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#1516073 - 04.12.22 12:30
Wallis – Côte d’Azur: Aravis, Vercors, Monges
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Dauer: | 9 Tage |
Zeitraum: | 24.10.2022 bis 1.11.2022 |
Entfernung: | 830 Kilometer |
Bereiste Länder: | Frankreich Schweiz
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PrologIch bin auch dieses Jahr verwöhnt bezüglich Mehrtagestouren: im Winter ans Schwäbische Meer, an Ostern mit der Familie von Genf nach Lyon, im Mai durch das Massif Central, und im August liegend durch die Ostschweizer Alpen. Aber wenn’s um Touren geht bin ich ziemlich unersättlich, und so habe ich auch im Herbst den Familienplaner und den Jobkalender sowie den Wetterbericht immer genau im Blick. Aber es ist nicht ganz einfach, denn auf der Arbeit ist wirklich viel zu tun… Entsprechend muss ich ein ums andere Tourslot mit Bürozeit verfüllen. Langsam werde ich nervös: ich will in die Alpen, da sollte ich wegen des Schnees nicht allzu spät los. Aber dann geht Ende Oktober eine Tür auf: Familie ok, Job ok! Und das Wetter? Aiaiai, das sieht unbeständig aus – aber sehr warm. Freitag muss ich noch arbeiten, Samstag melden sie schön, Sonntag solala, Montag Schiff ohne Ende, und ab Dienstag langsam aber sicher nur noch schön. Und in Südfrankreich immer schön. Hm, also die Tour umgekehrt machen? Samstagmorgen reihe ich mich die Schlange vor dem SBB-Schalter ein, für ein Ticket nach Nizza am Sonntag. Kurz bevor ich an der Reihe bin, werfe ich noch einen letzten Blick auf den Wetterbericht. Hm, leicht besser für den Norden. Und ein Blick ins Herz: ich bin total k.o. von der Arbeit, und morgen stundenlang Zug fahren spricht mich nicht sehr an… Und packen muss ich ja auch noch. Also purzle ich ohne Ticket nach Hause, habe ein schönes Treffen mit meinem Bruder und lümmle dann ein bisschen auf dem Sofa rum. Am Abend kommt der Schwiegervater vorbei, und es gibt eine schöne Familienrunde mit dem fitten Alten, dem schlaffen Mittelalten und dem quirligen Jungen. Sonntag los? Nein, denn am Montag soll es wirklich nur einmal regnen, und das mit maximaler Intensität. Das würde heissen, dass ich eins der aussichtsreichen Tourhighlights im Vollschiff fahren müsste. Lassen wir das… Lieber nochmal abschlaffen und eine kleine Testrunde mit den neuen Reifen. Das Wetter? Bedeckt, aber schön. Ende Oktober für Temperaturen über 20°C zu packen ist irgendwie schon ziemlich schräg. Jedenfalls lege ich die dicken Handschuhe und die dicken Hosen wieder weg; die langen Unterhosen sind aber noch dabei. Das Zelt lasse ich zu Hause, was ich noch bereuen werde. Der für Morgen angekündigte Regen erleichterte das Packen auch nicht gerade, und dass die Katze ständig um die Taschen rumschleicht auch nicht (ich hoffe, ich habe sie nicht versehentlich eingepackt!). Die Familie erleichtert mir den Abschied: beim Uno zerfetzen sie mich regelrecht Und auch die Fledermaus hilft: sie ist noch nicht im Winterschlaf, da wird man sich wohl noch ein bisschen auf Tour wagen dürfen.
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#1516074 - 04.12.22 12:31
Re: Wallis – Côte d’Azur: Aravis, Vercors, Monges
[Re: Biotom]
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Tag 1: Savièse – Col des Montets – Chamonix – Sallanches 106 km, 1800 Hm. Karte Gestern Abend hat mich der Regen in den Schlaf geprasselt – und heute Morgen ist die Aussicht so: Zum Glück wird das Bett subito übernommen, sonst würde ich mir ernsthaft überlegen noch ein paar gemütliche Stunden unter der Decke zu verbringen. Dank der Übernahme ist auch klar, dass ich gestern die Katze nicht eingepackt habe. Ob all dem Regen läuft mir Open von The Cure nach: And the way the rain comes down hard.Ein Drücker für die Kinder, als sie in die Schule abzuckeln, und ein Drücker für meine Liebste als ich losfahre. Was habe ich rumgegrübelt und gezweifelt die letzten Tage wegen Route, Wetter und Ausrüstung – aber als ich auf dem Velo sitze, macht es nach 5 Metern wuuusch und ich bin drin in der Tour – geiles Gefühl! Musikalisch läuft immer noch Open, aber jetzt eine andere Zeile: So here I go, here I go again.Ich fahre durch Starkregen zur Rhone runter und nach Martigny. Die Unterwalliser Graffitikunst tröstet mich nur bedingt über den Regen hinweg, aber wenigsten erinnert mich die Pierre Avoi an sonnige Sommertouren: In Vernayaz zweige ich in die Route des Diligences ein, die alte Kutschenstrasse nach Finhaut. Ziemlich weit oben lässt der Regen langsam nach, und ein älterer Herr raucht hier gemütlich eine Zigi und heisst mich in der 37. Kurve willkommen: Die Gorges du Triège sind mit Leitern erschlossen, aber ich verschiebe den Besuch auf einen weniger nassen Tag. In Le Châtelard schiffts wieder was es kann, und ich verkrieche mich in einer kleinen Kapelle: Ich bin froh dort zu sein, denn jetzt kommt noch Blitz und Donner. Die Natur freuts: ein bisschen Feuchte nach diesem viel zu heissen und viel zu trockenen Sommer. Endlich ist das Gewitter vorbei, und ich schwinge mich mit klappernden Zähnen aufs Cutthroat. Zum Glück muss ich noch zum Pass hoch, so habe ich schnell wieder warm. Der Regen hört auf und der Himmel zeigt ein bisschen sein wahres Gesicht. Oben erwarten mich Ausblicke Ich rausche an hohen Bergen vorbei nach Chamonix runter. Chamonix schafft es, noch hässlicher als Zermatt oder Crans-Montana zu sein; das liegt aber vielleicht auch einfach am Wetter. Wenigstens der Gletscher ist (noch) nah: Nach Les Houches purzle ich über die MTB-Strecke zu Tale. Vor Passy wirds wieder Strasse und zappenduster. In Passy erwischt mich nochmals ein Gewitter – Zeit ein Hotel zu suchen. Ich mache den Fehler, im lokalen Décathlon nach einem Mikrobadetuch zu schauen. Es hat keins, und ein weiteres Unwetter hat die Viertelstunde im Laden genutzt um sich anzuschleichen. Shiiit, geht das ab! Ein Blitz schlägt ziemlich nah bei meinem Unterstand ein – vollkrass, diese Kräfte!!! Ich bin heilfroh, als ich im Hotel ankomme.
