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#1189885 - 10.02.16 14:00 Re: 30 ° und 10 % – Hitze, Hügel und Tour de France [Re: veloträumer]
Holger
Moderator
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Beiträge: 18.344
In Antwort auf: veloträumer
[…]Steigung: Glaube nicht, dass die Südseite des Iseran steiler ist als die Nordseite ist. Ich bin beide Varianten gefahren und habe zudem auch die Abfahrt nach Süden als recht flach in Erinnerung. Es geht subjektiv flott aufgrund der guten Straße. […]

Da dürfte Dich Deine subjektive Erinnerung täuschen zwinker Subjektiv denke ich bei fast jedem Pass auf der Abfahrt - vielleicht mal den Maloja ausgenommen grins - "zum Glück musste ich hier nicht hoch". Dieser subjektive Eindruck hält der Überprüfung der Höhen- und Kilometerangaben nicht immer stand.

Die Steigungsangaben auf diesen Kilometersteinen würde ich nicht grundsätzlich in Zweifel ziehen. Da immer die Höhe drauf steht, kann man ja überschlagen, ob das stimmt mit der Steigung für den nächsten Kilometer. Und das hat meistens gestimmt. Ich habe es eben auf Google-Maps in der Geländeansicht ausprobiert: Um von der Passhöhe auf die 2.200er Höhenlinie zu kommen, benötigt man auf der Nordseite 9,3, auf der Südseite 8 km. Auf 1.900 m (kurz nach Ortsausgang Val d'Isère, etwas letzte Serpentine vor Bonneval) benötigt man im Norden 14,1 km, im Süden 12,9. Oder umgekehrt: 10 km vor der Passhöhe ist man im Norden etwa auf 2.160 m, im Süden auf etwa 2.020 m.
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#1189890 - 10.02.16 14:12 Re: 30 ° und 10 % – Hitze, Hügel und Tour de France [Re: veloträumer]
Holger
Moderator
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Beiträge: 18.344
In Antwort auf: veloträumer
[…]Was mich etwas beunruhigt, ist der scheinbar immer mehr zunehmende Verkehr. […]


Hängt natürlich auch von Wochentag, Jahreszeit etc. ab. Aber mein subjektiver Eindruck ist ähnlich. So sehr wie auf den 35 km von Bourg St. Maurice nach Val d'Isère habe ich mich noch nie über Motorradfahrer geärgert. So krass hatte ich das nicht erlebt, zumindest nicht in Erinnerung. Allerdings war es auf dem Rest der Reise nicht mehr soo schlimm. Es waren jedoch wirklich viele Motorradfahrer unterwegs, auch viele Gruppen. Die waren jedoch nie so aggressiv wie die Wochenendraser. Das waren eher so welche wie auf dem Motorradbild aus Briancon schmunzel
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#1189910 - 10.02.16 15:18 Re: 30 ° und 10 % – Hitze, Hügel und Tour de France [Re: veloträumer]
Holger
Moderator
Themenersteller
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Beiträge: 18.344
In Antwort auf: veloträumer
[…] - Holger, hast du nicht zufällig ausgangs Val d'Isère bei seitwärts der Hauptstraße gelegen Flussbrücklein ein analoge Spiegelreflexkamera der Marke Canon gesehen??? […]

Antwort drei: Nee, allerdings muss ich zugeben, dass ich da auch nicht darauf geachtet habe schmunzel
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#1189973 - 10.02.16 19:12 Re: 30 ° und 10 % – Hitze, Hügel und Tour de France [Re: Holger]
natash
Moderator Übernachtungsnetzwerk
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Beiträge: 7.825
Hallo Holger,


da hast Du es ja wieder nett angehen lassen - und zu schönen Eindrücken hats ja bei aller Anstrengung auch gereicht :), ich habe grad Lust gleich loszufahren (aber die voraussichtlichen Wetterbedingungen im Zielgebiet halten doch eher ab im Moment).
Am stark ansteigenden Verkehr in touristisch interessanten Berggebieten ist sicherlich was dran, ich habe den Eindruck dass die Leute noch viel bedenkenloser auch für spontane Kurztrips (die oft gar nicht so kurz sind) bereit sind einen haufen Sprit zu verbrennen, als noch vor ein paar Jahren. Da gibts zwar sicherlich lokale Unterschiede und es ist auch von der Zeit und den Umständen abhängig (Wochentag Uhrzeit, Wetter usw), aber es ist ein Trend.
Im Simmental haben wir uns vor ein paar Jahren auf dem Weg nach Wien (nein es war nicht der direkteste Weg lach)auf dem Radweg herumgeärgert. Der ist in der Tat nicht befestigt, zwar recht hübsch, aber man kommt kaum vom Fleck und wir waren mit Rennreifen und einem Haufen Gepäck unterwegs. Wir sind dann auch nach einiger Zeit auf die Straße gewechselt.
Bin gespannt auf deine weitere Reise

Gruß

Nat
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#1190009 - 10.02.16 20:30 Re: 30 ° und 10 % – Hitze, Hügel und Tour de France [Re: natash]
Friedrich
Mitglied
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Beiträge: 2.747
In Antwort auf: natash
Im Simmental ... auf dem Radweg herumgeärgert. Der ist in der Tat nicht befestigt, zwar recht hübsch, aber man kommt kaum vom Fleck und wir waren mit Rennreifen und einem Haufen Gepäck unterwegs.

Wir habe uns im Simmental nicht geärgert (beide mit 50-er Reifen unterwegs) aber trotz schweizer Beschilderung manchmal fragen müssen ob wir tatsächlich noch auf dem offiziellen Radweg sind (Seen Route bzw. Veloroute 9).

Gefallen hat es uns trotzdem sehr gut.
Fritz
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#1190071 - 11.02.16 07:44 Re: 30 ° und 10 % – Hitze, Hügel und Tour de France [Re: natash]
Holger
Moderator
Themenersteller
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Beiträge: 18.344
In Antwort auf: natash
[…]Da gibts zwar sicherlich lokale Unterschiede und es ist auch von der Zeit und den Umständen abhängig (Wochentag Uhrzeit, Wetter usw), aber es ist ein Trend.[…]


Denke ich auch. Mehr ist es nach meinem Gefühl grundsätzlich schon geworden, aber für mich noch lange nicht unerträglich. Schwierig fand ich vor allem das eine Wochenende. Und da vermute ich - ohne das irgendwie statistisch belegen zu können -, dass es vor allem Tagesausflügler sind, die aus urbanen Großstadträumen einen Trip in die Alpen machen. Turin, Lyon, Marseille, Nizza, ist ja alles nicht so weit weg. Und da sie ja abends alle wieder heim müssen, haben sie wenig Zeit und heizen wie die Bekloppten. Während der Woche waren auch viele unterwegs, aber häufig ältere Touristen, die waren halt nur nervend laut, aber in der Regel (von der es natürlich einige Ausnahmen gab) nicht so rücksichtslos.

Ich meine übrigens ausschließlich Motorradfahrer. Autos haben mich fast gar nicht gestört, und es waren auch nicht übermäßig viele unterwegs.
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#1190135 - 11.02.16 12:15 Re: 30 ° und 10 % – Hitze, Hügel und Tour de France [Re: Holger]
touromat
Mitglied
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Beiträge: 217
Sehr schöner Bericht! Die Bilder verursachen akute Pässe-Sehnsucht. Einige Stellen habe ich sofort wiedererkannt und ich habe davon ganz ähnliche Bilder.

Den Roselend halte ich auch für einen der schönsten Pässe.

Den Iseran bin ich auch schon von beiden Seiten gefahren. Ich würde sie als etwa gleich schwierig einschätzen.

Das mit den vielen Motorrädern erschreckt mich jetzt etwas. Ich war schon dreimal im Juli dort mit dem Rennrad unterwegs (2009, 2010 und 2013). Auch auf den „großen“ Pässen (Iseran, Izoard, Agnel, Galibier, Croix de Fer usw.) war es ziemlich entspannt und gar kein Vergleich mit den österreichischen, den schweizer Pässen oder den Dolomiten (am Abzweig Sellajoch / Pordojjoch oberhalb von Canazei habe ich das einzige Mal bisher einen Stau an einem Alpenpass erlebt).

Sollte das sich seitdem so ungünstig verändert haben? Als noch ruhigere Gegend kann ich jedoch das italienisch-französische Grenzgebiet empfehlen. Siehe mein Seealpen-Reisebericht vom letzten Jahr. Das mit der Hitze hatte ich da ähnlich erlebt.
Viele Grüße
Peter
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#1190153 - 11.02.16 13:19 Re: 30 ° und 10 % – Hitze, Hügel und Tour de France [Re: touromat]
Holger
Moderator
Themenersteller
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Beiträge: 18.344
Dass es zugenommen hat mit den Motorrädern meine ich schon festgestellt zu haben. Vor allem die Wochenenden waren problematisch. Ansonsten fand ich es nicht soo schlimm, ich bin allerdings auch nicht sonderlich verkehrsempfindlich. Der Lärm stört halt. Von "Stau" war der Verkehr jedoch zum Glück weit entfernt.

Deinen Bericht hatte ich damals gelesen, z. T. kenne ich die Strecken auch (Col du Tende, ligurische Grenzkamm"straße": Provencalischer Spätsommer 2009 (Reiseberichte)).

Das Schwierigkeitsempfinden am Iseran ist natürlich subjektiv, aber die Zahlen sind eindeutig so, dass es auf der Südseite ab Bonneval steiler ist als auf der Nordseite von Val d'Isère aus.

