Vila Real . Serra do Alvao . Moimento da Beira . Cabeceiras de Basto ..................grandiose Landschaften und die letzte Bahntrasse Ich könnte hier schreiben, dass mir alles weh tut, dass ich Magenschmerzen habe, Zahnweh bekomme, die Rohloff quietscht oder die Bremse klemmt. Nix habe ich. Mir geht's prima und das Terra ist völlig in Ordnung! Die Durchschnittssteigung von 10% hoch in die Serra do Alvao ist mir wurscht. Die kommende 20%-Rampe hinter Borbela juckt mich in keinster Weise. Nach ein paar Dehnübungen und dem mehr als ausreichenden Frühstück im
Residential Real begebe ich mich in das nette Cafe neben der Touristeninfo und trinke in aller Ruhe noch einen doppelten Espresso.
Nein! Ich habe keine rosa Pillen gelutscht. Ich springe erstmalig über meinen Schatten.
Mitarbeiter Touristeninfo:
"Was wollen Sie? Ein Taxi? Ein Taxi, wo dieses Fahrrad reinpasst? Einen Kombi? Kombis als Taxen gibt es hier nicht!"Am Taxistand schütteln sie angesichts des Rades zunächst mit dem Kopf, bis ich mit dem Finger auf einen Kombi zeigen kann. Jetzt haben sie mich verstanden! Drei Minuten später bin ich in Form eines großen Octavias erlöst. Bei der Fahrt in die Berge habe ich in keinster Weise ein schlechtes Gewissen. Der Taxifahrer muss gelegentlich in den ersten Gang schalten.
"Pilgern light" soll mir in Anbetracht eines Systemgewichts von 140 Kg auch recht sein.
Leider habe ich bei Lamas De Olo den Fehler gemacht, das Taxi nicht
am See anzuhalten. Da habe ich was sehr schönes verpasst! Der Taxifahrer stoppt erst an der höchsten Stelle. Doch die Fahrt von hier nach Mondim de Basto werde ich niemals vergessen. Was ist das für eine grandiose Strecke über die M1200 und M1191-1. Dafür hat sich das ganze Prozedere schon gelohnt. Ich bin endgültig
"hinter den Bergen" angekommen.
Sollte mal jemand dort unterwegs sein, möchte ich ihm die Pension
Cafe Lopes in Bilho mit grandiosem Blick empfehlen. Hundefrei. Selbstverständlich.
Auch wenn Mondim de Basto durchaus einen längeren Stopp wert ist, fahre ich weiter. Mich erwartet die letzte Bahntrasse der Tour. Sie führt nach Arco de Baúlhe. Der Einstieg ist irgendwo hinter der Brücke über den Rio Tamega. Ich bin ungeduldig und nehme
die Abkürzung zur Trasse. Tja, hier musste ich das erste Mal abpacken. Egal. Die Ecopista
Linha do Tâmega ist ein Traum in orange. Sie beginnt weiter südlich in Amarante und endet an einem vorzüglich renovierten Bahnhof in Arco de Baúlhe. Ich mache eine längere Pause. Oft gibt es in Portugal öffentliche Toiletten, die in sehr guten Zustand sind. Diese hier ist wirklich perfekt.
In Cabeceiras de Basto erwartet mich ein ungemachtes Zimmer und eine SMS von der Sorte, die ich heute überhaupt nicht lesen mag.
"Wenn Sie schon in Cabeceiras sein sollten, dann fahren Sie doch mit dem Bus nach Guimaraes, zur Wiege Portugals. Machen Sie dort Pause. Es gibt viel zu sehen. Schwere Gewitter ziehen übermorgen durch die Peneda Geres und dann haben Sie gar nichts davon."Vor lauter Schreck vergesse ich den Stempel, krame mein Notebook raus und stelle fest, dass die Nachricht stimmt. Fiese Regenwände aus dicken grauen Wolken bei sehr bescheidenen Temperaturen sind angesagt. Ich gehe erstmal was essen und verschiebe Stempel und Entscheidung auf morgen. Die Stadt ist hell erleuchtet. Kirmes ist im Dorf, und in der Kirche sind die Heiligtümer für die kommende Prozession reichlich geschmückt.
