Würzburg – Westerstede (11.09. bis 16.09.2012)
Dieses ist die erste richtige Radtour seit Jahren, die zur Vorbereitung von Mensch und Material auf das „Projekt Nordkap“ in 2013 dienen soll.
Als letztes Jahr nach einigen Wochen allein zuhause und einigen bedenkenswerten Einsätzen im Rettungsdienst der Entschluss reifte, noch bevor ich 50 bin, meinen Traum „mit dem Rad zum Nordkap“ anzugehen, lagen meine letzten Radreise-Erfahrungen bereits 10 Jahre zurück. Damals noch ohne Internet und mit noch fast jugendlicher Unbekümmertheit.
Heute, mit dem geballten Wissen des www, meinen Erinnerungen und der objektiven Erkenntnis, dass ich SO nicht losfahren kann.
Kann ich es wirklich körperlich schaffen, halte ich 8 Wochen psychisch aus, trägt mich mein Fahrrad und hält die alte Ausrüstung ?????
Ein Jahr intensiver Beschäftigung mit Radreisen, Reiserädern und entsprechender Ausrüstung liegt nun hinter mir. Viele Erkenntnisse und viele Anschaffungen (vor allem das
Norwid Gotland) sind nun für eine erste kleinere Radreise bereit.
Da ich noch einen „Fluch“ habe, als ich vor 15 Jahren die damalige Fahrradtour von Würzburg nach Bremerhaven am 2. Tag nach akuter Motivationslosigkeit in Bebra abbrach, sollte es also wieder Würzburg sein, diesmal zurück in meine jetzige Heimatstadt Westerstede.
Die Bahnfahrkarte wurde 6 Wochen im Voraus gekauft, ein paar Tage vorher war sie noch 20 Euro billiger – egal!
Am 11.09.2012 ging es dann um halb 6 mit dem bereits am Vorabend gepackten Rad 12 Kilometer zum Bahnhof Bad Zwischenahn. Eigentlich hätte die Fahrt auch nach 300 Metern für mich im Krankenhaus enden können, als mir in der 30er Zone ein Mercedes mit rasanter Fahrt die Vorfahrt nahm – Bremstest bestanden!
Die Bahnfahrt mit einmaligem Umsteigen war völlig komplikationslos. In Würzburg angekommen fragte ich einen Bahnbediensteten nach einem Fahrstuhl, kurze präzise Antwort: „gibt’s nicht“. Auf meine Frage, wie denn Rollstuhlfahrer den Bahnsteig verlassen können: „das ist was ganz anderes“, um den „netten“ Herrn nicht weiter mit meinem Problem zu belasten, wurde das bepackte Rad dann Stufe für Stufe herunter geschoben (von mir).
In Würzburg war es sehr schwül, Gewitter war angesagt, welches mich dann nachmittags, als ich in der Stadt zum Geocachen und zum Freunde besuchen unterwegs war, voll erwischte. Klatschnass kam ich dann wieder bei meinen guten Freuden an, bei denen ich übernachten konnte. 34 Kilometer mit und ohne Gepäck waren es an diesem ersten Tag.
Der 2. Tag begann mit einem guten Frühstück und einem herzlichen Abschied meiner Gastgeber. Mutig mit kurzen Hosen ging es in das inzwischen abgekühlte Würzburg an den Main, der dann erstmal mein ständiger Begleiter war. Auf dem Weg ein paar Geocaches. Kurz vor Gmünden ging dann der Regen los – in einem Regenablauf unter der Eisenbahn untergestellt und ab in die Regenklamotten. Erstmals sollten diesmal die
Radgamaschen eingesetzt werden, die angeblich bis Größe 49 waren (bei Schuhgröße 46), aber nicht andeutungsweise passten. Also dann die
Sealskinz -Radsocken an, die nicht nur passten, sondern die Füße trocken und warm hielten (in Sandalen!)- Der Burner !
Nach Kakao-Pause in Gmünden ging es dann durch das wolkenverhangene Sinntal bei immer mal wieder einsetzendem leichten Regen. Am Ende des Sinntals standen dann 2 Wahnsinnssteigungen an. Die erste war nur zum Aufwärmen, die zweite nach Heubach dann der noch von früher bereits bekannte Wahnsinn. Schieben ist keine Schande, also wurde zwischendurch auch mal geschoben. Oben angekommen waren es dann noch wenige Kilometer bis nach Heubach, wo ich auf der Campingwiese eines Gasthofes mein Zelt aufschlug. Dort dann noch Abendessen und dann auf die Matte. Statt der berechneten 90 Kilometer waren es schließlich 98.
