Dauer:18 Tage
Zeitraum:23.6.2011 bis 10.7.2011
Entfernung:2417 Kilometer
Bereiste Länder:deDeutschland
itItalien
atÖsterreich

Nachdem unser Stuttgarter kettenrauchender Forumianer es gewagt hat, einen Bericht ohne Bilder zu beginnen, habe ich den Mut gefasst, mal über meine diesjährige Tour zu berichten - auch ohne Fotos. Ich hab zwar welche gemacht, sogar nicht gerade wenige, aber ich weigere mich, einem Fotohoster meine Bilder zu überlassen, die sind privat und sollen es auch bleiben.
Auch bin ich nicht so schriftstellerisch begabt wie unser lieber Kollege, die Spannung seiner Schilderung schaffe ich bei weitem nicht, aber wem der Text zu steril ist, muss ja nicht weiterlesen zwinker

Hier also zunächst eine kurze Zusammenfassung der Route: von Frankfurt an den Bodensee, dann über Silvretta und Reschenpass ins Etschtal. Weiter von Trento durchs Valsugana an die Piave, dann die Ciclabile delle Dolimiti über Cortina nach Toblach. Drau abwärts über den Wörthersee zurück zum Millstätter See, über Schönfeldsattel und Radstätter Tauern wieder auf die Nordseite der Alpen und dann südlich um München, Brenz- und Jagstradweg und durch den Odenwald zurück nach Frankfurt. Die Landschaft, vor allem um Cortina, war einfach umwerfend, aber lest selbst...

1.Etappe: Muggensturm - Im Rheintal
Donnerstag 23.6. (Fronleichnam)
Km: 181
Hm: 460
Zeit: 9:45 Std.
Km/h: 18,5
Nacht: 7,50€