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#1516075 - 04.12.22 12:31
Re: Wallis – Côte d’Azur: Aravis, Vercors, Monges
[Re: Biotom]
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Tag 2: Sallanches – Col de Niard – Col des Aravis – Col de l’Arpettaz – Ugine – Albertville 69 km, 2200 Hm. Karte Heute Morgen purzle ich als erstes zu einer Bäckerei. Vor der Bäckerei sitzt eine Frau mit ihrem Hund und liest. Ein paar der Kunden kaufen ihr etwas zu essen, aber ich bin zu scheu um sie zu fragen, was ihr dienlich sein könnte. Und so bleiben meine guten Taten heute ein paar freundliche Bonjours und ein bisschen Sterbehilfe für Regenwürmer. Mit einer Schnecke in der Hand sowie einem Brioche und einem Tomatemmozzarrellassandwich im Rucksack zuckle ich hoch Richtung Cordon. Es ist leicht frisch, aber für einen Morgen Ende Oktober doch viel zu warm. Hm, komisches Geräusch beim Antrieb... Oh, ein AXS-Problem? Ououou, was mach ich bloss? Nach einer Weile kann ich endlich halten – und feststellen, dass bloss das Schloss den Pneu berührt. Im Wald wird die sehr grobe Schotterstrasse sacksteil. Weiter oben wird es dann aber unglaublich schön: rechts das unnahbare Massif des Aravis, geradeaus die Croisse Baulet. Die Tête Noire nehme ich auch noch mit… …den Mont Blanc aber nicht Beim Blick zurück sehe ich zum letzten Mal auf dieser Tour das Wallis: die weisse Spitze sind die Dents du Midi. In Les Benets renovieren Arbeiter eine Alphütte und versorgen mich mit Wasser. Später gibt es den einen oder anderen Schwatz mit Wanderern. O-Ton: doch doch, mit dem Velo zum Col des Aravis rüber sollte schon irgendwie gehen. Zuerst geht es aber runter zum Col de Niard: Auf den nächsten paar hundert Tiefenmetern hätte ich mit einem MTB ca. 50 Meter mehr fahren können. Nach einer Weile komme ich wieder auf eine Alpstrasse: Blick zurück zum Col de Niard. Die schwarzen Felsen scheinen mir wie die ersten Boten des Südens. Nicht schwarz, sondern weiss: Mont Blanc Nach einem erfrischenden Gespräch mit einem Bauern erreiche ich die Strasse zum Col des Aravis. Tim fährt mit seinen Kolleginnen auch gerade hoch, und ihr Ziel ist ebenfalls die Route de la Soif rüber zum Col de l'Arpettaz. Tim, next time you could tell me to suck in my paunch Im lockeren Verbund nehmen wir das Auf und Ab der Route de la Soif unter die Räder. Wieso Route de la Soif? Weil die Erbauer beim Bauen Durst hatten – tja, so einfach ists (so hats mir zumindest der Bauer erzählt). Thank you for the great pics, Tim! Die Route de la Soif ist eine Perle, aber als nach viel Schotter der Col de l'Arpettaz in Sicht kommt, bin ich schon ein bisschen froh. Die Abfahrt nach Ugine ist auf laubbedecktem Teer - eine seidenfeine Sache! Hungerbekämpfung in Ugine! Hund, was guckst du so blöd? Und Velofahrer, wieso stellst du dein Velo nicht in den Ständer, hä?? Neben dem rauschenden Feierabendverkehr und der rauschenden Arly rausche ich noch nach Albertville. Für ein paar Kilometer hänge ich mich einem 45er-Töffli an – cool, mit Boom Box und feinem Parfüm
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Geändert von natash (04.12.22 16:39) Änderungsgrund: Bildänderung |
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#1516076 - 04.12.22 12:33
Re: Wallis – Côte d’Azur: Aravis, Vercors, Monges
[Re: Biotom]
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Tag 3: Albertville – Karma Ling – Allevard – Grenoble 106 km, 975 Hm. Karte Nach all dem Geschüttel gestern brauche ich heute ein bisschen Teer. Da trifft es sich gut, dass eine Überführungsetappe ansteht. Ich will nach Grenoble. 