Dauer:11 Tage
Zeitraum:27.12.2019 bis 6.1.2020
Entfernung:334 Kilometer
Bereiste Länder:gbGroßbritannien

Hallo,

unser Silvesterurlaub brachte uns dieses Jahr (mal wieder) nach Großbritannien. Das ist inzwischen schon fast ein bisschen Tradition. Begonnen 2016 mit einer Radtour – dann gefolgt von zwei Wandertouren 2017 auf dem Pennine Way und 2018 im Lake Distrikt waren dieses mal wieder die Räder dabei. Ziel war Wales und die Idee dazu war geboren, als Bernd eine britische Webseite über bikepacking in Wales entdeckte.
Eine Rundtour durch Mittel-Wales auf Wanderwegen – in einer Mischung aus Optimismus und sehr selektiver Wahrnehmung schauen wir uns die Bilder an und finden die Idee super. Die Tatsache, dass wir die britischen Wanderwege als sagen wir mal eher rustikal kennengelernt haben (entweder steht man knöcheltief im Schlamm, schlittert über bemooste Steinplatten oder klettert über Weidezäune – schön ist‘s aber immer!) wird erfolgreich verdrängt.
Wir planen mit Start und Ziel in Liverpool. Von dort soll es auf ziemlich direktem Wege Richtung Wales zum Snowdonia National-Park gehen. Eine Besteigung des Snowdon ist auch eingeplant – damit hätte Bernd alle drei höchsten Berge in Schottland, England und Wales im Winter „bezwungen“. zwinker Mir fehlt noch der Ben Nevis in Schottland. Von Snowdonia planen wir an die Küste nach Harlech zu fahren und dort die seit 2019 offiziell laut Guinness Buch mit 37, 45% steilste Straße der Welt zu bestaunen (Britta)/ zu befahren (Bernd). Nach diesem Abstecher an die Küste entdecken wir auf Googlemaps auch noch eine schöne Passverbindung per Wanderweg (heißt „römische Treppe“, dazu später mehr.) Um dann zum Startort des Bikepackingtracks nach Machynlleth zu fahren. Dann eine Runde über den Wanderweg und von dort mit dem Zug zurück nach Liverpool. In meinem unendlichen Optimismus erstelle ich am Vorabend der Reise auch noch zwei Tracks zurück nach Liverpool – ich hatte Sorge, uns könnte langweilig werden…
Superplan, los geht‘s! lach

Tag 1/2: Berlin - Liverpool - Rhuallt – 83 km

Die Anreise erfolgt mit Flugzeug nach Liverpool. Diesmal gänzlich ohne Komplikationen. Wir landen pünktlich, alles Gepäck und Räder sind da und intakt. Wir haben ein kleines Hotel ca. 5 km vom Flughafen entfernt gebucht, wo wir das Verpackungsmaterial für die Dauer der Reise einlagern können. Wir haben versucht, das Gepäck möglichst klein zu halten. Ich fahre mit 2 Backrollern und Rahmentasche. Bernd ebenfalls und hat zusätzlich noch das Zelt aufgeladen. So richtig minimal ist das aber immer noch nicht.



Am nächsten Morgen rollen wir zunächst mal am Wasser entlang Richtung Liverpool Zentrum. Das ist sehr entspannt und schön zu fahren. Einzig die historischen Andenken wie Schiffsanker oder Poller zum vertäuen der Schiffe stehen hin und wieder recht unvermittelt im Weg.





In Liverpool Zentrum angekommen werfen wir einen kurzen Blick auf die wirklich sehr schön hergerichteten Docks und die Innenstadt, kaufen eine Gaskartusche und steuern dann die Fähre über den Mersey an.



Die Ausblicke auf die Stadt im Sonnenlicht sind toll, ich fotografiere fleißig um dann bald festzustellen, dass ich zumindest in meiner Kamera die Speicherkarte vergessen habe….
Nun, glücklicherweise haben wir zwei Kameras dabei – es gibt also trotzdem noch ein Bildchen.



Auf der anderen Flussseite angekommen geht es weiter ganz schön zu fahren über kleine Straßen und Radwege. Einen Anlauf, einem Uferpfad zu folgen, brechen wir recht schnell wieder ab und landen wenig später auf einem exzellent ausgebauten Radweg. Gut frequentiert von vielen Radlern. Auch Einkehr in einem Hofcafé gibt es, offensichtlich ein klassischer Pausenspot für Rennradfahrer.






