Bosnia und Herzegovina
Tuzla – Zvornik – Sarajevo – Travnik – Jaice – Mostar – Medjugorie – Pocitelj – Zavala – Dubrovnik Airport (Croatia)
650km
Mit 2 Wochen Zeit und Lust etwas neues auf dem Balkan zu bereisen beschlossen wir uns Bosnien und Herzegowina anzuschauen. Unsere Freunde Zorica und Cviko sind von da und haben uns viel von der schönen Landschaft vorgeschwärmt.
Die Streckenplanung war etwas komplizierter als sonst. Wir wussten, dass wir nach Sarajevo und Mostar sollten und von Leuten mit einem Hang zur Mystik wurde uns Medjugorie empfohlen. Aber sonst, keine Ahnung. Wir fanden einen Reiseführer mit vielen Bildern von Bergen, Flüssen, Häusern, Hunden und Blumen. Dann haben wir ganz wissenschaftlich einige Orte mit Bildern von Essen und Wasserfällen ausgesucht.
Weniger lustig; wir wussten natürlich, dass vor kurzem noch ein brutaler Krieg herrschte und das die Auswirkungen uns auf der ganzen Reise begleiten würden.
Vom verregneten Friedrichshafen flogen wir ins sonnige Tuzla. Cviko war auf demselben Flieger und Zorica hat uns am Flughafen abgeholt und uns zu ihrem Ferienhäuschen gebracht.
Am nächsten Tag gabs eine Tour durch Tuzla wo Zorica zur Schule ging und dann zum ehemaligen Dorf (das erste von vielen die im Krieg verschwanden) in dem Cviko aufwuchs. Wir sind da im tiefen Ende reingehüpft, aber mit guten Schwimmwesten aus Erzählungen und Erklärungen unserer Freunde war das wohl der bestmögliche Einstieg.
Cviko, Zorica, Darina und Kurt
Am Abend ging es dann nach Zvornik an der Drina und an der Grenze zu Serbien. Hier bekamen wir nochmals eine Führung, bevor es dann an der Zeit war uns herzlich zu verabschieden und loszuradeln.
Anfangs fuhren wir gemütlich an der gestauten Drina entlang, aber bald ging es in ein Seitental das uns auf die Romanija Berge hoch brachte. Ein schönes Zimmer und ein gutes Restaurant mit Portionen die für Radler gerechnet sind rundeten den Tag ab. Blauer Himmel, grüne Felder und Herbstwald säumten die Strasse nach Sarajevo und nur die letzten paar Kilometer durch eine Schlucht wurden verkehrsmässig noch etwas hektischer.
Sarajevo sieht aus wie eine Stadt die viele Touristen anziehen würde. Wunderbare Gebäude aus der Ottomanischen Ära im alten Viertel und etwas pompösere aus der Zeit der Österreichisch-Ungarischen Monarchie verleihen ein ganz eigenes Flair. Später lernten wir dann, dass sehr viele Gebäude erst neulich wieder aufgebaut wurden.
Der Wasserbrunnen in der Altstadt
Ursprünglich war es eine Ottomanische Karavanserai (serei ist der Ursprung von Saraj-evo) die aber mit der Entdeckung des Seeweges nach Asien ihre Wichtigkeit verlor. Als die Stadt 1878 an Österreich-Ungarn übergeben wurde kamen die repräsentativen Bauten und die erste elektrische Strassenbahn Europas dazu.
Altes KuK Stadthaus
Die grösseren Schlagzeilen machte aber die Ermordung des Kronprinzen Franz Ferdinand in 1914, der Auslöser des ersten Weltkrieges.
Monument für Franz Ferdinand
Danach verschwand die Stadt von der Bildfläche bis sie 1984 die olympischen Winterspiele ausrichtete und dann gleich nochmals während des Krieges in Bosnien als sie für 1425 Tage belagert und beschossen wurde.
Die Leute mit denen wir sprachen waren alle stolz auf ihre Stadt und unterschieden nicht zwischen Ost- und Westbosniern. Wenn man gemeinsam über 4 Jahre bombardiert wird schweisst das auch zusammen. Es hat einige Museen die genügend Bilder und Filme zeigen um auch hartgesottenen Besuchern Alpträume mitzugeben. Auf unserem Weg raus kamen wir an vielen Hochhäusern vorbei die noch deutliche Narben dieser Zeit tragen, andere haben einen neuen Anstrich oder sogar neue Fassaden bekommen. Auf der anderen Seite des Flughafens gibt’s noch das empfehlenswerte Tunnel Museum. Tunnel steht hier für einen horizontalen Minen Schaft unter dem Flughafen, der die Stadt mit von der bosnischen Armee gehaltenem Gelände verband. Durch diesen Tunnel musste alles an Lebensmitteln, Medikamenten, Waffen und Leuten. Der kurze, gut geputzte Teil der blieb ist auch jetzt noch eher Platzangst einflössend.