Cabeceiras de Basto . Outeiro ................ ……hundert Jahre Einsamkeit Seit gefühlten hundert Jahren habe ich keine Menschenseele mehr getroffen, mit der ich einen netten Abend verbringen oder nur ein vernünftiges Gespräch führen konnte. Pilger suchst Du hier vergebens und Radfahrer findest Du sowieso nicht mehr. In meinem Tagebuch steht
"…….. hundert Jahre Einsamkeit sind genug!" Es ist so, wie es ist. Ich spreche kein Portugiesisch, und die Zweitsprache im Norden ist Französisch. In der Schule hatte ich Englisch und Latein. Oft habe ich auf meine Frage, ob jemand Englisch spricht, nur das Zucken der Schulter gesehen. ………. und dann kommt auch noch diese SMS.
Nein! Nao! Nichts, aber auch gar nichts wird mich jetzt auf den letzten 250 km noch aufhalten. Weder die Wiege Portugals, noch andere Städte noch drohende Gewitterwände können mich stoppen. Ich will einfach nur noch am Ziel meiner Reise ankommen. Dazu ist mir mittlerweile jedes Mittel Recht, solange ich schneller als das
Wetter bin.
................ ……Frühstück, Stempel, Taxistand Vor mir liegt die Peneda Geres. Ich habe keine Ahnung, wie ich da hoch kommen soll. Mit Händen und Füßen erkläre ich einem Kioskbetreiber, was ich möchte, und 20 Minuten später hält ein Passat. Das Wohin ist schnell geklärt, und er bringt mich hoch. Ich habe das überhaupt nicht bereut, denn die Anfahrt in die Peneda Geres ist für mein Empfinden einfach nur langweilig. Das trifft zumindest für meine gewählte Route über die R311 und M308-4 zu. Nach den bisher gesehenen Dörfern übt das Dorf Venda Nova auf mich keinen Reiz mehr aus, es zu erkunden. Auf der Höhe bei Ponteira steige ich an schwarzen Felsformationen aus und rolle runter zum Stausee nach Paradela.
Kennst Du einen Stausee in Portugal, dann kennst Du alle! Die Ufer mit ihren unwirtlichen Uferbefestigungen aus lockerem Fels oder glattem Beton sind doch alle gleich. Dass hier in der Einöde ein Panamera rumkurvt, wundert mich sehr. Der Besitzer ist bestimmt kein Kuhhirte.
................……Ruhe im Schacht Nachdem ich schon in Vila Real Frieden mit mir und meiner Schmerzgrenze geschlossen habe, schließe ich in Paradela Frieden mit den portugiesischen Kampfhunden auf einer kleinen Terrasse am Stausee. Ja, es ist tatsächlich ein beruhigendes Gefühl. Ich kraule dem Hund den Nacken und spüre keinen belastenden Druck mehr. Dieses
"Du musst das schaffen. Du musst da hoch. Du musst heute hier und morgen dort sein." Das ist mir zwar nicht egal geworden, doch vermehrt spüre ich, dass sich eine größere Gelassenheit Raum schafft. Nicht in diesem Augenblick, nicht plötzlich. Es ist eher eine Entwicklung, die schon auf dem letzten Teil meiner Tour
Bayern lockt....... im Juni angefangen hat. Den zusätzlichen Warnhinweis vom Knie habe ich ebenfalls verstanden.
................……die schönste Terrasse Portugals Herr Hass hat eine neue Empfehlung für ein Bed & Breakfast etwas weiter am See in Outeiro bei einem deutschen Ehepaar. Ich rufe an und bekomme ein Zimmer.
Allein auf dem kurzen Stück entlang des Seeufers waren so viele kurze Anstiege über 13%, dass ich wirklich überlegt habe, mein ganzes Gerümpel in den See zu werfen. Ich erreiche das Haus, staune ganze LEGO-Kästen voller Bauklötze und bin einfach nur hin und weg. Nach der Dusche bekomme ich ein Bier auf der Terrasse serviert und bleibe sitzen, bis es Zeit ist, schlafen zu gehen. Wäre es möglich gewesen, ich wäre noch einen Tag einfach sitzen geblieben. Doch das Haus war leider für das Wochenende ausgebucht.
