Ravioli-Reise
Wroclaw/Breslau - Opole - Gliwice - Oswiecim - Krakow/ Krakau (alle Polen) - Trstena - Zilina - Trencin - Trnava - Bratislava (alle Slowakei)
Wir haben unsere Überraschungsreisen wieder eingeführt. Ich war mit dem Planen dran, und Darina wünschte sich einen Campingausflug. Theoretisch würde das Wetter im April passen, irgendwie.
Als Ostern immer näher rückte, wurden auch Darinas Fragen nach Hinweisen dringlicher. Ravioli und Norden waren mir zu entlocken. Nun gibt es Ravioli in zahllosen Formen mit unterschiedlichen Namen und Füllungen in ganz Europa, und selbst Malta wäre gross genug, um eine Nordseite zu haben. Aber andererseits haben uns alle unsere letzten Reisen nach Südeuropa geführt, also könnte Norden tatsächlich Norden bedeuten!
Polen
Simple Train , ein Schweizer Unternehmen, das auf internationale Zugreisen spezialisiert ist, organisierte die Fahrkarten, die uns über München und Berlin nach Breslau in Polen brachten. Darinas Eingeständnis, dass Wroclaw auf ihrer To-Do-Liste stand, gab mir das Gefühl etwas richtig gemacht zu haben. Übrigens kam Wroclaw auch auf unserer virtuellen
Tour vor (Nr.8), und Darina hatte damals als Hinweis für mich Pierogi (polnische Teigtaschen) zubereitet.
Wroclav wurde nach dem Zweiten Weltkrieg Teil Polens, als sich das gesamte Land nach Westen verlagerte und viele Menschen aus der ehemaligen polnischen Stadt Lviv nach Wroclaw umzogen. Das erklärt zum Teil die zahlreichen ukrainischen Flaggen in der Stadt, obwohl sie im ganzen Land verbreitet waren. Polen unterstützt die Ukraine sehr, nicht nur wegen des gemeinsamen Feindes.
Der grösste Teil der Altstadt wurde nach dem Krieg stilgerecht wiederaufgebaut. Sie hat den zweitgrößten mittelalterlichen Marktplatz (nach Krakau), aber was uns besonders gefiel, waren die hunderten von Zwergskulpturen in der ganzen Stadt.
Die Zwerge fanden, dass grössere Fotos ihrem Wesen nicht gerecht würden
Für etwas mehr Mittelalter kann man auf der Sandinsel den Gaslaternenanzündern jeden Tag in der Abenddämmerung zuschauen.
Das Radfahren aus der Stadt heraus war kein Problem, denn die Radwege waren zahlreich und gut ausgebaut und der Verkehr war sehr höflich und geduldig.
Rast
Fasane gabs jede Menge.
Radwege die gefallen
Wir radelten meist entlang der Odra/Oder und der Wisla/Weichsel bis Krakow. Die Landschaft war sehr flach, so dass viel Platz für den sich ständig verändernden Himmel blieb.
Wir fuhren auch durch einen Teil des Kohlebergbau- und Stahlwerksgebiets, und wie das deutsche Gegenstück im Ruhrgebiet ist alles sehr grün und sauber.
Oswiecim, besser bekannt unter dem Namen Auschwitz, ist ein Ort, der das Herz eines jeden berührt. Die Grausamkeiten zu sehen, zu denen die Menschheit fähig ist, ist einfach entsetzlich. Allein die Stapel von Schuhen, die Menschen trugen bevor sie zu Opfern gemacht wurden, geben eine winzige Vorstellung vom Ausmaß dieses verstörenden Völkermords. Ein Besuch in Auschwitz ist eine ernüchternde, düstere Angelegenheit. Und das es auch heute noch Armeen von Leuten gibt die sich nicht einmal Empathie leisten können/wollen ist einfach nur daneben.
Krakow war auf jeden Fall einen Ruhetag wert. Mit der Altstadt und dem jüdischen Viertel könnte man sich ein paar Tage lang beschäftigen. Hier können wir das
Boutique Aparthotel sehr empfehlen, nicht zuletzt wegen des herzlichen Empfangs und der hervorragenden Gastfreundschaft von Mohammed. Shukran Mohammed!
