Patria, auch gegen Aufpreis, keine innenverlegten Züge an,
ebenso gibt es leider keine klassischen Schrägschultergabeln mehr.


Also weitersuchen...Bei meiner Suche habe ich viele interessante Radkonzepte gefunden, aber nie ganz genau das, was ich mir vorstellte.
Langsam wurde mir klar, daß ich "mein Rad" wohl nirgendwo so kaufen kann - schließlich habe ich mich für einen Eigenbau entschlossen!





Meine erste Spezifikation sah dann so aus:

Stahlrahmen für 26" - ausgewogener Kompromiss aus Stabilität und geringem Gewicht. Die Geometrie so angepasst, daß sich kein "Turm"
aus Spacer ergibt und auch die Sattelstütze nur wenig heraussteht (Turmbauten und lang herausstehende Sattelstützen sind mir ein Gräuel).

Exzenter zum Spannen der Kette - Vertikal offene Ausfallenden für die Rohloff-Schaltung, Vermeidung einer separaten Drehmomentstütze -
Klassische 1 1/8 Schrägschultergabel, AHead-Steuersatz-geeignet - Reiseradtaugliche Hinterbaulänge von ca. 465 mm - Langer Radstand,
Nachlauf ähnlich Easy Rohler - Innenverlegte Brems- und Schaltungszüge - Hydraulische Felgenbremse Magura Firmtech - Reifen (60 mm)
und breite, stabile Felgen (min. 27 mm).


.........................................................Dann begann ich, einen geeigneten Exzenter zu suchen.


.......................................................


......................................................Mein Exemplar habe ich letztendlich aus den USA importiert.

...........................................Ich wollte eine sichere Lösung für die Firmtech-Bremse und die Konstruktion
..........................eines verstellbaren Rohloff-Ausfallendes hätte leicht zu Problemen mit der Felge geführt und wäre nicht
mit allen üblichen breiten Felgen kompatibel gewesen. Da ich keinen Kettenspanner wollte war der Exzenter die einzig sinnvolle Alternative.

Das Tretlagergehäuse habe ich mangels verfügbarer Teile selbst gefertigt, aus rostfreiem Edelstahl - ich hoffe, daß damit dieser Bereich gut
und langfristig gegen Korrosion geschützt ist, denn eine Lackierung würde sich im Tretlagergehäuse wegen des Exzenters leicht abarbeiten.





Am sinnvollsten erschien mir dabei eine Innenklemmung (ohne Schrauben im Rahmen u. ohne geschlitztes Tretlagergehäuse), wie bei dem
von Bushnell. Durch einen Keil gespreizt, klappt seine obere Hälfte auseinander und verklemmt sich so im Innendurchmesser vom Gehäuse
des Tretlagers. Schraubt man den Keil vollständig zurück, ist der Exzenter-Durchmesser ca. 0,5 mm kleiner, läßt sich so einfach verstellen.


...........................................................................Ebenso aus den USA gekauft...

.......................................................Eine Gabelkrone für die klassische Schrägschulter-Gabel.
..................................................Für breite Reifen ist es echt schwer, etwas Passendes zu finden.


...............................................


............................................Ein wenig überrascht hat mich der Einfuhrzoll für Fahrradteile aus USA... schockiert


..........................................



.........................................Das Herzstück des Rades ist natürlich der Rahmen. Hierzu hat das Forum und
.....................................insbesondere Mario hinsichtlich des Herstellers wertvolle Entscheidungshilfe geleistet.


....................................


..............................Hab mit Herrn Pallesen Kontakt aufgenommen und ihn auch einmal in seiner Werkstatt besucht.
..............................Eine recht kleine, handwerkliche Werkstatt, wo Rahmen wirklich noch von Hand gefertigt werden.

Die Verarbeitungsqualität der ausgestellten Rahmen hat mich sofort begeistert - löten und Rahmen bauen kann der Mann wie kein zweiter.


Zunächst wollte er lieber seinen Standard verkaufen, jedoch hat ihn dann letztlich das Problem mit der Firmtech-Bremse davon überzeugt,
daß ich wirklich feststehende Ausfallenden für den Rahmen benötige. Das zweite Problem bestand darin, daß die Firmtech werksseitig so
vorgesehen ist, mit maximal 25 mm breiten Felgen zu funktionieren. Ich wollte jedoch aus Stabilitätsgründen auf jeden Fall breitere Felgen.


