Die Kniepokalypse der
Fünf Flüsse Tour zwickt und zwackt noch immer etwas. Und ist der Pfad der Genesung auch nicht vollends beschritten, so zieht es mich doch wieder hinaus ins
exotische zünftige Bayern. Voller Kurbeldrang und der kühnen aber groben Vorstellung einer grenzüberschreitenden Route durch den Bayer- und Böhmerwald, delegiere ich die Detailplanung an Sir Garmin. Der Modus: Mountainbike. Vom Reisefieber angesteckt gesellt sich obendrein ein Freund, Stefan, zum Bund, der von Knall auf Fall mit geliehenem Rad und
hoffnungslos optimistischer Ausrüstung die Tour gemeinsam zur Strecke bringen will. Keiner von uns hat dabei jedoch mit dem
Navigatos Diaboli gerechnet. Dem Grauen von Garmin!
Tag 1 - Regensburg bis (beinahe) Neubäu (~70km, ~1500hm)(via Burglengenfeld, Maxhütte-Haidhof, Teublitz, Nittenau)

Bei sonnigem und sommerlich warmen, jedoch nicht brütend heißem Wetter, machen wir uns Freitag vormittags auf den Weg und lassen alsbald das ehrwürdige Regensburg hinter uns. Sir Garmin führt uns souverän durch die Landschaft - vom angepriesenen Wald und seinen Wegen fehlt allerdings noch jede Spur. Noch kurz vor dem Start habe ich kunstvoll den cycle2charge-Lader geschrottet. Bei der Montage eines im Winkel variablen Vorbau wurde wie von Geisterhand das Stromkabel durch den Ahead-Kopf durchtrennt. Egal, ich habe ja noch die Super-Solar-Power und an Sonne soll es die nächsten Tage nicht mangeln.
Die Frische und das moosige von Holz durchtränkte Bouquet des Waldes gibt sich ein Stelldichein und ehe wir auf den Hauptweg geraten, dürfen wir uns noch ausgiebig an kleinen Zubringer-Wegen wie diesen erfreuen. Sir Garmin lässt jede Abzweigung zum Ratespiel werden. So fahren wir oft einige Meter in die falsche Richtung, ehe sich Sir Garmin bequemt und wacker zum Rückzug piepst.
Bei einer Pause, nun auf dem Hauptweg angekommen und nach den ersten frisch verdauten Höhenmetern, philosophieren wir über den Ursprung des Selbstauslösers und fingieren nebenbei trefflich ein beinahe zufälliges Foto. Wir lassen zudem die Dampfe kreisen. Obendrein entdecken wir, was die Leute so alles liebevoll an ihre Bäume nageln ...
... Ritterfiguren!
Nach weiterer mühsamer Kraxelei bietet sich uns ein erstes Panorama. Darauf folgt eine rasante Abfahrt nach Katzheim.
Miau!
Nach etwa 35km erreichen wir planmäßig das ausgesuchte Zwischenziel, den
Wildpark Höllohe bei Teublitz.
Und nach einer gestandenen Brotzeit, bestehend aus Lachssemmel, Wurstsalat und einem kühlen Radler ...
... dessen Etikett ein typisch bayerisches Reiserad mit Weißbier-Antrieb zeigt ...
... machen wir dem inoffiziellen königlich bayerischen Wappentier, der Wildsau, unsere Aufwartung. Ein huldvolles Grunzen später ...

... finden unsere erworbenen Futtertüten bei dieser Spezies reißenden Anklang.

Und auch jener ist einem kleinen Zubrot nicht abgeneigt.

Weiter geht es vorbei an illustren Seen, die sich in dieser Gegend zahlreich zu Wasser lassen.
Hinauf auf stark schotterndem Untergrund. Für einen von uns ist der Anstieg zu lang und zu steil.
Und es zieht sich und zieht sich.
Abwärts gehts auf einem schön gewundenen Trail ...
... der keine Langeweile aufkommen lässt.
