Re: Lenkerbreite

von: EmilEmil

Re: Lenkerbreite - 30.09.22 10:11

Volle Zustimmung, @Gereon !
Wer ein Rad mit kleinen Laufrädern (z.B. 406-er Felgen) fährt und einige davon ausprobiert hat, weiß, daß einige von denen ein sehr nervöses Fahrverhalten haben. Die wesentlichen Parameter sind da Nachlauf und Radbelastung der Aufstandsfläche.
Der Nachlauf wird durch eine Vorbiegung verkürzt. Eine Vorbiegung von ca. 60 [mm] eines 622-er Laufrades (Trekkingrad) auf ein 406-er Faltrad übertragen bei sonst gleichen Geometrie-Werten des Rahmens führt zu einem nervösen Fahrtverhalten. Bei meinem 406-er Falter habe ich z.B. die Vorbiegung von ca. 60 [mm] auf 25 [mm] verkürzt. Danach war Freihandfahren möglich.
Beim Freihandfahren muß der Radler in der Lage sein (Lernen !) bei ganz wenig Schräglage (z.B. nach links) durch geringe weitere Schräglage nach links gegen die vorhandenen Rückstellkräfte (Reibung in der Radaufstandsfläche) das Vorderrad nach links zu drehen. Die Schwerkraft des vorderen Fahrradteils (evtl. inclusive Gepäck ) wirkt dabei am aktuellen Schwerpunkt und dreht das "Vorderrad". Dabei muß auch die Ruhereibung des Lenkungssatzes überwunden werden. Die eingeleitete schwache Kurve richtet durch die als Reaktion auftretende Zentrifugal-Kraft das Rad auf und leitet eine Schräglage nach rechts ein. Der Vorgang setzt sich mit jeweils umgekehrten Vorzeichen fort. Die Gerade-Ausfahrt eines Zweirades besteht aus einer Folge von schwachen Kurven. Zur Amplitude der Kurven: Auf einer 24 [cm] breiten weißen Fahrbahn-Markierung kann man auch ohne intensive Übung eine Studie zur Geradeausfahrt-Kurvenfolge durchführen.
Eine gewisse Gefahr besteht für die Lenkung des Rades bei Freihandfahrt, wenn das Vorderrad schon bei kleinen Lenkwinkeln zum Umschlagen (plötzlicher zu großer Radeinschlag) neigt. Dieser kann vom Radler nur durch einen Griff an den Lenker gestoppt werden. Dazu muß der Radler aber schnell und/oder früh genug handeln. Das ist dann eine Übungssache. Bei manchen Rädern geht das gar nicht (Nicht Freihand-fahrbar !). Weiterhin ist zuviel Reibung im Lenkungssatz für die Geradeausfahrt kontraproduktiv.
Bei Normalfahrt (Beide Hände oder wenigstens eine Hand am Lenker) werden die für die Geradeaus-Fahrt nötigen schwachen Kurven mit dem Lenker gesteuert. Ein Lenkausschlag wird durch ein Drehmoment über einen kleinen Drehwinkel erzeugt. Eine an einem Hebel (hier der Lenker) wirkende Kraft erzeugt dieses Drehmoment. Die Länge des Hebels verändert das Drehmoment. Aber auch die notwendige Kraft der Muskeln des Radlers und seine Erzeugung über den kleinen Drehwinkel spielen bei der Empfindung (komfortabel oder weniger ?) des Radlers eine Rolle. Die Variabilität der Menschen läßt da eine Vielzahl von Lösungen der Lenkerbreite zu, wie sich aus den bisherigen Beiträgen dieses Fadens ableiten läßt.
Zwei Dinge möchte ich zur Abrundung noch erwähnen (Praxiserfahrung):
Türen in einer Wohnung haben gut 80 [cm] Breite. Wer da durch muß, kann auch mit einem (normal breiten ?) 60-[cm]-Lenker zum Rangieren gezwungen sein. Breite MtB-Lenker (> 70 [cm] ?) stellen da besondere Anforderungen. Da hilft evtl. eine Schnellverstellung des Lenkers um 90 [Grd] parallel in Fahrtrichtung.
Bei einem wegen eines Einbaufehlers *) zerstörten unteren Lenkungslagers eines meiner Räder trat beim "Lenken" eine solche Schwergängigkeit (Zu hohe Lenkkräfte !) auf, so daß ich nach einiger Zeit (5 [km] ?) eine Fahrt-Pause wegen Muskel-Ermüdung im Oberarm einlegen mußte ! Da hätte auch ein breiterer (> 60 [cm]) nicht geholfen.
*) Dünnringlager, das normelerweise eine Stütz-Passung auf der hinteren Konusschale besitzt, war wegen Preßpassung der Radialfläche des Lagers in der Rahmenschale von mir schief eingebaut worden (Konstruktionsbedingt sollte da eine Spielpassung vorhanden sein). Natürlich habe ich das nicht bemerkt, weil man das nicht so einfach kontrollieren kann. Zur Lösung habe ich die Rahmenschale nachgearbeitet (Herstellung der Spielpassung) und ein neues Lager eingebaut. So ist das, wenn zwei Hersteller zusammen arbeiten müßten und patzen !)

MfG EmilEmil