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#887202 - 03.12.12 13:59 Bergisches Land - Sauerland - Münsterland
Gerhard O
Mitglied
Themenersteller
abwesend abwesend
Beiträge: 515
Dauer:4 Tage
Zeitraum:28.5.2012 bis 31.5.2012
Entfernung:333 Kilometer
Bereiste Länder:deDeutschland

Da ich im Forum Neuling bin, möchte ich mich mit dieser Reisebeschreibung hier vorstellen. Mein Wohnort ist Oberhausen/Rheinland. Verständlich auch für Auswärtige heißt das: im Kern des Ruhrgebiets zwischen Duisburg und Essen.


Sommerfahrten 2012
Vorgeschichte:


Da ich seit Dezember 2011 im Ruhestand bin, konnte ich endlich beginnen, mir meine lang ersehnten Wünsche zu erfüllen und mehrtägige Radtouren durchzuführen. Meine Frau, die selber kein Interesse an solchen Radfahrten hat, bestärkte mich in diesem Vorhaben. Im Vorgriff hierzu hatte ich mir schon von meinen Kindern zum 60sten Geburtstag (und die nachfolgenden Weihnachtsfeste) Ortliebtaschen und ein paar Fahrradverschleißteile wie z.B. Ritzelpaket und Kette schenken lassen.

Der erste Winter ohne berufliche Arbeit gab mir die Zeit, mich um die Vorbereitung zu kümmern. Ich las Reiseberichte, plante Strecken und prüfte Übernachtungsmöglichkeiten. Dank Internet ist das heute alles relativ einfach. Die favorisierte Idee war, meine Mutter, die an der Schweizer Grenze in Südbaden wohnt, mit dem Fahrrad zu besuchen. Nebenbei kann man dann noch ein paar alte Schulfreunde besuchen, die noch in Südbaden oder in der Nähe der zu befahrenden Strecke wohnen.

Meine Frau schaute sich das alles geduldig an und meinte irgendwann: „Du machst das alles nur unnötig kompliziert. Fahr doch erst mal zur Übung mit deinem Freund Bernhard die ‚Tour de Ländle‘ mit.“ Bernhard fährt schon seit Jahren die vom SWR in Baden-Württemberg organisierte Radrundfahrt als Camper mit. Zusätzlich macht er Touren mit seiner Frau mit Hotelübernachtung.

Also kontaktierte ich Bernhard. Meinen Vorschlag, die Tour diesmal als Hotelteilnehmer zu buchen, denn wir seien ja wohl beide schon über 60, redete er mir aus: „Nur im Zelt kann man diese Tour so richtig erleben und genießen. Camper sind da, wo die Action ist, Hotelgäste sind meistenteils im Shuttle-Bus.“ Also meldeten wir uns beide als Camper an.

Für mich hieß das jetzt: Zelt, Schlafsack, Isomatte und einen Packsack für dies alles zu kaufen. Meine letzte Radtour mit Zelt war 1982, und davon war natürlich nichts mehr vorhanden und wäre wohl auch nicht mehr brauchbar gewesen. Meine Erfahrung aus dieser Zeit sagte mir aber, daß man das alles erst ausprobieren muß, bevor man auf große Fahrt geht. Also kaufte ich ein und plante für Pfingsten meine erste Probetour. Zum einen, um meine Ausrüstung zu testen, zum andern, um mehr Kondition zu bekommen. Schließlich bin ich als ‚Flachlandtiroler‘ nur Autobahnbrücken, aber keine Berge gewohnt und die ‚Tour de Ländle 2012‘ quert zweimal den Schwarzwald!



Pfingsttour
Tag 1: Pfingstmontag 28.5.2012
Start: Oberhausen Rheinland,
Ziel: Lindlar-Brochhagen, Bergisches Land
Strecke: ca. 85km, ca. 1300Höhenmeter
Track http://www.gpsies.com/map.do?fileId=ftmdldzzismnyuku


Um mehr Kondition zu bekommen, hatte ich mir eine für Ruhrgebietsverhältnisse bergige Strecke ausgesucht. Die Eckpunkte der Tour hatte ich mit Hilfe von Karte und Campingführer festgelegt und dann mit Naviki die Feinplanung gemacht.