Die lange Wartezeit ist endlich zu Ende, fast hätte ich mir ein Maßband besorgt, wie damals beim Bund, und die einzelnen Zentimeter tageweise abgeschnitten. Die Wettervorhersage vor einer Woche war fürchterlich, die Alpen sollten geflutet werden, fast hätte ich schon mit einem Alternativprogramm geliebäugelt, aber zwei Tage vor der Abreise wurde es schlagartig viel besser prognostiziert. Jetzt muss ich angeblich nur die nächsten Tage mit ein paar Tropfen rechnen.
Ich habe für den größten Teil der Tour Wegepunkte im Navi gesetzt, 144 Stück an der Zahl. Erst ab Verlassen der Alpen will ich nach Nase fahren, da ich keine Ahnung habe, wann ich dort sein werde und wie viel Zeit mir noch bleibt. Außerdem sind 4 Tracks auf dem Navi geladen, die mir die Streckenverfolgung erleichtern sollen: Karlsruhe - Konstanz, Via Claudia Augusta, Langer Weg der Dolomiten und Drau-Radweg.
Die erste Etappe will ich bis Rastatt fahren, das Setzen der Wegepunkte bis zum Ziel der Etappe zeigt mir mindestens 160km an, erfahrungsgemäß kann man da noch 20-50% drauf addieren. Ich rechne also mit gut 200km, und um überhaupt heute noch anzukommen, stelle ich den Wecker auf 4:30 Uhr. Schnell ist gefrühstückt und der Rest eingepackt, gegen 5:20 Uhr geht's los.
Die U-Bahn U4 ist schon unterwegs und auch überraschend viele Fußgänger und Autos sind zu sehen. Vor der Auffahrt zur Ratsbrücke habe ich schon fast den ersten Zusammenstoß mit einem Radler, mein Lastesel ist aber auch noch zu ungewohnt unbeweglich. Die Unterführung unter dem Ratskreisel ist voller Scherben, der Buchrainplatz in Oberrad wird umgebaut und ich muss durch tiefen Schotter - nix wie raus aus Frankfurt.
Es geht hoch zum Stadtwald, 3% Steigung, ächz. Wie soll das nur werden? Der Wald ist nass vom Unwetter gestern (2 Wochen später werde ich noch ganz andere Schäden davon sehen), eine Rehfamilie mit Kitzen lässt sich von mir vertreiben, dann bin ich raus aus dem Wald und bald in Sprendlingen auf der B3. An einem Feiertag ist hier nichts los.
Ich folge der B3 bis vor Darmstadt-Arheilgen, hier biege ich ab in den Ort. Weil es doch schon recht warm wird, will ich die langen Klamotten ausziehen und lehne das Rad an eine Bank im Zentrum von Arheilgen. Beim Umziehen kommt eine ältere Frau von der gegenüberliegenden Sparkassenfiliale auf mich zugeschlurft, mustert mich kurz und es ergibt sich in etwa folgendes Gespräch.
„Du mir sagen wie viel Geld?" Sie reicht mir ihre Kontoauszüge, die sie gerade hat drucken lassen.
„500€" kann ich von den Auszügen ablesen.
„Kindergeld auch?"
„Ja, ist dabei, und Hartz IV auch." Sie mustert mich noch mal etwas genauer.
„Du obdachlos?"
„Nee, nur Urlaub." Lautes Lachen!
„Du verrückt! Wohin?"
„Italien." Zu präzise muss ich ja nicht werden.
"Du verrückt! Warum ganzes Haus dabei?“ Schulterzucken meinerseits.
Dann gesteht sie mir, auch wenn ich's nicht unbedingt hören will: „Ich Jugo, 56 Jahre. Bruder zu Hause, Lehrer, 150€ im Monat. Anderer Bruder Architekt, 300€ im Monat! Ich nix zurück!" Ich denke mir meinen Teil.
Weiter geht's durch Darmstadt und Eberstadt, dann wieder auf die B3. In Zwingenberg gibt's gegen 8:15Uhr das zweite Frühstück in einem Bäckerladen mit Sitzgelegenheiten, ich lasse mir zwei Wurstbrötchen schmieren. Anschließend geht's immer noch auf der B3 durch Bensheim und Heppenheim nach Weinheim. Kurz darauf treffe ich auf den Rhein-Radweg. In Ladenburg sehe ich die ersten Reiseradler des Tages, ein Pärchen aus Holland, die ebenfalls den Radweg suchen. Sie wollen noch bis Rom, ebenfalls über den Reschenpass. Sie fahren nach einem Buch, das nur eine Beschreibung des Wegs enthält. Sie erzählen, dass es gerne von holländischen Reiseradelpärchen genutzt wird, um eine romantische Romreise zu machen.
