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#1508769 - 02.09.22 00:43 Der Mount Helmos und der 5.8.2022
iassu
Mitglied
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Beiträge: 24.797
Dauer:
Zeitraum:
Entfernung:0 Kilometer
Bereiste Länder:

Hier der Bericht eines einzelnen Tages, an welchem ich mit dem Rad unterwegs war. Herausgelöst aus einem Reisebericht, der ansonsten keine Radreise beschreibt.

Das Städtchen Kalavryta liegt idyllisch auf 700 m Höhe in einem Hochtal am Fuße des Berges Helmos. Traurige Berühmtheit erlangte es durch das Massaker der Deutschen im Dezember 1943. Schon 1981 erzählte mir ein Hotelier auf Naxos, der sein Hotel Helmos genannt hatte, vom Schicksal seiner Heimat. 2016 hatte ich den Ort erstmalig besucht und war sowohl von der Athmosphäre am Massakerort als auch im Museum tief bewegt.

Seit damals aber gab es auch den Wunsch, auf den Berg zu fahren. Der Gipfel ist weithin erkennbar an der Astrostation in weiß, auf etwa 2300 m Höhe gelegen, Blick aus Westen. Man kann schräg oben den Weg erkennen, der um den Berg herum nach oben führt:





Auf der Nordseite befindet sich in 1700 m Höhe eine Skistation, bis dorthin ist die Straße asphaltiert. Was hier wie ein Unfall aussieht, ist nur die Lage, nachdem mich das Taxi hier oben ausgespuckt hat:







Hier geht es los. Der Weg biegt gleich nach rechts ab, was man als Fortsetzung sieht, ist die Skipiste:



Durchgehend bis zum Gipfel auf grobem Schotter. Zuerst durch den Wald:



Ab der Baumgrenze wird es so kahl, wie man es von weither und von unten aus dem Tal sieht:





Taubenschwänzchen in den Diesteln:



Blicke auch mal zurück:







Unglaubliche Lebensumstände hier auf 2000 m Höhe:



Noch habe ich es nicht geschafft:





Nach den nächsten Kurven aber habe ich das Ziel vor Augen:





Vorbereitungen für das Selbstauslöserfoto:



Oben:



Es hat 13° und es weht eine eiskalte, steife Brise. Ich habe extra den Gepäckträger montiert und die Taschen mit Schutzkleidung mitgenommen, ohne hätte ich es nicht geschafft.

Ausblicke:



Hinten der Golf von Korinth:



Dort unten bin ich vor 3einhalb Stunden losgefahren. Es liegt 600 m tiefer:



Tja und hier will ich deutlich werden: die 8 km hier herauf habe ich geschoben. Aber ich habe es geschafft und bin erschöpft und glücklich. Die Abfahrt war heikel, weil die steilen Stellen mit bis zu 15% Gefälle auf Schotter nunmal schwierig zu bewältigen sind. Die erste Rampe habe ich sogar abwärts geschoben, den Rest bin ich gefahren. Meine Scheiben quittierten den Staub mit heftigem Quietschen, hat hier oben niemanden gestört.

Der Ausblick nach unten, wieder auf Asphalt:



Mit jeder Kurve wurde es 1° wärmer, so alle 5 Minuten mußte ich eine Schicht mehr ausziehen. Im Kalavryta hatte es dann lauschige 35°. Als Schluß noch ein Bild von der Gedenkstätte:



Mein Highlight konnte ich wie geplant erreichen. Zum Rest der Reise, das Davor und Danach siehe den Bericht in Dies&Das.




...in diesem Sinne. Andreas

Geändert von iassu (02.09.22 01:56)
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#1510925 - 01.10.22 17:39 Re: Der Mount Helmos und der 5.8.2022 [Re: iassu]
veloträumer
Mitglied Übernachtungsnetzwerk
abwesend abwesend
Beiträge: 17.178
bravo Tolle Sache, Andreas! Ich wäre ja mit Rad den Asphalt gefahren hätte dann eine Schottertaxi bestellt. lach

Mein Dank an diesen Aufmerker liegt aber tiefer. So karg die Landschaft wie die Geschichte Trauer trägt. Ich habe gewiss auch wegen der beruflichen Disposition seinerzeit das Anliegen des Schlagzeugers Günter Baby Sommer verfolgt, der auch eines der vergessenen Massaker in Griechenland versuchte an das Licht der Öffentlichkeit zu bringen. Seine "Songs for Kommeno" mündeten in einem übergreifenden Musikprojekt zwischen ihm und griechischen Musikern und eingebunden die Menschen des heutigen Kommeno. Ich selbst hatte damals (ist ja auch schon 10 Jahre her) die Idee, vielleicht eine "Reise nach Kommeno" zu machen und Orte faschistischer wie auch sozialistischer Gewalt (Partisanen, Tito) auf dem Balkan bis Griechenland miteinander zu verbinden. Kennst du selber eigentlich Kommeno?

Letztlich habe ich meine Idee wieder verworfen, wohl eingeholt von vielen näherliegenden Radreiseprojekten ohne solch gehobene Mission. Nicht zuletzt war ja auch mein Vater im Krieg als deutscher Soldat in Griechenland (Kreta) und entwickelte als Ingenieur Waffen für Marineschiffe, ohne jedoch irgendwie Nazi zu sein. Leider weiß ich nicht mehr über diese Geschichte.