Viele Grüße,
Holger
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#1192658 - 21.02.16 12:00 Re: 30 ° und 10 % – Hitze, Hügel und Tour de France [Re: Holger]
Holger
Moderator
Themenersteller
abwesend abwesend
Beiträge: 18.344
Weiter geht's


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Dritter Teil Teil: PACA – aus den Alpen ans Mittelmeer
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Mittwoch, 15. Juli: Briançon - Embrun
  • Kilometer: 80,0
  • Sattelstunden: 5:37
  • Höhenmeter: 1.157
  • Ausgaben für Getränke: 15,16 EUR

Frühstück war nicht im Zimmerpreis, hätte nochmal 10 EUR gekostet. Daher hatte ich mich gestern im Riesen-Géant schon eingedeckt und genoss frühmorgens mein Hotelzimmerfrühstück. Um 6:50 schwang ich mich dann auf den Sattel, die Motorradreisenden lagen noch tief schlafend … nein, sie saßen am Frühstückstisch. Sowas, auch Frühaufsteher. Ich wollte ja zwei Pässe bezwingen heute, den Izoard und den Vars, daher der frühe Aufbruch. Es war noch sehr frisch, ich warf ein paar Blicke auf die Festung und dann ging es schon bergauf. In Cervières machte ich die erste kurze Müsliriegel-Pause, ehe es dann nach Süden weiterging.


Saint-Michel, laut Wikipedia eine Sehenswürdigkeit von Cervières aus dem 15. Jahrhundert.

Dann überholten mich die Motorradler aus dem Hotel, ziemlich viele waren es. Und Rennradler überholten mich. Und Fliegen überholten mich nicht, sondern nervten um mich herum. Trotz Anti-Brumm. Und irgendwie war ich nicht so toll in Form, brauchte ziemlich viele Pausen.


Widerstandskämpfer gegen die Erosion.



Zum Glück kamen bald ein paar Serpentinen, eng übereinander, da macht man schnell und sichtbar Höhe. Und dann wurde der Wald lichter, hörte irgendwann ganz auf, und dann kam das Réfuge Napoléon. Ich musste wieder eine Pause machen, die nutze ich mal für einen kleinen Exkurs.

Wieso heißt das Réfuge Napoléon Réfuge Napoléon? Hier war er doch gar nicht. Nein, war er nicht. Er kehrte aus seinem Exil Elba 1815 zurück nach Paris, allerdings auf einer nicht so bergigen Strecke, der heutigen Route Napoléon. In Gap wurde er sehr freundlich empfangen, das freute ihn und er schenkte dem Département Hautes Alpes sechs solcher Réfuges, die in den Alpen die Unglücklichen aufnehmen sollten, die von Unwettern oder Lawinen aufgehalten wurden. Sein Neffe Napoléon III ließ die sechs Réfuges errichten, das höchstgelegene ist dieses hier am Col d’Izoard.


Réfuge Napoléon.

Sturm oder Lawinen hielten mich nicht auf, ich fuhr weiter auf die Passhöhe. Da gab es wieder einen ordentlichen Passfotostau, erschwert dadurch, dass man einige Schritte zurückgehen muss, um das Passschild aufs Foto zu bekommen. Wenigstens ist es nicht von Aufklebern versaut.


Unförmiges Passschild.


Sie haben es fast geschafft.


Mondlandschaft mit Straße.


Denkmal für zwei Helden der Tour: Fausto Coppi und Louison Bobet.

Dann ging es auf die Abfahrt und durch eins der landschaftlichen Highlights der Reise, die Casse Déserte. Schon direkt nach der Passhöhe ist es viel weniger grün als auf der Nordseite, weniger Gras, mehr Geröll. Und in dem Geröll dann die beeindruckenden Felsnadeln. Ich blieb dauernd stehen, um Fotos zu machen. Taktisch unklug, denn in der Casse Déserte gibt es eine böse Gegensteigung, mit 9 % Steigung. Ohne den Schwung der Abfahrt auszunutzen, musste ich weit runterschalten und mich zu einem Point de Vue hochkämpfen.


Casse Déserte.


Okay, Mondlandschaft mit ein paar Bäumen.

Wegen der vielen Pausen und der langsamen Auffahrt war es viel später, als ich dachte. Und ich war k.o. Da fiel die Entscheidung nicht schwer, den Col du Vars bleibenzulassen und außenrum nach Jausiers zu fahren. Heute wollte ich nicht mehr so viel fahren, zumal noch Gegenwind dazukommen sollte. Auf der Abfahrt überholte ich einen Rennradler, das gab’s auch nicht so häufig. Der gehörte zu einer Gruppe amerikanischer Rennradler, die es schön ruhig angehen ließen – bis Guillestre fuhren wir fast gemeinsam. Ich warf einen kurzen Blick auf das Chateaux Queyras und fuhr durch die gleichnamige Combe nach Guillestre. Dort Mittagspause.


Ich hoffe, sie können besser kochen als zeichnen.



Also weiter nach Embrun. Ich entschied mich für die N 94, trotz des zu erwartenden Verkehrs – die Alternativstrecke auf der anderen Seite der Durance erschien mir zu höhenmeterträchtig und ich wollte mich nicht mehr anstrengen. Es war auch so heiß genug. In Embrun kaufte ich mir viel eiskaltes Getränk und lief ein wenig fahrradschiebend durch die Innenstadt. In der Fußgängerzone kotzte eine Frau.


Marktplatz von Embrun.


Embrun.

Den Campingplatz „le Petit Liou“ erreichte ich gegen 16 Uhr und war überrascht: Campingplatz mit Animation, Schwimmbad, Bar, Supermarkt – und es gab keinen festen Stellplatzpreis, ich zahlte für Zelt und mich gerade mal 11,80 EUR und hatte einen schönen Schattenplatz. Dafür aß ich in der Bar einen Burger Montagne, Hunger hatte ich schon. Abends gab es noch Disco, aber ich war zum Glück weit weg und schlief sehr gut.

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Donnerstag, 16. Juli: Embrun – Jausiers
  • Kilometer: 67,1
  • Sattelstunden: 4:06
  • Höhenmeter: 656
  • Ausgaben für Getränke: 11,41 EUR

Heute also eine Transferetappe ohne Pass. Aber nicht ohne Steigung, ich startete unter 800 m und muss bis Jausiers auf über 1.200 m, dazu noch über 200 m Anstieg nach La Sauze-du-Lac. Aber der Reihe nach. Los geht es mit Frühstück am Campingplatz. Und dann mit 10 km auf der N 94 – die waren nicht schön. Viel Verkehr, viel LKW. Doch diese Qual ist in Savines-le-Lac vorbei. Die N 94 biegt über den See ab nach Gap, ich fahre geradeaus weiter. Gut, ganz „geradeaus“ ist es nicht, viele Kurven und – wie erwähnt – 200 Höhenmeter. Fast am Ende der Steigung erwartete mich eine Natursehenswürdigkeit, genaugenommen Natursehenswürdigkeiten – frisierte Fräuleins. Die demoiselles coiffées sind Felssäulen, auf denen oben ein großer Stein thront. Außerdem sind sie im nächsten Département, ich verließ die Hautes-Alpes und war nun in den Alpes-de-Haute-Provence (04).


Demoiselles Coiffées – frisierte Fräuleins?

In Le Sauze-du-Lac machte ich eine kurze Pause. Grund: Seeblick. Es gibt dort eine Aussichtsterrasse mit Blick auf See und Staumauer. Den Lac de Serre-Ponçon gibt es seit den 1960er Jahren. Das Kraftwerk kann jährlich 700 Millionen kWh erzeugen, das entspricht dem gesamten Energiebedarf des Départements Hautes-Alpes – und 10 Prozent der aus Wasser gewonnenen Energie in Frankreich. Das las ich nach der Reise bei Wikipedia. Während meiner Pause genoss ich einfach den Blick über und auf den See – und unterhielt mich mit zwei französischen Rennradlern, die ebenfalls eine kurze Pause einlegten, über die Tour de France. Und über meine Tour, so ganz glaubten sie mir nicht, dass es tatsächlich Spaß macht, mit seinem Hausstand auf dem Rad zu verreisen.


Über dem Lac de Serre-Ponçon.

Dann ging es wieder runter, ins Tal der Ubaye. Und wieder hoch, in Richtung Jausiers. Ich machte mir Gedanken, wie die Tour weitergehen sollte. Für die Alpen wurden verstärkt und stärkere Gewitter in den Abendstunden vorhergesagt – sowas mag ich nicht. Ich überlegte, doch nicht mit dem Rad zurück bis Grenoble zu fahren, sondern irgendwie nach Marseille und von dort mit der Bahn rauf. So sollte es sein.



Eine kurze Pause machte ich in Le Lauzet-Ubaye, in der Hitze kaufte ich mir Cola Light in eine kleinen Epicerie für einen Mondpreis. Sonst war nix auf, irgendwann gab es wohl mal eine Alimentation auf dem Dorfplatz – aber zumindest heute hatte die nicht geöffnet.


Da gab es kein Schweppes Ananas Zero.

Barcelonnette war der Ort meiner Mittagspause. Ein Intermarché am Ortseingang sorgte für die Verpflegung, dann setzte ich mich in vor das Stadtmuseum und verspeiste mal wieder leckeren Pefferminzpudding mit Schokoflözen. Barcelonnette – wie auch mein Etappenziel Jausiers – hat einen mexikanischen Einschlag. Im 18. Jahrhundert emigrierten viele Barcelonnettesen nach Mexiko, weil sie in der Heimat keine Arbeit fanden. Die, die reich wurden, kehrten zurück und bauten große Villen. Außerdem ist Barcelonnette der Ort, in dem ein paar Tage später Simon Geschke den Anstieg zu seinem grandiosen Etappensieg in Pra-Loup in Angriff nahm.


Zweikirchenblick.


Residenz eines Mexiko-Rückkehrers.

Gewitterwolken waren schon zu sehen, daher entschied ich mich gegen den Campingplatz und für eine feste Unterkunft in Jausiers. Angenehmer Nebeneffekt: Fernseher, Tour de France. Nach der Übertragung – es war die letzte Pyrenäen Etappe hinauf zum Plateau de Beille, Joaquim Rodriguez gewann – ging ich in den Ort und aß eine riesige Pizza. Und es gab meinen Lieblings-Pastis, Casanis. Die Provence war nicht mehr weit. Dann ging ich früh ins Bett, morgen stand die längste und höchste Etappe auf dem Programm – über den Col de la Bonette ans Mittelmeer.