100 km geradeaus durchs Val d'Isère wären aber too much, daher plane ich noch einen Besuch an einem schönen Ort ein. A propos schöner Ort: ich finde Albertville ziemlich nett. Klar, die Winterspiele 1992 waren wie alle olympischen Spiele eine ökologische und ökonomische Katastrophe (und die Schweiz mit nur zwei Medaillen!), aber die Lage ist angenehm und das Städtchen klein & fein. Auch die Isère gefällt mir gut: Ich glaube die Pfützen vom Montagsregen werden mich noch ein paar Tage begleiten... Ich lebe ja in den Bergen und bin daher ein bisschen abgebrüht, was Bergsichten anbelangt. Der Mont Blanc von gestern? Bah, im Vergleich zur Dent Blanche oder zu Eiger, Mönch und Jungfrau vom Ästhetischen her nicht so speziell... Aber es gibt hier ein Gebirge, dass mich mit seiner Schönheit jeweils fast zu Tränen rührt: das Vercors. Eine unwirkliche Trutzburg, wunderschön in ihrer schlichten Brutalität. Es gibt nichts Schöneres als von Valence nach Genf zu fahren und das Vercors im Abendlicht zu bestaunen. Als ich dies denke, habe ich den breiten Klotz im Kopf, den man kurz nach Albertville am Horizont erblickt: Im Verlauf des Tages merke ich dann, dass der Klotz die Chartreuse ist Normalerweise wäre ja meine schattige Routenwahl ein No-Go für Ende Oktober, aber dieses Jahr passts... In Aiton gibts Frühstück auf der Terrasse des Dorfcafés. Dabei kann ich vier Bauarbeitern zugucken, die ihrem Kollegen beim Arbeiten zugucken Im Aufstieg nach Presle leide ich Durst und lausche nach Brunnengeräuschen, aber ich höre nur Vogelgezwitscher. Später bellt mir ein geissenhütender Hund die Ohren voll. Davonstiebende und mitfliegende Vögel sind natürlich auch immer eine Freude, sei's der Grünspecht oder einfach ein paar Spatzen. Dieses Leben wird nicht ausreichen, um all die Gebirge zu besuchen, die mich unterwegs anlachen: Massif de la Belledonne. Karma Ling ist der schöne Ort. Den Col de Barloz lasse ich aus, denn ich bin dem Hungertod nahe und finde auf die Schnelle nichts Essbares rund um Allevard. Eigentlich eine schöne Ecke dort, aber die Dörfer sehen verbraucht und unfrisch aus. Die Chartreuse von Nahe: In Goncelin bringt mich eine Bar mit jungen Halbstarken und der Proxy wieder auf die Beine, und zwar so sehr, dass ich das Rotampelvordrängeln eines Gümmelers mit einem Kavaliersstart parieren kann. Wir rasen gemeinsam nach Süden und wechseln zwischendurch ein paar Worte. Er heisst Philippe, ist 75 und will auch nach Grenoble. Shiiit, wenn ich mit 65 auch nur halb so fit bin wie er, bin ich überglücklich! Links rauscht der Verkehr, rechts leuchtet die Chartreuse, und vor bzw. hinter mir flitzt Philippe. Nach einer Weile kommen wir an die wunderschönen Uferwege der Isère, und wir trennen uns. Nochmal das Massif de la Belledonne: Wow, sind die Isère-Auen schön! Und ein tolles Gravelrevier. Irgendwann tönen Dudelsackklänge aus Wald – so schön! Als ich in Goncelin aus dem Laden gekommen bin, hat ein Mädchen gesagt, es stinke. Tja, sie hat unbestreitbar recht: meine Klamotren stinken unerträglich... Also rasch beim Hotel einchecken und dann ab in die Wäscherei! In Saint Bruno werde ich fündig. Ein junger Herr erklärt mir geduldig wie's geht. Oh, die Welt ist voll mit guten Menschen! Als die Wäsche dreht, latsche ich in die Bar gegenüber. Das Orangina sei heute leider warm, meint die Barmaid; bei der Frage nach alkoholfreiem Bier kriegt der Barman den Mund fast nicht zu. Also Orangina. Die Barmaid holt viele gelbe Flaschen aus dem Lager, stellt sie auf die Tresen und begibt sich in die Küche. Der Barman erzählt, dass sie dort leckere Aperos zubereitet, aber ich sehe sie vor allem eine Zigarette drehen Und mein Oraginawunsch ist irgendwo im geflashten Orbit entfleucht. Zum Glück gibts im Laden nebenan ein Inka Cola und ein Snickers Es dunkelt rasch, und doch ist es noch plütterwarm. Durch die Luft schwirren fremde Laute, und zusammen mit den Läden und Imbissen ergibt sich in Saint Bruno ein schönes orientalisches Flair. Ich bin begeistert und erzähle es dem Receptionisten vom Hotel. Gemäss ihm ist Grenoble nach Marseille die zweitheisseste Stadt Frankreichs, inklusive Auftritten von Gangstern mit Kalaschnikovs...Nichtsdestotrotz träume ich ein bisschen vom Graveln im Orient. Morgen ist aber wieder Graveln in den Alpen angesagt.