Oficina Do Joe Guesthouse Joe ist Schlosser, hat eine eigene Werkstatt und baut alles, was Du aus Stahl bauen kannst. Hier oben besitzen viele sehr Reiche sehr große Ferienhäuser. Die Treppen sind alle von ihm. Gitte betreut die Gäste und führt das Haus. Sie leben seit 25 Jahren hier und haben eine neue Heimat gefunden. Sie erzählen vieles über sich und das Land. Seit längerem kann ich wieder lachen, sprechen, erzählen und mich über meine Befindlichkeiten austauschen. Ein traumhafter Tag endet mit einem traumhaften Abendrot auf der schönsten Terrasse Portugals.
Outeiro . Tourem . Bande (Spanien) Ein Superfrühstück. Ein Superkaffee. Ein herzlicher Abschied!
"Es wird da hinten richtig steil. Es wird sausteil! Soll ich dich hochfahren? Ich mache das wirklich sehr gerne!" Es ist bedeckt. Es ist kalt. Joe hat einen Pick-Up. Jürgen scheint reichlich hilfsbedürftig aus der Wäsche zu schauen. Niemals vorher habe ich mein Rad so schnell in ein Auto verfrachtet. Selten habe ich so spontan Hilfe angenommen. Dieses
"ach danke, aber ich schaffe das schon" ist wie weggeblasen. Wir fahren hoch und Joe erzählt mir mit einen Blick auf meine Bastmatte noch, dass ich mich vor
Vipern in Acht nehmen soll. Davon gäbe es hier oben relativ viele. Die Wildschweinpopulation und die Stallräuber hätten sie aber im Griff.
Ein ehrlicher und fester Händedruck und Joe ist weg.
Ich mach mich bei 8° und kaltem Wind auf den Weg nach
Tourem. Tourem ist das Dorf der Schmuggler, das Dorf, in dem die Zeit scheinbar stehen geblieben ist.
Der überraschte Radfahrer wird hier von großen Rindern begrüßt und von liebenswerten Leuten im Cafe Paris in Empfang genommen. Für seinen letzten portugiesischen Stempel läuft die Tochter des Bürgermeisters extra ins Rathaus und bringt ihm das Credencial persönlich zurück. Nach dem obligatorischen, doppelten und letzten portugiesischen Espresso rolle ich über die Brücke des Rio de Salas. Ein Schild zeigt mir, dass ich die Grenze nach Spanien überfahren habe. Mein Navi zeigt automatisch die neue Zeit. Ich rufe einen Freund an, singe "iQue Viva España" ins Nokia und bin doch sehr gerührt, Portugal zu verlassen. Mehr gerührt, als ich erwartet habe. Kennt jemand die portugiesische Mama von
Ulrich Roski? Am ehemaligen Grenzhäuschen schreibe ich mal wieder Tagebuch. Dem Unwetter bin ich davongekommen.
Vor mir liegt die OU-303. Vor mir liegt glatter Asphalt. Frisch und ausgeruht rolle ich Richtung Cerdedo und biege links ab, um über Taboadela eine Strecke mit pittoresken Dörfern zum Rio Limia zu fahren. Dieses winzige Sträßchen ist ein Traum.
Bande ist nicht weit. Nach einer kleinen Pause vor dem Cafe des Grauens fängt es schlagartig an zu regnen. Die Gewitterfront ist da. Sie hält, was der Wetterbericht versprochen hat. Diese Kneipe hält nicht, was ihr Name verspricht. Stundenlang warte ich aufs Essen. Noch nie hab ich mich auf ein Bett gesetzt und bin nach hinten wieder rausgefallen. Das Bad ist schlimm……………………………….
Bande . Celanova . Ourense Auch wenn die Wirtsleute ganz nett waren, bin ich froh, aus dem Kleeblatt raus zu sein. Die OU540 führt direkt in einem Rutsch nach Ourense. Es gibt fast durchgehende 5% Steigung oder Gefälle. Es gibt heute am Sonntag keinen Verkehr, es gibt keine Hunde, es gibt für mich nur diesen breiten Seitenstreifen. Was ist das für ein irres Gefühl. Ich will nur noch den letzten Gang treten. Nur ein paar Oldtimer in Celanova und ein paar Schafe irgendwo unterwegs lassen mich kurz anhalten.
Nach 2,5 Stunden, 350hm und 50km erreiche ich Ourense. Kann Radfahren doch schön sein.
