Radreise & Fernradler Forum
Radreise & Fernradler Forum
Wer ist online?
11 Mitglieder (ito85, macbookmatthes, DenkDirNix, KaRPe, Sworks, Fahrradfips, 5 unsichtbar), 570 Gäste und 939 Suchmaschinen sind im Forum unterwegs.
Details
Erweitert
Rund ums Forum
Regeln
Die Regeln für dieses Forum
Nutzungsbedingungen
Vereinbarungen für die Benutzung
Das Team
Wer steht hinter dem Forum?
Verifizierung
Offenlegung deiner Identität
Beteiligte Homepages
Radreise-Seiten, die das Forum eingebunden haben
Mach mit!
Dieses Forum für deine Homepage
RSS Feeds RSS
Eine Übersicht öffentlicher RSS Feeds
Plauderecke
Zum Unterhalten und Plauschen
Die Geschichte
Die Geschichte des Forums
Spende
Unterstütze das Forum
Radreise-Wiki
Partnerseiten
Statistik
29279 Mitglieder
97730 Themen
1534544 Beiträge

In den letzten 12 Monaten waren 2214 Mitglieder aktiv. Die bislang meiste Aktivität war am 02.02.24 17:09 mit 5102 Besuchern gleichzeitig.
mehr...
Vielschreiber (30 Tage)
Juergen 86
Keine Ahnung 75
panta-rhei 64
Falk 53
iassu 46
Themenoptionen
#1379726 - 20.03.19 23:24 Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen [Re: veloträumer]
veloträumer
Mitglied Übernachtungsnetzwerk
Themenersteller
abwesend abwesend
Beiträge: 17.202
EUS-0c Mehr Fakten, alte Geschichten, neue Horizonte

Mein baskisches Reisebuch

Eine Liebe hält ein Leben lang, heißt es oft. Die Legende von Pirineosaurus (2014), mit Schnittmengen zum französischen und spanischen Baskenland bis hin zur Côte Basque, ist eine Ode an die ständige Wiederkehr eines Reisenden an seine geliebtesten Orte, eine Art Heimatbekenntnis aus prähistorischer Zeit, das nie endet und sich auch in der Wiedergeburt unterschiedlichster Wesen immer wieder erneuert. Eine Liebe dauert also länger als ein irdisches Wesen leben kann – ein metaphysisches Gen, das immer wieder ein Wesen befallen kann. Ganz unphilosophisch beschreibt Pirineosaurus bereits überschneidende Orte vor allem aus den Anfangs- und Endtagen meiner hier zu berichtenden Baskenlandreise. Eine kleine Erinnerung an eine denkbare Fortsetzung der Pirineosaurus-Legende habe ich hier eingebaut, eine komplett arrangierte literarische Fortsetzungserzählung übersteigt allerdings aktuell meinen zeitlichen Rahmen.

Eine eher flotte West-Ost-Querung mit schlicht einem Binnenknick kennzeichnet den baskischen Teil meiner Vuelta Verde (2008), auf der ich nebst der Bilbo-Agglomeration das Urkiola-Gebirge durchquerte, über Leitza ins Baztan-Tal abglitt, die Nebelwand am Col d’Ispéguy in Richtung Pilgerzentrum St-Jean-Pied-de-Port durchstach und ein ebenso dramatisches wie skurriles Erleben von Iraty hatte, das mich an den Rand des Machbaren brachte. Niemand wäre nach solchem Ungemach an solchen Ort zurückgekehrt, auf mich wirkte es wie Magie – die Region wurde zum Kristallisationspunkt des pirineosaurischen Gedankens und zeigte das baskische Wesen, dass die Wiederkehr belohnt wird mit einem öffnenden Vorhang und alles wieder anders aussehen kann. Was 2014 Glückshormone in mir auslöste, war auch diesmal nicht ohne Wirkung – Irati ließ die Augen wieder feucht werden (womit ich schon jetzt nachdrücklich auf das Ende des Berichts verweisen möchte).



