Kein großer Reisebericht voller Sensationen, aber ein paar Eindrücke von unserem Silvesterausflug in die Niederlande: Nachdem wir den letzten Jahreswechsel Lockdown-bedingt zu Hause verbracht hatten, zog es uns dieses mal wieder für einen kleinen, vorsichtigen Ausflug vor die Tür. Für die Planung großer Reisen waren wir immer noch etwas zögerlich, aber schon im Oktober kam uns die Idee, dass wir den Weihnachtsbesuch in der alten Heimat in NRW mit einer Radtour durch die Niederlande verbinden könnten. Grobe Idee: von Mülheim in NRW zunächst gen Norden für einen Besuch bei rayno (Lothar) und dann vorn dort entlang der Küste mit Ziel Amsterdam. Von dort geht es unkompliziert und ohne Umstieg wieder mit dem Zug nach Berlin.
Als kurz vor Weihnachten die Covid-Infektionen wieder rasant anzusteigen begannen, nahmen wir noch einen Plan B in unsere gedankliche Vorbereitung mit auf: der lang gehegte Traum Bernds, entlang des Mittellandkanals von NRW nach Berlin zu fahren. Es mag hier den ein oder anderen geben, die die Frage stellen könnte ob das nicht stocklangweilig sein ist, über hunderte Kilometer auf geschottertem Kanalweg geradeaus zu fahren… hmm - ein durchaus berechtigter Einwand! Aber im Vergleich zum Heimaturlaub im letzten Jahr wäre das immer noch das pure Abenteuer.
26.12.2021 Von Mülheim nach Gescher, 75 km Start ist am 2. Weihnachtstag vor der heimatlichen Haustür, von wo es für die ersten Meter über den RS1 geht. Wir biegen dann aber bald nach Norden ab und verlassen das Ruhrgebiet über Oberhausen und Bottrop mit ihrem ganz eigenen Charme. Es ist ein eisiger Tag heute und der Wind bläst klirrekalt.
Ich gebe zu, meine Routenwahl bis Dorsten ist nicht sonderlich brillant und wir folgen weitgehend der Hauptstraße. Nördlich von Dorsten wird es dann aber etwas ländlicher. Wir passieren Schloss Lembeck, queren einen Golfplatz und folgen jetzt vermehrt Wirtschaftswegen.
Ein Rastplatz wenige Kilometer vor Gescher verblüfft uns mit einer ausgesprochen liebevollen Ausstattung sowie nagelneuen und sehr hochwertige ausgestatteten Reparatur-Station:
Am Nachmittag erreichen wir Gescher.
der einzige GastDer Campingplatz dort ist eher ein Dauercamper/Wochenendhaus-Platz. Der Platzwart wohnt auf dem Platz und lacht laut auf als wir unser Anliegen vortragen. Wir hatten zwar vorab schon reserviert, aber es hat den Anschein, dass diese Anfrage nicht ganz ernst genommen wurde. „Ne – die sind gut die Leute – die wollen zelten!..- ne, die Leute sind gut!….“
Wir bekommen eine Wiese zugewiesen und das angeschlossene Gasthaus hat sogar geöffnet, so dass wir ganz komfortabel noch ein Weihnachtsessen bekommen können.
27.12.2021: Gescher – Nordhorn, 65 kmDer Tag begrüßt uns ganz brauchbar. Es ist deutlich wärmer geworden und die Temperatur liegt nun um Null Grad. Sogar die Sonne lugt aus den Wolken hervor. Uns führt der Weg gradewegs nach Norden vorbei an Ahaus und Gronau. Heute deutlich verkehrsärmer.
Irgendwo hier passieren wir die Grenze zu den Niederlanden, wo wir uns in Losser mit Lothar verabredet haben.
Wir treffen uns am frühen Nachmittag, machen kurz Tee-Pause und rollen dann gemeinsam weiter.
Vorbei an der alten Zollstation geht es wieder zurück nach Deutschland,
wo unser Zelt dann in Renates und Lothars Garten Platz findet:
28.12.2021: Rundtour mit Lothar, 70 kmWir bleiben 2 Nächte in Nordhorn und haben so Gelegenheit für eine ausgiebige Ausfahrt mit Lothar durch das Umland. Er widerlegt eindrücklich, dass die Region flach ist und wir klappern gefühlt jede Erhöhung ab, die im Umkreis von 30 Kilometern zu finden ist. Hätte nicht gedacht, dass ich hier so ins Japsen komme.
Sprichwörtlicher Höhepunkt ist das Gipfelfoto bei Dauerregen auf dem Kuiperberg bei Ootmarsum auf immerhin 71m!
Die kleine Ortschaft ist hübsch allerdings durch die geschlossenen Geschäfte ziemlich ausgestorben.