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Freitag, 17. Juli: Jausiers – Nizza
  • Kilometer: 147,6
  • Sattelstunden: 8:38
  • Höhenmeter: 1.590
  • Ausgaben für Getränke: 12,80 EUR

Der Tag der Rekorde: Der früheste Start (6.20 Uhr), die späteste Ankunft am Ziel (19.30 Uhr), die meisten Kilometer (147,6) und die höchste Höhe (2.802 m). Frühstück gab’s im Hotelzimmer, die ersten Kilometer waren Flach. Dann begann der Anstieg zum Bonette, „la plus haute d’Europe“, wie sie schreiben. Was nicht so ganz stimmt, denn man kommt höher, sogar in den Alpen: Auf dem Weg zum Tiefenbachferner in Österreich geht es bis auf 2.829 m. Und in Europa geht’s noch höher, ganz im Süden. Aber wie dem auch sei, der höchsten Punkt meiner Reise war es auf jeden Fall.


Der Herr soll an die im ersten Weltkrieg gefallenen Söhne Jausiers' erinnern.

[img] https://lh3.googleusercontent.com/...lpen.JPG [/img]
Auf geht’s!


Was genau ist nun verboten?

Doch bis dort oben musste ich noch 1.600 Höhenmeter auf 23 km überwinden. Machbar. Zunächst lag noch alles im Schatten der Berge, die Sonne bahnte sich nur langsam ihren Weg. Ein sehr schöner Pass auf der Nordseite, sehr abwechslungsreich. Noch in Jausiers die ersten Serpentinen, dann wechselten sich immer wieder längere gerade Stücke mit Serpentinen ab – sowas mag ich, da habe ich immer schöne Zwischenziele.


In den ersten Sonnenstrahlen - Lans.




Über der Baumgrenze.

Recht viele Rennradfahrer waren schon sehr früh unterwegs, Motorradfahrer störten noch nicht. Ich erreichte die Baumgrenze, beobachtete viele Schafe auf dem Weg nach oben und fuhr weiter. Wieder Serpentinen, in denen ich den Kilometer 1.000 der Tour erreichte. Und in denen meine Brille kaputtging, warum auch immer. Ab da hatte ich also nur noch die orange Scheibe. Egal, bergauf brauchte ich sie ohnehin nicht.


Pullover auf Wanderschaft.


Der Tausender ist voll.




Reste kriegerischer Zeiten – Casernes de Restefond.

Ein Talkessel wird umrundet, mit stetigem Höhengewinn. Ich erreichte die Ruinen der Caserne de Restefond, die daran erinnern, dass diese Grenzregion nicht immer friedlich war. Nun sah ich schon die Cime de la Bonette, den Berg, der von der Ringstraße – der mit den 2.802 m – umrundet wird. Es ist fast geschafft.


Die Cime de la Bonette, der höchste Punkt der Reise


Passhöhe ohne Passschild.


Hübsch.

Passfoto ohne Passschild, dann die letzten sehr steilen Höhenmeter. Zum Abschluss deutlich über 10 %, ich keuchte nach oben. Dort waren die Motorisierten klar in der Überzahl. Aber nett waren sie, einer fotografierte mich vor dem Beweisfelsen. Mein Tacho zeigte die phänomenale Durchschnittsgeschwindigkeit von 7,56 km/h. Dann stellte ich das Rad ab und lief die letzten Höhenmeter bis hoch zur Cime de la Bonette – nicht viel langsamer als 7 km/h.


Höher geht’s nur noch zu Fuß.


Widerstandsfähig.

Oben genoss ich den großartigen Rundumblick. Und machte viele, viele Fotos. Eine klitzekleine Auswahl ist hier zu sehen. Ich war hier im Mercantour-Nationalpark, der dritte Nationalpark der Reise. Und im Département Alpes Maritimes (06), das Meer ruft!




Die Passhöhe.




Da geht’s gleich runter.




Klare Verhältnisse.

Okay, aufs Rad und runter ans Meer. Hört sich schön an, leider spielt da der Wind nicht mit, der gerne mal vom Meer kommt. Dazu später mehr, erstmal geht es wirklich richtig lange bergab. Viele, viele Fahrradfahrer begegnen mir, die haben noch was vor sich. Denn von hier sieht man die Cime de la Bonette sehr früh und kann sich über die 1.000 Höhenmeter freuen, die es noch nach oben geht. Nach unten rollte ich weiter bis St.-Étienne-du-Tinée, wo Mittagspause angesagt war. Bei allen Supermärkten. Egal, ich fuhr weiter – und musste erstmals seit langem wieder in die Pedale treten. Die Durchschnittsgeschwindigkeit lag inzwischen bei 12,5 km/h.


Ein erster Blick zurück.


Gleich gibt’s wieder Bäume.


Nochmal alte Kasernen.


Mit Tele sieht es gar nicht so weit aus …


… wie es ist.


Die haben es noch vor sich.


Saint-Étienne-de-Tinée.

Die Straße war jetzt die M2205, nicht die D2205, weil ich mich schon in der Metropolregion Nice Côte-d’Azur. Es waren aber noch ein paar Kilometer bis zum Meer. Und die waren leider nicht mehr so steil, wenn auch immer noch mit Gefällt. Dennoch musste ich ab und an in die Pedale treten, denn insbesondere in den engeren Tälern kam der Wind ziemlich gnadenlos von vorne. Wenigstens spürte ich die Hitze nicht so sehr. Besonders dicht besiedelt ist das Tal der Tinée nicht, endlich, in Roussillon, gab es einen Supermarché, der auch geöffnet hatte. Den überfiel ich.

Frisch gestärkt weiter gegen den Wind. Nun entlang des Var, Nizza kam immer näher. Als das Tal weiter wurde, nahm auch die Windstärke ab und ich kam schneller vorwärts. Der Radweg entlang des Var war wohl gesperrt, so fuhr ich auf der Straße durch das nun immer dichter besiedelte Tal – bis ich irgendwann am Flughafen war. Blöderweise musste ich das Ortsschild Nizza noch suchen und drehte eine Ehrenrunde, dann fuhr ich entlang der Promenade des Anglais ins Zentrum und suchte mein auf dem Weg gebuchtes Hotel. Im Zimmer angekommen schaltete ich erstmal die Klimaanlage aus. Gesund ist das nicht, ein Zimmer mit 18 Grad bei doppelt so hohen Außentemperaturen.


Nett.


Am Meer.

Abends machte ich mich dann nochmal auf in die Stadt. Nizza in den Sommerferien, es war trotz der ziemlich vielen Leute eine entspannte Atmosphäre, die mir gut gefiel. Kinder waren noch bis spät in die Nacht auf den Beinen und spielten im Brunnen der neugestalteten Promenade du Paillon, die leuchtenden Figuren von Jaume Plensa schauten auf die Straßenbahnen. Ein Wermutstropfen: Mich trieb ein mir selbst unheimliches Verlangen nach Fast Food in das McDonald’s an der Promenade des Anglais. Ich kann es mir selbst nicht erklären. Dafür gab es zum Nachtisch Lavendel-, Rosmarin- und Jasmin-Eis. Und für die geneigten Leser gibt es nun ein paar Bilder des nächtlichen Nizza.




Drei Kugeln bitte, Lavendel, Rosmarin und Jasmin.


Akkordarbeit.


Wasserspiele.


Place Massena.




Promenade des Anglais, abends.

Mit diesen Eindrücken legte ich mich ins Hotelbett. Heute morgen noch in den Hochalpen auf über 1.200 m, jetzt nur einen Steinwurf vom Mittelmeer hinter dem mondänen Hotel Negresco in Nizza. Die Alpen ließ ich zunächst mal hinter mir, das Zwischenziel lag nun westlich, Marseille.

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Samstag, 18. Juli: Nizza – Fréjus
  • Kilometer: 98,3
  • Sattelstunden: 5:38
  • Höhenmeter: 0
  • Ausgaben für Getränke: 23,00 EUR

Das Hotel hatte ich ohne Frühstück gebucht, denn frühstücken wollte ich direkt am Meer. Erstmal gab es eine kurze Stadtrundfahrt auf dem Rad, mit Flohmarkt auf der Place Garibaldi. Im Monoprix versorgte ich mich mit Baguette und Reblochon, und begab mich an die Promenade des Anglais. Hier ein paar Fotos des morgendlichen Nizza.


Promenade des Anglais, morgens.


Promenade des Anglais, 1927 und 2015.




Flohmarkt auf der Place Garibaldi.











Dann machte ich mich auf den Weg, altbekannte Strecke. Promenade des Anglais, Flughafen Nizza, Cagnes-sur-Mer, Villeneuve-Loubet mit der großartigen Marina Baie des Anges, Antibes mit moderner und nicht mehr ganz so moderner Kunst und mit eiskalter Cola-Light am Strand. Keine schöne Strecke, aber wenigstens am Meer. Und Antibes hat eine schöne Altstadt. Die ich aber nicht besuchte, mit vollbepacktem Rad in Ferienzeiten war mir das zu mühsam.


Elefant bergab.


Am Musée Picasso.


Baden könnte man auch bei 35 Grad - hinten die Altstadt von Antibes.

Von Antibes nach Cannes, auch alles andere als eine neue Strecke. In Golfe Juan gedachte ich Napoléons, hier ging er an Land um nach Paris zu ziehen. Also beginnt hier die Route Napoléon. Ich fuhr aber weiter nach Cannes. Zwischen Juan-les-Pins und Cannes gab es dann doch mal was Neues: Einen Radweg. Eine sinnvolle Investition, Spaß gemacht hat das hier vorher nicht. Nach dem Frühstück an der Promenade des Anglais vor dem Negresco setzte ich mir für das Mittagsessen auf die Croisette vor das Carlton. Und fotografierte einige nicht ganz vollständige Statuen.