Eine weitere Radreise, „meine“ Tour de France (Pyrenäen – Auvergne – Jura) führte mich im Jahre 2004 längs des Pyrenäenkamms wechselweise nach Frankreich und Spanien, nach Pamplona, San Sebastián und Bayonne u.a. auch mit Teilen des Bidasoa-Tals, dass ich diesmal im unteren Teil nochmals ausgefahren bin – diesmal weitgehend auf dem dort noch recht neu eingerichteten Bahntrassenradweg. Eine Überschneidung bzw. eine Ergänzung setzte ich im Naturpark Aiako Harria, den ich seinerzeit schon mal über die Route der Cinco Villas ab Lesaka querte, diesmal auf einer nördlichen Variante und zur westlichen Randzone mit dem Urumea-Fluss. Nachgeholt habe ich den Besuch einiger Attraktionen des Baztan-Tals ebenso wie des sehenswerten Seebads Biarritz mit Strandabschnitten in Richtung St-Jean-de-Luz sowie die Jaizkibel-Panoramaroute mit ungewöhnlichen Steinformationen zwischen Hondarribia und Errenteria.

Karten mit Fehleranalyse

Michelin Zoom „Pays Basque/Nord de la Navarre“ 1:150 000 (deckt das Meiste übersichtlich ab)

Michelin Regional Espagne „País Vasco/Euskadi, Navarra, Rioja“ 1:250 000 (eigentlich zu klein, braucht man aber für die westlichsten Randgebiete)

IGN 166 „Pau/Bayonne“ 1:100 000 (empfiehlt sich für detailliertere Blicke auf den frz. Teil und Grenzpassrouten, insbesondere zwischen Irati- und Bidasoa-Tal, eine detailliertere IGN-Karte 1:75 000 vermittelt m.E. keine neuen Infos, evtl. also noch einen noch größeren Maßstab suchen, wenn das gewünscht ist (Wandern, Offroad-Trails, zur Straßenfindung dann aber weniger geeignet)



Je nachdem, welche Wege man fahren möchte, stößt man schnell an Grenzen, weil etliche Pisten, aber auch Straßen im doch recht kleinteiligen Baskenland auf den gängigen Straßenkarten nicht eingezeichnet sind. Spezialkarten gibt es nur zur französischen Seite, zur spanischen Seite wird es schwierig, weil auch bewährte spanische Wanderkartenanbieter ausfallen, da sie sich auf die gewichtigen Bergregionen Spaniens beschränken – also quasi zwischen Pyrenäen und den Picos de Europa eine Lücke besteht. Schon kurios ist, dass selbst auf den lokalen Karten bei den Informationszentren der Naturparks vor Ort gewichtige Wanderwege und sogar Pisten/Forststraßen nicht eingezeichnet waren (so etwa im Falle des P.N. de Valderejo). Für den P.N. de Gorbea/Gorbeia hatte ich vorab mir Routen in die Straßenkarte eingezeichnet, die nach Recherche fahrbar sein sollten (tatsächlich vor Ort auch als Radrouten ausgewiesen, wenn nicht sogar Lokalstraße). Letztlich blieben mir alle denkbaren Routen in diesem Park verborgen, weil man die durchgängige Fahrbarkeit nicht immer annehmen kann. Eine Piste wäre mir dabei auch tatsächlich zu schwer gewesen, die für ausgewiesene MTBer vielleicht durchgehend fahrbar sein könnte.

In einigen Fällen versagt übrigens auch GoogleMaps, was die Durchfahrbarkeit angeht. Hier sind zumindest auf einer Papierkarten (seltsamerweise versagt die detailliertere IGN-Karte im Gegensatz zur gröberen Straßenkarte) durchgehend Wege eingezeichnet (die falschen für den Straßenweg!), aber die durchgehende Asphaltierung aus keiner Karte ersichtlich, nicht einmal aus der lokalen Wandertafel (Sorgain/Aztakarri/Aztakarriko, hatte das aber anderweitig im Web ausgespäht) und die örtliche Ausschilderung verwirrend, weil nur angrenzende Wanderwege ordentlich ausgezeichnet waren, nicht aber die Straße. Verkehrswegweiser verschweigen die Übergänge ins Nachbarland (Sorgain, Orgambide), zumindest auf spanischer Seite. In einem Fall endete mein recherchierter Übergang (Leranotz – Etsain) auf einer Kuhweide, obwohl ein Einheimischer den Weg bestätigt hatte und Google behauptet, da geht was. Wohl hätte ich die Kuhweide schiebend überbrücken müssen um ggf. zur anderen Seite eine Fortführung der Piste zu finden. Die Folgen der starken Regenfälle taten ein Übriges. Dergleichen fehlte es hier an Wegweisern und vertrauenswürdigen Perspektiven, sodass ich mich am Ende im Kreis gedreht hatte.