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#1516077 - 04.12.22 12:34
Re: Wallis – Côte d’Azur: Aravis, Vercors, Monges
[Re: Biotom]
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Tag 4: Grenoble – Lans-en-Vercors – Col d'Herbouilly – Saint-Martin-en-Vercors – Rousset 83 km, 1885 Hm. Karte Nach all dem Teer gestern brauche ich heute ein bisschen Geschüttel. Bevor es losgeht mit dem Schotter muss ich aus Grenoble raus. Ta-ta: das Vercors! In Seyssins ist eine junge Frau total entzückt ab meinem Anblick. Aber och nee, es ist nur der hinter mir herschleichende Kater, der sie so erfreut... Wenn man eine alte Bahntrassee hochfährt, hat man ja Zeit, sich so seine Gedanken zu machen. Wer wohl alles mit dem Tramway du Vercors unterwegs war? Bäuerinnen auf dem Weg zum Markt, auf dem Schoss einen Käfig mit einem verängstigten Kaninchen? Touristen aus der Hauptstadt? Aufgeregte kleine Jungen auf dem ersten Ausflug ins grosse Grenoble? Verzweifelte Väter, die auf der Suche nach Arbeit die Hochebenen des Vercors verlassen? Erfreute und bange Bräute auf dem Weg zur Hochzeit? Junge Männer in Uniform, aufgekratzt und unwissend ob dem Grauen der Gräben? Und ob die Tramway im Sommer '44, zu Zeiten der République du Vercors, auch gefahren ist? Und was wohl Le Moucherotte sich zu all dem gedacht haben wird? Wahrscheinlich nicht allzu viel, schliesslich hat er schon Elefanten und anderes wildes und unnützes Zeugs vorbeiziehen sehen. Das Einzige, was ihn vielleicht ein bisschen verwundert: wie konnten diese Zweibeiner die Chuzpe haben, sich Homo sapiens zu nennen? Aber dann denkt er an die hunderttausenden kleinen Momente der Zärtlichkeit, Grosszügigkeit und Liebe, die er tagtäglich bei den Menschen beobachtet – sapiens passt halt schon auch. Was ich mir während dem Aufstieg auch noch überlege: habe ich während meiner Zeit als Landschaftsgärtner jemals so groben Schotter wie hier verbaut? Ich glaube nicht... Eigentlich erstaunlich, dass bei all diesen Überlegungen noch Energie zum Pedalieren reicht – aber doch, irgendwann bin ich in Saint-Nizier-de-Moucherotte. Aufgrund der Worte der alten Frau vom Tabac könnte man den Eindruck eines sterbenden Dorfs kriegen: Post und Office du Tourisme zusammengelegt und die halbe Zeit zu, kein einziges Geschäft 7 Tage die Woche geöffnet (ausser ihr Tabac), am Morgen viele Autos runter nach Grenoble, usw. Witzigerweise blüht aber das offene Restaurant, und ich muss fast ein bisschen um einen Tisch kämpfen. Ich wollte auf der Nordwestseite des Moucherotte hoch und auf der Südwestseite runter, aber mehrere Einheimische sagen mir, dass die 700 Hm der Nordauffahrt höllisch steil und höllisch steinig und daher unfahrbar seien; ich solle daher Auf- und Abstieg von Südwesten aus machen. Das passt mir nicht so ganz. Da kommt mir in den Sinn, dass man im Vercors auch andere Gipfel erklimmen kann, mit Aussicht auf einen grossen Gipfel statt auf eine grosse Stadt. Also fahre ich auf Teer weiter nach Lans-en-Vercors und Villard-de-Lans. Letzteres sieht auf den ersten Blick gut aus: viele Restaurants und Läden, so dass ich mich noch richtig verpflegen kann, bevor es in die einsamen Ecken des Vercors geht. Aber manchmal ist es wie verhext: die Fougasse tropft vor Fett, der Himmel bedeckt sich, die anderen Touristen nerven, und die öffentliche Toilette ist unauffindbar. Einzig ein paar Kinder sind überglücklich, als ich ihnen bei ihrem Tauschspiel einen Früchteriegel übergebe. Als beim Touristenbüro ("wo Wasser, wo WC?") ein dynamischer älterer Herr vordrängelt, habe ich die Schnauze voll, und ich fliehe, halt ohne Wasser. Dabei weiss doch jedes Kind, dass Wasser im Vercors selten und wertvoll ist! Beim nächsten Weiler schüttelt gerade ein junger Mann eine Decke am Fenster aus. Ja, hinter dem Haus habe es einen Brunnen mit leckerem Quellwasser. Tatsächlich, cool! Aber bei einem Durchfluss von ca. einem Liter pro fünf Minuten habe ich gut Zeit, um mir über Dinge wie "Nachsicht gegenüber drängelnden Mitmenschen" Gedanken zu machen Es folgen schattige Kilometer mit düsteren Gedanken in finsteren Wäldern: wo übernachten?? Ich hätte alles dabei, um in unbewarteten Hütten zu nächtigen, aber finde ich die, sind die wirklich offen, und hat es dort Empfang? (Ich schreibe meiner Familie jeden Abend "aacho", damit sie wissen, dass sie keine Suchtrupps losschicken müssen.) Als mich zwei junge Einheimische auch noch auf die zurückzulegenden Distanzen (sehr weit!) und die Wegqualität der angedachten Traversé du Vercors en VTT (sehr schlecht!) sowie auf die Uhrzeit (sehr spät!) aufmerksam machen, ist die Stimmung endgültig im Eimer. Da helfen auch schöne Ausblicke nicht... ...und solche Schilder schon gar nicht: Aber dann kommt der Pass und das Licht und die Drôme! Und sanfte, weite Landschaften Und die vollgeile Abfahrt nach Saint-Martin-en-Vercors. Ein einsames Dorf wie aus dem Bilderbuch, in dem die Sommertage und die Winter lang sind. Die Leute sind überaus nett und die Naschereien der Bäckerei sehr lecker, und ein ordentliches Scheisshaus hat es auch. Ach, ist dieses Reisen eine helle und tolle Sache! Ich reserviere ein Bett in einem Gite d'Etape ein paar Kilometer südlich und trudle weiter. Angekommen! Gegessen wird am Gemeinschaftstisch, geredet über Touren und Pläne, Wölfe und Wildschweine, Lockdowns und Kriege. Und dann falle ich ins Bett.