Um einen größeren Wegeknick abzukürzen nehme ich die Fähre nach Neckarhausen. Ich fahre auf der Straße weiter. Am Schlosspark wartet ein Auto an einer kreuzenden Straße und lässt mich vorbei. Leider wartet er wohl zu lange und ein von hinten kommendes Auto schafft es nicht, rechtzeitig zu bremsen. Der Schaden ist nicht zu groß, ich biete meine Dienste als Zeuge an, aber man will sich bilateral einigen.
Nur wenige Kilometer weiter sehe ich in Schwetzingen eine Bank hinter einem Bushäuschen im Schatten stehen und nutze sie für mein Mittagessen. Es ist zwar erst kurz vor 11 Uhr, aber eine gewisse Leere im Magen lässt mich nicht los. Ich packe meine mitgebrachten Bratwürste und das Brötchen, das ich beim zweiten Frühstück gekauft hatte, aus. Die kleine Emelie, etwa 3 Jahre alt, wartet mit ihrer Mutter auf den Bus. Angelockt von meiner Aktion kommt sie völlig kontaktfreudig zu mir, um mir ihr Pustefix zu zeigen. Ich frage ihre Mama, ob ich ein Foto von Emelie machen darf. Ich reiche ihr noch ein Stück vom Brötchen, in die Bratwurst, die sie mit großen Augen ansieht, habe ich bereits gebissen, das geht also nicht. Das Brötchen scheint ihr aber etwas zu hart zu sein. Dann kommt der Bus und weg ist sie.
Der Radweg führt jetzt an der B291 entlang, dicht vorbei am Hockenheim-Ring. Noch schützt der Wald vor dem Gegenwind, aber irgendwann ist auch damit Schluss.
Schließlich erreiche ich Bruchsal, hier gibt's ein sehr schönes Schloss. Auf der Suche nach einer Eisdiele irre ich durch die Innenstadt, schließlich werde ich fündig. Einige Passanten drehen sich nach mir um und kriegen große Augen, daran werde ich mich gewöhnen müssen.
Ich suche wieder die B3, der Radweg daneben ist gut ausgebaut. Inzwischen gibt's keinen Wald mehr, der Gegenwind wird spürbar und die Wolken immer dunkler, es bleibt aber noch trocken. Es geht östlich an Karlsruhe vorbei und bereits in Ettlingen brauche ich die nächste Pause. Eine Eisdiele finde ich nicht, allerdings ein Lokal mit Terrasse und ich trinke ein alkoholfreies Weizenbier. Das Rad steht nicht besonders gut und der Wind wirft es um, aber das Gepäck ist fest mit ihm verbunden und es gibt keinen Schaden. So etwas muss es einfach aushalten.
Hinter Muggensturm finde ich dann den Campingplatz, er sieht etwas heruntergekommen und vernachlässigt aus, aber einen Platz zum Zelt aufbauen gibt es. Ich beeile mich mit dem Zelt und schon fallen die ersten Trop-fen. Hier gibt's nur einen Kiosk, um den sich die Platzgemeinschaft versammelt. Die Toiletten haben kein Klopapier, aber die Duschen sind benutzbar.
Weil es hier weit und breit nichts zu essen gibt, setze ich mich wieder aufs Rad und fahre zurück Richtung Muggensturm. Vor einer Reiterhalle sitzen einige Leute, und weil's weiterhin tropft und ich erkennen kann, dass es auch etwas zu essen gibt, bleibe ich halt hier. Ich kriege nur ein Schnitzel mit Brot und Soße, aber von der Menge reicht's. Die Bedienung ist recht nett und ich werde in einige Gespräche verwickelt. Als es dunkel wird, radle ich zurück, dabei regnet es weiterhin leicht. Ich kaufe am Kiosk noch eine Flasche Wasser, damit ich morgen etwas zu trinken habe. Die Nacht bleibt fast trocken.