In Summe käme man zwar mit meinem Kartenmaterial gut durch, sollte aber separate Recherchen einbeziehen (die mit diesem Bericht natürlich schon getan sind) und muss auch eigene, schwierige Abwägungen treffen (und dabei Fehler akzeptieren), weil Angaben örtlicher Personen auch immer wieder im Ungewissen stecken bleiben. Digitale Navigation hätte nur wenige dieser Probleme lösen können, die meisten der Fragezeichen aber nicht. Manche digitale Karte erzeugt sogar neu Probleme, wie etwa bikemap 24, wo sowohl Siedlungsmarkierungen fehlen wie auch mal eine ganze Straße fehlen kann, die längst bekannt ist. Ergänzendes Info- und Kartenmaterial sammelte sich auf der Reise einiges an, ward aber nicht immer gebraucht, für manche zusätzlichen, reizvolle Optionen fehlte dann auch die Zeit.



Lese- & Musik-Tipps

Andreas Drouve: Nordspanien mit Jakobsweg (Bielefeld 2016, 8., kompl. überarbeitete Aufl., Reise Know-How Verlag)

Der Reiseführer enthält sowohl das spanische Baskenland Euskadi wie auch die Nord-Regionen Navarra und Aragonien bis in die Pyrenäen hinein auf der Höhe Somport-Pass/Jaca. Diese Ausweitung nach Osten ist nicht zufällig dem Zusatzthema des Reiseführers, dem Jakobsweg, geschuldet, der maßgeblich ab Somport/Jaca auf der spanischen Seite begangen wird. „Nordspanien“ ist hingegen noch weiter nach Osten nicht abgedeckt (mehr Pyrenäen, Katalonien), was dem häufig missverständlichen Sprachgebrauch geschuldet ist, demnach Nordwestspanien gerne mit Nordspanien gleichgesetzt wird. Dieses Missverständnis wird hier leider weiterbefördert.

Trotzdem bleibt ein erheblicher Teil über Euskadi hinaus übrig, der nicht zu dem hier behandelten Reisegebiet gehört. Folglich bleiben die Erkenntnisse für Insider eher dürftig, viele Landesteile werden erwähnt (etwa einige Naturparks wie Gorbea, Urkiola, Valderejo), aber mit dem Hinweis auf weiterführende Infos schnell abgehakt. Andere Teile werden wieder überraschend ausführlich behandelt (Park Señorio Bértiz, Wald von Oma, Baztan-Tal), wobei Navarra erwartungsgemäß mehr Aufmerksamkeit erhält als Euskadi. Das gilt auch für die ausgegliederten Sonderkapitel mit Hintergrundgeschichte. Gut geraten sind generell die Stadtkapitel zu Donostia, Bilbo und Vitoria-Gasteiz, zumal der durchschnittliche Reiseradler die Städte nicht noch ausführlicher beackern dürfte. Je mehr noch eine Ausweitung der Tour (oder weiteren Touren) nach Nordwesten bis Galicien geplant ist, desto mehr lohnt sich der Reiseführer, wie auch rundum die Pilgerroute des Camino Frances gut geschaut wurde.

Joëlle Darricau: Die Höhlen Isturitz & Oxocelhaya – Natürliche Sehenswürdigkeiten des Hügels von Gaztelu (Elkarlanean S.L., ISBN 978-84-9783-051-5)

Ein kleine (26 Seiten), illustrierte und gelungene Broschüre mit Hintergründen zu den Höhlen und der Menschheitsgeschichte vom Neandertaler zum Homo Sapiens. Die Texte sind sehr persönlich gehalten, damit auch Einblick in die Forschungs- und Familiengeschichte von der Entdeckung an bis zur touristischen Nutzung heute und den Perspektiven in der Zukunft, immer angetrieben davon mehr zu erfahren, wie Mythologie und Wissen der noch lückenhaften Frage des Menschwerdens sich zu nähern versuchen. In verschiedenen Sprachen vor Ort erhältlich.