Die erzeugten Tracks hatte ich mir in mein GPSMap60csx geladen und wollte sie dann nachfahren. Um es vorweg zu nehmen: die erzeugten Tracks sind für einen Reiseradler mit 30kg Gepäck auf dem Rad nicht zu empfehlen. Immer wieder geriet ich auf Wegabschnitte, die man eigentlich nur als Singletrail bezeichnen kann: für vollgefederte Mountainbiker ohne Gepäck sicherlich eine Genußtour.



Schon das Teilstück von den höchsten Höhen Essens hinunter an den Baldeneysee war für mich und mein Fahrrad eine Herausforderung.



In Essen-Werden führte der Track eine mir bisher unbekannte Straße hinauf ins Bergische Land, die ich nur schiebend bewältigen konnte. Dafür bekam ich die Kirchenruine St. Clemens zu sehen, die ich auch noch nicht kannte, obwohl ich auf Tagestouren allein und in Gruppen schon öfters in Werden war.





Kurz vor Velbert wollte ich gerade in einen steinigen Waldweg einbiegen. Entgegenkommende Spaziergänger rieten mir sofort davon ab, diesen Weg fahren zu wollen: zu steil, viel loser Schotter und tiefe Löcher. Dafür zeigten sie mir eine asphaltierte Straße, die die Anhöhe gleichmäßig mit gemäßigter Steigung überwindet. Natürlich war die Strecke ein mehrfaches länger als die von Naviki empfohlene Abkürzung.

Um 11.00Uhr war ich in Wuppertal.



Die Straßen führen steil hinunter zur Wupper und ebenso steil auf der anderen Seite wieder hoch auf die Berge. Mein Weg führte mich über den Hesselnberg in Richtung Ronsdorf. Das war ein Waldweg der übleren Sorte: steil und voller Steine, Wurzeln und Löcher. Zudem war es inzwischen sommerlich heiß geworden. Da ich auf halber Höhe körperlich am Ende war, entschloß ich mich, hier mitten im Wald die von zu Hause mitgebrachten Vorräte zu vertilgen und meine Wasserflaschen leer zu trinken. Diese halbe Stunde Pause tat mir ausgesprochen gut. Meinen Flüssigkeitsvorrat wollte ich in der nächsten Gaststätte wieder auffüllen. Die Kneipen am Weg brachten mich schier zur Verzweiflung. Vor dem Eingang standen Schilder: ‚Pfingsten geschlossen‘ oder ‚Heute Ruhetag‘ oder einfach nur ‚Geöffnet ab 17.00Uhr‘. Die halbe Stunde, die es dauerte, bis ich ein offenes Café mit Biergarten in Ronsdorf gefunden hatte, kam mir wie eine Ewigkeit vor. Im Biergarten zum Osttor bei einem Eiskaffee konnte ich dann meine Ruhe und Zufriedenheit wiederfinden.

Weiter ging’s mit frischer Kraft und frohem Mut und hochsommerlicher Hitze. Kurz vor der Wuppertalsperre studierte ich an einer Wegkreuzung meine Fahrradkarte, um zu erkunden, ob es nicht doch einen nicht so hügeligen Weg nach Lindlar gibt. Eine entgegenkommende Radfahrerin erkannte offensichtlich sofort meine Lage und bot mir ortskundige Radwegehilfe an. Der Ratschlag hörte sich aber irgendwie nicht gut an: Zurückfahren bis Lennep! Von dort aus gäbe es eine als Radweg ausgebaute ehemalige Eisenbahnlinie nach Marienheide. Da könnte ich doch ein großes Stück der Strecke auf der ebenen gut ausgebauten Trasse fahren. Mein Einwand war, daß ich doch fast an der Wuppertalsperre bin und am Ufer lang bis Hückeswagen fahren könnte und dort auf die Eisenbahntrasse käme. Ja, meinte sie, aber ich solle mir den Uferweg nicht so eben vorstellen.

Da ich ungern Wege zurückfahre, fuhr ich weiter zur Wuppertalsperre. Der Weg ist touristisch schön, aber anstrengend: immer hoch und runter, mal am Wasser, mal 50m über dem Wasser! Um 15.30 Uhr erreichte ich in Hückeswagen die Eisenbahntrasse. Um 16.00 Uhr war ich in Wipperfürth und mußte den Radweg wieder verlassen. Jetzt ging es noch eine Stunde hügelig über die Landstraße und um 17.00 Uhr war ich am Camping Wiesengrund in Lindlar-Brochhagen. Ein guter preiswerter Zeltplatz mit einem zugehörigen Landgasthaus, wo ich zu angemessenem Preis gut zu Abend essen konnte und den Tag mit leckerem Weizenbier beschließen durfte.



