UR3: Eigenbau Vortrieb-Rahmen

von: scheichxodox.de

UR3: Eigenbau Vortrieb-Rahmen - 27.12.09 10:06

Hi Leutz,

schon seit einigen Jahren habe ich davon geträumt, mir ein neues Rad zu gönnen,
nachdem ich an meinem alten Bikemaxx schon fast die Hälfte der Komponenten getauscht habe.

Bisher hielten mich aber immer die Finanzen davon ab (bin ja immerhin armer Student) und das schlechte Gewissen,
dass ein neues Teures schnell geklaut ist und das alte Rad es doch noch tut. Ein Fertigrad kam für mich nicht mehr in Frage,
ich hatte zu spezielle Wünsche. Und ein Velotraum oder Patria waren für mich leider zu teuer. Vor einem halben Jahr war es soweit...





mein Vater wollte ein neues Rad, ich konnte mich richtig austoben und mein erlesenes (im wahrsten Sinne des Wortes) Wissen anbringen.
Mein Dad wurde ausgemessen und nach seinen Pioritäten, Anforderungen und Finanzen befragt. Danach wurde in mühevoller Kleinstarbeit
Teile für sein Rad gesucht, bestellt und zusammengeschraubt. Dieses habe ich hier vorgestellt. Mein Dad war begeistert von seinem Rad.

Ich durfte es selber ein paar Tage fahren. Nun, ich hätte das vielleicht nicht machen sollen. Jetzt wollte ich umso mehr ein neues Rad. schmunzel





Ich hätte meinen Plan vielleicht immer noch nicht in die Tat umgesetzt, aber dieses Jahr fingen bei mir mit meinem alten Rad Kniebeschwerden an.
Früher hatte ich keine Probleme mit den Knien, aber damals habe ich auch nie längere Strecken als 20km gemacht. Je länger die Touren wurden, desto öfter
und schlimmer kamen auch die Beschwerden. Recherchen zufolge müsste eine falsche Sitzposition (Stichwort Knielot) schuld sein. Leider war mein alter Rahmen
wohl überdimensioniert, ich konnte auch meinen Sattel nicht weiter vorstellen. Das war das letzte Argument, das ich benötigte, um mein schlechtes Gewissen bezüglich
meiner Finanzen mundtot zu kriegen. Ich brauchte einen neuen Rahmen, und konnte bei der Gelegenheit auch die Komponenten drumherum tauschen. zwinker Bestellt habe ich:





Rahmen: Vortrieb MTB-Hardtail 19" schwarz matt. - Schaltung: Rohloff DB/OEM/CC (ext. Schaltbox u. Scheibenbremse, 32L). - Federgabel: Suntour Epicon RLD 120mm
Bremse: Shimano SLX. - Bremsscheiben: Vorne SLX-SM-RT64 180mm, hinten 160mm. - Gepäckträger: Tubus LOCC. - Reifen: Schwalbe Marathon 50-559 Extreme Falt.
Kette: Campagnolo Record C9. - Felgen: Mavic EN521 (36 und 32 Loch). - Speichen: Sapim Race. - Speichennippel: DT Pro Head Messing. - Steuersatz: FSA ORBIT Z
Vorbau: Humpert X-ACT Swell. - Kurbel + Tretlager: Shimano Deore Hollowtech II 170 mm. - Kettenblatt: 38 Zähne 104 mm Lochkreis. - Kettenschutz: Hebie Chainglider
38 18-22 + Heckteil für Rohloff 15-17. - Schutzbleche: SKS Chromoplastics P65. - Pedale: Shimano M324. - Nabendynamo: Shimano DH3D72 (36Loch). - Scheinwerfer:
Inoled Inolight 20+. - Lenker: Procraft Sport Flat 15°-Kröpfung 25,4mm. - Griffe: Ergon GR2 L Race für Rohloff.Schläuche: Schwalbe SV13. - Felgenband: Schwalbe MTB.
Lampenhalter: SKS Befestigungsset für Shockboard. - Sattel: Brooks Flyer. - Sattelklemme: 34,9 mm schwarz. - Ständer: Pletscher Multi 26" + Pletscher Stützenschuh.
Schelle: Cateye Typ 8. - Adapter für Sattelstütze: Procraft von 27,2mm auf 31,6mm. - Pitlock-Sicherung: Set 03, VR+HR+Rohl.Ausfaller. Bei 10 verschiedenen Shops.





Kostenpunkt mit Versand ziemlich genau 2222€. Dazu kommen ein paar Sachen vom alten Rad (Sattel, Scheinwerfer, Rücklicht) und einige Kleinigkeiten, die ich bei lokalen
Fahrradgeschäften nachkaufen musste. So hat das Fahrrad einen geschätzten Endwert von 2500€. Ich habe so gut wie überall die Markennamen entfernt, möchte damit nicht
vor der Eisdiele prahlen, sondern mit dem Rad fahren. Ich weiß wie gut und teuer die einzelnen Komponenten sind. Also habe ich die Namen entweder übersprüht (Kurbel), ...


...


überklebt (Nabendynamo, Licht), herausgepuhlt (Hebie, Topeak) oder mit Schleifpapier oder Schraubenzieher bearbeitet (Bremssattel/Gepäckträger/Ständer, uvm). Auf die Art
kriegen Diebe für die Einzelteile weniger. Gesichert wird das Rad mit einem Abus Granit X-Plus 54, Steel-O-Flex 800 und Pitlocks an den Naben. Die Rohloff hat ja schon ...





eine Seriennummer eingelasert, die auch schon registriert ist und das Rad wird demnächst zusätzlich codiert. Ansonsten lasse ich die billigen Lidl-Seitentaschen immer dran,
um die Nabe zu verdecken (ich weiß, Profis erkennen sie am Schaltgriff). Nach dem Codieren werde ich bei Schmuddelwetter mal ins Feld fahren und es noch mehr einsauen,
als es derzeit schon ist. Damit soll das Rad ungepflegt, gebraucht und uninteressant werden - ich hoffe, dass die Maßnahmen reichen um Gelegenheitsdiebe abzuschrecken.