Am 3. Tag konnte ich dann nach einem Frühstück im Gasthof und einem Gespräch mit dem anderen Campinggast, einer Radfahrerin, die seit über 4 Wochen quer durch Deutschland unterwegs ist, aufbrechen. Das Zelt leicht feucht abbauen, das Rad bepacken und mich bis zur Fulda durchschlagen, die dann mein Begleiter des Tages sein sollte.
Das sonnige Wetter mit neutralem Wind trug mich die Fulda entlang, mehrere andere Radreisende kamen grüßend entgegen. Der gut ausgeschilderte Radweg führte an sämtlichen Sportplätzen und Kläranlagen vorbei, eine Beobachtung, die auch an den nächsten Tagen bestätigt wurde. Neben der Fulda war die Eisenbahn weiter ständiger Begleiter – ein Verfahren war unmöglich – in Bad Hersfeld gab es dann eine Umleitung, aber mit dem Garmin gut durchgeschlagen. Immer wieder zwischendurch ein paar Pausen mit Geocaching eingelegt. Ziel sollte Rotenburg sein, dass ich nach 101 km erreichte. Der dortige Campingplatz liegt direkt an der Fulda, leider auch direkt an der Eisenbahn, die zum Glück nachts nicht ganz so häufig fuhr. Beim Zeltaufbau habe ich es geschafft, eine Zeltstange zu verbiegen (
Wechsel Forum 4.2 ). Abends in Rotenburg noch lecker gegessen und die schöne Altstadt angeschaut.
Ich habe nicht gut geschlafen, was wesentlich daran lag, dass ich mit der
Exped 7,5 cm Matte nicht zurecht komme - mir schlafen die Arme ein – ein Problem, dass ich mit verschiedenen Kissenkombinationen nicht befriedigend gelöst habe?!
Tag 4 führte mich weiter an der Fulda nordwärts, das Wetter war auf meiner Seite - Sonne und Wind, der zumindest ab Kassel zum Schiebewind wurde, was auch nötig war, da statt der geplanten 90 Kilometer schließlich 125 Kilometer unter meinem Hintern lagen. Viele Radfahrer unterwegs, vor Kassel begleitete mich ein Einheimischer und führte mich in netter Gesellschaft nach Kassel. Nebenbei konnten wir fachsimpeln - als Kassler fährt man natürlich Rohloff und ich war einigermaßen beruhigt, dass auch seine Rohloff in den unteren Gängen deutliche Geräusche macht - trotzdem irgendwie nicht nachvollziehbar?!
Neben ein paar Caches waren eine Kurbelfähre und Eisessen in Melsungen und Kuchenessen hinter Kassel Gründe für Pausen. Dann wollte ich unbedingt den Zusammenfluss von Werra und Fulda in Hann.-Münden erstmalig besuchen, doch der Radweg führte mich daran vorbei und eh ich mich versah, hatte ich auch keine Lust mehr zurück zu fahren, da ich noch 20 Kilometer vor mir hatte und es wieder anfing zu regnen. Erschöpft mit Einbruch der Dunkelheit konnte ich mein Zelt in Oedelsheim aufbauen, geduscht ein Schnitzel essen und auf die Matte fallen. Mein Hintern war an 2 Stellen wund und schmerzhaft, was der Grund dafür war, dass das Radeln zum Ende des Tages nicht immer Spaß gemacht hat.