Am Abend widmen wir uns dann der Entscheidung für den weiteren Reiseverlauf. Links oder rechts abbiegen ist die Frage: nach Amsterdam oder am Mittellandkanal nach Berlin? Nun, die Schnupperrunden der letzten 2 Tage durch die Niederlande geben den Ausschlag. Zwar sind in den Niederlanden Gastronomie und Geschäfte aktuell geschlossen, aber Campingplätze und Beherbergungsbetriebe sind geöffnet. Und auch wenn die Niederlande nicht gleich die große weite Welt sind, es ist immerhin ein anderes Land mit anderer Sprache, anderem Essen, anderen Eindrücken. Dann doch verlockender als der Mittellandkanal…
Entscheidung getroffen, wir biegen nach Westen ab.
29.12.2021: Nordhorn - Groningen, 116 kmWir haben am Vorabend schon den Campingplatz in Groningen gebucht und haben so heute gut 115 km vor uns. So brechen wir recht früh auf. An dieser Stelle noch mal ein ganz herzliches Dankeschön an Renate und Lothar für die Gastfreundschaft und die schöne Zeit bei euch!
Heute ist das Wetter trüb aber trocken und die Temperaturen inzwischen recht mild. Die ersten rund 40 Kilometer bis Emmen sind noch etwas zäh mit recht viel Verkehr.
Auch die Innenstadt von Emmen ist wie leergefegt. Ein ziemlich trauriger Anblick.
Nördlich von Emmen wird es allerdings wirklich schön. Durch verschiedene Wald- und Naturschutzgebiete geht es Richtung Groningen.
Gegen Nachmittag fängt es dann wieder an zu regnen. Wir erreichen den Campingplatz im Süden der Stadt am frühen Abend. Nicht ganz überraschend sind wir die einzigen Zelter.
30.12.2021: Groningen – Sint-Annaparochie, 99 kmAls wir am Morgen die Augen aufmachen regnet es schon wieder. Die Stadtbesichtigung fällt daher etwas kürzer aus als ursprünglich geplant. Dennoch, Groningen ist schon so eine wirklich schöne Stadt – ganz sicher noch um einiges attraktiver bei Sonne und ohne Lockdown.
Nun, den zusammenfassenden Text für die nächsten Tage könnte ich eigentlich aus einigen unserer anderen Reiseberichte kopieren. Den kennt ihr schon: Es regnet Bindfäden und der Wind kommt von vorn.
Nachdem wir also Groningen verlassen bläst es uns schon recht ordentlich entgegen, und – oh Überraschung – je mehr wir uns der Küste nähern desto heftiger wird er. An einer Bushaltestelle machen wir kurz Pause um ein Brot zu essen. Prompt kommt kurz drauf der Bauer aus dem gegenüberliegenden Hof zu uns rüber und bringt uns zwei Becher mit heißem Kaffee. Sehr nett!
Es regnet hier wohl nicht erst seit gestern – das hier ist kein Badesee sondern ein Parkplatz!:
Wir bleiben östlich des Lauwersmeer und fahren durch wirklich schöne Landschaftsschutzgebiete. Immerhin inzwischen auch kurz ohne Regen.
In Lauwersoog erreichen wir das Meer, kaufen noch ein bisschen ein und biegen dann nach Westen ab. Nun geht’s weiter entlang der Küste und jetzt pustet es direkt von vorn. Ich klemme mich an Bernds Hinterrad und wir kurbeln langsam aber stetig den Deich entlang.
Manchmal trau ich mich auch aus dem Windschatten raus. Ist aber nicht sehr effizient und solch Ausflüge geb ich dann auch schnell wieder auf.
Wir passieren ein paar hübsche kleine Orte und finden sogar einen Außerhaus-Verkauf für Kakao und Kuchen!
Die Tropfen auf der Linse bitte ich zu entschuldigen. Die Kamera hatte in diesen Tagen wieder arg unter den äußeren Bedingungen gelitten…
Langsam neigt sich der Tag dem Ende – was zwar nichts an der Wind-Intensität ändert, aber doch eine schöne Stimmung erzeugt.
Da im geeigneten Umkreis keine geöffneten Campingplätze zu finden waren, haben wir für heute Abend ein B&B an der Route gebucht. Die letzten gut 2 Stunden fahren wir im Dunkeln entlang des Deiches. Der Wind zerrt und rappelt an der Kapuze und mit etwa rund 8 km/h strampeln wir weiter. Ab und zu reißt mir die Verbindung zu Bernd ab und schwupps – bremst es mich runter auf „kurz vor umfallen“ runter. Die letzten Kilometer ziehen sich dann doch ziemlich, aber einmal im B&B angekommen erwartet eine wirklich tiptop Unterkunft! Es gibt Kuchen, Kaffee und frisch gebackene Oliebollen. Wir duschen, mummeln uns ein und bringen es nicht mal mehr fertig, uns noch was zum Abendessen zu kochen (hatten jetzt aber auch genug Kuchen gehabt…
).