Schon bald wissen wir auch wieder, warum wir die britischen Radwege so lieben – sie sind einfach bis ins letzte Detail so gar nicht durchdacht verwirrt :



Der Rest des Tages verläuft recht unspektakulär. Wir folgen kleinen Nebenstraßen die sich malerisch durch die Landschaft ziehen – und das über jeden Hügel schnurgrade um auch ja keine Höhenmeter zu verschenken. Aber dafür, dass wir über weite Teile durch das Ballungszentrum um Liverpool fahren, sind wir mit unserer Routenwahl doch sehr zufrieden und finden doch schöne und ruhige Strecken.



Wir sind diesmal außerordentlich gut vorbereitet und haben tatsächlich auch schon vorab einen Farmcamping ausgeguckt, den wir heute Abend ansteuern wollen. Bloß will es uns einfach nicht gelingen, diesen zu finden. Nachdem wir dreimal daran vorbeigefahren sind, sehen wir dann doch ein Tor und sowas wie ein Sanitärhäuschen – allerdings ist er offensichtlich nicht wie im Internet angekündigt ganzjährig geöffnet. Es ist stockfinster. Glücklicherweise gibt es aber nur wenige Kilometer entfernt in Rhuallt noch einen Alternativ-Platz. Geöffnet und sogar mit Restauration, so dass wir es uns richtig gut gehen lassen.



Tag 3: Rhuallt – Dolgam Camping - 42 km
Das schöne an Touren im Winter ist: es ist lange dunkel und man kann lange schlafen, ohne das Gefühl zu haben, etwas zu verpassen. Wir werden erst gegen acht Uhr wach, als ganz langsam die Sonne aufgeht.
Unsere Route nach Westen folgt im Wesentlichen kleinen Nebenstraßen – kleine Nebenstraßen sind die Straßen, die immer auf direktestem Weg über alle Hügel gehen. Es geht steil bergauf und seltener wieder runter. Wir lassen uns Zeit – man könnte auch sagen, wir werden von den Anstiegen ziemlich ausgebremst…











Landschaftlich ist es wunderschön, ...und ziemlich anstrengend. An einer Stelle zweigt unser Track auf einen Zufahrtsweg zu einem Hof ab. Der Bauer kommt uns entgegen und erklärt uns mit breitem walisischen Akzent, dass es hier keine Durchfahrt gibt. Wir kommen ins Gespräch – zumindest versuchen wir es. Wir verstehen ihn nicht und er uns offensichtlich auch nicht. Irgendwann fragt er, ob wir denn kein Englisch sprächen. Wir verkneifen uns zu fragen, ob er denn nicht auch mal englisch sprechen könnte. Irgendwie können wir aber doch ein paar Worte wechseln, bekommen eine Umfahrung beschrieben und irgendwie auch eine Empfehlung für ein Café. Das wir aber leider nicht finden. War eben doch nicht so einfach mit der Kommunikation.
Gegen Mittag erreichen wir einen Ort mit Pub.



Wir sind müde und haben Hunger und kehren ein. Auch hier fällt die Kommunikation sehr schwer – wir fragen nach einem Sandwich, aber das Wort scheint dem Wirt gänzlich unbekannt. Stattdessen, so entnehmen dem Gemurmel des sehr alten Herrn, gibt es drei Sorten Fleisch zu Mittag. Wir wählen Lamm und Truthahn – das haben wir immerhin verstanden und erhalten einen üppig beladenen Teller mit Braten in Soße, Kartoffelbrei und Gemüse.
Vollgefuttert geht es dann weiter über hügeliges auf und ab.




...ein untrügliches Zeichen dafür, dass es wieder steil wird….





Es ist halb vier, als wir wieder durch ein größeres Örtchen, Llanwrst (wo haben die bloß ihre Vokale gelassen?) kommen.



Für die bisher gefahrenen 40 km heute haben wir gut 5 Stunden gebraucht. Bis zu unserem angepeilten Zeltplatz sind es noch etwa 25 km – nur bergauf mit inzwischen heftigem Gegenwind. Irgendwie wäre das sicher noch machbar, aber wir sind schon zu erschöpft, um das das irgendwie machbare machbar machen zu wollen. Außerdem scheinen wir in einem touristischen Hotspot zu sein – in Umkreis des Ortes scheint es mehrere Campingplätze zu geben. So machen wir uns nach kurzer Kaffee-Pause auf die Suche. Ganze 3 finden wir, und alle drei haben geschlossen. Am dritten Platz, einem kleinen Farm-Camping kommt uns allerdings der Bauernsohn entgegen, der grade die Hunde ausführt – und Halleluja, er spricht tatsächlich ein englisch, dass wir verstehen! schmunzel
Er fragt kurz zu Hause nach und ja, ca. 15 Autominuten entfernt gebe es einen geöffneten Campingplatz und seine Mutter würde uns sehr gerne mit ihrem Pickup dort hinbringen. Bei dem Wind will sie uns nicht im Dunkeln die Landstraße fahren lassen. Nach kurzem Zögern sagen wir zu und finden uns kurz später in einem mit landwirtschaftlichem Gerät vollgeladenen Wagen wieder und rauschen durch die Dunkelheit. Wir werden bei einem weiteren kleinen Farm-Camping etwa 15 km entfernt abgeladen und können nun entspannt das Zelt aufbauen.
Wir sind jetzt am Rande des Snowdonia-Parks. Morgen kann es Richtung Snowdon gehen! lach

