Sibirische Ostern im Schwarzwald und Markgräfler LandDie Ostertage sind ja ein verzweifelter Versuch, in der Winterzeit ein Frühlingsfest abzuhalten. Dass es in diesem Jahr kein Radfahrerwetter werden würde, sagten die Wetterfrösche voraus. Doch der kraftlos gewordene Radler sucht nun mal den kleinsten Strohhalm, um den Ketten des zermürbenen Winters zu entkommen. So entschied ich mich kurz vor Mittag am Karfreitag, doch mit Zelt im Gepäck für einen Kurzurlaub (2 Backpacker, Lenkertasche).
Noch bis Tübingen glaube ich, mich für die Bodenseeregion zu entscheiden. Schließlich ziele ich doch auf den Schwarzwald und Deutschlands „wärmste“ Gegend, die ich eher „sibirisch“ erlebte. So kam es zu folgender Route:
Fr, 2.4.
Stuttgart - Böblingen - Holzgerlingen (ca. 500m) - Tübingen - Bad Niedernau - Hirrlingen – Haigerloch (ca. 550m) - Empfingen - Mühlhausen - Sulz/N. - Weiden – Dornhan (ca. 685m) 120 km - 16,9 km/h - 6:55 h – 1265 Hm
C: wild 0 €
AE: Salat, Fetuccine al forno (Schinken, Pilze), Rw 16,90 €
Sa, 3.4.
Dornhan - Alpirsbach - Schiltach - Haslach - Heidburgpass (530m) - Elzach - Denzlingen - Freiburg - Bollschweil - Staufen - Britzingen - Schwärze (435m) - Badenweiler – Neuenburg144 km - 17,9 km/h - 8:02 h, 920 Hm
C: Dreiländercamping Gugel 13,50 €, inkl. Hallenbadbenutzung
AE: Andal. Knoblauchsuppe, pan. Schnitzel, PF, Salat, Schoko-Nougat-Crepes m. Walnusseis, Rw 27,50 €
So, 4.4.
Neuenburg - Auggen - Feldberg - Pfilb (416m) - Obereggenen - Sehringen (540m) - Badenweiler - Zunzingen - Dattingen - Heitersheim - Bad Krotzingen - Mengen - Bötzingen - Nimburg - Riegel - Kenzingen - Broggingen - Wallburg - Kippenheim - Lahr - Oberschopfheim – Zunsweier132 km - 17,4 km/h - 7:34 h – 890 Hm
C: wild 0 €
AE: Tomatensalat, Tagliatelle San Daniele (Pfifferlinge, Schinken), Eis m. heißen Himbeeren, Espresso, Rw 22,10 €
Mo, 5.4.
Zunsweier - Offenburg - Durbach - Ebersweier - Nussbach - Achern - Bühl - Varnhalt - Fremersbergstraße (ca. 310m) - Baden-Baden - Gernsbach - Käppele (538m) - Bad Herrenalb – Dobel (ca. 700m) - Höfen - Langenbrand (ca. 680m) - Unterreichenbach - Schellbronn (ca. 500m) - Neuhausen - Hausen – Perouse (ca. 450m) - Leonberg |(S-Bahn| Stuttgart134 km - 16,0 km/h - 8:22 h – 2450 Hm
An allen Tagen war es kühl, besser gesagt kalt (tagsüber 4-14 °C). Es gab immer wieder kleine sonnige Aufhellungen, wirklich erwärmend blieb die Sonne aber selten (etwas im Elztal z.B.). Überwiegend war es aber bedeckt. Es tröpfelte einige Male unwesentlich, am Samstag hielt ich für kurze Zeit in Haslach, im Elztal und am Sonntag am Nimburger See an (Schauerregen). Es herrschte überwiegend Südwind, ab Sonntagnachmittag dominierten westliche Windrichtungen. Die Fühltemperatur lag deutlich unter dem realen Wert. Der kälteste Tag war Montag (morgens nasskalt), der stärkste Windtag der Sonntag – hier wäre eine ausdauernde Südfahrt undenkbar gewesen. Vermutlich habe ich aufgrund der langen Gegenwindfahrt am Samstag mir einen Knieschaden zugezogen – zudem lag ich nachts mit dem Knie auf einer Plastikkante der Radtasche. Der Schmerz, ausgehend von der Partella-Sehne, ist nach einer Woche noch stark genug, um mich am Radeln zu hindern.