Ingo Niebel: Das Baskenland – Geschichte und Gegenwart eines politischen Konflikts (Wien 2014, 2., überarbeite und erweiterte Aufl., Promedia Druck- und Verlagsges.)

Wer eine detaillierte parteipolitische Aufbereitung des baskischen Konfliktes insbesondere mit der spanischen Zentralregierung (Frankreich spielt nur eine Nebenrolle) sucht, wird um dieses Buch nicht ganz herumkommen. Die Details verlieren sich aber in einer kaum nachvollziehbaren Einordnung in der politischen Agenda des 20./21. Jahrhunderts. Wer erwartet, dass hier eine gesellschaftliche und historische Reflektion des Baskenkonflikts bzw. des ETA-Terrorismus versucht wird, dürfte eine deutliche Enttäuschung erleben. Dem Autor gelingt es dabei nicht, inhaltliche Komponenten so hervorzuheben, dass sie die taktischen Manöver der politischen Akteure inhaltlich erklären. Vielmehr ist er von der Idee besessen, das Wirken der ETA als logische und legitime Entwicklung eines verfehlten politischen Prozesses darzustellen. Dabei wird er nicht müde, andere politischen Akteure jenseits von der abertzalen Linken und dem terroristischen Arm der ETA – insbesondere die spanische Zentralregierung – in die Nähe eines undemokratischen Folterregimes zu rücken und die spanische Demokratie und Gesellschaft auf eine postfranquistische Leitkultur zu reduzieren, die verschwörungstheoretisch einem manipulierten Politik-Medienkonglomerat aufsitzt – sogar international.

Gegensichten zum Dogma des Autors kommen gar nicht ins Spiel oder werden konstruiert abgewürgt, wie auch die Opfer des ETA-Terrorismus derart verharmlosend, banal und kurz abgefertigt werden, dass es für ein Buch mit wissenschaftlichem Anspruch schon ein Eklat ist. Die jüngere Debatte zu Wunden der Terrorzeit und den Wegen zur Versöhnung auch innerhalb von gespaltenen Familien, die mit dem faktischen Ende der ETA und durch Intellektuelle wie Bernardo Atxaga und Fernando Aramburu angestoßen wurde, könnte Niebel ebenso wenig erklären wie die Zurückhaltung der Mehrheit der Basken gegenüber der ETA selbst und den aktuellen katalanischen Unabhängigkeitsbestrebungen. Das Buch zeigt einmal mehr, dass fleißiges Zusammentragen von zahlreichen Fakten und Details weder Zusammenhänge erläutert, noch eine geeichte Werteordnung eines Autors ersetzen kann, die nachvollziehbar ist und von transparenten wissenschaftlichen Kriterien getragen wird.

Was macht die baskische Seele aus? Worauf gründen sich die Besonderheiten der baskischen Geschichte und der so vehement eingeforderten Sonder- oder Unabhängigkeitsrechte des baskischen Volkes? Wie lauten die inhaltlichen Positionen, die die machtpolitischen Forderungen zur Unabhängigkeit begründen? Warum beteiligte sich die ETA und ihre Anhängerschaft als antifranquistische Front nicht konstruktiv an dem demokratischen wie europäischen Prozess der neuen parlamentarischen Monarchie seit 1976? Wie wurde die angeheizte politische Stimmung im Baskenland in den Alltag der Basken und ihre Familie hineingetragen? Welche Initiativen suchten alltagsbezogene oder politische Brücken zwischen französischen und spanischen Basken jenseits von ETA-Terrorismus? – Hier gibt es dazu keine schlüssigen Antworten. Sehr ärgerlich!