. OurenseGeschafft. Die Via Lusitana endet hier.
Ich rolle durch die Stadt bis zur alten Brücke über den Rio Miño. Hier beginnen die letzten hundertundzehn nach Santiago.
Sehr geehrter Herr Hass,
Hunde haben mich gejagt. Es hat gegossen wie aus Eimern. Die Sonne hat mich verbrannt. Die Wege waren oft mörderisch steil. Ich war mehrfach nahe daran, alles hinzuschmeißen. Ich war oft alleine, habe geflucht und geschimpft. Wir haben während der Zeit gesimst, telefoniert und gemailt. Sie haben mich aufgemuntert. Sie haben mich gelegentlich gewarnt. Sie haben mich über die Zeit auf das Herzlichste und Freundschaftlichste begleitet. Dank ihres Engagements habe ich mich nicht ins Verderben gestürzt.
Aber, und dafür bin ich genauso dankbar, Sie haben einen, in ehrwürdigen Staatsbibliotheken vergrabenen, unbekannten und traumhaften Weg ans Licht geholt. Sie haben mit viel Herzblut daran mitgearbeitet, dass der Wanderweg in großen Teilen jetzt mit dem Fahrrad zu bewältigen ist. Trotz mancher Umwege und Abkürzungen bin ich durch sensationelle Landschaften gefahren, die ich sonst niemals kennen gelernt hätte. Ich habe viele hilfsbereite Menschen getroffen, Menschen, die mir die Seele Portugals näher brachten und mir damit halfen, Portugal besser zu verstehen. Die Via Lusitana ist nicht nur Ihr Baby, sie ist eine Bereicherung für mich und für viele andere Fahrradfahrer ganz sicherlich auch. Die mit und auf ihr verbrachte Zeit wird mich lange nähren.
Vielen herzlichen DankDas
Hotel Irixo, auch ein Tipp aus dem Buch, ist mit 25,- Euro ein richtiges Schnäppchen mitten in der Altstadt von Ourense. Ich bleibe zwei Nächte. Den ersten spanischen Stempel bekomme ich in der Pilgerherberge. Die Stadt begeistert mich. Ich kann gar nicht genug Lebendigkeit aufsaugen. Selbst die Kathedrale ist ein Geschenk des Himmels.
Die Gespräche von Tisch zu Tisch funktionieren nicht nur am Abend. Beim Frühstück treffe ich einen spanischen Rentner, der früher mal eine Kneipe in Düsseldorf Niederkassel hatte. Jaja, Gesprächsstoff hatten wir wirklich ausreichend. Er zeigt mir noch die alten Thermen in der Stadt und einen Laden, in dem ich mir eine neue Stirnlampe kaufen konnte. Meine Petzl hatte ihren Geist aufgegeben. Mit der Touribimmelbahn lass ich mich herumfahren und bin erstaunt, dass es außerhalb der Stadt herrliche Thermalbäder gibt, in denen man es sich bei 35° Wassertemperatur so richtig gut gehen lassen kann.
Hier noch ein paar Eindrücke aus Ourense:
Ourense . Lalin . Santiago de Compostela Soll ich im Nebel der Via de la Plata folgen oder lieber der N525? Ich bleibe auf der N525 und treffe Pilger auf dem Mountainbike. Wir fahren stückweise zusammen. Bergauf sind sie schneller, bergab habe ich leichte Vorteile. Die Kilometer fliegen dahin, die Sonne kommt raus. Die Straße führt durchgängig mit maximal 7% durch die galizischen Hügel und ist traumhaft zu fahren. Das Mittel zwischen Navi und Tacho zeigt mir in Lalin 1200hm. Genug für heute. Ich möchte mittags in Santiago sein.
Hotel, Pilgermenu, Stempel, Frühstück, Sonnenschein. Ich treffe die Mountainbiker immer mal wieder und erreiche Santiago doch erst um 15:30 Uhr. Vom Rio Ulla hoch zum Zielblock war es anstrengender als erhofft. Geschieht mir das Recht? Schulde ich ihr doch noch mehr Abbitte? Ich lasse die Büchse der Pandora lieber geschlossen und schaue, dass ich ganz schnell weiter komme.
Z
I
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L
B
L
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