Kaum unten angekommen, schickt sich schon der nächste Anstieg an. Die Mecker-Frequenz Stefans steigt parallel dazu an. Er fährt sprichwörtlich auf dem Zahnfleisch. Leider hat die im Voraus von Garmin angegebene Höhenmeter-Zahl von angeblich 700hm hinten und vorne nicht gestimmt und den eigentlich moderaten und Anfänger freundlichen Plan zunichte gemacht. Ich biete alle meine Motivationskünste auf, doch es wird zunehmend schwerer zu ihm durch zu dringen. Zumal die Anstiege auf Waldwegen deutlich mehr Kraft kosten, als auf Asphalt.
Aus die Maus. Das Tagesziel Neubäu mit Camping am See liegt zwar nur noch 10km entfernt, diese sind aber für Stefan unerreichbar. Die letzte Stunde hatten wir einen 4km/h Schnitt. Er ist völlig erschöpft. Wir entschließen uns die Etappe abzubrechen und lassen uns von Garmin bergab ins Flusstal lotsen.
Diese Nacht campen wir wild und in Ermangelung erreichbarer Alternativen gut sichtbar zwischen zwei Dörfern auf einer abgemähten Wiese. Obwohl ständig Autos auf der etwas entfernten Landstraße vorbei fahren, werden wir nicht behelligt. Etwas seltsames scheint jedoch in einem der Dörfer vor sich zu gehen, denn die ganze Nacht über und auch noch morgens schreien dort die trunkenen Burschen brünftig durch die Gegend. Später wird dieses seltsame Geschrei jedoch von einem imposanten Frosch-Konzert übertönt. Die Mücken sind hier unten eine besondere Plage und zum ersten Mal kommt die chemische Keule zum Einsatz. Antibrumm Forte - und es wirkt erstaunlich gut. Fortissimo!
Tag 2 - (Beinahe) Neubäu bis Viechtach (~70km, ~1200hm)(via Roding, Cham, Miltach)
Nach dem Frühstück deutet mein Begleiter an, dass er die Tour abbrechen möchte. Er ist noch immer fertig vom gestrigen Tag. Nach einiger Diskussion steht schließlich fest: In Roding steigt er in den Zug und ich fahre alleine weiter.
In Roding angekommen warten wir in einem Biergarten in der Nähe des Bahnhofs auf den Zug. Der kleine Entdecker hier gehört zu einer ganzen Schar von Biergarten-Katzenbabys, die mitsamt der Mutter zur Unterhaltung der Gäste angetreten sind.
Wir verabschieden uns und Stefan steigt in den Zug. Dass die Tour für ihn so blöd wie kurz gelaufen ist, daran ist Sir Garmin Schuld. Die zahlreichen Höhenmeter haben ihn überfordert - hätte Garmin mir vorher die wirklichen Höhenmeter angezeigt, statt eine hoffnungslos unterschätzte Angabe, hätte ich ganz anders geplant. Für die Zukunft vereinbaren wir, eine nächste gemeinsame Tour lieber einen Fluss entlang zu legen. Etwa der Donau-Radweg.
Allein in Roding zurück geblieben tröste ich mich mit Dürüm und Coke.
Dieses Ungetüm im Straßenbau kostet mich eine Menge Nerven und eine halbe Stunde Zeit, um eine Umfahrung zu finden. Auch hier ecke ich mit Sir Garmin an: Seine Unfähigkeit Baustellen zur Kenntnis zu nehmen, führt zu einem Totalverlust der Navigation. Mit Fragen und einigen unbedeutenden Übertretungen von Absperrungen komme ich schließlich doch noch vorbei und Sir Garmin ist wieder happy.
Da sowohl das Warten auf den Zug als auch die Baustelle einiges an Zeit gekostet haben, entschließe ich mich eine Weile lang auf dem Regental-Radweg zu cruisen. Hier geht es Flotti Karotti nach Cham.
Der zentrale Platz von Cham ...
... beherbergt auch diesen kleinen Eisbecher.
Hinter Cham und Richtung Miltach verlasse ich den Regental-Radweg, um in den Naturpark Oberer Bayerwald einzutreten - und bekomme dort wieder saftige Steigungen geboten.
Dafür aber auch herrliche Landschaft.
Und auch Trails sind wieder am Start.