Die Nächte im Zelt waren machbar, durch die relativ trocken-kalte Luft war die Dornhan-Nacht – obwohl die kälteste bei ca. 2 °C – die angenehmste. Wenig Tröpfeln, stärker regnete es in der Nacht in Neuenburg und noch mehr in Zunsweier. Hier wurden auch durch die feuchte Wiese die Schuhe nass und ich musste in einem Cafe in Offenburg meine Schuhe trocken reiben, was letzlich zu einer über einstündigen Pause führte. Der Wildcampingplatz in Dornhan war angenehm am Waldrand auf Moospolster, in Zunsweier ist man bereits in der Kinzigtal-Ebene bei Offenburg und es ist schwieriger einen geeigneten Platz zu finden.
Am Samstag wollte ich eigentlich auf dem Camping in Badenweiler übernachten. Dort sollte ich
20 Euro bezahlen (vielfach gelten Ostern Hochsaisonpreise). Bei solcher Witterung und als wohl einiziger Zeltcamper finde ich jedoch einen solchen Preis Anfang April einfach unverschämt. In Neuenburg ist der Preis sicherlich gerechtfertigt, da die Benutzung des Hallenbads im Preis eingeschlossen ist (8-20 h). (Gegen Extra-Gebühr ist auch Saunieren möglich.) Ich bin morgens ein paar Runden geschwommen. Sanitäranlagen gut beheizt. Im Gelände befindet sich ein Restaurant, das nicht nur dem Namen nach „Au Savoir Vivre“ eine bessere Küche pflegt – allerdings aber auch nicht ganz billig. Die anderen Abende in Zunsweier und Dornhan aß ich jeweils bei den Italienern des jeweiligen Ortes. In allen Fällen auch gute Küche, in Dornhan gab es als Bonus noch einen Kirschlikör.
Die Route:
Um nicht die langweilige Neckarroute zu fahren, nahm ich von Bad Niedernau den Weg via Haigerloch. Unmittelbar vor Haigerloch muss man eine ätzende Gerade bewältigen – was bei dem Wind besonders nervig war. Die Route zuvor via Hirrlingen (bis Hirrlingen für mich neu) aber empfehlenswert (Blick ins Eyachtal). Deutlich die Temperaturunterschiede zu merken beim Aufstieg zum Schwarzwald: Im Neckartal noch 11 °C, sank diese auf 6 °C beim Anstieg südlich von Sulz/N. nach Weiden. Diesen Anstieg war ich auch noch nie gefahren, ist aber ähnlich zu anderen in der Gegend. Buchenwald, da noch ohne Laub, lange Ausblick ins Neckartal. Die Schwarzwaldebene bei Dornhan ist eher öde.
Aus der Witterungssituation heraus muss ich hohe Schwarzwaldhöhen meiden, weil es mir zu kalt ist, in der Nacht hat es sogar ab ca. 850 m Neuschnee gegeben. Der Weg führt entsprechend auf mir gut bekannter Route via Kinzigtal und Heidburgpass nach Freiburg. Sogar aus der Freiburger Gegend im Elzal sind die meisten Schwarzwaldkuppen schneebedeckt. Selbst in Freiburg ist es bitterkalt – trotzdem fortgeschrittene Blüte. Wenigstens ein paar Höhenmeter liefern schießlich die Auf und Abs im Margräfler Land. Von Britzingen aus gibt es eine Abkürzung nach Badenweiler (statt über Müllheim) – allerdings knackige Steigung. Vom Parkplatz Schwärze aus ergibt sich ein guter Blick auf Badenweiler auf dem Gegenhang. Der bereits angesprochen Camping liegt unterhalb der Stadt – kommt bei mir aber auf die Rote Liste.