Anm. zum Bild: José María Arizmendiarrieta, ein Priester des 20. Jh., trieb neue Bildungswege durch die Gründung einer Berufsschule voran. Er initiierte eine genossenschaftliche Kooperative, die später auch größere Wirtschaftsbetriebe einband (bis heute etwa die Handelskette Eroski) und u.a. wirksam der Ölkrise 1973 widerstand. Bemüht die Katholische Soziallehre real umzusetzen, forcierte die Kooperative überdurchschnittliche Sozialleistungen und stand Pate für die Gründung mehrerer Studiengänge an der Universität Mondragón wie Ingenieurwesen, Wirtschafts-, Erziehungs- und Humanwissenschaften, die einer sozialen und umweltverträglichen Ethik verpflichtet sind.

Bernardo Atxaga: Obabakoak oder das Gänsespiel (Zürich 1995, Unionsverlag, TB-Ausgabe der dt. Erstausgabe im Schönbach Verlag, aktuell nur antiquarisch erhältlich)

In Sachen Fabulierkunst gilt „Obabakoak“ als Bernardo Atxagas Meisterwerk. Der mit mehreren Preisen ausgezeichnete baskische Autor – einer der wenigen, dessen Werke in verschiedene Sprachen übersetzt wurden – lässt hier Geschichten zwischen Fantasie und Realem zerfließen, Geschichten an verschiedenen Orten der Welt, aber immer auch verbunden mit einem fiktiven Provinznest in den baskischen Bergen. Was hier Spaß macht, ist die kultivierte Erzählkunst, mit Sprache zu spielen, die Perspektiven für das Komische, Rätselhafte zu einer erlebnisreichen Wirklichkeit werden zu lassen. Man kann auch von einer Sammlung von Geschichten, Briefen und Gesprächen sprechen, ein multiples Gedankenmosaik. In den Sog des Erzählens wird man unmittelbar wie auch mal mysteriös hineingezogen: „Gegen Mittag legte sich der Nebel über das Dorf, und als ich meine Siebensachen ausgepackt hatte und einen Blick aus dem Fenster warf, erschien mir alles wie in ein eisiges, weißliches Linnen gehüllt. Etwas unbeholfen eingehüllt, denn da lugte ein Dach hervor, dort die nackte Krone einer Ulme, dazwischen die Kuppel des Kirchturmes – blasse Schatten, gespenstische, in der Luft schwebende Trugbilder, die einen frösteln ließen. Sie wirkten bedrückender als der Nebel selbst.“ (S. 113) Und schließlich ertappe ich mich auch noch selbst im Spiegel des Erzählers (S. 377): „Doch die Arbeit, die ich mir vorgenommen hatte, dauerte länger als geplant … ich will damit sagen, dass die Schilderung jener Reise gar nicht so einfach war, wie ich anfänglich gedacht hatte: im Gegenteil. Die Tage vergingen, und ich kam nicht von der Stelle. Das letzte Wort wollte und wollte nicht auftauchen.“

Bernardo Atxaga: Memoiren einer baskischen Kuh, (München 1995, Altberliner Verlag, aktuell nur antiquarisch erhältlich)