Pfingsttour
Tag 2 : 29.5.2012
Start: Lindlar-Brochhagen, Bergisches Land
Ziel: Sorpesee im Sauerland
Strecke: ca. 78km, ca. 1200Höhenmeter
Track : http://www.gpsies.com/map.do?fileId=qxwywslrnaxqfpwn


Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung - sagt man. Das Zelt war eingepackt, wenn auch patschnaß. Es war eine sternklare Nacht und der Tau lag schwer und naß auf Zelt und Wiese. Ohne Frühstück fuhr ich los Richtung Frielingsdorf. Ein REWE-Markt hatte offen und verkaufte mir ein Frühstück. Von hier geht’s stetig aufwärts bis Marienheide. Es war 10.00 Uhr und es lockte eine Eisdiele. Die Sonne schien warm vom Himmel und ich konnte einem Eiskaffee nicht wiederstehen.

Die Wasserflaschen wurden wieder aufgefüllt und der nächste Berg in Angriff genommen. Den Vorschlag von Naviki habe ich allerdings ignoriert und bin erstmal am Ufer der Lingetalsperre entlanggefahren. Dieser Weg war entgegen dem Wuppertalsperrenerlebnis vom Vortag tatsächlich weitgehend eben.

Die nächste Etappe war Meinerzhagen, alles auf kleinen Straßen oder dem Radweg neben der Landstraße. Bei Meinerzhagen sah ich einen Baustellenhinweis: ‚Straße gesperrt – Frei bis xxx???irgendwo‘. Wo diese Sperrung letztendlich sein sollte, wußte ich nicht, aber ich hätte es ohnehin ignoriert. Für Fußgänger ist doch meist ein Weg frei, und wo Fußgänger durchkommen, kommen Radfahrer ebenfalls durch. Ich fuhr also unbeirrt weiter und machte mir keine weiteren Gedanken.

Nach einigen Kilometern stand ich vor einer Baustelle. Links unterhalb war eine Wiese mit Weidezäunen, rechts führte eine Einfahrt in ein Fabrikgelände und vor mir stand der Bauzaun. Hinter dem Bauzaun wurde gearbeitet. Ein Blick auf die Karte sagte mir: zurückfahren und mehrere Kilometer Umweg mit mindestens 100 Höhenmetern in Kauf nehmen oder irgendwie durch die Baustelle kommen. Und während ich noch überlege, kommt ein Bauarbeiter zum Zaun, öffnet diesen und will weitergehen zu einem Bauwagen, der am Straßenrand steht. Ich spreche ihn an und frage ihn, wie ich am besten auf die Straße auf der anderen Seite dieser Baustelle käme. Der Arbeiter schaut mich an und meint: „Weiß ich auch nicht, ich bin aus Bochum.“ Dann musterte er mich und mein Rad und meinte: „Aber wenn Sie doch schon mal hier sind, dann schieben Sie doch durch!“ Mit diesen Worten ging er weiter. Mit beruhigtem Gewissen schob ich durch. Mitten in der Baustelle war über glatten Sand eine Schnur gespannt. Suchend schaute ich umher, um das Schnurgerüst zu umfahren. Schließlich wollte ich nicht schuld sein, wenn die neue Straße später schief ist! Da ertönte eine Stimme aus dem Off: „Schieb doch einfach drüber!“ Ich schaute links und rechts – niemand in der Nähe. Ich blickte nach oben. Über mir saß ein Kranführer in seiner Kabine und nickte mir freundlich zu. Ich grüßte freundlich und schob weiter. Am anderen Ende der Baustelle mußte ich noch mein Rad über eine Bordsteinkante heben und ich war wieder auf der Straße.

Hinter Meinerzhagen traf ich auf die von Naviki geplante Route und schon war ich wieder auf Schotter. Mühsam quälte ich mein beladenes Rad auf die Höhen des Ebbegebirges. Der Weg wäre für ein Mountainbike ohne Gepäck angemessen gewesen. An der höchsten Stelle stand eine Schutzhütte. Ich war so fertig, daß ich auf meine in den Packtaschen verbliebene Restverpflegung von zu Hause zugreifen mußte, die ich dort verzehrte.