Neuer Radweg auf dem Weg nach Cannes.


Frau mit Loch im Bauch.


Mann mit Loch im Bauch.


Mann mit Baum im Bauch.

Abfahrt Croisette 13.50 Uhr, noch einige anstrengende Kilometer am Meer bis Mandelieu – sozusagen direkt am Strand auf enger Straße, häufig Stau, an dem man auch mit dem Rad nicht vorbeifahren kann. Aber ab Mandelieu begann dann langsam aber sicher der schönste Teil der heutigen Strecke – die Corniche d’Or, die Küstenstraße im Massif de l’Estérel bis St. Raphaël. Einige Kilometer unbebaute Küste, der RGB-Farbendreiklang: Rote Porphyrfelsen, grüne Macchia (?) und blaues Meer, im – häufigen – Idedalfall auch blauer Himmel. Viel Verkehr, es waren ja Ferien, aber dennoch lohnt sich das immer wieder. Mein kleines Stück Lieblingsküste am französischen Mittelmeer. Ach ja, das Département wechselte ich auch. Von Alpes Maritimes (06) nach Var (83).


RGB – rot, grün, blau: das Massif de l'Ésterel.




Löcher.

In Richtung St. Raphaël wurde es wieder etwas besiedelter, Agay, Anthéor und das Cap Dramont. Hier landeten im August 1944 alliierte Truppen in der „Operation Dragoon“, um die deutschen Besatzer aus Frankreich zu vertreiben. Ein Landungsboot ist an der Gedenkstätte zu besichtigen, ansonsten ist der Strand heute friedlich belagert von vielen Urlaubern.

In Fréjus kaufte ich mein Abendessen und fuhr die letzten Kilometer zum Campingplatz Le Bravet, den ich schon kannte vom letzten Jahr. Sauber, günstig. Duschen, abendessen, dann setzte ich mich auf eine Bank in der Nähe des Sanitärhäuschens – und beobachtete staunend ein niederländisches Ehepaar, das mit dem Auto zum Zähneputzen fuhr. Ich habe die Strecke mal nachgezeichnet: Dusch- und Zahnputzfahrt

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Sonntag, 19. Juli: Fréjus – Brignoles
  • Kilometer: 85,8
  • Sattelstunden: 4:59
  • Höhenmeter: 0
  • Ausgaben für Getränke: 12,57 EUR

Frühstück in Fréjus, im Schatten der Kathedrale Saint Léonce. Deren Taufkapelle aus dem 5. Jahrhundert hatte ich bei einer Führung schon mal gesehen, heute am Sonntagmorgen traute ich mich in meinem Radfahreroutfit nicht zwischen die Besuchern des Sonntagsgottesdiensts. Fréjus ist eine sehr alte Stadt, war schon in der Antike Hauptort der Oxibier, ehe Julius Cäsar den Hafen vergrößern ließ und … okay, ich höre mal auf, Wikipedia abzutippen. Es war schon morgens ziemlich warm und meine Aufnahmefähigkeit für Kulturelles und Geschichtliches sehr eingeschränkt.


Cathédrale Saint Léonce.

„Ziemlich warm”, das ist gut. Verdammt heiß war es und ich fuhr auf der vielbefahrenen DN 7 in Richtung Westen. Ja, es gibt schönere Straßen, ja, ich hätte auch durch das Maurenmassiv fahren können – aber ich wollte in zwei Tagen in Marseille sein, um einigermaßen rechtzeitig zur Rour de France in Bourg d’Oisans zu sein. Daher so flach wie möglich. Die DN 7 verließ ich bei Les Arcs, um in einem schön klimatisierten Hypermarché vom Winter zu träumen. Dann weiter nach Vidauban. Das war ein schönes Provence-Städtchen, ich kaufte kalte Getränke und machte auf dem Platz vor dem Rathaus eine kleine Pause. Es gab schicke Autos, da fand wohl gerade eine Art Oldtimertreffen statt. Oldtimer – der Begriff machte auch eine gewisse subjektive Wandlung durch. Früher waren Oldtimer für mich Autos, in denen Stan Laurel und Oliver Hardy durch die Gegend fuhren. Jetzt sind Oldtimer Autos wie ein Golf I Cabrio oder ein Citroën DS – Autos, die zu meinen Lebzeiten mal modern waren.


Eisdielenposer.


Göttin in rot.

Kurz hinter Vidauban verließ ich die stark befahrene DN 7 und drehte in Richtung Norden ab. Ein kulturelles Ziel hatte ich für heute auf der Liste, die Abtei Le Thoronet. Die Straße co-mäanderte entlang des Argens, kaum Verkehr, das war doch was ganz anderes als die DN 7. Irgendwann ging es leider aus dem Flusstal in Richtung Le Thoronet, das hieß: Steigung. Noch vor zwei Tagen war ich tatsächlich auf 2.800 m hochgefahren? Und wieso kämpfte ich jetzt hinauf auf nichtmal 300 m? Die Hitze war meine Ausrede. Aber die Qualen lohnten sich, die Abbaye Le Thoronet ist wirklich sehenswert. Ein romanisches Kloster, sehr schlicht – und kühl! Ich hielt mich einige Zeit dort auf, lief durch Kreuzgang, Abteikirche, einige Ruinen und konnte mir doch nichts von dem behalten, was mir der Infozettel beibringen wollte, den ich an der Kasse bekam. Nur Fotos habe ich gemacht.


Kreuzgang der Abbaye du Thoronet.





Es half nichts, ich konnte ja mein Zelt nicht in der romanischen Kühle aufbauen. Ich musste weiter. Und das war kein Spaß. Ich musste ziemlich kämpfen und merkte recht früh, dass ich es nicht weiter als bis Brignoles schaffen würde. Immerhin gab es dort einen Campingplatz, behauptete Archies App. Am Nachmittag kam ich dort an und fand die Stadt erstmal langweilig. Supermärkte waren alle geschlossen, aber bei einem kleinen Lebensmitteldealer bekam ich noch kalte Getränke. Die nahm ich mit zum Campingplatz, der sich erschreckend weit außerhalb befand. Aber den Fußmarsch am Abend in die Stadt nahm ich auf mich, denn ich wollte wieder mal etwas Warmes essen. Und als ich in die Stadt lief, gefiel sie mir schon besser. Definitiv kein Touristenziel, im Restaurant saßen nur Einheimische. Ich wollte unbedingt mal Aioli probieren, seit ich Massilia Sound System entdeckte – bei denen ist das jedes zweite Wort. Leider reichte mein Französisch nicht weit genug, um mich zu warnen, dass das ausgewählte Gericht eins mit Fisch und Schnecken (!) war. Den Fisch schaffte ich – bin aber nach wie vor kein Fischesser. Die Schnecken – nein das ging nicht.


Nightlife in Brignoles.


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Montag, 20. Juli: Brignoles - Marseille
  • Kilometer: 90,1
  • Sattelstunden: 5:16
  • Höhenmeter: 0
  • Ausgaben für Getränke: 18,17 EUR

Dann auf nach Marseille. Das waren ca. 90 km und ich machte mich auf den möglichst direkten Weg. Cola Light, ein Croissant und zwei Pains au Chocolat, das war mein Frühstück in Brignoles – das mir am frühen Morgen noch besser gefiel als am gestrigen Abend.


Seife an der Wand.



Jetzt gab es einen Radweg entlang der RN7, den nutzte ich gerne. Tourves war das erste Kaff an der der Strecke, ich machte glatt eine kurze Pause. Denn es war ein schönes Provence-Kaff, wie viele hier im Hinterland der Côte d’Azur. Auf dem Weg weiter in Richtung Westen verfuhr ich mich erstmal, weil mich meine mental Map im Stich ließ. Nach einer Ehrenrunde fand ich den Weg aber dann doch. Auf der heutigen Passhöhe, ca. 400 m, verließ ich das Département Var (83) und erreichte die Bouches-du-Rhône (13). Okay, ein richtiger Pass war das nicht, es ging nicht sonderlich steil hoch, noch dazu war ich definitiv besser in Form als gestern. Und es war eine schöne Straße, nördlich des Massif de la Sainte-Baume.


Provence.

Ich genoss die Abfahrt nach Sainte-Zacharie, dann nach Auriol, von dort die letzten Kilometer in schöner Natur, bis ich in Aubagne die Metropolregion Marseille erreichte. Auf Aubagne freute ich mich, schließlich ist dort das Hauptquartier der französischen Fremdenlegion. Okay, nochmal. Auf Aubagne freute ich mich, denn dort wurde am 28. Februar 1895 Marcel Pagnol geboren. Wer wissen möchte, wie das Leben in der Provence früher war, dem seien die Romane Pagnols empfohlen. „Meine Kindheit in der Provence“, Erinnerungen an das Leben in Aubagne und Marseille in Romanform. Ich habe das sehr gerne gelesen. In Aubagne gibt es ein kleines Museum, „Le Petite Monde de Marcel Pagnol“ – leider war es geschlossen. So musste ich mit der Lebensmittelabteilung des Monoprix vorliebnehmen, wo ich mein Mittagsmahl erstand. Das verzehrte ich im Schatten auf einer Parkbank. Bald fuhr ich weiter, ich wollte ja noch ein wenig von Marseille sehen. Aber ein Foto vom Geburtshaus Pagnols musste sein, und eins von einer Straßenbahn. Die kann man seit dem 1. September 2014 benutzen – über 50 Jahre, nachdem die Straßenbahn der ersten Generation ihre letzte Fahrt hatte. Heute ist die Straßenbahn kostenlos, wie der gesamte Nahverkehr in Aubagne.


In Aubagne, Geburtsort von Marcel Pagnol.


Auch in Aubagne gibt's ne neue Straßenbahn.