Höchste Zeit um unsere Gedanken und Räder auf neue Pfade zu lenken. Die R442 führte uns durch ein nettes Tal mit wenig Verkehr. Der kam erst wieder als wir auf die E661 Richtung Travnik einbogen. Gefährlich war‘s aber nicht. Es hat sich alles gestaut, nur für uns gab’s ein fortkommen. Trotzdem sind wir dann bald einmal in ein Motel mit Restaurant abgebogen.(Zelt und Küche hatten wir nicht dabei, war auch nicht notwendig)
Der nächste Morgen begann mit Frühstück und Nebel. Die bemalte Moschee in Travnik musste ohne blauen Himmel aufs Bild.
Die bemalte Moschee
Brunnen, leicht traurig
Kurz danach bogen wir in ein Seitental ab. Asphalt ging in Kies- und dann Traktorweg über. Selbst auf diesem abgelegenen Pass fanden wir Häuser voll mit Einschusslöchern. Abgesehen davon war es aber eine wunderschöne Abkürzung die auf der anderen Seite durch viel Wald und ein paar verlassene Dörfer führte.
Jaice ist auch eins von diesen Städtchen mit Burg, hat aber zusätzlich noch einen Wasserfall. Die Regenjacke war auf der unteren Aussichtsbühne angesagt.
Die 2einhalb Tage von hier bis Mostar waren etwas vom schöneren was man erradeln kann. Täler mit Herbstwäldern, manchmal ein Dorf und ein paar Kohlfelder, ein Pass mit Aussicht auf die halbe Welt und die Bergzacken des Prenj. Kurz, reine Glückseligkeit.
Beschilderter Pass
Mostar hat seine berühmte wiederaufgebaute Brücke, einen kleinen Bazar und Busladungen von Touristen. Die sind zurecht da, aber ein Schock fürs System war‘s trotzdem.
Mostar
Wir sind hier in der Herzegowina, in einem Teil der vor allem von Bosniaken und Kroaten bewohnt ist. Zusammen haben sie im Krieg die Stadt gegen Serbische Angreifer verteidigt sind dann aber plötzlich aufeinander los. Viel Vertrauen in die Nachbarn gibt’s hier verständlicherweise nicht mehr.
Medjugorie war unsere nächste Destination, ein Pilgerort seit die Jungfrau 1981 4 Teenagern erschien. Es ist nicht offensichtlich, aber sie erscheine immer noch jeden 2ten und 25sten jedes Monats. Wir waren zwischen diesen Daten und fanden es auch einen ziemlichen Rummel, also sind wir weiter zu den weltlichen Kravice Fällen um im kalten Flusswasser zu schwimmen. Später am Tag sind wir noch weiter nach Pocitelj an der Neretva. Eine alte Befestigung des Flussweges und jetzt ein nettes Dörfchen in dem man Zimmer in den alten Häusern für die Nacht mieten kann.
Die Befestigungen haben wir uns dann vor dem Frühstück und vor dem ersten Tour Bus angeschaut. Von da oben kann man das Tal wirklich mit einer Steinschleuder kontrollieren
Pocitelj
Der Ciro ist das alte Schmalspurbahn Trassee der Mostar Dubrovnik Linie. Der grösste Teil davon ist angenehm zu radeln oder hat eine Asphaltierte Variante falls der Schotter zu lästig ist (uns war er es) und die eine Brücke hat ein Schild das daran erinnert, dass das Überqueren auf eigenes Risiko geschieht. Die Landschaft war von karger karstiger Schönheit, wo es Wasser hat gibt’s ein paar Tabakfelder und sonst Gebüsch und Felsen und ein paar grasende Tiere. Auch ein paar verlassene Dörfer sind am Weg., Als die Linie eingestellt wurde sind viele Leute wegen der Arbeit in die Städte abgewandert und während dem Krieg sind dann die restlichen Bewohner auch weg.