Frisch gestärkt stieg ich wieder aufs Rad und mit einigen Gegensteigungen fuhr ich abwärts nach Werdohl. Die Herscheider Mühle kurz hinter Herscheid hatte so einen attraktiven Biergarten direkt am Weg, daß ich die Gelegenheit nutzte, eine kleine Pause zu machen und meine Wasserflaschen wieder aufzufüllen.

Hinter Werdohl führte der Weg nochmal steil nach oben. Der Naviki-Track sah schon von unten so gefährlich aus, daß ich ihn nicht einmal ohne Gepäck hätte fahren wollen. Also wählte ich die B229 nach Neuenrade und quälte mich mühsam, aber ohne zu schieben, die Serpentinen hoch. Die letzten Kilometer fuhr ich auf der wenig befahrenen Bundesstraße bis Langenholthausen. Hier führte eine Landstraße zum Sorpesee, wo ich gegen 17.30 Uhr den Campingplatz der Sorpesee GmbH Sundern erreichte.

Die Dame von der Rezeption mußte ich herbeiklingeln. Sie machte einen gestreßten Eindruck und erklärte mir, daß sie den ganzen Pfingsttourismus allein bewältigte, während ihr Chef im Urlaub wäre. Als ich meine Verwunderung darüber ausdrückte, daß ein Platzbesitzer während seiner umsatzstärksten Zeit in den Urlaub fährt, erfuhr ich, daß dies ein Gemeindeplatz ist und der Chef auch nur Angestellter. Der Preis war im üblichen Rahmen (aber teurer als in Lindlar), man brauchte jedoch eine Duschmarke für warmes Wasser und das Toilettenpapier mußte man auch selbst mitbringen.

Die Campingplatzgaststätte war geschlossen, aber das Pfingstsaisongeschäft war schließlich vorbei. Sehr beeinträchtigt hat mich das nicht, denn 100m weiter war ein Strandcafé, welches ein italienisches Restaurant mit Biergarten war. Hier gab es Pizza und andere einfache Gerichte für billiges Geld. Ich wurde satt und erfreute mich noch an ein paar Bierchen.

Da ich niemand traf, mit dem ich mir hätte den Abend vertreiben können, war ich wieder früh im Schlafsack.





Pfingsttour
Tag 3 : 30.5.2012
Start: Sorpesee im Sauerland
Ziel: Campingplatz in Senden
Strecke: ca. 90km, ca. 500 Höhenmeter
Track http://www.gpsies.com/map.do?fileId=uraeldlmxaluvvea

Diesen Morgen war ich schon um 5 Uhr wach. Alles um mich rum schlief noch, als ich anfing, die Morgentoilette zu erledigen und das Zelt abzubauen. Um 6.45 Uhr war ich bereit für die Abfahrt, natürlich ohne Frühstück. Schon um Viertel nach Sieben in Langenholthausen fielen mir Monteure auf, die mit Brötchentüten aus einem eher unscheinbaren Haus kamen. Bei näherem Hinsehen konnte ich das das Bäckerei identifizieren und mein Entschluß stand fest: hier gibt es Frühstück und das werde ich jetzt auch zu mir nehmen. Gesagt, getan und noch ein paar Teilchen eingepackt für unterwegs. Die Vorräte von zu Hause waren schließlich alle, und essen gehen wollte ich erst abends. Hinter Langenholthausen bog ich wieder auf die B229 Richtung Balve. Der Autoverkehr war trotz Rushhour erträglich. Balve hat einen schönen alten Stadtkern. Ein paar Fotos mußten also sein.







Weiter fuhr ich auf der B229 und bald wechselte ich auf die B515 ins Hönnetal. Im Hönnetal wird es gelegentlich recht eng. Es ist schon etwas mulmig, wenn man mit 30 km/h bergab rollt und hat rechts die Leitplanke neben sich und links einen zu schnell fahrenden und zu eng überholenden Lastzug.