31.12.2021: Sint-Annaparochie - Haringhuizen, 70 kmAm Vorabend entdecken wir hier im Forum den Faden zur Sperrung des Ijsselmeer Damms. Das hatten wir irgendwie gar nicht auf dem Schirm.
Unser Vermieter versichert uns allerdings, dass auch jetzt im Winter fast stündlich Pendelbusse verkehren und so belassen wir es bei der ursprünglichen Planung. Bei dem Wetter sind wir um eine kleine Verschnaufpause im Bus auch gar nicht so traurig.
Der Campingplatz, den wir eigentlich für unsere Silvesterübernachtung vorgesehen hatten, hat auf unsere Anfrage allerdings bisher nicht reagiert. Und so buchen wir ein weiteres Mal ein B&B für den Abend.
Wir verabschieden uns von den netten Gastgebern und rollen die 2 Kilometer zurück zum Deich.
Kaum losgefahren öffnet der Himmel wieder die Schleusen – für den weiteren Tagesverlauf bleibt es erstmal wieder bei Dauerregen und frontalem Wind. Wir nehmen das Tandemkonzept von gestern wieder auf und strampeln mit gut 10-12 km/h in Richtung Harlingen.
In Harlingen machen wir eine kurze Verschnaufpause vor dem Eingang eines Supermarktes. Jetzt ist es doch etwas schade, dass es kein geöffnetes Café oder Restaurant gibt, wo man sich mal etwas aufwärmen oder die Sachen trocknen könnte.
Nun, da das nicht geht fahren wir lieber weiter – so bleibt man wenigstens warm.
Eine ganze Weile noch versuchen wir, auf der Meerseite des Deiches zu fahren. Irgendwann wird das Vorankommen dann allerdings so beschwerlich, dass wir auf die Straßenseite wechseln. Das ist zwar nicht sonderlich attraktiv zu fahren, vermittelt aber zumindest den Eindruck, dass es windgeschützter sein könnte.
Der Pendelbus startet in Kornwerderzand und ist exzellent ausgeschildert:
Gut eine halbe Stunde, nachdem wir die Bushaltestelle erreichen, fährt der Bus ein. Es ist jetzt drei Uhr nachmittags und es ist reichlich Platz:
Allerdings erzählt der Busfahrer, dass wir nicht die ersten Radfahrer heute sind. Nachdem er die letzten Tage immer leer hin und her gefahren ist, gab es heute immerhin schon drei Fahrgäste mit Fahrrad!
Und hurra – zu unserer ganz besonderen Freude hört jetzt auch der Regen auf. Der Himmel reißt auf und die Sonne kommt raus. In Den Oever am westlichen Ende des Damms machen wir an einer Tankstelle nochmal ausgiebig Rast und starten dann auf die letzten 30 Kilometer zu unserer Unterkunft.
Jetzt ist es richtig schön zu fahren. Die Sonne scheint, der Wind ist ab von der Küste wieder deutlich erträglicher und wir erreichen ungeahnte Geschwindigkeiten von bis zu 20 km/h!
Auch das heutige B&B ist ein Volltreffer. Ein frisch ausgebauter Hof, schöne geräumige Zimmer, eine große Küche und auch hier ausgesprochen nette Gastgeber. Als wir um Mitternacht auf die Terrasse treten, um das neue Jahr zu begrüßen gibt es noch einen kleinen Umtrunk und ausgiebigen Mitternachtsplausch mit den Vermietern.
01.01.2022: Haringhuizen - Amsterdam, 63 kmDa heute kein strammes Programm mehr ansteht, schlafen wir ausgiebig aus und brechen erst gegen 11 Uhr auf. Die Sonne scheint, es ist mild – fast warm und der Wind hat ein erträgliches Maß angenommen.
Es geht vorbei an einigen Kuriositäten:
…an einem Automaten-Terrassen-Café, das trotz Lockdown eine Kaffee-Pause ermöglicht:
und nicht zuletzt an der ein oder anderen Windmühle:
Den Campingplatz in Amsterdam erreichen wir am frühen Abend und fallen – trotz dieses heute recht entspannten Tages – recht bald in den Schlafsack.
02.01.2022: Heimreise Amsterdam-Berlin, 11 kmZwar begrüßt uns der Morgen zunächst mit Sonne, aber schon bald zieht es sich wieder zu.
Auf große Stadtbesichtigung haben wir keine große Lust, und so drehen wir nur eine kleine Runde, bevor es zum Zug geht.
Ein Laden, von dem Bernd sich nur schwer losreißen konnte… :
Die Zugfahrt ist entspannt und problemlos – und bis 1 km vor dem Hauptbahnhof in Berlin auch tatsächlich pünktlich! Die letzten Kilometer geht’s dann per Rad nach Hause und begrüßen Berlin mit standesgemäß mit einem Abendessen an der Dönerbude. Bei inzwischen so mildem Wetter, dass wir entspannt draußen sitzen können.
Viele Grüße
Britta