Der Weg nach Marseille war städtisch. Sehr städtisch. Das war ein Problem, hatte ich doch noch ein Geschäft zu erledigen. Das Problem konnte gelöst werden, ich erspare mir, weitere Einzelheiten zu schildern. Marseille erreichte ich dann steigungsarm, stattete der Cité Radieuse von Le Corbusier einen Besuch ab, fotografierte mein altes Rad vor dem bombastischen neuen Stade Vélodrome und fuhr am Mittelmeer entlang in die Innenstadt. Hinauf zum Bahnhof – so sehr ich seinen Lage mag, ein würdiger Eingang zur Stadt, so blöd fand ich es heute, da hochfahren zu müssen. Es war nunmal Sommer am Mittelmeer. Dafür hatte ich im ibis direkt am Bahnhof ein klimatisiertes Zimmer.


Die Wohnmaschine von Le Corbusier.


Altes Velo vor neuem Stade.


Marseille, Vallon des Auffes.


Selfie.


Warten auf das Boot.


Notre-Dame de la Garde.



Nach Dusche, Kleiderwäsche und ein wenig Tour de France gucken – mit einer unglaublichen Abfahrt von Peter Sagan nach Gap – begab ich mich hinunter in die Stadt. Ein paar Fotos machen und etwas essen. Am alten Hafen steht seit kurzem ein riesiger Deckenspiegel, als Sonnen- und Regenschutz und natürlich als Fotomotiv. Rund um den Cours Honoré d’Estienne d’Orves gab es unzählige Restaurants, eins suchte ich mir aus und es war keine schlechte Wahl. Ich gönnte mir ein dreigängiges Menu mit Pastis und Rosé, verspeiste es und schleppte mich zurück zum Hotel.


Auf dem Kopf in die U-Bahn.




Da biste platt.


Großer Dachspiegel.




Lange Schatten.

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Der Track des dritten Teils

Geändert von Holger (21.02.16 12:04)
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#1192681 - 21.02.16 13:41 Re: 30 ° und 10 % – Hitze, Hügel und Tour de France [Re: Holger]
kosemuckel
Nicht registriert
Strecke, Worte, Bilder - Fantastisch!!!
Mehr kann ich auf die Schnelle gar nicht sagen.
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#1192685 - 21.02.16 13:43 Re: 30 ° und 10 % – Hitze, Hügel und Tour de France [Re: Holger]
StefanS
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Hallo Holger,

Danke für den Reisebericht, nett zu lesen. In Marseille war ich übrigens kurze Zeit nach Deinem Bilderrätsel und konnte das Foto quasi rekonstruieren schmunzel

In Antwort auf: Holger
Beim Denkmal für Henri Desgranges, Gründer der Tour de France, machte ich einen kurzen Stopp für ein Foto. Und wunderte mich über den seltsamen Scheiteltunnel, der gerade mal 102 m unterhalb der Passhöhe liegt. Was hat das für einen Sinn? Offensichtlich gibt es einen, sonst hätte man den Tunnel nicht 2002 wieder eröffnet.

Die Frage kann ich beantworten. Der Scheiteltunnel wurde bei der ursprünglichen Anlage der Fahrstraße angelegt und war lange Zeit die einzige Verbindung. Die Straße über die Passhöhe wurde als Umgehung angelegt, als der Tunnel mal renoviert wurde, das erklärt auch, warum dieser Straßenabschnitt eher schmal und warum auf der Passhöhe so wenig Platz ist.

Viele Grüße,
Stefan
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#1192687 - 21.02.16 13:49 Re: 30 ° und 10 % – Hitze, Hügel und Tour de France [Re: StefanS]
Holger
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In Antwort auf: StefanS
[…]
In Antwort auf: Holger
Beim Denkmal für Henri Desgranges, Gründer der Tour de France, machte ich einen kurzen Stopp für ein Foto. Und wunderte mich über den seltsamen Scheiteltunnel, der gerade mal 102 m unterhalb der Passhöhe liegt. Was hat das für einen Sinn? Offensichtlich gibt es einen, sonst hätte man den Tunnel nicht 2002 wieder eröffnet.

Die Frage kann ich beantworten. Der Scheiteltunnel wurde bei der ursprünglichen Anlage der Fahrstraße angelegt und war lange Zeit die einzige Verbindung. Die Straße über die Passhöhe wurde als Umgehung angelegt, als der Tunnel mal renoviert wurde, das erklärt auch, warum dieser Straßenabschnitt eher schmal und warum auf der Passhöhe so wenig Platz ist.

Viele Grüße,
Stefan

Ja, schon, aber dann gab es die Scheitelstraße und der Tunnel war zu. Warum investiert man überhaupt noch irgendwas in diesem Tunnel, um ihn 2002 wieder zu öffnen? Eine Wintersperre wird man ja kaum umgehen können damit...
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#1192692 - 21.02.16 14:04 Re: 30 ° und 10 % – Hitze, Hügel und Tour de France [Re: Holger]
StefanS
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Die Scheitelstraße ist steiler und enger als der Rest der Strecke. Möglicherweise hatten gewisse Versorgungsfahrzeuge Probleme damit. Genaueres weiß ich aber auch nicht.

Viele Grüße,
Stefan
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#1192697 - 21.02.16 14:15 Re: 30 ° und 10 % – Hitze, Hügel und Tour de France [Re: StefanS]
Holger
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Das kann natürlich sein, oberhalb des Tunnels auf der Südseite sind zwei ziemlich enge Serpentinen. Wobei mir schon die Strecke vom Lautaret bis zum Tunneleingang ziemlich eng vorkam, so dass ich mir nicht so recht vorstellen kann, dass ein Gefährt, das diese Strecke schafft, nicht auch oben drüber kommt.

Aber was soll's, ich käme mit dem Rad nie auf die Idee, da durch zu fahren. Und jedes Auto, das durchfährt, nervt nicht oben grins
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#1192700 - 21.02.16 14:25 Re: 30 ° und 10 % – Hitze, Hügel und Tour de France [Re: Holger]
hemavomo
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Schön kurzweilig und locker geschrieben, mit sehenswerten, frisch betitelten Bildern. Gefällt mir, Dein Bericht über diese lohnenswerten Strecke

Volker
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#1192702 - 21.02.16 14:31 Re: 30 ° und 10 % – Hitze, Hügel und Tour de France [Re: Holger]
Keine Ahnung
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Hallo Holger,

sehr schöne Bilder (allerdings fast schon über der Grenze des im Forum erlaubten - um die 1000 Pixel wären manchen sicher lieber zwinker ). Einiges kommt mir bekannt vor. Allerdings habe ich nicht so schöne Aufnahmen davon gemacht.
Gruß, Arnulf

"Ein Leben ohne Radfahren ist möglich, aber sinnlos" (frei nach Loriot)
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#1192707 - 21.02.16 14:48 Re: 30 ° und 10 % – Hitze, Hügel und Tour de France [Re: Keine Ahnung]
Holger
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Vielen Dank für das Lob - auch an die anderen Lobenden! Das freut mich sehr.

Zur Bilderbreite: Die Bilder sind doch 1.000 px breit, nur die dahinter verlinkten sind größer. Oder ist mir da ein großes durchgerutscht?
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Off-topic #1192708 - 21.02.16 14:53 Re: 30 ° und 10 % – Hitze, Hügel und Tour de France [Re: Holger]
Keine Ahnung
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Bei mir werden bei einer ganzen Reihe von Bildern 1263 Pixel angegeben.
Gruß, Arnulf

"Ein Leben ohne Radfahren ist möglich, aber sinnlos" (frei nach Loriot)
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Off-topic #1192709 - 21.02.16 14:55 Re: 30 ° und 10 % – Hitze, Hügel und Tour de France [Re: Keine Ahnung]
Holger
Moderator
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Seltsam, ich habe alle auf 1.000px Breite skaliert - mir wird das auch so angezeigt. Kannst Du mir mal eins nennen? Dann überprüfe ich das nochmal.

Geändert von Holger (21.02.16 14:56)
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#1192732 - 21.02.16 16:33 Re: 30 ° und 10 % – Hitze, Hügel und Tour de France [Re: Holger]
Juergen
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grins kein einziges Bild hat mehr als 1000px. Mittlerweile kenne ich mich damit aus grins

Holger, Du hast einen klasse Bericht abgeliefert. Chapeau! bravo
Ich liebe Löcher und rote Göttinnen, würde am liebsten sofort nach Nizza radeln, auch wenn ich deiner Strecke niemals folgen werde.

Jetzt bin ich ganz gespannt auf den nächsten Teil. Vielleicht ergeben sich ja ein paar Schnittpunkte mit meiner Planung.

Lieben Gruß und vielen Dank für deinen großartigen Humor!
Jürgen
° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° °
Reisen +
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#1192735 - 21.02.16 16:40 Re: 30 ° und 10 % – Hitze, Hügel und Tour de France [Re: Holger]
Hansflo
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Toller Reisebericht und sehr schöne Fotos; da fährt man förmlich mit und das macht Spaß.
Vielen Dank,

Hans
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Off-topic #1192751 - 21.02.16 17:45 Re: 30 ° und 10 % – Hitze, Hügel und Tour de France [Re: Holger]
Keine Ahnung
Moderator
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Das ist offensichtlich Chrome ... Ich habe Deinen Beitrag nun im IE geöffnet. Dort werden überall 1000 Pixel angegeben wirr verwirrt

Seltsam ....
Gruß, Arnulf

"Ein Leben ohne Radfahren ist möglich, aber sinnlos" (frei nach Loriot)
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#1192794 - 21.02.16 20:32 Re: 30 ° und 10 % – Hitze, Hügel und Tour de France [Re: Holger]
Moarg
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Hallo Holger,

zeitgleich mit dir bin ich auch durch die Alpen geradelt und wir haben uns wohl getroffen. Glaube ich zumindest. Mittagspause in Guillestre, der Typ neben dir auf der Bank.(?)
War schon ordentlich Hitze an dem Tag und (für dich) Gegenwind. Ich war in der anderen Richtung, aber auf identischer Strecke zu dir unterwegs (Start in Jausiers). Für mich lief's bei dem Wind ganz gut. zwinker
Stefan
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#1192797 - 21.02.16 20:41 Re: 30 ° und 10 % – Hitze, Hügel und Tour de France [Re: Moarg]
Holger
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In Antwort auf: Moarg
Hallo Holger,

zeitgleich mit dir bin ich auch durch die Alpen geradelt und wir haben uns wohl getroffen. Glaube ich zumindest. Mittagspause in Guillestre, der Typ neben dir auf der Bank.(?)[…]


Witzig, durchaus möglich, ich erinnere mich da dunkel. War wohl nicht sonderlich gesprächig grins hinterher habe ich mir noch gedacht "den hättest Du ja mal ansprechen können" - aber ich war einfach schon ziemlich k.o.