...


Für das Anlöten der Firmtech-Bremsaufnahmen an den Rahmen gibt es zwar eine spezielle Lehre - die ist aber abgestimmt auf Felgen mit
max. 25mm Breite. Ein neues Lehren-Aufsatzstück musste her, um die für die breitere Felge abgestimmte Bremsaufnahme zu realisieren.

Habe diese Aufnahme ebenfalls neu konstruiert, aus Warmarbeitsstahl gefertigt und Hr. Pallesen für den Rahmenbau zur Verfügung gestellt.
Dazu noch eine Buchse zur Fixierung des Tretlagergehäuses in der Vorrichtung zum Löten des Rahmens. In einem Industriebetrieb wäre so
etwas kaum möglich gewesen! Der Slogan "Hier bekommen Sie keine Räder von der Stange, sondern Rahmen ganz nach Ihren Wünschen".


.....................................Das war tatsächlich kein Lippenbekenntnis, sondern es wurde wirklich so gehandelt... cool





Den Rahmen hat Hr. Pallesen im Fillet-brazed-Verfahren gelötet. Aufwändig, aber von der Optik her sehr ansprechend, am Fertigteil gibt es
keine Übergänge...nebenbei auch gut sauber zu halten, da keine "Dreckecken" vorhanden sind. Wegen des Sonder-Tretlagergehäuses war
ohnehin keine andere Möglichkeit recht sinnvoll, weil für diese Geometrie eben so gut wie keine passenden Muffen am Markt erhältlich sind.

Zur Rahmengeometrie habe ich bei einer Rahmenhöhe von 55 cm eine etwas größere Oberrohrlänge gewählt, außerdem das Steuerrohr um
15 mm verlängert, eben um "Spacer-Türme" zu vermeiden, die ich nicht mag. Die Drehmoment-Abstützung für die Rohloff-Schaltung wurde
durch entsprechend nach unten offene und fest am Rahmen verlötete Ausfallenden realisiert. Als Kurbel kam eine Stronglight Aeroxal zum
Einsatz. Ich konnte noch das vorletzte Exemplar bekommen, die Rohloff-spezifischen Teile sind leider im aktuellen Katalog von Stronglight
nicht mehr aufgeführt. Diese Kurbel hat eine ISIS-Verzahnung und ist relativ leicht, mit dem Kettenschutzring und 44 Zähnen nur ca. 600 g.





Besonderheit meines Rahmens: Der Kettenverschleiß über die Exzenterverstellung ist messbar. Bei einer reiseradtauglichen Hinterbaulänge
ist der Exzenter so bemessen, daß die Kette genau um 1% gespannt wird, wenn er maximal nach vorn schwenkt. Um dies zu erreichen und
etwaige Fertigungs-Toleranzen zu kompensieren, habe ich ein "krummes" Maß für die Hinterbaulänge konstruiert. Hier hatte Hr. Pallesen bei
einer Toleranz von weniger als +/-1,5 mm zugesagt und auch beim Löten sehr gut realisiert. Da zeigt sich die wirklich gute Handwerksarbeit!


.........Man muss man jedoch viel Geduld mitbringen - habe mehr als drei Monate gewartet, bis ich den Rahmen zum ersten Mal sah.
................Hatte dann leider Pech, eine Lötaufnahme für das Schaltzugwiderlager war unglücklicherweise auf der falschen Seite,
.....................sodaß der Rahmen noch einmal komplett entlackt und nachgearbeitet werden musste. Das dauerte wiederum
.............................ziemlich lange. Als ich den Rahmen schließlich erhielt, war er falsch lackiert (anders als ich wollte).
.....................................Also noch einmal zurück, wieder entlacken und neu lackieren – wieder Wartezeit, aber
.........................................diesmal nicht so lange. Insgesamt dauerte es von Ende 2005 bis mitte Juni 2006.


............................................


........................................Als Tretlager kam nur das SKF BXC-600 in Frage. Die dort eingesetzte Lagertechnik
...............................(Kombination von Zylinderrollenlagern auf der Antriebsseite und Kugellagern) hat mich überzeugt,
.........................ich hoffe es hält dann seine 100.000 Kilometer. Na ja, das wird etwas dauern, bis ich das erprobt habe...


