Re: Sitzrohrschlitz: Ausrichtung nach hinten/vorn?

von: irg

Re: Sitzrohrschlitz: Ausrichtung nach hinten/vorn? - 21.07.20 13:36

Hallo!

In Antwort auf: bezel
In Antwort auf: irg
....
Tja, das ist jetzt alles offtopic. Der Rahmenbau beim Tandem ist eine sehr, sehr heikle Sache, so weit ich das verstehe. ..

Finde ich ganz interessant, kann mir aber nicht vorstellen, dass beim Tandem andere/größere Kräfte auf das Sitzrohr einwirken, als bei einem normalen Rad.
Die Meinungen sind (Schlitz nach hinten oder vorne) doch sehr unterschiedlich. Eindringender Schmutz sehe ich als das kleinere Problem, Belastbarkeit der betreffenden Stelle ist da schon wichtiger (vorausgesetzt natürlich immer, dass das Sattelrohr auch perfekt passt).


Wenn wir das genauer diskutieren wollen, sollten wir einen eigenen Faden auf machen, denke ich. Das braucht dann wohl länger.

Eine Antwort möchte ich dir noch so geben:
Die Belastungen, die ein Fahrradrahmen aus halten muss, wird man kaum rechnen können, da sie dynamisch sind. Da geht es mehr um Erfahrungswerte als um Messwerte. Diese sind bei Tandemrahmen höher. Erfahrungen mit Singlerahmen lassen sich nicht 1:1 auf Tandemrahmen umlegen.

Im Tandemrahmen hast du in vielen Bereichen längere Hebelarme und höhere Kräfte. Du hast aber im Grunde genommen nicht viel anderes Material als bei normalen Rahmen. Klar, manche Rohre sind noch mehr oversized, bei anderen hast du kaum Spielraum. Bei den Sattelrohren musst du dich an die erhältlichen Sattelstützendurchmesser halten, dazu bei den hinteren Sattelrohren an die maximalen Durchmesser außen, die dir die Schellen für die Werfer vor geben. Das engt die Konstruktionsmöglichkeiten ein. Natürlich könnte ein Konstrukteur Sonderlösungen erfinden, die werden aber sehr, sehr teuer.

Wenn ein Radfahrer alleine über eine Kante fährt, geht er (hoffentlich) davor aus dem Sattel und puffert so die Lastspitze ab. Am Tandem kann das der Captain vorne meistens, wie viele Stoker das machen bzw. machen können, ohne die Stabilität zu gefährden, weiß ich nicht. Ich kann das manchmal auch als Captain nicht machen, weil sich das Tandem mit Stokerin schwerer kontrollieren lässt, als ein Rad alleine. Deshalb werden an Tandems hinten meistens gefederte Sattelstützen verbaut, aber auch diese haben Grenzen. Dazu kommt, dass die Stoker oft gar nicht mehr Zeit zum Reagieren haben, da so ein Hindernis zu schnell kommt.

Auch wenn der Tandemrahmen so eine akute Spitzenbelastung gut weg steckt, hat sie ihre Auswirkungen. Ein Rahmen kann wegen einer Überlastung brechen, oder wegen eines Dauerschwingbruches. Viele Schwingungen mit hoher Kraft lassen das Material ermüden und sorgen später für Brüche. Die Rahmenbrüche von Tandemrahmen, die ich gesehen habe, waren alle Dauerschwingbrüche. Da sie meistens deutlich früher als bei einem gewöhnlichen Rahmen auftraten, deuten sie nach meiner Interpretation darauf hin, dass diese Rahmen weniger Reserven haben als normale Rahmen.

Natürlich kann man genauso stabile Tandemrahmen wie Singlerahmen bauen. Aber das braucht spezielles technisches Können der Konstrukteure (das nicht viele haben werden, es geht um ein Nebenthema mit überschaubaren Absatzzahlen) und kostet. Da Tandems ein Nischenprodukt sind, sitzen die Kostenrechner den Konstrukteuren sicher nicht weniger im Genick. Es wird auch schwieriger sein, Erfahrung zu sammeln.

Deshalb denke ich, dass nicht einfach ist, einen guten und bezahlbaren Tandemrahmen zu bauen. (Für viele der restlichen Teile am Tandem gilt das nebenbei gesagt auch. Da muss mit Standard-Teilen eine Lösung gefunden werden. Das ist machbar, aber alles andere als einfach.)

lg!
georg