Der 5. Tag begann mit einem Morgenappell der „Seniorengruppe des Deutschen Kanuverband-Sektion NRW“, die diesen tollen Campingplatz als Basislager für verschiedene Kanutouren durch das Umland nutzten. Da fahr ich lieber alleine ohne solche AnsagenJ
Nach einem einfachen Frühstück und Zeltabbau ging es dann los - anfangs mit Gegenwind und ohne Lust. Ab Bad Karlshafen wurde es dann besser, die Schmerzen am Hintern nervten. So nebenbei konnte das gestern einsetzende Quietschen endlich lokalisiert werden - es war nicht die Kette, sondern die Kartenhülle der Lenkertasche, die am Garmin scheuerte. Zum Glück habe ich nicht die Kette geölt, was meinen heimischen Radmechaniker zum Herzinfarkt gebracht hätte. Von Bodenwerder fuhr ich parallel zu einem Ausflugsdampfer-fühlte mich ganz schön beobachtet. Nach 106 zum Teil gequälten Kilometern fuhr ich dann in Hameln auf den Zeltplatz des Kanuvereins – schön, aber auch zentral gelegen. Das machte dort eher einen improvisierten Eindruck, war aber ausreichend und günstig. Beim Zeltaufbau verabschiedete sich dann eine Zeltstange, bzw. deren Innenstange, mit Reparaturhülse ließ sich das Zelt aber aufbauen. Zum Abendessen gab es dann Tortellini und Minutensteaks, schließlich musste ich auch mal den neuen
Mini-Gaskocher ausprobieren - ging gut und schmeckte gut! Den milden Abend radelte ich dann noch mal in die Stadt, um zu schauen, ob mich die Weserschifffahrt morgen transportieren könnte, denn die ausstehenden Kilometer nach Westerstede hätte ich bestimmt nicht in 2 Tagen geschafft, unabhängig von meinem Hintern, der mir doch sehr zu denken gab.
Der 6. Tag begann recht früh nach schlecht geschlafener Nacht, da in Hameln Samstagnachts so einiger lautstarker Verkehr unterwegs war. Nachdem nun der Entschluss gefasst war, die Tour hier und jetzt abzubrechen und mit der Bahn nach Hause zu fahren, war das Zelt schnell abgebaut, die Taschen gepackt und der Weg zum Bahnhof gefunden. Dort ein paar „Teilchen“ als Frühstück und auf eine Seniorengruppe gewartet, die den Fahrkartenautomaten sehr lange unter Beschlag nahm, aber ich hatte Zeit. Mit der Bahn über Hannover bestens nach Bad Zwischenahn gekommen und von dort die letzten 12 Kilometer nach Hause geradelt.
Spätestens jetzt war es Zeit, ein Résumé zu ziehen:
6 Tage unterwegs, davon 4 reine Fahrtage mit insgesamt 480 Kilometern und 71 Geocaches.
Das Fahrrad fährt sich super, sitzt sich aber in der Kombination mit meinen Radlerhosen nicht so toll.
Das Zelt war gut aufzubauen und hat eine gute Größe für mich – die Stangen müssen eingeschickt und reklamiert werden.
Die Vaude-Fahrradtaschen sind ja soweit OK, doch haben sich an beiden
Hinterradtaschen je eine Niete verabschiedet – muss also auch reklamiert werden..
Die Schlafkomposition aus Matte und Kissen muss noch gefunden werden.
Zur Ladung der Batterien am Rad muss ich die vorhandenen Komponenten überprüfen.
Normale
Klamotten und besonders die
Regenklamotten sind super.
Meine Stimmung war gut, Kraft und Kondition waren besser als erwartet – der Hintern dafür viel schlechter als erwartet – braucht wohl ein bisschen Pflege zwischendurch.
Im Nachgang zur Tour sind einige Entscheidungen gefallen:
Ich freue mich auf meine berufliche Auszeit von 12 Wochen im Sommer 2013.
Mein Traumziel „Nordkap mit dem Rad“ wird erstmal ein Traum bleiben, dafür wird der gemeinsame Traum von meiner Frau und mir erfüllt, wir fahren 3 ½ Wochen mit dem Mietwagen durch Westkanada.
Anschließend fahre ich dann allein mit dem Rad den Rhein von der Quelle bis zur Mündung in gemütlichen 5 Wochen. Dieses war eigentlich schon als Jugendlicher (eh ich überhaupt das erste Mal in Skandinavien war) meine Traumradreise.
Das ganze scheint mir, meiner Frau und der Realität meiner Leistungsfähigkeit gegenüber, fair und angemessen zu sein.
Außerdem habe ich meine wöchentliche Arbeitszeit reduzieren können, um 4 zusätzliche Wochen frei zu bekommen, wobei ich hoffe, dann mal ein paar kleinere Radreisen in Mitteleuropa unternehmen zu können.
Ob mich das Nordkap irgendwann mal radelnd erleben wird, kann ich zurzeit noch nicht absehen.
Carpe Diem