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#1516078 - 04.12.22 12:35
Re: Wallis – Côte d’Azur: Aravis, Vercors, Monges
[Re: Biotom]
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Tag 5: Rousset – Pas de la Ville – Grand Veymont – Pas des Chattons – Col de Rousset – Die 64 km, 1845 Hm. Karte Ich radle mitten in der Nacht los. Als der Tag aufwacht, bin ich auf den Hauts Plateaux du Vercors. Coucou! Kommt mit, ich zeige euch die Aussichten vom Grand Veymont! Für mich einer der schönsten Gipfel: Mont Aiguille Und Tschüss, machts gut! Beim Pas des Chattons verabschiede ich mich nicht nur von den Steinböcken und dem Mont Aiguille, sondern auch von Jean-Luc. Wir sind zur gleichen Zeit am Fuss des Pas de la Ville losmarschiert. Ich habe ihn gefragt, ob ich mit ihm über den Grand Veymont mitdarf. Es ist der höchste Punkt des Vercors und auch dieser Tour. Jean-Luc hat «ja» gesagt, und sonst nicht viel. Früher ist er die Strecke gerannt. Er hat ein Ferienhaus im Vercors. Das ist alles, was ich nach ein paar Stunden gemeinsamen Wandern von ihm weiss. Ich mag Jean-Luc. Und ich mag die Landschaft der Hauts Plateaux du Vercors. Nochmal der Grand Veymont: In der Réserve Naturelle des Hauts Plateaux darf man nur auf der Route der Traversée du Vercors à VTT velofahren. Wobei, teils ist "fahren" fast ein bisschen zu viel gesagt... Es ist eine gute Zeit, um die Gegend zu besuchen, denn die Hirtenhunde sind im Tal. Mitte Juni kommen sie wieder rauf. Eine nette Begegnung zeigt mir einen Brunnen – so ein Glück! Von den dürren Weiten der Hochebenen gehts in der epischen Abfahrt des Col de Rousset runter in die bunt-grüne Hölle des Diois. Vor vielen Jahren erlitt mein Bruder in der Abfahrt vom Col de Rousset am Hinterrad seines Fateba-Liegerads einen Totalschaden. Er versteckte es in einem Gebüsch und fuhr per Anhalter nach Die zum Übernachten. Am nächsten Tag war das gute Teil unauffindbar. Es kehrte in die Schweiz zurück, holte mein Panasonic-Velo und setzte die Tour fort Das Fateba blieb unauffindbar. Letztes Jahr konnte ich auf Ricardo einem Angebot für ein Fateba nicht widerstehen – zu schön waren die Erinnerungen an die paar Ausfahrten mit dem meines Bruders. Diesen Sommer machte ich damit die Ostschweizer Alpen unsicher und erfand dabei das sensationelle Konzept des Rigid Longdowner – yeah! Die ersten Lavendelfelder Mein Vater erzählt mir immer, wie ich ungefähr vor vierzig Jahren als schwedenblonder Bub von den schwarzhaarigen Mädchen von Die umringt und bestaunt wurde. Heute bin ich den Schwarzhaarigen egal, und sie mir auch – ich habe einfach nur Hunger. Ich mag Die: nette Altstadt, schöne Umgebung, ein Fluss, ein Bahnhof
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#1516080 - 04.12.22 12:36
Re: Wallis – Côte d’Azur: Aravis, Vercors, Monges
[Re: Biotom]
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Tag 6: Die – Col de Pennes – Champ Rabi – La Servelle – Col des Roustans – La Motte-Chalancon – Col de la Fromagère – Rosans 86 km, 2495 Hm. Karte Ich zottle zeitig los: schnell über den Markt (auf dem mir eine Marktfrau hässig nachruft: «c’est un marché, pas un roulé!»)… …kleines Frühstück bei Sophie, an verlockenden Schildern vorbei… …und rauf zum Col de Pennes. Dessen Nordrampe führt langweilig-ausblickslos durch Wald. Das ist wunderbar, denn so kann ich ein bisschen die vielen Eindrücke der letzten Tage verarbeiten. Gemäss Plan muss ich in der Abfahrt links eine Schotterstrasse hochziehen, zum Champ Rabi. Ah, hier! Ui, steigt das schön! Uiui, dort drüben muss ich glaub durch eine Schafherde! Uiuiui, hoffentlich hat die keinen dieser riesigen aggressiven Hirtenhunde dabei! Aber was denn – wieso hört hier meine Strasse auf?!? Typisches Beispiel dafür, dass a) man sich meistens unnötig bzw. für das Falsche Sorgen macht, b) ein Verfahrer zu multiplen Verzögerungen führen kann, denn von hier oben sieht La Servelle unwiderstehlich schön aus – dort muss ich auch noch hin! und c) die Abfahrten von Verfahrern auch viel Spass machen Zurück auf der Teerstrasse rolle ich 30 m zu Tale und zweige wieder links ab. Und wieder steigt es schön, auch wenn ich gegen Schluss viel schieben muss – sacksteil! Oben ist es dann fast so weit und sanft wie in der Auvergne. Und einsam? Nein, Olivier macht mit seinen KollegInnen einen Wanderdreitäger. Sehr sympathisch, wie da ein kleines Dutzend junge Leute mit dem Zelt von zu Hause aus durch die Gegend streift! Aussichten von La Servelle. Die Abfahrt ist so toll wie sie aussieht, und sie führt an einem netten Herrn vorbei direkt auf den Col de la Vache. Das nächste Bild gibt es aber erst nach dem Col des Roustans. Die Abfahrt nach La Motte-Chalancon ist wunderschön und gipfelt in einer üppigen Mahlzeit. La Motte-Chalancon lacht mich schon seit vielen Jahren auf der Karte an: der Ort kann einfach nicht schlecht sein! Und in der Tat würde ich dort sofort eine Woche in die Ferien fahren, denn der Badefluss ist nah, die Bewohner sind nahbar und freundlich, und Pässchen hat es auch