Aus der Oberrhein-Ebene bei Neuenburg geht im Weinort Auggen eine kleine Straße (muss man suchen) nach Feldberg. Ein harte Rampe. Noch vor Feldberg gelangt man auf die besser ausgebaute Straße von Vögisheim, die eine Art Passhöhe darstellt. Nach Feldberg geht es noch weiter weniger steil hinauf, bevor man nach Feldberg in eine Talmulde fährt. Weinberge und ursprüngliche Obstwiesen prägen eine liebliches Landschaftsbild, teils blickt man weit nach Süden Richtung Schweiz oder zu den Vogesen, die im Gegensatz zum Vortag nun auch sichtbar sind und die Schneekuppen zeigen. Das folgende Eggener Tal ist bekannt für seine Kirschen – man sollte es unbedingt einmal fahren, wenn Blütezeit herrscht – also 2-3 Wochen nach meiner Tourzeit. Es ist eine herrliche Landschaft.
In Obereggenen finde ich einen Bauernhof, der an der Straße unbemannt außer den üblichen Äpfeln auch Marmeladen und Kuchen anbietet. Hier gilt noch Vertrauen: Man zahlt in eine Kasse, ohne dass jemand aufpasst. Ich nehme mir den hausgemachten Nusskuchen à 5 Euro. Von Obereggenen steigt die Straße wieder an und trifft irgendwann auf die Straße von Kandern nach Badenweiler. Man kann zuvor auch abkürzen – es lohnt sich aber die Schleife durch das Örtchen Obereggenen zu fahren – auch wegen der dann vielfältigen Panaromablicke ins Eggener Tal. Die Halbhöhenstraße nach Badenweiler verläuft unterhalb des Blauen und bietet zwischen dem Laubwald immer wieder Panoramablicke Richtung Oberrheinebene und Vogesen. Ünerraschenderweise zeigt sich der Blauen ohne Schnee, obwohl niedrigere Berge anderswo schneebedeckt sind. Wer will kann das von Dichtern besungene barocke Kleinod Schloss Bürgeln per Stichstraße besuchen.
Auch die von mir gewählte Route zwischen Badenweiler und Heitersheim ist keineswegs flach. Kleine knackige Anstiege führen nicht nur in Weinberge, sondern auch durch alte, in Löß gefurchte Hohlwege, die besondere Biotope zwischen den bewirtschafteten Kulturflächen bilden. Zwischen Heitersheim und Kenzingen folgt eine reine Flachstrecke. Man kann bei Bötzingen allerdings in das hügelige Kaiserstuhlgebiet fahren. Leider sind die Blüten dieses Jahr noch nicht so weit entwickelt gewesen wie im letzten Jahr zu Ostern (war auch später), sodass die Fahrt bei entsprechend schlechter Witterung weniger reizvoll war. Eine hübsche Hügelroute durch offenes Feldland folgt jenseits von Kippenheim via Broggingen, Wallburg, Oberschopfheim nach Zunsweier – zwischenzeitlich über einen teils nicht asphaltierten Radweg.
Nördlich von Offenburg folgen erneut kleinere Hügel, zunächst eine schöne Waldpassage (Kuckucksblumen), von der das Offenburger Mountainbike-Revier abzweigt. Bei Nussbach Richtung Achern dann weite Blicke nach Norden ins Bühlertal über offene Ackerflächen und Obstbaumwiesen. Aus der Oberrheinebene fahre ich schließlich die anspruchsvolle Hügelroute zurück Richtung Stuttgart. Dabei ist es selbst in Baden-Baden so kalt, dass man kaum flanierenden Charme beobachten kann. Auf den Höhen wird es nochmal kälter, in Dobel und Langenbrand sind es gerade mal noch 5 °C – die Lunge kneift schon ein wenig. Mein Knie schmerzt mittlerweile höllisch und ich hätte in Loffenau schon vom Rad springen können. Eingefahrene Bewegungen und auf den Abfahrten von der Kälte wohl betäubt überwinde ich mich zwar – muss aber im Nachhinein den Preis nunmehr als Radinvalide zahlen. In Leonberg ist bei Einbruch der Dunkelheit die Temperatur auf 3 °C gesunken und ich beginne mich unterkühlt zu fühlen. Entsprechend nehme ich für den letzten Abschnitt noch die S-Bahn – was länger dauert, als die Radfahrt unter regulären Bedingungen.
Die ausgewählten Bilder gibt es
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