Doch das Warten hat sich gelohnt! Endlich erhielt ich meinen Rahmen, alle Gewinde nachgeschnitten, Tretlagergehäuse innen ohne Lack,
Ausfallenden nach dem Lackieren sauber nachgearbeitet, Steuerrohr-Passung und Sattelrohr gerieben - genau so, wie es auch sein sollte.






In der Zwischenzeit hatte ich natürlich schon eine Menge Zeit, um alle anderen Komponenten vorzubereiten, zum Beispiel den Laufradbau...

Als Felge habe ich die Mavic 721 EX gewählt, m.E. die einzig wirklich stabile Mavic-Felge für Felgenbremsen. - Die Speichen sind wieder
eine Besonderheit: Messerspeichen von Sapim, lassen sich sehr hoch vorspannen, was ich mit Messuhr und Tensiometer und viel Akribie
gemacht habe: Über 1350 N Speichenspannung, axialer Lauf besser +/-0,05 mm, radialer Rundlauf besser +/-0,30 mm. Das muß reichen! schmunzel


...


Beim Laufradbau zeigte sich auch der Vorteil der Rohloff: Durch den symmetrischen Flansch lassen sich die Speichen links und rechts
gleichermaßen hoch vorspannen. Zusätzlich habe ich die Speichen mit Speichenbindedraht am Kreuzungspunkt umwickelt und verlötet.
Das soll zusätzlich Stabilität ins Speichengefüge bringen - ist wirklich so - wenn man in die Speichen greift, ein extrem steifes Laufrad.


Als Steuersatz habe ich den Acros AH-06 ceramic gewählt. Sozusagen die Deutsche Antwort auf Chris King - optisch zwar ganz anders,
jedoch eine sehr hochwertige Lagertechnik, genaue Passungen, gut gedichtet und dank der Keramikkugeln auch ohne Schmierung lange
haltbar. Die untere Abdeckscheibe ließ sich zunächst nicht auf die Gabel montieren. Nachgemessen und festgestellt, daß Hr. Pallesen mit
30,00 mm am Gabelkopf äußerst präzise gearbeitet hatte, die Scheibe jedoch nur einen Durchmesser von ca. 29,7 mm hatte. Da geht mit
Gewalt natürlich nichts, die Abdeckscheibe wäre schnell krumm geworden. Habe die Aluscheibe dann im Wasserbad auf 100 °C erwärmt -
danach ließ sie sich ohne Probleme (natürlich mit Handschuhen) ganz leicht aufstecken. Sitzt jetzt bombenfest und ist perfekt abgedichtet.





Als Lichtanlage kommt das DIWA-System zum Einsatz - Bremslicht am Fahrrad, das funktioniert wirklich recht gut. Die Rückleuchte blinkt
bei stärkerer Verzögerung ohne zutun hell auf, warnt so den rückwärtigen Verkehr. Von den Lichtwerten des Scheinwerfers ist DIWA vorne
mit dem Lumotec oval Senso plus identisch, nur ist eine andere Elektronik drin. Das Diodenstandlicht ist eine sinnvolle Sache. Ergänzt wird
durch einen SON E6Z, der bei höheren Geschwindigkeiten hinzugeschaltet werden kann und als "Fernlicht" für bessere Ausleuchtung sorgt.


....


Einziger Nachteil: Die DIWA-Funktion (Bremslicht) funktioniert nur in der Stellung "S". Wenn man dann den E6Z zuschaltet, bekommt man
ein tolles Blinklicht, aber keine vernünftige Beleuchtung (E6Z leuchtet auf Sensor -> Licht aus -> dunkel -> Sensor schaltet Licht wieder an...
Frontscheinwerfer auch auf Dauerlicht stellen, dann arbeitet DIWA aber nicht mehr - möglich wäre noch, den Sensor irgendwie abzuschalten.


Der Lenker ist von SQ-Lab, die gekröpfte Geometrie erlaubt eine sehr angenehme Handhaltung - hat mich sofort überzeugt, als ich ihn auf
der letzten IFMA in der Hand hatte. Der Vorbau ist ebenfalls von SQ-Lab, relativ kurz und mit großem Winkel, um die Spacer zu vermeiden.