Hinter Klusenstein wird’s langsam städtisch. Man wird immer wieder auf Radwege neben der Straße verwiesen und ich fühlte mich schon fast wie im Ruhrgebiet. In Fröndenberg stand ich plötzlich an der Ruhr. Ich überlegte tatsächlich kurz, ob ich jetzt auf dem Ruhrtalradweg bis nach Hause fahren solle. Es war halb zehn, die Sonne schien und mein Navi berechnete die Strecke nach Hause über den Ruhrradweg auf ca. 130km. Ich hatte heute gerade mal 30km gefahren, aber die Müdigkeit wegen der Berge von gestern und vorgestern steckte in meinen Knochen. Zu meinem geplanten Ziel in Senden waren es nur noch 60km und in meiner Phantasie war das alles plattes Münsterland. Also verbündete sich mein innerer Schweinehund mit meinem Tourplaner und ich fuhr weiter ins Münsterland.

Schon in Ardey (Ortsteil von Fröndenberg) ahnte ich: vor dem Münsterland kommt das Ardeygebirge. Und danach kommen die Hellweg-Börden. Auch hier ist es durchweg hügelig. Der nächste üble Trick kam kurz vor Kessebüren: der Wirtschaftsweg endete vor einer tief unter mir liegenden Eisenbahnlinie und die Brücke, die auf meiner Radkarte noch eingezeichnet war und die Naviki auch eingeplant hatte, war nicht vorhanden. Ich stand vor einem etwa 10m tiefen Abgrund. Der einzige Weg, den meine Karte vermuten ließ, war eine Traktorspur entlang der Bahnlinie, die in einigen 100Metern zu einem Bahnübergang führen sollte. Der Feldweg führte bergab und so ließ ich es vorsichtig rollen. Tatsächlich, nach kurzer Zeit gelangte ich zu einem Weg und auf diesem konnte ich dank einer Unterführung die Bahnlinie queren.

Der Weg führte mich durch das Stadtzentrum von Unna, und so beschloß ich, auf der Fußgängerzone eine Pause einzulegen und die morgens beim Bäcker gekauften Teilchen zu verzehren. Frisch gestärkt ging’s über Kamen, Bergkamen und Werne weiter nordwärts. In Bergkamen-Rünthe erreichte ich den Datteln-Hamm-Kanal. Hier gab es einen Yachthafen mit der dazugehörigen Infrastruktur. Ein Biergarten war natürlich auch dabei. Ich setzte mich unter einen Sonnenschirm und beobachtete bei einem Weißbier das Leben auf dem Wasser und dem Platz um mich herum. Geschäftlich gekleideten Leuten mit dunklen Aktentaschen wurde von dynamischen Anzugträgern die Anlage erklärt mit samt den Geschäften und Wohnhäusern rund um den Hafen. Für mich sah es aus, als ob Investoren eine Geldanlage schmackhaft gemacht werden sollte. Je kurzweiliger eine Pause ist, umso schneller geht sie zu Ende und ich machte mich wieder auf den Weg. Von jetzt ab fuhr ich immer wieder mal auf ehemaligen Bahntrassen. Die Strecken waren zwar nicht asphaltiert, aber meist gut befahrbar und so kam ich schnell vorwärts.

Unruhig machte mich ein gelegentliches Knacken, das im Laufe des Nachmittags immer lauter und häufiger wurde. Es schien aus dem Bereich Pedale/Tretlager zu kommen, denn es war Trittfrequenzabhängig. Kurz vor Erreichen des Campingplatzes konnte ich es dann eindeutig lokalisieren: das Tretlager (Innenlager) hatte Spiel.

Am Campingplatz in Senden angekommen, mußte ich erst mal den Platzwart suchen. Dank freundlicher Dauercamper fand ich ihn beim Rasen mähen. Er zeigt mir die Wiese, wo ich mein Zelt aufbauen sollte. Das Einchecken verschob er auf später.

Als ich das auf dem Weg zum Abendessen erledigte, fragte ich ihn auch gleich nach einer Fahrradwerkstatt. Mit Bordmitteln konnte ich den Schaden leider nicht beheben, denn ich hatte weder einen Kurbelabzieher noch einen Innenlagerschlüssel dabei. Dafür bekam ich jetzt vom Platzwart ausführliche Informationen über die mir offenstehenden Möglichkeiten. In der Innenstadt gäbe es ein Fahrradgeschäft, wo man die Reparatur zwar durchführen könnte, doch erfahrungsgemäß hätte man gerade jetzt keine Zeit. Man solle das Rad abgeben und könnte es dann am nächsten oder übernächsten Tag wieder abholen. Da dies aber offensichtlich für mich sehr unpraktisch wäre, würde er mir zuerst einen Besuch beim A-Z-Fachmarkt ganz in der Nähe empfehlen. Dort verkauft man alles Mögliche vom Rasenmäher bis zum Traktor, auch Fahrräder, und: da gibt es einen, der repariert auch! Der Laden öffnet erst um 8.00 Uhr, aber nebenan ist eine Bäckerei, die verkauft schon um 7.30 Uhr Frühstück.