Abends erreiche ich den Campingplatz
Kratzmühle, der für meinen Geschmack fast etwas zu heftig auf Erlebnis-Urlaub gemünzt ist. Das Publikum ist zahlreich, vieles davon noch Kinder und es fühlt sich insgesamt eher nach einem Freizeitpark an. Dennoch, das Personal ist freundlich, für Reiseradler gibt es einen vergünstigten Tarif und die Sanitäranlagen sind hübsch und sauber. Allerdings ist der Boden hart wie Beton, darunter eine Fels- oder Steinschicht. Unmöglich da einen Hering hinein zu treiben.

Fürs Abendessen gehe ich ins Restaurant am Platz und futtere nach einer Vorspeisen-Suppe dieses Prachtexemplar eines Angus Burgers. Auch wenn es nicht explizit drauf steht, lässt sich getrost sagen: "Du darfst!" - mein Körper verlangt geradezu nach deutlich gesteigerten Mengen Protein reicher Kost.
Tag 3 - Viechtach bis Nyrsko/CZ (~70km, ~2400hm)(via Bad Kötzting, Thening, Neukirchen b. hl. Blut, Rittsteig)
Morgens stehe ich früh auf, um rechtzeitig los zu kommen, da mir heute der härteste Tag der Tour bevor steht. Ich will nach Tschechien und das geht nur über den einen oder anderen Berg. Wie ich gerade mit dem Packen fertig bin, steht ein ca. 8 jähriger Junge seinem Ball vor mir und bettelt, dass ich mit ihm Volleyball spiele. Er überzeugt mich mit seiner treuherzigen Art und ich komme dann doch wieder nicht früher los. Dafür bin ich immerhin schon aufgewärmt. Und Spaß hat es auch gemacht.
Blick zurück nach Viechtach. Das Wetter ist etwas unruhiger als zuletzt, aber überwiegend sonnig. Die Steigungen sind deftig. Ich schwitze das Wasser schneller aus, als ich es oben wieder hinein schütten kann.
Mit leerer Wasserflasche - und nur noch einem Liter in stiller Reserve - komme ich in einem Bergdorf an diesem "Kein Trinkwasser"-Heiligen vorbei. Wie das Wasser dort lockt und sprudelt, während mir die salzige Zunge am Gaumen hängt wie ein lausiger Lederlappen. Vielen Dank auch! Zum Glück ist eine Anwohnerin so nett mir anstatt des Heiligen Wasser zu spenden.
Weiter geht es durch Bilderbuch-Panoramen, deren imposanter Eindruck von keiner noch so fiesen Steigung geschmälert werden kann.
In Bad Kötzting ist Pfingstfest und ich nutze die Gelegenheit für einen kleinen Bummel über den Rummel. Neben mit Schokolade überzogenen Trauben gibt es eine weitere Lachssemmel für den Antrieb.
Die Grenze rückt näher und die Schilder werden zweisprachig. "Grünes Dach" ist eine gute Umschreibung für die kommende Passage.
Ich bewältige den härtesten Anstieg der Tour. Hinauf auf den Hohen Bogen bei Hundszell. Mehrere Kilometer lang Steigungen von 10% aufwärts. Nach gut zwei Dritteln fährt auf einmal die Feuerwehr heran und ich bin irritiert. Die Auflösung erfolgt rasch und ist nicht angenehm. Ein Gleitschirmflieger ist in dem Hang, den ich gerade hinauf strample abgestürzt und hängt jetzt irgendwo in einem Baum. Er konnte über sein Handy die Feuerwehr alarmieren, die wusste aber noch nicht wo genau er steckt. Ich wurde zum Scout "ernannt" und bekam die Handynummer der Einsatzleitung und sollte berichten, falls mir auf meinem weiteren Aufstieg etwas auffallen würde. Zuvor waren immer mal wieder undefinierbare Rufe durch den Wald gehallt - die wohl von dem verunglückten Flieger stammten. Auf meinem weiteren Weg nach oben konnte ich jedoch weder die Rufe nochmal hören, noch sonst eine Spur finden. Zwei entgegen kommende Wanderer, die wieder ins Suchgebiet einwanderten, habe ich noch über den Vorfall informiert und gebeten die Augen offen zu halten.