Tag 4: Dolgam Camping – Snowdon - 15 km

In der Nacht stürmt es heftig. Wir sind nicht die einzigen Zelter auf dem Platz, aber die Zelter der anderen kleinen Gruppe, die neben uns zeltet, finden wir am nächsten Morgen alle im Auto vor. Bei drei ihrer Zelte ist das Gestänge gebrochen. Wir beglückwünschen uns zu der Entscheidung, das (leider fast 3kg schwere) Exped eingepackt zu haben und nicht eins der leichtgewichtigeren Zelte. Das Hubba Hubba hätte diese Nacht mit Sicherheit nicht unbeschadet überlebt.





Es ist immer noch sehr windig, als wir losfahren. Natürlich kommt der Wind von vorn. Aber es geht dennoch ganz gut voran.







Gegen halb elf erreichen wir das kleine Hotel Pen-Y-Gwryd am Fuße des Snowdon. Historischer Boden: am Snowdon haben Hillary und Tenzing für ihre Mount Everest Besteigung trainiert. Dieses Hotel war ihr Basislager und hier hat sich die Mannschaft später noch regelmäßig wiedergetroffen.
Wir können Räder und Gepäck im Hotel unterstellen und machen uns dann auf, zu Fuß auf den Berg zu wandern. Der Einstiegspunkt zur Wanderung ist noch 2 km entfernt, die wir uns aus Zeitgründen im Auto mitnehmen lassen.



Der Weg ist wunderschön, gut zu laufen und am Vortag vor Silvester natürlich auch nicht ganz leer.



Zeitweise lässt sich auch die Sonne blicken.



Die letzten Meter zum Gipfel ist es dann eine kleine Prozession an Leuten – fast wie auf dem Mount Everest… zwinker





Es ist immer noch sehr stürmisch und ich klammer mich ein bisschen bange an den Gipfelstein. Es gibt auch Gipfelfotos! Eins von mir:



Und eins von Bernd – öhm, kann ich ahnen, dass die Handykamera so verzögert auslöst… träller



Damit die Gipfelbesteigung aber ausreichend dokumentiert ist, gibt‘s auch noch ein gelungenes Gemeinschaftsbild…



Wir steigen wieder ab und erreichen dann bei Einbruch der Dämmerung wieder das Hotel.





Eigentlich wollten wir jetzt hier auch noch einen Happen essen – quasi als Dankeschön, dass wir Räder und Gepäck hier lagern durften – aber leider gibt es warme Küche nur für die Hotelgäste. So begnügen wir uns mit Chips, Bier und Schokoriegeln und rollen dann die verbleibenden 5 km durch Nacht und dichten Nebel zum Campingplatz.

Tag 5: Snowdon – römische Treppe - 42 km



Wieder schlafen wir wie Steine bis die Sonne aufgeht. Von hier geht es zunächst mal über nicht allzu steile Sträßchen weiter. Erstes Ziel für heute ist Harlech, der Ort mit der seit 2019 offiziell steilsten Straße der Welt.





Harlech bietet neben der steilsten Straße eine recht imposanten Burganlage und einige hübsche Cafés. So bleiben wir zur ausgiebigen Mittagspause. Bernd fährt die steilste Straße sowohl bergab als auch bergauf. Die bildliche Dokumentation hierzu fällt allerdings mal wieder der Unaufmerksamkeit der Reisebegleitung zum Opfer. peinlich





Von Harlech wenden wir uns wieder Richtung Landesinnere. Der Plan sah vor, einen kleinen Farmcampingplatz am Ende einer Sackgasse an einem See anzusteuern. Von dort sollte es – zumindest den Google Satellitenbildern nach zu urteilen – möglich sein, über einen Wanderweg einen Pass zu queren und dann dort wieder auf die Straße zu treffen. Dass dieser Wanderweg den Namen „römische Treppe“ trägt, hat uns zunächst mal nicht weiter irritiert.
Die ursprüngliche Idee, auf dem Campingplatz zu übernachten war inzwischen hinfällig, da wir bereits gut 1,5 Tag hinter unserem ursprünglichen Zeitplan hinterherhinkten. träller
Von Harlech ging es so erst mal wieder bergauf – landschaftlich wunderschön und bei fast frühlingshaftem Sonnenwetter.