Nunmehr dieses Jahr war ich den Weiten Frankreichs unterwegs und stieß auch wieder auf zahlreiche Orte, wo sich die Resistance gegen die deutschen Besatzer werten und es an vielen Orten zu Massakern kam. Auffällig fragend blicke ich da auf scheinbar völlig unbedeutende Regionen abseits von strategischen Linien im Jura oder im Vercors, diese Gewalt in die letzten Ecken von Bergdörfern getragen. Ich schaue beklommen und auch zornig im Hier-und-Jetzt auf diese dunklen Wolken aus Osten, diese ungehemmte Gewalt von rückwärts gewandten Geistern. Die Hoffnung, wie sie Günter Baby Sommer zum Ausdruck brachte, bricht und bricht immer wieder: "Es sollte doch möglich sein, dass sich die Zahl jener Menschen erhöht, die bei Verbrechen einfach nicht mehr mitmachen." (s.a. Interview: Günter Baby Sommer im Gespräch über eine...line, Aug. 2012

..und wieder haben die Menschen nichts gelernt...
Liebe Grüße! Ciao! Salut! Saludos! Greetings!
Matthias
Pedalgeist - Panorama für Radreisen, Landeskunde, Wegepoesie, offene Ohren & Begegnungen
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#1510934 - 01.10.22 20:17 Re: Der Mount Helmos und der 5.8.2022 [Re: veloträumer]
iassu
Mitglied
Themenersteller
abwesend abwesend
Beiträge: 24.797
Hallo Matthias,

nein, im Kommeno bin ich nicht gewesen. Diese pure Lust am Zerstören und Quälen und Töten als Selbstzweck ist ja das, was einem an den meisten dieser Orte den Atem nimmt. Wehe, wenn sie losgelassen: ein Eindruck, der sich heute erneut einstellt beim Blick in den garnicht fernen Osten. Lügen, Zwänge und Alkohol sind dann probate Mittel, Menschen, in diesem Fall Soldaten, sich selbst zu entfremden und zu Werkzeugen anderer, keiner menschlichen Mächte zu machen. Grundmerkmale des Menschseins werden ausgeschaltet. So böse kann ein Mensch aus sich selbst heraus nicht sein. Wikipedia und andere Quellen liefern Einzelheiten.

Mein Besuch von Kalavryta 2016 hat mich erschüttert. Im Museum und am Ort des Massakers wird einem schwindelig bei der Kenntnisnahme der Ereignisse und der Details. Es geht das Kopfkino los: damals waren diese Orte zwar im Krieg, Partisanenkampf, Angst, Schrecken, Wut und Verzweiflung, aber bis zum Tag X war doch irgendwie alles äußerlich wie immer.

Kalavryta wird beschrieben als eine besonders hochstehende Kleinstadt mit kulturellen und sozialen Ansprüchen, die bis dahin Seltenheitswert hatten, auch und gerade in der griechischen Provinz. Das Kopfkino spielt mit der Idee des jetzt und heute. Gewiss, die Kriegs-Alltag-Voraussetzungen fehlen gänzlich. Aber einige 100e km weiter östlich sind sie Realität.

Die Umschaltung von gerade noch Normalität und jetzt einem sich verwirklichenden Bösen als Selbstzweck: wo und wie geschieht das? Gibt es Merkmale, die solche Entwicklungen vorbereiten? Was passiert gerade jetzt um mich herum, dort, wo ich gewohnt bin, Normalität um mich zu haben?

Man läuft durch diese Orte und fragt sich: das war 1943. Gemessen an geschichtlichen Zeitdimensionen ein Fliegenschiß. Wie vorgestern. Und irgendwie bleibt da was. Kann sich ein solcher Ort von derart Unbeschreiblichem erholen? Kalavryta sieht man, besser spürt man erstmal nichts derartiges an. Was aber, wenn man die Stadt vorher gekannt hätte? Ist da heute, zumal wenn die Touristen weg sind, eine Grundlähmung spürbar?

Vielleicht wollen viele oder die meisten Jetzigen von "damals" nichts mehr hören, wollen ihr heutiges Leben nicht immer und immer in Verbindung mit dem 13.12.1943 gebracht sehen oder sich gar als eine Art begaffenswerte Nachkommenschaft der Opfer reduziert wissen. Vor dem Museum und oben am Massakerort konnte ich auch später jetzt keine Besucheranstürme erleben. Ist das gut so? Ich kann es nicht bewerten.

Und dann gibt es da noch den Schatten dessen, daß Nationalitäten heute nurmehr Wahnideen sein können und sollten, aber daß die Realität dem nicht überall entspricht. Ich habe in den 41 Jahren Griechenland zwar nie Resentiments erlebt, die mir als Deutschem gegenüber gebracht worden wären. Ob es aber auch keine gab, oder ob das eben nicht gezeigt wurde, keine Ahnung. (Was ich in den Achtzigern erlebt habe, war eine Glorifizierung des Partisanenkampfs in Nordgriechenland. Der Feind schien dabei austauschbar: Türken, Deutsche, Bürgerkriegsfeinde.) Dennoch beschleicht mich ein Schamgefühl, als Deutscher weniger als drei Generationen später an solche Orte zu kommen.

Ich habe glaube ich insgesamt 4 solcher Orte besucht und bin nicht mehr derselbe geblieben wie davor.
...in diesem Sinne. Andreas
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