Wie ich der Presse entnehme, ging es zum Glück glimpflich aus. Hier der
Bericht in der Zeitung
Die Abfahrt vom Hohen Bogen ist ein flotter Trail, zum Teil recht steinig, aber nie gemein oder fies. Einzig die zum Teil zahlreichen losen Äste kreuz und quer sind gefährlich, da die Räder gerade hier gerne ausbrechen möchten.
Später wird es breiter und etwas gröber. Manche Passagen sind stark von Landmaschinen zerwühlt.
Tschüß Deutschland! Servus Bayern! Ahoi Tschechien!
Im tiefsten Wald stoße ich auf dieses verfallene Haus.
Landschaftlich knüpft Tschechien nahtlos an Bayern an.
In Nyrsko komme ich im Autocamp unter, das anders als der Name vermuten lässt, nicht nur für Autos gedacht ist. Es ist eine schöne Anlage mit mietbaren Hütten, einer handvoll Dauercamper und einer großen Wiese für Zelte. Die Dame an der Rezeption spricht deutsch und auch Euros werden akzeptiert (durch meine Einreise via Wald gab es keine Möglichkeit irgendwo zu wechseln). Nach dem obligatorisch reichhaltigem Abendessen im angrenzenden Restaurant mache ich mich noch auf für einen kleinen Abendspaziergang und erkunde einen Teil der Stadt.
Stadtansicht mit dem Fluss Uhlava. Das rustikale Flair, die teilweise noch immer sozialistisch geprägten Bauten, sowie auch die Neueren, fügen sich zu einem harmonischen und gemütlichen Eindruck zusammen.
Die Uhlava-Fälle
Ein prägnantes Detail von Nyrsko ist dieser Turm der Firma Okula, die in der Stadt ansässig ist. Wer einem Stadtbild so einen Stempel aufdrücken darf, der wird sich auch entsprechend um die Stadt verdient gemacht haben.
Tag 4 - Nyrsko/CZ bis Furth im Wald (~50km, ~1000hm)(via Vseruby, Eschlkam)
Am Morgen beim Zeltabbau. Zuvor musste ich mir mein Frühstück in einem nahen Konzum besorgen. Leider sprach die ältere Dame in dem Laden kein Deutsch oder Englisch, aber mit Deuten auf die jeweiligen Produkte hat es gut geklappt.
Ein bisschen Berg muss sein. Ausblick und Abfahrt belohnen den Aufstieg anständig.
In Vseruby gibt es noch original böhmische Knödel mit Leberkäse (Fleischkäse) und einer Rahmsoße und einen frischen Saison-Salat. Das Radler mit Pilsener Urquell ist dazu unverschämt gut.
Dann hat mich Deutschland wieder.
Blick auf Eschlkam
In Furth im Wald besuche ich zur Überbrückung bis mein Zug nach Hause abfährt noch die
Felsengänge - wo dieser arme Kerl Horden von Touristen ausgeliefert ist. Kann man sehen, muss man aber nicht. Die Orte sind halt reichlich bemüht aus jeder Kleinigkeit einen Tourismus-Magneten zu machen.
Zum Abschluss der Tour noch ein sauberes Eis und ein Kaffee.
Der Zug steht bereit und mit 35 Minuten Verspätung und nach 1,5 Stunden Fahrt komme ich wieder daheim in Regensburg an. Meine Knie haben die Tour gut durchgehalten, wenn es auch manchmal auf der Kippe stand. Ich habe aber frühzeitig die Warnsignale erkannt und entsprechend die Trittfrequenz erhöht. Ich denke das heilt noch weiter ab und sollte bald überhaupt keine Probleme mehr machen. Mal sehen wohin es mich demnächst verschlägt. Tschechien würde ich gerne nochmal ausführlicher beradeln. Ausgewiesene Wanderwege wären ebenso reizvoll. Die Navigation nur mit Garmin kann zu bösen Überraschungen führen. Pannen traten keine auf, was mich freut, da es stellenweise schon sehr ruppig zuging - aber halt alles gehalten.