Wind war dann tatsächlich nicht so schön, aber zum Glück bin ich ja häufig von LKWs überholt worden, das gab dann immer etwas Rückenwind ... Im Ernst, zum Glück war es nicht mehr so weit.
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#1192799 - 21.02.16 20:48 Re: 30 ° und 10 % – Hitze, Hügel und Tour de France [Re: Juergen]
Holger
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Vielen Dank!

In Antwort auf: Juergen
[…]Ich liebe Löcher und rote Göttinnen, würde am liebsten sofort nach Nizza radeln, auch wenn ich deiner Strecke niemals folgen werde.

Jetzt bin ich ganz gespannt auf den nächsten Teil. […]


Bei der Göttin war auch noch ein Käfer- und ein Golf-I-Cabrio und ein Simca, eine Automarke, die bei mir tief im Unterbewussten verschwunden war. Nizza ist großartig, da fahre ich immer wieder gerne hin. Die Strecke zwischen Nizza und Cannes ist allerdings nicht so sonderlich schön.

Der nächste Teil wird ziemlich Tour-de-France-lastig und spielt sich zwischen Grenoble und Alpe d'Huez ab. Dauert aber noch ein wenig, am Freitag geht's erstmal nach Mallorca.
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#1192800 - 21.02.16 20:49 Re: 30 ° und 10 % – Hitze, Hügel und Tour de France [Re: Holger]
veloträumer
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Gratuliere auch noch zum letzten Teil der Berichtsstaffel! Izoard ist immer einen Blickfang wert. Hast du dich auch ins Gästebuch im Réfuge Napoléon eingetragen? - Außerdem: Was hast du eigentlich gegen Schnecken? verwirrt - ein formidables Essen, zudem noch sehr klimafreundliche Produktion. Was ist mit Muscheln?
Liebe Grüße! Ciao! Salut! Saludos! Greetings!
Matthias
Pedalgeist - Panorama für Radreisen, Landeskunde, Wegepoesie, offene Ohren & Begegnungen
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#1192802 - 21.02.16 20:56 Re: 30 ° und 10 % – Hitze, Hügel und Tour de France [Re: veloträumer]
Holger
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In Antwort auf: veloträumer
Gratuliere auch noch zum letzten Teil der Berichtsstaffel! Izoard ist immer einen Blickfang wert. Hast du dich auch ins Gästebuch im Réfuge Napoléon eingetragen? - Außerdem: Was hast du eigentlich gegen Schnecken? verwirrt - ein formidables Essen, zudem noch sehr klimafreundliche Produktion. Was ist mit Muscheln?

Es folgt noch ein Teil, Tour de France im Oisans. Nein, ins Gästebuch habe ich mich nicht eingetragen - das wäre eine Idee gewesen, auf die ich leider nicht gekommen bin.

Schnecken - nee, das ist nix für mich. Bin da nicht sonderlich experimentierfreudig. Muscheln? Igitt. Austern? Kalter Rotz, der nach Fisch schmeckt grins - nein, Meeres- und Flussgetier ist definitiv nicht mein Fall. Kulinarisch sagten mir also eher die Savoyen als das Mittelmeer zu, Reblochon statt Fisch und Meeresfrüchte...

Geändert von Holger (21.02.16 20:59)
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#1193027 - 22.02.16 19:43 Re: 30 ° und 10 % – Hitze, Hügel und Tour de France [Re: Holger]
Gepäcktour
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Danke, Holger für den schönen Bericht und die tollen Fotos.
Letztes und vorletztes Jahr war ich auch auf der Route des grandes Alpes unterwegs. Viele deiner Bilder riefen sofort wieder Erinnerungen wach. Auch das "Private Eigenschaft Verteidigung hineinzugehen"-Schild am Bonette war mir 2015 aufgefallen.
Also nochmal Danke, Holger.
Grüße,
Thomas
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#1200178 - 25.03.16 10:14 Re: 30 ° und 10 % – Hitze, Hügel und Tour de France [Re: Holger]
Holger
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Themenersteller
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Beiträge: 18.344
Mit einiger Verspätung der vierte und letzte Teil des Reiseberichts.

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Vierter Teil: Tour de France
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Dienstag, 21. Juli: Marseille – Grenoble (Zug), Grenoble – Les Sables
  • Kilometer: 49,2
  • Sattelstunden: 2:46
  • Höhenmeter: 381
  • Ausgaben für Getränke: 6,83 EUR



Abschied vom Mittelmeer.

Kurz überlegte ich, doch noch länger in der Sonne der Provence zu bleiben und nicht zurück in die Alpen mit ihren Gewittern zu fahren. Aber nur kurz – schließlich wollte ich zur Tour de France. Also schob ich das Rad die paar Meter in den Bahnhof und fuhr über Valence nach Grenoble. Nur einmal umsteigen, das ist in Ordnung. Und klimatisierte Züge waren auch in Ordnung, das merkte ich, als ich in Valence auf den Bahnsteig trat. Dort hatte ich etwas Aufenthalt, fuhr kurz zur Rhône, kurz zu einem Monoprix und dann zurück zum Bahnhof.

Eine gute Stunde später war ich in Grenoble. Es schien hier noch heißer zu sein als an der Côte d’Azur. Und schon jetzt, mittags, zogen die ersten Wolken auf. Also sah ich zu, Land zu gewinnen und Bourg d’Oisans möglichst früh zu erreichen. Bis zum südlichen Stadtrand Grenobles nutzte ich eine gut beschilderte Radroute. Schön ist es nicht, ziemlich dicht besiedelt mit einiger Industrie bis Vizille.


Hm, Galibier und Lautaret mit Wintersperre? Mitte Juli?

Nu ja, eine richtige „Wintersperre“ war das nicht. Aber „wegen Erdrutschgefahr gesperrt“ war auf den Anzeigetafeln nicht vorgesehen. Vorteil für mich: Weniger Verkehr. Die gut befahrene Verbindung Grenoble – Briançon war unterbrochen. Also ging es relativ ruhig die breite Straße durch das Tal der Romanche hinauf ins Oisans. Die Gewitterwolken wurden immer bedrohlicher, ich sah zu, schnell mein Zelt aufzubauen. Als Campingplatz hatte ich mir die „Ferme Noémie“ herausgesucht, dort war ich vor zwei Jahren schon mal. Damals im komfortablen Tipi, die aber leider nicht aufgebaut waren. Also nahm ich für die nächsten Nächte mit meinem Zelt vorlieb.

Es war wasserdicht, das stellte ich schon bald fest. Kurz nachdem ich es aufgebaut hatte, kam das Gewitter. Und der Nachteil der Ferme Noémie: Es sind noch ein paar Kilometer bis Bourg d’Oisans. Ein Restaurant gab es hier in Les Sables nicht, nichtmal eine kleine Epicerie. Mein Abendessen bestand also aus den paar Keksen, die ich noch dabeihatte.


Abendessen, wg. Gewitter.


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Mittwoch, 22. Juli: Les Sables – Kurve 9 – Les Sables
  • Kilometer: 44,6
  • Sattelstunden: 2:50
  • Höhenmeter: 575
  • Ausgaben für Getränke: 11,14 EUR


Heute stand Alpe d’Huez auf dem Programm. Mal hochfahren, schönen Platz für die Etappe aussuchen, wieder runter fahren und mir einen ruhigen Tag machen. Die Sonne schien, aber es war noch alles nass von der Nacht. Und Schnecken finden mein Zelt toll – das finde ich nicht so toll.


Bourg d‘Oisans.

Frühstück in Bourg d’Oisans, das Städtchen ist schon voll auf die Tour eingestellt. Alles voller Rennradfahrer, überall gibt’s Trikots und anderen Quatsch zu kaufen. Ich nahm mit einem Baguette vorlieb und machte mich dann auf den Weg hoch nach Alpe d’Huez. Mit vielen anderen. Und vorbei an vielen Wohnmobilen, die schon entlang der Strecke standen. Und mit vielen Pausen, irgendwie hatte ich den Eindruck, dass ich die Pässe mit Gepäck schneller hochgekommen bin als heute ohne Gepäck nach Alpe d’Huez. Und ein Galibier ist härter als dieser Anstieg. Der Mythos Alpe d’Huez ist riesig, und richtig einfach ist es natürlich auch nicht – aber es gibt schwerere Anstiege.

Für mich allerdings nicht. Irgendwie war ich nicht gut drauf, der Magen meldete sich und in Kurve 9, die wohl auch mein „Stellplatz“ für die Etappe werden dürfte, gab ich auf und rollte wieder runter. Im Casino versorgte ich mich für den Rest des Tages – und für die folgenden Tage: Auf dem Campingplatz konnte man Kühlboxen für die großen Kühlschränke mieten. Ich kaufte noch die Süddeutsche und fuhr zum Campingplatz. Dort okkupierte ich die Toilette – und erfuhr dank des Free WiFi vom grandiosen Etappensieg Simon Geschkes in Pra Loup – diese Skistation habe ich vor kurzem noch selbst aus dem Tal von Barcelonnette aus gesehen. Abends und nachts gewitterte es wieder, ich schlief trotzdem früh ein und durch.