Hoffnungsfroh ging ich weiter zum Restaurant direkt vor dem Campingplatz. Wieder ein Italiener, qualitativ und vom Ambiente mit dem Sorpesee-Restaurant vergleichbar. Und wieder war ich früh im Schlafsack.




Pfingsttour
Tag 4 : 31.5.2012
Start: Campingplatz in Senden
Ziel: Oberhausen
Strecke: ca. 80km, ca. 300 Höhenmeter
Track http://www.gpsies.com/map.do?fileId=uatjkcdixmdvmxgz


5.40 Uhr aufstehen, Morgentoilette, anziehen, zusammenpacken und abfahren. 7.20 Uhr war ich an der Bäckerei. Es war offen und ich war nicht der einzige Frühstücksgast. Das Wetter war schön, aber die Leute im Gastraum redeten von Regen, der für heute erwartet würde. Regen kam mir jetzt etwas ungelegen, denn einerseits wollte ich wohl mein neues Zelt auch im Regen testen, aber dafür war es für diese Tour zu spät. Darum hoffte ich, trocken nach Hause zu kommen, denn daß meine Packtaschen und Lenkertasche wasserdicht sind, wußte ich. Beim Frühstück kaufte ich wie gewöhnlich noch ein paar Teilchen für unterwegs und anschließend suchte ich den A-Z-Markt.

20 Minuten vor 8 Uhr stand ich vor dem Gebäude: alle Türen geschlossen. Klar, war ja auch noch nicht 8 Uhr. Also spaßeshalber mal das Gebäude umrundet, und siehe da, am Giebel stand eine Tür auf. Ein Blick nach innen zeigt einige Leute beim Frühstück. Ich grüßte und fragte nach einer Fahradreparaturmöglichkeit. „Kommnse ma mit“ meinte eine Frau und führte mich auf verschlungenen Pfaden treppauf-treppab durch den Bau. Wir fanden einen Mann im blauen Arbeitsanzug zwischen vielen Fahrrädern. Er war auch willens, sich mein Rad einmal anzuschauen und meinte, ich solle es halt in seine Werkstatt hier schaffen. Mein Einwand, daß ich das ja gerne täte, aber ich dann mein Gepäck draußen abbauen und liegen lassen müßte und das Fahrrad die Treppen hoch zu tragen hätte, brachte ihn zur Einsicht, daß er sich das Rad ja auch draußen anschauen könnte. Ich ermunterte ihn noch, gleich einen Kurbelabzieher und einen Innenlagerschlüssel mitzunehmen, damit wir den Schaden auch gleich vor Ort beheben könnten. Er kam mit, prüfte den Schaden und fing an zu Schrauben. Das Rad lehnte an der Wand, die Kurbel war auch schnell ab (natürlich Kettenblattseite) und dann kam was kommen mußte: der Innenlagerschlüssel paßte nicht. Kein Problem, er holte einen anderen, schraubte die lockere Lagerhülse fest und um 8 Uhr war das Rad wieder reisefertig! Meine Frage „ Was bin ich Ihnen schuldig?“ beantwortete er mit „Gar nichts“. Ich spendete 5€ in die Kaffekasse und weg war ich. Die Reparatur war erfolgreich, das Tretlager hält heute noch. Ich danke dem freundlichen Monteur für die kompetente Reparatur!

Ich schwankte noch, ob ich dem Dortmund-Ems-Kanal bis zum Wesel-Datteln-Kanal folgen sollte oder irgendwann die Abkürzung über Haltern versuchen könnte. Die Frage stellte sich dann nicht mehr, weil schon nach wenigen Kilometern ein Bauzaun den Weg blockierte und ein Schild verkündete, daß der Leinpfad bis auf weiteres gesperrt wäre.