Vielleicht ist es der neugierig machende Titel des Werks, der die „Memoiren einer baskischen Kuh“ in Deutschland zum populärsten Buch von Bernardo Atxaga machte, weniger beachtet hingegen in seiner Heimat. Fehl geht man mit dieser modernen Fabel allerdings keineswegs, denn sie versteht auf humorige Weise feinsinnige Gespräche dem Leser nahezubringen. Die Kuh Mo verweigert sich dem für sie bestimmten normale Kuhleben und sucht sich eine intelligente Kuh, um ihre Weisheiten der kleinen Landwelt zu erzählen, nicht ganz ohne philosophischen Gehalt, der leicht nebenbei vermittelt wird. Der Ausgangspunkt könnte kaum ungünstiger sein: „Mein Leben erschöpfte sich in den täglichen Gängen vom Stall zur Weide und dann wieder von der Weide in den Stall. Genauso wie die Fliege am Honigglas klebt, klebte ich an den Wänden des Bauernhofs… Ich kriegte nichts mit, verstand überhaupt nichts, null.“ (S. 62) Was kann eine solche Kuh lernen? – Erstaunliches, wie z.B. Spiele gegen Langeweile wie dieses (S. 90 f): „Bei diesem [Blatt-]Spiel musste ich erraten, wann ein bestimmtes Blatt vom Baum fallen würde. Ich ging in den Wald, legte mich auf einen weichen Platz und suchte mir ein bestimmtes Blatt auf einem der umstehenden Bäume aus. Es musste ein hellgrünes Blatt sein, das eher ein Frühlingsblatt als wie ein Herbstblatt aussah. Dieses Blatt ließ ich dann nicht mehr aus den Augen, einen ganzen Tag lang, zwei Tage, drei, solange wie nötig. In der Regel nahmen sich die Blätter ziemlich viel Zeit, um sich vom Ast zu lösen, sich dem Wind anzuvertrauen und schließlich auf den Boden zu fallen.“ Wir erfahren, dass Mo bei richtiger Prognose Luftsprünge machte. Zu kindisch für Kulturleser? Dann mal hier weiter: „Mozart, Beethoven und Haydn // sind der Kuh die schönsten Weiden.“ Ein Lesespaß! Das Kleine, das augenscheinlich Naive wird hier ganz groß erzählt!



Bernardo Atxaga: Der Sohn des Akkordeonspielers, (Frankfurt/Main 2006, Insel Verlag, aktuell nur antiquarisch erhältlich)

Muss es noch ein Werk von Atxaga sein? – Es darf, denn mit „Der Sohn des Akkordeonspielers“ setzt er Zeichen in der politischen Debatte um den ETA-Terrorismus und entfächert seine Wunden, die gerne bis heute verschwiegen wurden. Als Romankulisse dient die zerbrechende Jungenfreundschaft, Liebe und Verrat sind die Zutaten, wie sie in den Literaturspiegeln bedeutender historischer Prozesse immer wieder zu finden sind. Nichts aber wäre Atxaga mehr zuwider, als abgegriffene Plattitüden zu verwenden, um den ernsten Stoff in das Gedächtnis zu rufen. Dem Autor gelingt es mit erzählerischer Klasse, entscheidende Gewissens- und Schuldfragen zu thematisieren, sie zur Diskussion zu stellen, ohne den erhobenen Zeigefinger zu bemühen.

Peter Frey/Gunter Brettschneider (Hg.): Wie man den Teufel und andere Menschen überlistet, (Zürich, pendo-Verlag, Serie pendo-euskariana, aktuell nur antiquarisch erhältlich)

Schon eine kleine Rarität, bietet dieses Buch eine Sammlung von 29 Legenden und Volkserzählungen, die etwas von der baskischen Geschichte und Seele auf amüsante Weise vermitteln. Die Herausgeber haben sich auf drei Sammlungen konzentriert, die um 1930 veröffentlicht wurden. Dabei beziehen sich zwei auf das französische Baskenland im Labourd-Dialekt und die dritte auf eine kleine Region bei Tolosa. Für Sprachbegabte ist die Ausgabe eine Lehrübung, gibt es die Texte neben der deutschen Übersetzung auch im originalen Euskara. Zusammen mit einem Professor für vergleichende Sprachwissenschaften der Universität Vitoria-Gasteiz haben die Autoren auch noch einige Besonderheiten des Baskischen zusammengestellt, welches über nicht weniger als 15000 Verbformen verfügen soll. Die erste baskische Grammatik des Jesuitenpaters Manuel de Larramendi aus dem Jahre 1729 trägt übersetzt den vielsagenden Titel „Das Unmögliche besiegt“, und ist gleichwohl eine Sage überliefert, demnach selbst der schlaue Fuchs am Erlernen der baskischen Sprache gescheitert sein soll.



Anm. zum Bild: José Maria Iparragirre führte ein rebellisches Leben, um sich für die Sonderrechte der Basken einzusetzen. Er verbrachte große Teile seines Lebens im Exil, innerhalb Spaniens ebenso wie in Europa später auch in Uruguay. 1853 schrieb der Dichter und Sänger mit Gitarre die inoffizielle Hymne der Basken „Gernikako Arbola“, dem nationalen Symbol der Basken, der Eiche von Gernika gewidmet.