In Zavala übernachteten wir in einem umgebauten Bahnhof. Theo aus Dubrovnik hat sie gekauft und über die letzten Jahre Umgebaut in ein Restaurant komplett mit 4 Appartements unter dem Dach. Sein Grossvater war hier geboren, ist dann aber auch der Arbeit wegen nach Dubrovnik gezogen. Theos Idee war, etwas Leben ins fast verlassene Dorf zurückzubringen. Einwohnerzahl heute: 5, 1991 waren es noch 129. Er hat sogar einen Fahrrad Putzplatz mit Bürste organisiert, dazu ein paar Werkzeuge und jetzt ist er auf einer Liste für Radler freundliche Unterkünfte. Wir bestätigen gerne, dass er Radler freundlich ist. Er hat uns einen Abend lang unterhalten mit seinen Geschichten, seinem selbstgebrannten und seinem eigenen Wein. Also, falls ihr in der Gegend seid, schaut mal rein, er erscheint sicher häufiger als die Maria von Međugorie, obwohl er noch die Südkroatischen Leuchttürme organisieren muss.
100Meter weiter befindet sich die Vjetrenica Höhle, die grösste in Bosnien und Herzegowina, mit ca 7km bekannter Gänge und 22 weiteren vermuteten km. Die meisten Stalagmiten und Stalaktiten sind trocken, aber weiter hinten gibt’s noch etwas fliessendes Wasser damit die Verzierungen weiterwachsen. Die Wärterin hat uns noch viel Material über die Via Dinarica mitgegeben, eine Wanderroute von Slowenien bis Albanien, die auch zumindest jetzt von Slowenien bis Bosnien und Herzegowina eine Mountainbike Variante hat. Das meiste hier ist als einfach bis moderat beschrieben, sollte also auch mit einem Tourenrad machbar sein. Schon wieder ein Floh im Ohr.
Ein paar Stunden gemütliches radeln auf dem Ciro (mit Minen Warnschildern links und rechts der Strasse) brachten uns an die Grenze des Landes.
Zeit die letzten Konvertiblen Marka gegen ein Picknick einzutauschen bevor wir an die Küste runterrollten. Ein Tag am Meer musste schon noch sein, bevor wir vom Flughafen Dubrovnik zurückflogen.
Schlussfolgerungen: Höchstnoten für Land und Leute. Essen kam immer in grossen Portionen und war auch noch gut. Nachtisch gab‘s nicht so häufig weil wir einfach zu vollgefressen waren nach den Hauptgängen. Der Verkehr war manchmal etwas unorthodox aber nie bedrohlich. Wir hatten nur 2 Abschnitte wo es etwas unangenehm hektisch wurde.
Jetzt zum Offensichtlichen. Wie erklärt man einen Krieg, vor allem wenn man bedenkt das die meisten Menschen von den im 6ten und 7ten Jahrhundert eingewanderten Slawen abstammen. Sie waren auf einer beweglichen Grenze zwischen Ost- und Westrom und wurden so zu Orthodoxen und Katholischen Slawen (und einige waren auch in einer eigenen bosnischen Kirche). Als sich dann das Ottomanische Reich nach Westen ausdehnte sind auch viele zum Islam konvertiert. Über die Jahrhunderte haben sich die Leute bekriegt wenn die Grenzen verschoben wurden und geheiratet wenn Frieden war. (In der Jugoslawischen Zeit waren 30% der Ehen gemischt).
Als Kroatien sich vom serbisch dominierten Jugoslawien trennte zwang das auch viele bosnische Kroaten und Serben dazu sich für die eine oder andere Seite zu entscheiden.
Ich mag hier nicht Schuldige suchen, schlussendlich ist es ein Bericht über eine Radreise. Fakt ist, dass am Ende des Konfliktes viele Leute tot waren, noch mehr konnten nicht mehr nach Hause und die Übrigen fanden sich zwischen verminten Feldern und zerschossenen Fabriken wieder. Kein Wunder sind auch viele noch nach dem Krieg nach Mittel- und Nordeuropa ausgewandert.
Trotz allem fanden wir die Leute extrem gastfreundlich und hilfsbereit. Wir können dieses Land wärmstens empfehlen. Uns ist es auf jeden Fall ans Herzen gewachsen. Falls ihr es noch etwas ausführlicher haben wollt, ich habe unser englisches update im Wiki verlinkt und
hier gibt’s den Link direkt.