Ich bog ab auf kleine Sträßchen und fuhr weiter Richtung Dülmen. In Hiddingsel sah ich dann eine schwere dunkle Regenwolke wie eine schwarze Wand vor mir stehen. Sie erschien mir aber nicht so bedrohlich, daß ich sofort einen Unterstand bräuchte und beschloß, weiter zu fahren. 20 Minuten später fing es an zu regnen. Ich befand mich auf freiem Feld, nur ein paar Bäume am Straßenrand boten geringen Schutz. Zu wenig, befand ich und fuhr weiter, um einen besseren Unterschlupf zu finden. 5 Minuten später erreichte ich eine überdachte Bushaltestelle. Hier verbrachte ich eine halbe Stunde, dann war der Regen vorbei. Ich hatte die Regenjacke zwar an, aber naß am ganzen Körper war ich trotzdem. Zum Glück war es nicht kalt dabei. Der Regen hat mich offensichtlich so verschreckt, daß ich an diesem Tag keine Bilder gemacht habe. Über Dülmen fuhr ich weiter nach Haltern, wo ich im Stadtzentrum auf der Fußgängerzone die im Frühstückskaffee gekauften Backwaren verspeiste. Wieder bedrohte mich eine schwarze Wolke und weil es dann doch nicht regnete, fuhr ich halt weiter. Bis ich auf mir von früher bekannten Wegen nach Dorsten kam, schien die Sonne und ich und meine Ausrüstung waren trocken. Ich setzte mich neben dem Marktplatz auf die Außenfläche eines Eiscafés unter einen Sonnenschirm und genoß bei einem Eis das Treiben um mich rum.

Der Markt war gerade zu Ende und die Marktleute bauten ihre Stände ab. Gegenüber des Eiscafés war ein Pizzabäcker, der ebenfalls Tische und Stühle vor der Tür hatte und die Markise runter gedreht hatte (die Sonne schien heiß!). Zwischen Sonnenschirmen und Markise blieb ein Fahrweg von etwa 2,5m Breite. Hier mußten die Marktverkäufer mit ihren zusammengebauten Marktständen und VerkaufsLKWs durch. Es war schönstes Straßenkino, vor allen, wenn deutsche Marktschreier gegen italienische Pizzaverkäufer zur Höchstform auflaufen. Selbst hartgesottene Marktfrauen stiegen im entstandenen Stau aus ihren Autos und unterhielten sich lautstark: „Jede Woche das Gleiche. Haben die denn das immer noch nicht gelernt!“. Irgendwann war das Nachmittasgskino zu Ende, und ich machte mich auf den Weg für die letzten 30km. In Kirchhellen-Grafenwald fing es an zu regnen und im selben Moment wurde die Ampel vor mir rot. 50m hinter der Kreuzung war eine überdachte Bushaltestelle. Diese hoffte ich rechtzeitig zu erreichen, aber bis es grün wurde, war ich wieder naß. Jetzt war mir alles egal, ich fuhr durch den Regen weiter bis nach Hause.

Die Zeltausrüstungsprobetour war zu Ende, die Wasserfestigkeit des Zeltes war nur unzureichend erprobt, meine Kondition erschien mir für eine Schwarzwaldfahrt deutlich zu gering und Naviki schied als Planungstool für Langstreckenfahrten aus. Es blieb noch viel zu tun. Fazit: Eine zweite Trainings- und Probetour unter anderen Rahmenbedingungen ist nötig!

Und noch ein Nachsatz: Die Rechtschreibreform ist erst teilweise bei mir angekommen und wird zusätzlich hin und wieder ignoriert. Die Schreibweise mag für jüngere Leute daher manchmal etwas ungewöhnlich sein. Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten.


Fortsetzung folgt.




Geändert von Gerhard O (28.01.21 10:33)
Änderungsgrund: verschwundene Bilder neu eingefügt
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#887798 - 05.12.12 13:12 Re: Bergisches Land - Sauerland - Münsterland [Re: Gerhard O]
Gerhard O
Mitglied
Themenersteller
abwesend abwesend
Beiträge: 515
Die Fortsetzung der Trainigstouren findet Ihr unter dem Titel 'Bergisches Land - Sauerland' in diesem Forum (Bergisches Land - Sauerland (Reiseberichte))

Viel Spaß beim lesen
Gerhard
___
Lieber ein gemeiner Berg als ein hinterhältiger Wind!
Nur wer sich den Berg hoch gequält hat, darf ihn auch hinuntersausen!
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