zur Genüge in der Ecke. Dass im Proxy L'Aventurier von Indochine läuft, ist da natürlich auch kein Zufall Leider ist der angedachte Gîte d’étape ein paar Dutzend Kilometer weiter ausgebucht. Von Hotels habe ich die Schnauze voll, also visiere ich den Abri auf dem Col d'Arron an. Bei den Pétanque-Spielern erzählt einer total beeindruckt von einem Velofahrer, der von der Schweiz nach Süden unterwegs sei. Jööö, es ist der nette Herr, mit dem ich ob dem Col de la Vache kurz gesprochen habe! Ich frage die Spieler nach dem Abri. Jaja, das sei eine gute Sache, es habe zwar Wölfe dort oben, aber die frässen nur Belgier. Ich bekenne darauf meine leichte Wolfsangst, aber sie beruhigen mich: es habe eine Metallleiter, und die kämen die Wölfe bestimmt nicht hoch. Ich streife noch ein bisschen im Dorf umher, um Wasser und eine Toilette zu suchen. Dabei wird jede Fahrt dem Pétanque-Platz entlang von Wolfsgeheul begleitet In La Charce werfe ich doch nochmal einen Blich auf die Karte: dieser Col d’Arron ist 500 m höher als der ursprünglich angedacht Col de la Fromagère, und es ist doch schon recht spät… Also doch rechts hoch statt geradeaus. Kein schlechter Entscheid, denn die Landschaft ist schön: Aber wo übernachten? Kurz vor dem Col de la Fromagère (aka Col de Pommerol) hat sich ein Rudel Jäger zum Debriefing versammelt. Sie haben heute nichts erwischt, sind aber trotzdem gut aufgelegt. Ein Plätzchen zum Übernachten kennen sie nicht, denn sie sind alle nicht aus der Gegend. Als weiter zum Pass und zu Ausblicken wie im gelobten Land: In der Abfahrt überholt mich nochmals ein Jäger. Er fragt mich, ob ich mir den keine Sorgen mache wegen dem Übernachten. Nein, mache ich mir nicht, denn ich bin gerade ziemlich im Tourfluss, und da weiss ich einfach, dass alles gut kommt. Ich sage dem Jäger noch, dass ich mit Mitgefühl und Schaudern an die Väter denke, die mit ihren Familien auf der Flucht sind und auch nicht wissen wo übernachten. Für mich ist das alles ja nur ein Spiel, und notfalls rufe ich ein Taxi für ins nächste Hotel… Zum Schluss kann ich’s mir nicht verkneifen: Mein «meine einzige Sorge sind die Jäger» quittiert er mit einem Lachen. Eine Sitzbank vor Rosans lasse ich rechts liegen, eine Brücke hinter Rosans kann ich einfach nicht links liegen lassen – insbesondere, als ich auf unter nicht unter Brücke schlafen kann Und Toilette und fliessendes Wasser hat es auch. Auch wenn die nahegelegene Kurve scharf ist: an diesem Abend wird glaub noch ein bisschen stärker abgebremst als sonst üblich Hoffentlich schlafe ich gut, denn morgen wartet das Tourhighlight: Les Monges! Ich setze jetzt hier nicht zu einer schwärmerischen Rede an wie beim Vercors, sonst stelle ich morgen plötzlich fest, dass ich den Sommet des Monges mit dem Mont-Ventoux verwechselt habe…
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#1516081 - 04.12.22 12:37
Re: Wallis – Côte d’Azur: Aravis, Vercors, Monges
[Re: Biotom]
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Tag 7: Rosans – Col de Flachière – Eyguians – Clamensane – Esparron-la-Bâtie – Lac des Monges 89 km, 1500 Hm. Karte Nach einer ziemlich erholsamen Nacht auf der Brücke radle ich an einer Charolais-Herde vorbei in den Sonnenaufgang, Richtung Col de Flachière. In vielerlei Hinsicht ein herrliches Ding, so ein Brunnen Ich fahre wunderbar-ruhig das Tal hinaus, und irgendwann wird es flacher: Meine längste Gerade in diesem Jahr Ja ok, megaerholt bin ich nach der Brückennacht doch nicht. Und die längere Pause in Laragne-Montéglin ist auch eher unentspannt… Nach sechs Tagen ziemlich ab vom Schuss überfordert mich die quirlige Kleinstadt – aber wenigstens finde ich was zu essen und ein bisschen Strom. Die Routenwahl zwischen dem Buëch und der Durance? Auch eher missglückt. Aber ich mag nicht überoptimieren – und vor allem weiss ich nach 16 km stark befahrener Landstrasse wieder, warum ich den Schotter liebe. Und dank dem eher flachen Stück durchs Durance-Tal weiss ich auch wieder, warum ich die Berge liebe. Ich war die letzten Tage immer ein bisschen knapp dran mit dem Essen, entsprechend nagt anfangs Sasse-Tal die Hungerkrise. In einem ersten Dorf versorgen mich überaus freundliche Ferienhausbewohner mit Wasser. In einem weiteren Dorf will ich nochmals für Wasser schauen, denn ich weiss nicht, wie die Wasserversorgung in den Monges nach diesem überaus trockenen Sommer aussieht. Bei der Kirche hat es einen Brunnen, und wenn man den Knopf drückt kommt sogar Wasser. Aber ist es trinkbar? Ich frage einen Mönch, der im Nachbarhaus verschwindet. Er meint, das Wasser sollte schon in Ordnung sein, aber die Bewohnerin drückt mir doch lieber eine Flasche Mineralwasser in die Hand – der Brunner sei schon lange nicht mehr gelaufen. Marie ist unglaublich nett und hilfsbereit: ob ich Hunger habe? Ich bejahe und sage, dass ich mir beim Brunnen was koche. Aber das lässt sie nicht zu: sie bereitet mir das leckerste Schinkensandwich zu, dass ich je genossen habe. Sie hat Bekannte und zeigt mir das Album ihrer