Jimmy Arrabit Trio: Jimmy Arrabit Trio (errabal ER029)

Jimmy Arrabit, gebürtig im französischen Navarra, ist ein vom Rockidiom beeinflusster Schlagzeuger, der aktuell recht großes Ansehen in der baskischen Jazzszene genießt. Er verbindet moderne Elektro- und Ethnopop-Elemente mit Coltrane’sken und Miles-Davis’schen Modalstrukturen, nicht unähnlich im Ergebnis wie bei Esbjörn Svensson. Auf CD mit Fred Feugas (p) und Xabi Habat (b) liefern die drei ein recht spätes, aber dafür fulminantes Debüt im Trioformat ab. Eine Kostprobe des Albums hier: Gau Beilako Eleak (4:58 min.).



Volksmusikalische Hörfunken

Zur Musik mit traditionell in der baskischen Musik verankerten Instrumenten wie Akkordeon und Txalaparta verweise ich auch auf meine Tipps in der Pirineosaurus-Legende. Kaum hierbei zu umgehen der aus Bilbao stammende Trikitixa-Spieler Kepa Junkera, z.B.: Sandinderi (7:17), stets vielschichtig zwischen Kleingruppen und Großprojekten unterwegs.

Noch volkstümlicher unterwegs ist Enrike Zelaia, der zahlreiche Tribute an die verschiedenen Regionen des Baskenlandes eingespielt hat. Sein Album „Danzak“ (elkarlanean) konnte mich allerdings nicht überzeugen. Sein Staccato-Stil betont die tänzerischen Linien besonders stark, schwelgt zuweilen bis ins Marschierende hinein. Zwei Beispiele, in denen auch die im Baskenland auf traditionellen Festen charakteristischen Pfeifen (txistu) einfließen – zum besuchten Weinort im alavesischen Rioja: Jota de Laguardia (2:41 min.); – oder mit Blick auf die Region Bizkaia, schon an okzitanische, mittelalterliche Tänze erinnernd: Dantzariari (3:18 min.).

Wer mehr in Richtung gesungene Volksmusik gehen möchte, findet sich ggf. hervorragend intoniert bei Oskorri wieder: Gaztelugatxe (4:13 min.).

Fortsetzung folgt
Liebe Grüße! Ciao! Salut! Saludos! Greetings!
Matthias
Pedalgeist - Panorama für Radreisen, Landeskunde, Wegepoesie, offene Ohren & Begegnungen
Nach oben   Versenden Drucken


Alle Beiträge zum Thema
Betreff von verfasst am
EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen veloträumer 20.03.19 20:30
Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen veloträumer 20.03.19 20:41
Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen veloträumer 20.03.19 23:15
Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen veloträumer 20.03.19 23:24
Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen iassu 21.03.19 00:31
Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen  Off-topic veloträumer 21.03.19 21:27
Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen Keine Ahnung 21.03.19 08:51
Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen max saikels 21.03.19 18:17
Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen veloträumer 21.03.19 21:45
Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen veloträumer 22.03.19 20:03
Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen veloträumer 23.03.19 20:53
Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen veloträumer 24.03.19 21:43
Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen veloträumer 25.03.19 19:45
Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen veloträumer 26.03.19 23:03
Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen veloträumer 27.03.19 20:10
Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen veloträumer 28.03.19 22:20
Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen veloträumer 29.03.19 21:25
Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen veloträumer 30.03.19 20:44
Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen veloträumer 31.03.19 21:08
Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen veloträumer 31.03.19 21:49
Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen Keine Ahnung 01.04.19 07:56
Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen Juergen 01.04.19 08:15
Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen veloträumer 01.04.19 11:08
Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen max saikels 20.04.19 21:11
Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen veloträumer 24.04.19 18:42
Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen max saikels 27.04.19 08:28
Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen veloträumer 27.04.19 18:12
Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen max saikels 27.04.19 20:28
Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen veloträumer 28.04.19 19:22
Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen max saikels 30.04.19 20:07
Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen max saikels 30.04.19 20:42
Re: EUSKAL HERRIA – Land des Baskischen max saikels 21.03.19 17:20
www.bikefreaks.de