Der Platz am Ende des Sees und damit der Straße ist wirklich sehr schön gelegen, aber es ist grade mal drei Uhr, viel zu früh um jetzt schon den Feierabend einzuläuten. Ganz kurz überlegen wir nochmal, ob es wirklich eine gute Idee ist, einen Weg der römische Treppe heißt mit dem Fahrrad gehen zu wollen. Aber die Variante, die 12 km Sackgasse wieder zurückzufahren und dann der Hauptstraße zu folgen mit einer umfangreichen Auswahl an Campingplätzen, wird irgendwie nicht ernsthaft in Erwägung gezogen.
Also stiefeln wir los.





Schon gleich zu Beginn kommen uns Wanderer entgegen. Sie äußern leichte Zweifel an der Machbarkeit unseres Vorhabens. Wir versichern, dass wir Stirnlampen und Essen dabei haben und jederzeit das Zelt aufschlagen können.
Eine zweite Wanderergruppe nur wenig später findet das, was wir vorhaben, wahlweise wahnsinnig beeindruckend oder total verrückt. Sie wünschen uns Glück und wir ziehen weiter. Die Landschaft ist ein Traum, je höher wir kommen, desto herrlicher wird die Aussicht. Als Wanderweg top! Dass wir nun noch ein Fahrrad neben uns herschleifen macht es nicht ganz einfach, aber irgendwie macht es trotzdem Spaß!




...klar zu erkennen: geradeaus geht es über den Pass….



Wir laufen noch eine Weile in die Dämmerung, werden aber doch zunehmend müder. Das schrittweise hochwuchten des Fahrrads über die Steinbrocken kostet eine Menge Kraft. Der Weg wird, je höher wir kommen immer rutschiger und so nutzen wir das erste einigermaßen ebene Fleckchen, das wir finden können, um das Zelt aufzubauen und den Tag zu beenden.



Silvester! party Um neun Uhr machen wir erschöpft die Augen zu, hören um zwölf kurz in der Ferne die Silvesterböller und schlafen durch bis halb acht.

Tag 6: römische Treppe – Machynlleth -48 km

Die Nacht ist völlig windstill. Gegen neun raffen wir unser Lager zusammen und wuchten weiter unsere Räder bergauf.



Es ist doch noch ein ganzes Stück, bis wir die Passhöhe erreichen. Obwohl ich schwitze habe ich Eispfoten und gehe die letzten Meter heute mit deutlich weniger Enthusiasmus an als gestern.



Und trotzdem – es lohnt sich. Diese Aussicht ist die Belohnung:







Der Weg wird hinter der Passhöhe zwar nicht wirklich besser, aber immerhin geht es nun bergab.



Und irgendwann kann man dann tatsächlich auch wieder fahren! lach









Sobald dann die Hauptstraße erreicht ist, wird es wirklich entspannt. Es geht nur noch bergab und wir lassen es rollen. Ein bisschen gehandicapped bin ich allerdings. Schon seit Tagen zeichnete sich ab, dass die Leitung meiner Hinterradbremse eine Leckage haben muss. Inzwischen hatte sie nun jegliche Wirkung verloren und ich bin nur noch mit der Vorderradbremse unterwegs. Schön wäre es, jetzt mal einen Radladen zu finden, um die Bremse durchchecken zu lassen. Ich bin völlig durchgefroren, als wir den ersten größeren Ort – Dolgellau – erreichen.



Die lange Abfahrt und vermutlich auch die Erschöpfung von der Kletterei über den Pass haben mich völlig ausgekühlt. Wir kehren erst mal zu einem späten aber ausgiebigen britischen Frühstück ein und machen uns dann auf die Suche nach einem Radladen. Den gibt es tatsächlich, allerdings am Neujahrstag heute natürlich geschlossen. So rollen wir weiter zum nächsten größeren Ort Machynlleth. Über weite Strecken weiter bergab.





Mir ist frostigkalt als wir auf den Ort zufahren. Ich träume von einem weichen Bett und einer heißen Dusche. So entscheiden wir, die Campingplätze am Ortseingang links liegen zu lassen und auf direktem Weg ins Zentrum zu fahren und dort ein Hotelzimmer zu nehmen.



Laut Google hätte es in diesem Ort eigentlich auch einen Radladen geben sollen, aber nach Auskunft der Kellnerin im Hotel hat der schon lange geschlossen. Also kein Radladen – wir müssen uns irgendwie selbst helfen. Wir erkunden noch die Gastronomie des Ortes, die allerdings ebenfalls recht überschaubar ist.

...gleich geht's weiter...