2.Etappe: Bad Dürrheim - Murgtal im Schwarzwald

Freitag 24.6.
Km: 155
Hm: 1649
Zeit: 8:22 Std.
Km/h: 16,1
Nacht: 12,60€

Bereits um 4:45 Uhr bin ich wach, es fängt an zu regnen. Zum Glück gibt's nur ein paar Tropfen und die auch nicht lange. Ich gehe derweil waschen, dann packe ich die Sachen zusammen und baue das Zelt ab, alles ist klatschnass. Das wird jetzt in den nächsten Tagen mein morgendliches Ritual werden.
Um 5:45 Uhr geht's los und bereits gegen 6 Uhr finde ich den Radweg "Tour de Murg". Im Navi habe ich den Track "Karlsruhe-Konstanz" sichtbar gemacht und auch dieser verläuft auf dem Radweg.
In Gaggenau finde ich auf der anderen Flussseite einen Bäckerwagen, vor dem die beiden Verkäuferinnen noch eine Zigarette rauchen. Extra für mich wird der Wagen um 6:30 Uhr noch vor der eigentlichen Zeit geöffnet und es entwickelt sich ein nettes Gespräch mit den Beiden. Sie wollen am Sonntag auch den Murgtal-Radweg fahren, allerdings werden sie mit der Bahn nach Freudenstadt fahren und sich herunter rollen lassen.
Das Tal der Murg ist recht eng und gewinnt rasch an Höhe. Der Weg ist toll angelegt, hat jedoch an seiner steilsten Stelle nur einen Schotterbelag. Bald bin ich auf 350mNN, jedoch verliere ich davon 50m wieder, schade. Dann kann ich von der Strecke nur schwärmen, toll geteert, mit einer Steigung von 3-6% geht's stetig aufwärts. Bei Forbach wähnt man sich in den Alpen, auf der anderen Talseite sieht es aus wie auf einer Alm. In Forbach selbst gibt's am Bahnhof einen Laden zum Getränke auffüllen.
Eine kurze, knackige Auffahrt von angeblich 20% führt über eine Tunnelauffahrt der S-Bahn Richtung Freudenstadt. Der Weg bleibt unglaublich schön, es geht immer nur rauf. Kein Wunder, dass die beiden Brötchenmädels sich hier herunterrollen lassen wollen.
Ab Seewald wird das Tal breiter und damit der Weg flacher, allerdings macht sich jetzt Gegenwind bemerkbar. So gegen 9:30 Uhr kommen mir die ersten Radler entgegen, das sind sicherlich auch diese Genussradler, die nur abwärts wollen. Mein zweites Frühstück gibt's gegen 10 Uhr in Klosterreichenbach in einem Backshop eines Supermarkts. Die Bedienung wünscht mir noch eine schöne weitere Tour.
In Baiersbronn macht eine Gruppe Radler Pause und natürlich wird mein voll bepacktes Rad bestaunt. Sie erzählen, dass es bis Freudenstadt noch ein sehr steiles Stück zu bewältigen gibt. Bis in die Stadt wären noch etwa 170Hm zu bezwingen. Na gut, da muss ich halt durch, ich will ja auch Alpenpässe fahren.
Und nach einer Viertelstunde stehe ich vor der Steigung. Da soll ich rauf? Unglaublich! Erst versuche ich es im ersten Gang, bereits nach 50m ist Schluss, also absteigen und schieben. Ich schaffe kaum 10Hm, dann kurz schnaufen, weiter schieben, kurz schnaufen. Das ist ja wie letztes Jahr im Riesengebirge, nur zum Glück nicht so weit. Nach 20 Min bin ich endlich oben und völlig KO.
Hier endet der "Tour de Murg"-Radweg, ich fahre jedoch weiter nach meinem Track Richtung Bodensee. Der Track führte auch hier hinauf, dann jedoch, ich fasse es kaum, geht er nach 200m wieder hinunter. Bevor ich das richtig realisiere, habe ich schon 30Hm verloren und sause weiter auf schlechter Straße ins Tal. Also war die ganze schweißtreibende Schieberei für die Füße, ich bin völlig frustriert. Als ich wieder unten bin, habe ich fast dieselbe Höhe wieder erreicht, wie vorher. Die Straße im Tal jedoch steigt wieder an und mündet hinter Freudenstadt in die B28, nicht ohne vorher die Höhenmeter, die ich vorher geschoben habe, wieder zu gewinnen. Hätte ich mir nur vorher den Track etwas genauer angeschaut, wäre ich entweder im Tal oder nach der Schiebeaktion oben im Ort geblieben, so hatte ich die Höhe zweimal zu bewältigen.
Schwamm drüber, denn jetzt geht's wieder zurück nach Freudenstadt, um kurz nach dem Ortsschild wieder nach Süden abzubiegen und weiter rauf auf über 800mNN zu steigen. Vor lauter Überfluss fängt es auch noch an, leicht zu regnen, ich muss die Regenjacke anziehen. In Mittelsteinwald, wenige Kilometer weiter, bremse ich am Gasthaus Steinwald, ich bin so kaputt, dass ich jetzt Mittag mache, es ist mal gerade 11:50 Uhr. Es gibt Strammer Max, ich schaffe die Portion nicht, aber der Liter alkoholfreies Weizenbier muss sein, für die Elektrolyte und die Flüssigkeit.
Zum Glück habe ich den höchsten Punkt jetzt überwunden, es geht wieder abwärts nach Loßburg. Ich ziehe wieder die Regenjacke an, es bleibt feucht und auf der Abfahrt ist es recht kühl. In der Ferne habe ich einen tollen Blick auf die Kette der Schwäbischen Alb, die von Norden steil aufsteigt, teilweise auf über 1000mNN.
Auf schönen Nebenstraßen geht es dann ständig auf und ab, nur so sind die immensen Höhenmeter dieser Etappe zu erklären, immer zwischen 600mNN und 650mNN. Die L408 bei Vogelsberg scheint neu gebaut zu sein, weder die Karte noch der Navi kennen diese Streckenführung. Dann endet die neue Straße leider in einer Baustelle, ein Weiterkommen ist nicht erkennbar. Ein Postwagen kommt hinter mir her, ich halte ihn an und der Fahrer meint, man müsse nur durch die Unterführung vor mir, dann ginge es auf der alten Straße problemlos weiter. Bis Dunningen läuft es jetzt ganz gut, hier allerdings kann ich eine Eisdiele nicht ungenutzt liegen lassen. Der Chef hat einen Meisterbrief aus dem Rhein-Main-Gebiet.
Weiter geht's nach Niedereschach, hier verlässt der Weg ein Tal und will mit 14% Steigung die 100Hm überwinden. Da nutzte auch die Pause kurz vorher nichts, ich muss den Hügel in zwei Abschnitte teilen, dazwischen heftiges Schnaufen und diverse Züge an der Trinkflasche.
Inzwischen habe selbst ich realisiert, dass ich mein anvisiertes Tagesziel nahe dem Bodensee nicht mehr erreichen kann und suche einen Campingplatz in der Nähe. Zunächst sause ich 100Hm hinunter zur A81, dann geht's mal wieder 14% rauf auf über 750mNN nach Weigheim und weiter zum Campingplatz in Tuningen-Sunthausen. Von hier aus kann man das Feriendorf in Öfingen sehen, wo die Familie 1989 den Sommerurlaub verbrachte.
Das Zelt ist schnell aufgebaut, alle Schotten auf Durchzug gestellt, und währen ich duschen gehe, kann alles trocknen. Zum Abendessen gehe ich in den Ort, beim Campingplatz gibt's leider nichts. Im Gasthof Lehre Post ist zwar gerade eine größere Feier, aber man hat alles im Griff und es schmeckt vorzüglich.

- Fortsetzung folgt -