Die nächste Gewitterwolke über Alpe d'Huez.

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Donnerstag, 23. Juli: Les Sables – le Rivier d'Allemont – Les Sables
  • Kilometer: 58,8
  • Sattelstunden: 3:22
  • Höhenmeter: 522
  • Ausgaben für Getränke: 5,64 EUR


Frühstück am Campingplatz, die Nutella in der Kühlbox, das Baguette am Vortag bestellt – so muss das sein. Und dank der Tisch-Bank-Kombinationen musste ich auch nicht auf der nassen Wiese vor dem Zelt frühstücken. Das sind mir die liebsten Campingplätze, die auch an die Gäste denken, die ohne Tisch und Stühle verreisen. Noch dazu ziehen sich die Wolken dramatisch über die Berge zurück – Tschüß bis heute abend!


Das Wetter verzieht sich.


.


Zeltwiese.

Über den Umweg Bourg d’Oisans – wo ich die Équipe und ein bisschen Fresskram kaufte – machte ich mich auf in Richtung Col du Croix de Fer. Die erste Idee war, direkt am Stausee zu bleiben. Hier hat man von der Staumauer einen schönen Blick auf die Straße, die gerade auf die Mauer zu führt. Sicher ein schöner Blick – aber es war auch schon voll und würde sicher noch voller werden. Also fuhr ich weiter nach oben.


Auf dem Weg zum Col du Croix-de-Fer.

Und es ging bergauf. Im Wald, serpentinenlos, ziemlich gerade in Richtung Norden. Etwas mehr Sicht auf die Umgebung hatte ich dann in Le Rivier d’Allemont. Hier knickt die Straße in Richtung Osten ab – aber auch in Richtung unten. Auf eine Gegensteigung hatte ich keine Lust und beschloss, mir einen Platz in der Steigung kurz vor Rivier d’Allemont zu suchen.


Zwischengefälle? Keine Lust.

Und ganz in der Nähe von meinem Plätzchen ließ sich der Teufel nieder. Der war eine Attraktion und wurde gerne und häufig fotografiert. Nun war Warten angesagt – zum Glück hatte ich E-Book-Reader und Zeitung dabei. Und die Leute beobachten war auch ganz witzig. Ganz in der Nähe waren einige Spanier und einige Engländer. Irgendwann begannen die Spanier, ein paar Namen ihrer Helden auf den Asphalt zu pinseln. Valverde stand da, Rodriguez, dann begannen sie mit dem nächsten Namen. Das „C“ stand da – da riefen die Engländer „Chris Froome“. Nein, der war’s nicht.


Attraktion Teufel.

Und dann kam der Kommerz – die Werbekarawane. Der erste Höhepunkt, und da hier noch nicht so viel los war, konnte ich einiges abstauben. Manches lecker wie die Madeleines und der Haribo-Kram, manches nützlich wie die Mütze, vieles aber einfach, nun ja, Müll. Aber die Stimmung war gut, insbesondere bei den Salami-Enten, den heimlichen Stars der Karawane. Die warfen mir aber leider nix zu.


Das Warten hat ein Ende.


Salami-Ente.


Na, so kommt jeder hoch.


Rasender Becker.

Wieder warten. Es fuhren jede Menge Autos hoch, „Offizielle“, Medien, Teamautos und so weiter. Und fast jedes hielt beim Teufel und grüßte ihn – und er machte gerne eine Show daraus. Großer Spaß!


Dachfahrer.



Die Hubschrauber waren dann das untrügliche Zeichen, dass bald die kamen, um die sich der ganze Zirkus dreht. Die Spitzengruppe kam vorbei, in der auch der spätere Sieger war. Etwas später dann Sky mit Christopher Froome. Dann noch weitere einzelne Grüppchen und schließlich das Grupetto. Erkannt habe ich relativ wenige, ganz ideal war mein Standort nicht, da ich doch nur ein recht kurzes Stück Straße sah. Wenigstens ging es bergauf, das bremste das Tempo. Und Fotos machte ich jede Menge, hier eine Auswahl.


Die Spitzengruppe mit dem späteren Sieger Romain Bardet – ziemlich am Ende der Gruppe. Vorne Jakob Fuglsang (Astana).


Der Sky-Express mit Christopher Froome.


Beobachtet von oben.


Jacques Janse van Rensburg braucht Wasser.


John Degenkolb und Albert Timmer.


Grupetto.


Der Teufel und die Letzten.


Besenwagen bekommt Angst.

Gegen Ende drehte der Teufel nochmal auf und scheuchte die letzten nach oben. Dann war der Spuk vorbei und ich fuhr wieder runter. Nicht wirklich alleine. Am Campingplatz vorbei ging es nach Bourg d’Oisans, wo ich die Zieleinfahrt im Fernsehen sah. Kurz vor dem Ziel kurvten die Fahrer durch die „Lacets de Montvernier“ nach oben. Viele, eng übereinander gestapelte Serpentinen, zu eng für Zuschauer. Es sah klasse aus, dorthin muss ich auch nochmal fahren. Die Etappe gewann Romain Bardet vor Pierre Rolland, ein französischer Doppelpack also. Die Favoriten kamen drei Minuten später zusammen ins Ziel.


Ausbeute eines Tages.

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Freitag, 24. Juli: Les Sables – L’Alpe-d‘Huez – Les Sables
  • Kilometer: 60,0
  • Sattelstunden: 5:51
  • Höhenmeter: 1.120
  • Ausgaben für Getränke: 9,09 EUR


Heute entschied ich mich gegen einen erneuten Etappenbesuch entschieden. Das wäre am Col du Croix de Fer gewesen, heute war das Ziel in La Toussuire, kurz vorher stand eben der Col du Glandon und der Col du Croix de Fer auf dem Programm. Ich wollte aber mal hoch nach Alpe d’Huez, vor allem, nachdem ich vorgestern aufgegeben hatte. Aber erstmal frühstücken am Campingplatz, mit lauter Engländern und ein paar Holländern.


Englisches Basislager.

Dann mal los. Es ging viel besser als vorgestern. Und es war nochmal deutlich mehr los. Die Strecke war schon abgesperrt, bis La Garde standen Gitter rechts und links. Kurve 9 – ja, das wird meine morgen. Kurve 7, die Holländerkurve bei St. Ferréol, es war schon ziemlich orange dort. Und laut. 6, 5, 4, 3, 2 und ein – das Schöne ist, dass man die Kurven rückwärts runterzählen kann. Zwischen 2 und 1 machte ich kurz Stopp beim Ortsschild, um mir unseren alten Standplatz anzuschauen, wo wir zu Anfang des Jahrtausends öfter standen. Auch ein schöner Platz, man kann weit nach unten schauen. 1999 sahen wir hier, wie Giuseppe Guerini zur entscheidenden Attacke ansetzte und gewann, obwohl er noch von einem Fan vom Rad geholt wurde.


St. Ferréol.


Am Tag vor der Etappe.


Schräges Bett.



Und dann war ich oben. Ein schönes Bergdorf ist das nicht, dieses Alpe d’Huez. War es auch nie, das eigentliche Dorf war Huez, dort gibt es auch schöne Ecken. Alpe d’Huez ist Skiindustrie, in der man angestrengt nach Verwendungsmöglichkeiten im Sommer sucht. Die werden allerdings beeinträchtigt von eben der Skiindustrie. Im Ort viel Asphalt und Beton – auch wenn der ab und an mit etwas Holz kaschiert wird.


Bergromantik.


Zielgerade.


Oben …


… im Eintrachttrikot.

Und außerhalb des Orts viele Kabel und Masten. Nein, eine richtig schöne Hochgebirgslandschaft ist das im Sommer nicht. Aber weit weg ist die nicht, zum Beispiel wird es hinter dem wenige Kilometer entfernten Col de Sarenne sehr schön. Dennoch entschied ich mich gegen eine Runde über den Sarenne und für die kleinere Runde über Villard Reculas. Ich fuhr noch zum Ziel, um die obligatorischen Zielfotos zu machen und dann wieder runter. Nicht auf der Tour-Strecke, sondern auf der anderen. Kurz vor Huez treffen die beiden aufeinander. Auf der Abfahrt hatte ich schöne Blicke in Richtung Col de Sarenne und auf Huez.


Temporärer Campingplatz.


Wintersport im Sommer.


Blick in Richtung Col de Sarenne.


Huez.

Es fuhren immer noch unzählige Radfahrer rauf nach Alpe d’Huez, ich beobachtete die Qualen aus sicherer Entfernung. Und auch die Vorbereitungen auf die Etappe waren in vollem Gange, so soll doch jeder sehen, dass auch Finnen den Weg in die Berge fanden.


Die Kehren 3, 2 und 1.


Auch Finnen sind da.

In Huez bog ich ab nach Villard Reculas und unterquerte bergwärts fliegende Mountainbikes. Für die Seilbahnen hat man also eine Sommernutzung gefunden. Auf der kleinen Straße war einiges unterwegs, fast ausschließlich unmotorisiert auf zwei Rädern. Man hat einen schönen Blick auf die Straße nach Alpe d’Huez, auf das Romanche-Tal und ins Écrins-Massiv. Die Folge: jede Menge Fotostopps. Auf einem verwickelten mich einige Australier in ein Gespräch über den besten Platz für die morgige Etappe. Ich empfahl meinen, die Kurve 9. Sie bedankten sich für die „local experience“. Ich gab zu bedenken, dass ich etwa 800 km entfernt wohne, aber aus australischer Perspektive sei das „local“. Nun denn.


Kurven 7, 9 und 11.


Dutch Corner, Kurve 7.


Kurve 9, meine für morgen.


Konfessionslos.


Bourg d'Oisans und der Weg ins Pelvoux-Massiv.


Das steilste Stück.