Und nun kommen wir zum Erfahrungsbericht. Ich habe extra so lange mit den Bildern gewartet, weil ich mir selber erst ein "Bild" von dem Rad machen wollte. Alles in allem
bin ich sehr zufrieden. Es ist wirklich ein einmaliges Fahrgefühl, kein Vergleich zu meinem alten Fahrrad. Die Federgabel spricht super an. Ich fahre mittlerweile Bordsteine
mit deutlich schnellerer Geschwindigkeit an, nur um mich daran zu erfreuen, dass ich sie kaum spüre - bei meiner alten Federgabel musste ich jedes mal stark abbremsen.





Die Scheibenbremsen sprechen bei Regen genauso an wie bei Sonnenschein. Nie wieder vorsichtiges Dahinschleichen bei Regen aus Angst, nicht mehr bremsen zu können.
Ich frage mich, wie ich die Jahre davor ohne hydraulische Bremsen fahren konnte. Es reicht ein kleiner Finger zum Bremsen. Gequietscht hat bisher auch noch nichts. Einzig
bei Frost wandert der Druckpunkt bei der Bremse. Die Rohloff fand ich etwas gewöhnungsbedürftig, lange habe ich mit dem Gedanken gespielt, mir auch eine Alfine zu holen.





Aber nach langem Herumrechnen habe ich festgestellt, dass mir die Alfine nicht reichen wird. Dabei war das Problem gar nicht mal so sehr der kleinere Übersetzungsbereich,
oder die größeren Gangsprünge, sondern dass die Alfine nicht für Entfaltungen unter 2 Meter zugelassen ist. Die Rohloff hingegen habe ich auf 1,31 Meter herunterbekommen.
Damit schaffe ich selbst steile Berge mit einer hohen knieschonenden Trittfrequenz. Umgekehrt kann ich bis über 37km/h noch mittreten, und ab da lass ichs einfach rollen. schmunzel





Am Anfang war das Schalten unter Last sehr ungewohnt. Mittlerweile habe ich mir angewöhnt, im Totpunkt zu schalten, klappt mit der Zeit immer besser, auch bei schneller
Trittfrequenz. Was ich an der Rohloff liebe ist ihre Einfachheit. Ich mache mir keine großen Gedanken mehr beim Schalten, habe einen einzigen Drehgriff u. muss nicht über
den Schräglauf nachdenken. Nie wieder für einen einfacheren Gang erst mit dem rechten Schalthebel das Ritzel schalten und dann mit dem linken das Kettenblatt wechseln.





Ich schalte sogar deutlich häufiger als mit Kettenschaltung, z.B. an der Ampel, erst in einen leichten Gang und beim Losfahren dann fast alle Gänge einzeln im Totpunkt hoch.
Fast so, als würde ich beim Auto hochschalten. Man hat das Gefühl, den vollen Antrieb nutzen zu können, muss nicht aussetzen zum Schalten und dabei Schwung verlieren.





Was mir negativ aufgefallen ist war zum Beispiel der Chainglider. Wenn die Sonne scheint, ist er so gut wie gar nicht zu hören. Sobald es aber anfängt zu regnen
und man fährt durch einige Pfützen, knirscht das Ding so stark, dass ich denke, ich würde Diamanten mahlen. Andererseits haben das Etliche von euch
im Forum erwähnt und es scheint der Lebensdauer der Kette nicht abträglich zu sein. Sobald er trocknet ist er wieder leise. Bin am überlegen...





ob ich an das vordere Schutzblech einen Spritzschutzlappen befestigen soll. Der Marathon Extreme hatte nach 40km seinen ersten Platten.
Vorher bin ich mit Marathon Plus 6 Jahre pannenfrei gefahren. Ich hoffe es war nur ganz fieses Pech. Naja, immerhin war es das Vorderrad,
und ich habe feststellen können, dass sich Faltreifen toll wenden lassen, umso leichter war die Suche nach eingedrungenen Gegenständen.





Der Rahmen ist deutlich kürzer als mein alter, was am Anfang ungewohnt war, mittlerweile möchte ichs nicht mehr missen, komme mit den
Füßen trotzdem nur sehr selten an die hinteren Gepäcktaschen, und auch nur, wenn ich mit normalen Schuhen fahre und die Füße variabel
auf dem Pedal stehen. Sobald ich Clickies benutze habe ich keinerlei Taschenkontakt mehr. Dafür ist der kurze Rahmen deutlich agiler. cool





Ich kann jedem der gerne Fahrrad fährt wirklich nur empfehlen, auch mal so ein Projekt durchzuziehen - genügend Zeit
und Geld vorausgesetzt - man weiß das Fahrrad, welches man fährt, hinterher viel mehr zu schätzen.





Jede Kleinigkeit ist mit Bedacht u. Sorgfalt ausgewählt, so macht jeder Kilometer noch mehr Spaß.





Ich möchte mich bei euch allen für eure Hilfe und die vielen hilfreichen Tipps bedanken.





Ohne euch wäre das nicht möglich gewesen. Danke!

Greetz

Scheich Xodox

P.S.: Und zum Schluss noch eine Galerie mit hoch aufgelösten Versionen der Bilder.