zahlreichen Begegnungen. Sie ist hier aufgewachsen und hat danach längere Zeit im Norden unterrichtet. Es macht sie sehr glücklich, dass es im Dorf noch immer eine Schule gibt. Und auch sonst macht sie einen überaus glücklichen Eindruck – kein Wunder, bei dieser Hilfsbereitschaft! Zum Abschied sagt sie noch, ich solle aufpassen. Ich denke an Steinschlag und selbstverschuldete Stürze, aber sie sorgt sich, dass ich von einer Wildsau umgemäht werden könnte. Das hatte ich bisher nicht so auf dem Radar (ausser vielleicht bezüglich unangenehmer Begegnungen im Nachtlager), aber seit Marie habe ich das im Hinterkopf. Frisch gestärkt und ermutigt mache ich mich an Aufstieg nach Esparron-la-Bâtie. Ich rechne mit einem toten Dorf, aber es hat ordentlich Verkehr. Wie ich oben feststelle, sind es vor allem Wanderer und Friedhofsbesucher. Und richtige Einwohner hat es dort oben auch. Einer überlegt, wo ich übernachten könnte, aber ausser dem Refuge des Seignas (welche ich auf refuges.info ebenfalls gefunden hatte) ist alles voll oder zu. Das Problem an diesem Refuge: es ist ennet dem Col de Clapouse und entsprechend noch weit für die fortgeschrittene Stunde. Ich tanke nochmal voll und radle weiter. Mit etwas Glück sollte ich es noch vor dem Einnachten zur Hütte schaffen – aber ach herrje, ich verfahre mich wegen einer neuen, unkartierten Schotterstrasse und verliere wertvolle Zeit. Ich finde den richtigen Weg und sause auf einer einsamen Piste kilometerweit dem Waldhang entlang, bevor ich unterhalb des Lac des Monges wieder auf Wandererautos treffe (die sind auf der besseren, nördlicheren Strasse hochgefahren). Klar bin ich spät dran, aber der Lac des Monges zieht mich magisch an. Zu Recht: erstens ist er wunderschön: Und zweitens finde ich einen Übernachtungsort, den der Mann in Esparron nicht auf dem Radar hatte. Wunderbar Nach einem anstrengenden Tag mit Verkehr und Hunger und Durst und Übernachtungsstress (aber auch mit sehr schönen Begegnungen) verbringe ich einen friedlich-einsamen Abend im Gîte des Monges – der ideale Ort für zeltlose Leute wie mich! Gestern auf und nicht unter der Brücke, heute auf und nicht unter dem Tisch – alles wunderbar. Die Abendstimmung Nach dem Essen… …falle ich todmüde auf den Tisch.
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#1516082 - 04.12.22 12:38
Re: Wallis – Côte d’Azur: Aravis, Vercors, Monges
[Re: Biotom]
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Tag 8: Lac des Monges – Col de Clapouse – Sommet des Monges – Cluse de Barles – Digne-les-Bains – Saint-Jurs – Moustiers-Sainte-Marie – Aups 125 km, 2040 Hm. Karte Es ist ja schon ein Riesenglück, wenn man an einen Ort kommt, von dem man seit einiger Zeit träumt. Wenn dann auch noch schönes Wetter ist und es im Zusammenhang einer längeren Tour geschieht – wow! Es erstaunt mich immer wieder, dass ich allen Plunder in die Taschen kriege. Der Tag wacht auf, und ich fahre zum Col de Clapouse, Richtung Sonnenaufgang. Auf dem Pass ist etwas los, boah! Eine dutzendköpfige Familiengruppe hat im Refuge de Seignas übernachtet. Die war anscheinend sehr gut belegt: auf die 10 Schlafplätze kamen über zwanzig Leute! Ein Vater hat ohne Unterlage auf dem Tisch geschlafen, einer draussen. Hach, zum Glück war ich gestern eher spät unterwegs und mochte nicht mehr über den Pass! Landschaftlich beginnt hier etwas, was ich mal als Hochzeit zwischen den Alpen und den mongolischen Steppen bezeichnen würde Ich steige noch auf den Sommet des Monges. Schöner Ausblick mit traurigem Hintergrund: im Massif des Trois-Evêchés fanden beim Absturz von Germanwings-Flug 9525 hundertfünfzig Menschen einen überaus sinnlosen Tod. Die weissen Zinnen gehören zum Massif des Ecrins. Ich muss gestehen: an der Cloche de Barles und ihrer kleinen Schwester habe ich einen Narren gefressen Hier geht’s runter – yeah Blick zurück zum Col de Clapouse. Das geübte Auge erkennt das Refuge du Seignas. Bei der Bergerie de Chine geht die sehr gut fahrbare Graspiste in eine grobschottrige Alpstrasse über. Die Abfahrt ist ein intensiver Spass! Und es folgt gleich das nächste Highlight: die Clue de Barles. Auch die hat mich seit vielen Jahren auf der Karte angelacht – absolut zu Recht! Der Bès erinnert mich an die Suld, den Traumfluss meiner Jugend. Beim leuchtenden Baum halte ich an und nehme ein Bad – wunderbar Herrlich, einfach auf Teer ein Tal hinausrollen und die Landschaft geniessen! Dem Schild zum Site du Vélodrome kann ich noch knapp widerstehen, dem zum Site de l’Ichtyosaure nicht. Wenn man voll auf versteinerte Fossilien abfährt sicher ein toller Ort; mir hat aber vor allem die Aussicht gefallen – wobei, ich fand den knapp stündigen Fussmarsch schon arg lang. Vor allem wenn man bedenkt, dass einem Fossilien bei der Dalle des Ammonites kurz vor Digne-les-Bains quasi geschenkt werden. In Digne-les-Bains muss ich den Temposchalter umlegen. Bisher bin ich einfach meiner Highlight-orientierten Nase gefolgt und habe grosszügig alles mitgenommen, was mich links und rechts des