Igor Mitoraj's Eros Nachdem wir diese wunderschöne Stadt am wärmsten Tag unserer Reise zu Fuss erkundet hatten, öffnete der Himmel seine Schleusen und die Temperaturen sanken. Die Prognosen für das Osterwochenende verhiessen nichts Gutes. Wir verließen eine frisch gewaschene Altstadt auf ausgezeichneten Radwegen und eigens dafür gebauten Brücken in Richtung Tatra-Gebirge.
Es war nicht nur nass, auch alle Geschäfte, Kioske und Restaurants in der Umgebung waren geschlossen. Ostern ist in Polen offenbar genauso wichtig wie Weihnachten. Mit knurrenden Mägen kletterten wir durch eine Regenwolke und hofften auf mehr Glück auf der slowakischen Seite der Grenze. Feuerwehrleute mit goldenen Helmen zogen in überfüllte Kirchen ein und aus. Wie wir später lernten stehen sie dann stramm vor dem Altar, während die Passion Christi verlesen wird. Beim Stichwort Kreuzigung fallen sie dann dramatisch in Ohnmacht, genau wie die Soldaten auf dem Kalvarienberg vor 2.000 Jahren. Natürlich können wir die Verkäufer und Köche verstehen, die sich ein bisschen Auferstehung nicht entgehen lassen wollen 😉 .
Kurz vor der Grenze haben wir uns schließlich an einer Zapfsäule verköstigt und Polen glücklichen Magens verlassen.
Slowakei
Wir hofften auf ein wenig Landschaft, schließlich waren wir in der Tatra-Region, aber es gab nur schneebedeckte Hügel zu sehen, allen höheren Gipfeln verschwanden in den Wolken.
Also konzentrierten wir uns auf traditionelle Dörfer und Schlösser. Das Schloss Orava in der Nähe von Dolny Kubin ist definitiv einen Besuch wert. Die Burg, die das Orava-Tal von ihrem Sitz aus kontrolliert, beherbergt eine schöne Sammlung von Ausstellungsstücken, darunter auch ein Kalb mit zwei Köpfen (ok, nicht das relevanteste Exhibit).
Wir können die Hauptstrasse 18 nach Strecno nicht wirklich empfehlen, viel zu viel Verkehr auf einer Strasse, die zu schmal ist, um ihn zu bewältigen. Es gibt eine Alternative nördlich davon (583), aber wir wussten nicht, wie schlecht die Hauptstraße sein würde, und ausserdem hatten wir einen Schneesturm, der das Klettern über einen Pass nicht gerade prickelnd erscheinen liess. Im Nachhinein würde ich das aber sehr empfehlen.
Von Strecno aus hatten wir meist ausgezeichnete Radwege entlang des Flusses Vah oder eines Kanals, der parallel zu ihm verläuft, und wenn nicht, dann eine ruhige Nebenstraße. Städte wie Zilina, Trencin, Piestany und Trnava waren reizvolle Stationen, und auch Bratislava hat seinen eigenen Charme.
Darinas Solarpanel kann mit dieser Anlage nicht konkurrenzieren
Bratislava's Insta-Magnet
Der April ist in dieser Gegend ein Glücksspiel, wir haben nicht ein einziges Mal gezeltet und hatten fast jeden Tag unsere Regenkleidung an, aber wir hatten eine gute Zeit, trafen sehr freundliche Menschen, genossen die lokale Küche (nicht nur Ravioli 😉 ) und ich war sehr zufrieden mit den lokalen Bieren.
Prost
Die Fahrradinfrastruktur ist meist fabelhaft, und die Autofahrer sind vor allem in Polen respektvoll und geduldig (Ausnahme war die oben erwähnte Strasse Nr.18). Für etwas mehr Wärme hätte Ostern einfach etwa einen Monat später stattfinden sollen.
Für die Freunde bewegter Bilder gibt's auch dieses mal ein
YouTube Video Viel Spass damit
Kurt