Griffe sind die Ergon MR2 geworden - die sind wirklich ergonomisch. Einen Griff habe ich gekürzt, um die Rohloff-Schaltung noch anzubauen.
Mittlerweile soll es für Drehgriffschaltungen sogar bereits entsprechend gekürzte Griffe geben...das Kürzen ist aber kein großes Problem.


....



...................................................Sattelstütze, Airwings Evolution 320, mit viel Montagefett verbaut. grins


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...................................................diese ist derzeit noch eher weich eingestellt, weil ich den Sattel noch
.......................................................einfahren muss. Ich bin bisher sehr zufrieden mit dem Komfort.
..........................................................Kein Vergleich mit der Sattelstütze an meinem Alltagsrad.

......................................................Die Airwings spricht sehr feinfühlig an und führt praktisch spielfrei.
...................................................Sattelspitze bewegt sich nicht. Bei der Montage etwas Angst gehabt,


...................................................

..................................................Die Sattelstütze steckt bis zum Anschlag im Sattelrohr - Glück gehabt. lach

..................................................Alle Messungen und Berechnungen im Vorfeld waren richtig - es passt.
..................................................Sonst hätte ich nämlich keine gefederte Sattelstütze verbauen können.


..................................................Der Swallow Classic, sehr schlank, leicht und sehr schön verarbeitet.
...................................................Sein Leder im Bereich der Sattelnase für lange Formstabilität unten ...................................................zusammengeklammert. Die "Einfahrzeit" bislang nicht schmerzhaft.


..................................................


.......................................................Als Breitreifen habe ich den Super Moto von Schwalbe gewählt.
....................................................Dieser ist dem Big Apple ähnlich und bietet viel Federungskomfort.
.................................................Der Super Moto ist zudemhin ein Faltreifen und somit deutlich leichter.

............................................Auf diese Weise lässt sich für wenig Geld viel Gewicht an einer Stelle sparen,
.....................................wo hohes Gewicht doppelt schlecht ist. Der Reifen federt etwas besser als der Big Apple.



Sonstiges:

Der Gepäckträger ist von SL - Tournee II. Auch hier war mir gute Stabilität bei geringem Gewicht wichtig. Da ich oft etwas transportiere,
war mir ein Alu-Gepäckträger lieber. Bei den Stahl-Gepäckträgern reibt sich leicht der Lack ab und es gibt häufig unschöne Roststellen.
Der harteloxierte SL-Träger erscheint mir da robuster, er kann laut Hersteller bis zu 30 kg tragen – das sollte eigentlich reichen.

Die SKS Chromoplastics werde ich wahrscheinlich noch tauschen - mittlerweile würden sie mir in schwarz besser gefallen.

Tacho: Ein Teil von Real. Habe die Erfahrung gemacht, daß teure Tachos auch gerne kaputt gehen - und so ein Billigteil
hat auch mehr Funktionen als man braucht, sieht einigermaßen aus und man kann so etwas auch mal am Rad lassen.





Schrauben für die Anbauteile sind auf Marios Idee hin größtenteils als Flachkopf-Innensechskantschrauben aus Edelstahl ausgeführt.
Nur an den Flaschenhaltern ging es nicht, weil das Gewinde der Flachkopfschrauben nicht bis zum Schraubenkopf geht.
Danke noch einmal für den Tipp – da hätte ich als Maschinenbauer auch selbst drauf kommen können.


party Fahrbericht party


Das Rad fährt perfekt, genau so habe ich es mir vorgestellt. Die leichten Räder lassen sich schnell
beschleunigen, der Rahmen hat eine angenehme Dämpfung und ist hinreichend steif.
Sogar bei hoher Zuladung kommt dieser Rahmen nicht ins Schwingen
wenn man freihändig fährt, auch nicht bei höherem Tempo.

Und die Bremsen funktionieren astrein!



................................................................Die lange Wartezeit hat sich also gelohnt.

............................................................Jetzt freue ich mich auf den kommenden Urlaub,

......................................................wo das Rad seine ersten Bewährungsproben haben wird.


..............Viele Grüße von Stephan



und Mario