Dann fuhr ich weiter, in schwindelerregender Höhe über dem Romanchetal in Richtung Villard-Reculas. Den Campingplatz sah ich tief unten, der direkte Weg war mir jedoch zu steil und ich zog vor, auf der Straße die Serpentinen hinunter zum Stausee bei Allemont zu fahren und dann die gut bekannten flachen Kilometer durch das Romanchetal. In Bourg d’Oisans schaute ich ein wenig Tour-Fernsehen und kaufte ein, dann ging es zurück zum Campingplatz.


Villard-Reculas.

Lesen, essen, surfen, das war mein Programm für den Resttag. Und hoch zu der Straße schauen, über die ich heute mittag noch gefahren war. Und mich auf mein eigenes Bett freuen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich monatelang reisen könnte – schon am Ende dieser drei Wochen zog es mich wieder nach Hause.


Da oben war ich eben noch.

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Samstag, 25. Juli: Les Sables – Kurve 9 – Les Sables
  • Kilometer: 27,7
  • Sattelstunden: 1:57
  • Höhenmeter: 575
  • Ausgaben für Getränke: 5,75 EUR


Dann brach er an, der Tag des großen Events. Auf dem Campingplatz herrschte schon früh rege Betriebsamkeit, die Duschen und Waschbecken waren heiß begehrt (wieso eigentlich die Duschen am Morgen eines solchen Tages?). Ich frühstückte, packte Lesekram, Sitzkissen, Sonnencreme und Futter in die Tasche und reihte mich ein in die Massen, die in Richtung Alpe d’Huez strömten.


Am Tag der Etappe.

Im Casino war ich ja inzwischen Dauergast. Heute war er richtig voll, da hatten noch mehr Leute die Idee, sich für einen heißen Tag am Berg mit Flüssigkeiten mit und ohne Alkohol einzudecken. Mit einigen Zusatzkilo – in meinem Fall alkoholfreier Flüssigkeit – machte ich mich auf den Berg. Überall Volksfeststimmung, bestes Wetter. So soll es sein. Etappen in Regen und Schnee mögen ja auch was für sich haben – aber nur am Fernseher. Es war am Rand der Strecke schon ordentlich voll, sodass ich fast befürchtete, keinen guten Platz mehr zu bekommen. Zum Glück hat es doch noch geklappt, in Kurve neun, auf dem kleinen Begrenzungsmäuerchen. Meine Nachbarn waren Kolumbianer, die mit dem Auto hochgekommen waren. Und dort hatten Sie unglaubliche Mengen selbstgemachten Proviants in Schüsseln und Flaschen. Da konnte ich mit meinem Supermarktfraß nicht wirklich dagegen anstinken. Aber gut, ich bin ja auch mit dem Rad hoch. Auf der anderen Seite saßen Franzosen aus dem Burgund – das erfuhr ich in einer der wenigen Minuten, in denen Sie das Radio nicht am Ohr hatten. Zeitung und E-Book-Reader hatte ich dabei, aber es war viel interessanter das ganze Volk zu beobachten, das hier unterwegs war.


Das Warten beginnt.


Warten mit Panoramablick …


… und Unterhaltung.

Unten in der Kurve war es recht laut, karnevalesk gekleidete und offensichtlich auch alkoholisierte junge Menschen begleiteten viele Radler mit Hupen – solche, die inzwischen in Fußballstadien ausgestorben sind – Geschrei und Nebenhergerenne nach oben. Manch einer quittierte das mit gequältem Lächeln, andere genossen es …


Anfeuerung für die Jüngsten.





[img] https://lh3.googleusercontent.com/...lpen.JPG [/img]

Dann irgendwann nach vielen Stunden kam der Kommerz. Die Caravane Publicitaire. Nicht einfach irgendwann um die Ecke, wie am Glandon, nein, man sah sie schon von ganz unten langsam den Berg hochfahren. Diesmal erntete ich nichts, wunderte mich aber einmal mehr über die vielen Geier im gesetzten Alter, die jedem Schlüsselanhänger hinterhersprinteten.


Die Karawane kommt hoch.


Der kleine Prinz.


Wurstwerbung auf zwei Pferden.








… und schnell die Kamera verstecken.


I’m Batman.

Dann wieder etwas warten, doch so langsam wurden die Leute konzentrierter. Die einen drückten die Radios noch fester ans Ohr, die anderen schauten angestrengt ins Tal. Und irgendwann war in Bourg d’Oisans die Spitzengruppe zu erahnen. Lustig war es in der Folge, den Radiokommentar zu hören und immer mal wieder die geschilderten Situationen durch das Tele am Berg mitzuverfolgen.


Die ersten sind bei La Grave, unten fährt das Grupetto in den Berg.




Der Führende, Alexandre Giniez (FdJ).


Spannung.


Spitzengruppe kurz vor Kurve 10.

Kurz vor Kurve 9 setzten sich Thibaut Pinot und Ryder Hesjedal ab, Pinot gewann später die Etappe. Dann folgte Nairo Quintana und die Kolumbianer neben mit flippten fast aus. Von seiner Attacke auf das gelbe Trikot hatten wir schon gehört, und tatsächlich, er hatte einen ordentlichen Vorsprung vor Froome. Es sollte nicht reichen, aber eine Show war es. Dann kamen nach und nach die anderen Fahrer, zum Schluss das Grupetto mit Degenkolb und Greipel – und vielen mehr.


Thibaut Pinot (FdJ) und Ryder Hesjedal (Garmin-Cannondale).


Thibaut Pinot auf dem Weg zum Etappensieg.


Alexandre Giniez (FdJ), der lange geführt hat - am Ende wurde er 25.


Nairo Quintana, im - vergeblichen - Angriff auf das gelbe Trikot …

[img] https://lh3.googleusercontent.com/...lpen.JPG [/img]
… das mit einigem Abstand folgt.


Alejandro Valverde.


Wouter Poels, Richie Porte und Christopher Froome verteidigen das Gelbe Trikot.


Froome schaut mal nach vorne.








Merhawi Kudus Ghebremedhin.


Das Grupetto.


John Degenkolb.


André Greipel, unscharf.


Er hat Spaß.

Ich hörte noch das Ende der Etappe im Radio der Franzosen mit, erfuhr, dass Froome das Gelbe verteidigen konnte und dass Pinot gewann. Letzteres sorgte für sehr ausgelassene Stimmung beim französischen Teil des Publikums. Dann die Abfahrt mit Tausenden anderer Radler – und Fußgänger. Es ging schon schneller als bergauf, aber nicht signifikant.


Enten auf dem Weg nach Paris.

Am Campingplatz noch einmal ein Baguette-Reblochon-Pfefferminzpudding-Abendessen. Ich unterhielt mich länger mit der Besitzerin, die über die Sperrung des Tunnel du Chambon klagte. Ein großes Problem für den Tourismus, bei Events wie der Tour merkt sie es nicht, aber ansonsten fehlen die Durchreisenden merklich. Schlimmer sei es jedoch für La Grave, das nur noch von Briançon erreichbar war. Der Tourismus dort ist fast völlig zusammengebrochen, auch die Schulkinder müssen in andere Schulen, da der Weg zu ihrer Schule in Bourg d’Oisans abgeschnitten war. Zudem mache man sich sorgen, ob der Staudamm den befürchteten Bergrutsch standhalten würde. Erst im Herbst entspannte sich die Situation etwas mit der Eröffnung einer Behelfsstraße am anderen Ufer des Sees.

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Sonntag, 26. Juli: Les Sables – Grenoble, Grenoble – Frankfurt am Main (Zug)
  • Kilometer: 49,3
  • Sattelstunden: 2:01
  • Höhenmeter: 0
  • Ausgaben für Getränke: 2,9 EUR 5 CHF


Ein letztes Frühstück am Campingplatz, ein letztes Mal Zelt abbauen und ein letztes Mal Taschen packen. Und die letzten Kilometer, auf dem Weg nach Grenoble. Den Kopf von Louis XVI erkannte ich dank des Hinweisschilds, die Abfahrt bis Vizille war rasant, dort erreichte ich den Kilometer 1.674 der Tour und in Grenoble am Bahnhof hatte ich einen Schnitt von fast 25 km/h – der höchste jemals gemessene Etappenschnitt dieser Reise. Die 25 verschenkte ich mit einer kleinen Stadtrundfahrt in Grenoble.


Der Kopf des Königs.


Km 1.674 in Vizille.


Pierre Therail du Bayard, Ritter ohne Furcht und Tadel.


Gondeln über der Isère.

Von Grenoble nach Genf fuhr ich mit dem TER, nicht als einziger Radler, ich hatte Glück, noch reinzukommen. Aber es hätte noch als Fallback-Lösung einen TER später gegeben, mit dem ich Genf auch rechtzeitig erreicht hätte.


Au revoir.

So hatte ich in Genf einen Aufenthalt von über 2 Stunden. Und ich wollte endlich mal wieder etwas Warmes essen. Und das in der Schweiz. Und das in Genf. Ich landete bei Mc Donalds. Ein McMenu für 12 Franken ist schon happig genug bei einem Kursverhältnis von 1:1. Den Rest des Wartens auf den IR nach Basel verbrachte ich bei Sissy am Genfer See.


Zwischenstopp bei Sissy.

Dann fuhr der IR ab, mein Rad auf dem reservierten Radplatz, ich auf dem reservierten Sitzplatz. Kurz vor Basel erfuhr ich vom grandiosen Sieg André Greipels in Paris. Die restliche Zugfahrt brachte ich dann auch irgendwie hinter mich und war froh, abends endlich wieder im eigenen Bett zu liegen. Das war’s dann mal wieder. Vorerst.
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#1200221 - 25.03.16 13:59 Re: 30 ° und 10 % – Hitze, Hügel und Tour de France [Re: Holger]
Keine Ahnung
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Beiträge: 13.223
Danke für den Bericht - Eine Menge Trubel, den Du da erlebt hast grins
Gruß, Arnulf

"Ein Leben ohne Radfahren ist möglich, aber sinnlos" (frei nach Loriot)
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