Weges angelacht hat: die Aravis-Komplikation, Karma Ling, Grand Veymont, La Servelle, Sommet des Monges. Heute ist Montag, Donnerstag muss ich wieder arbeiten; für die Rückreise muss ich ca. einen Tag einrechnen, denn auf der SNCF-App kann ich keine TGVs vom Mittelmeer Richtung Schweiz buchen (was mich nicht gross stört, denn Radzusammenlegen ist nicht so meins – aber die TERs brauchen halt schon ein bisschen länger…). Ab Digne habe ich zwei Optionen: entweder landschaftlich schön Richtung Cannes, oder ein bisschen weniger reizvoll nach Sanary-sur-Mer. Dort hat es ein kleines buddhistisches Zentrum, zu dem ich schon seit Langem pilgern möchte. Ich habe mich bereits vor 1-2 Tagen fürs Pilgern entschieden und mich provisorisch im Kloster angemeldet. Nun heisst es noch dorthin kommen. Aber eben, allzu viel Zeit bleibt mir nicht mehr, und für morgen melden sie zudem Regen. Digne wäre glaub ziemlich nett (ok, vielleicht eine Spur zu gross für meinen Geschmack), aber ich bin zur toten Stunde dort und finde auf die Schnelle keinen Lebensmittelladen. In der Bar du Sport kann ich unter Betrunkenen Wasser und ein bisschen Strom tanken und nochmals die Route und den Wetterbericht checken. Schnell und verkehrsarm sollte die Route sein, aber das beisst sich immer ein bisschen – ausser man wendet den Nachttrick an. Daher folgender Plan: heute so lange wie möglich fahren, morgen so früh wie möglich weiter und so weit wie möglich düsen bis der Regen kommt, und während oder nach dem Regen noch nach Sanary ans Meer. Nebst der Dalle des Ammonites und dem Bahnhof des Chemin du fer de la Provence hätte Digne sicher noch einiges zu bieten. So erfahre ich am Folgetag im tibetischen Kloster, dass ich das Haus der grossen Tibetreisenden Alexandra David-Neel verpasst habe. So, fertig Digne, jetzt wird gefahren In Mèzel werde ich beim Dorfladen gefragt, ob ich Kinder habe. Als ich bejahe, erhalte ich ein paar Süssigkeiten – es ist Halloween! Ich habe schöne Kindheitserinnerungen an Moustiers-Sainte-Marie, und so habe ich meine Route dort durchgeplant. Am schnellsten scheint mir der Weg über Saint-Jurs zu sein, was sich aber als Trugschluss erweist: der Aufstieg ins Dorf ist happig, und die Schottertraverse nach Moustiers bei einbrechender Dunkelheit ein kleines Abenteuer. Moustiers ist mir zu teuer zum Übernachten, und vor allem will ich ja so weit wie möglich fahren. So vertilge ich im schönen Ort nur eine Pizza, und dann rausche ich weiter. Eine Übernachtung beim Le Hameau du Pont verwerfe ich aufgrund der noch zu guten Form wieder. An dieser Stelle nochmals Danke an die überaus verständnisvollen Gastgeber, dass sie meine Annulation akzeptiert haben – wobei, vielleicht waren sie schlicht froh, zieht der stinkige und total verschwitzte Schweizer weiter Ich liebe es, in der Nacht zu fahren: man sieht nichts, aber man riecht die Umgebung, und zwischendurch spürt man leichte Temperaturschwankungen. Und man fährt und fährt… Bei den letzten Rämpchen des Col de la Bigue komme ich aber schon langsam an den Anschlag, und ich bin heilfroh, als ich nach Aups in die Maison du Bonheur runterrauschen kann. Die Maison ist schwer zu finden, aber es hat eine Dusche, ein Bett und zwei Steckdosen – was will ich mehr. Ein langer Tag: von der verträumt-ruhigen Erkundung der Monges zum wild-schnellen Ritt Richtung Süden. Morgen soll es schnell weitergehen.
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#1516083 - 04.12.22 12:40
Re: Wallis – Côte d’Azur: Aravis, Vercors, Monges
[Re: Biotom]
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Tag 9: Aups – Brignoles – Signes – Sanary-sur-Mer – Bandol 107 km, 775 Hm. Karte Aups sieht sogar in der tiefschwarzen Nacht sehr nett aus – aber eben, ich will weiter. Auch Sillans-la-Cascade, Cotignac und Montfort-sur-Argens wären glaub ganz nett… In einem der Dörfer gibt es zum Frühstück Erdnuss-Flips und eine Banane (gestern fand ich weder in Digne noch in Mèzel noch in Estoublon Brot). Ab Brignoles wird die Nacht von Wetterleuchten durchzuckt, und in Roquebrussanne fängt es an zu schütten. Zum Glück mache ich in dem Moment gerade Pause in einem (zum Glück schon geöffneten) Restaurant. Als der Regen ein bisschen nachlässt, rausche ich weiter. In Méounes-lès-Montrieux blitzt und donnert es dann, als gäbe es kein Morgen mehr – und dieser Regen, boah! Ich finde Unterschlupf in der Bäckerei und habe ausgiebig Zeit für ein zweites Frühstück und das Betrachten der Konfitüren und Rock-Grössen. Endlich lässt der Regen nach, und ich kann weiter. Jetzt sehe ich auch ein bisschen was von der Landschaft. Ich habe den Eindruck, dass ich auf der Nachtfahrt nicht allzu viel verpasst habe – aber ich wurde auf den ersten acht Tagen der Tour auch spektakulär verwöhnt diesbezüglich und bin entsprechend sehr anspruchsvoll Und dann bin ich am Ziel: Rabten Dschangtschub Ling. Es ist sehr schön, dort anzukommen. Ich kann duschen und lecker essen und im Tempel ruhen. Was für eine Wohltat nach diesen doch eher wilden Tagen! Auch wenn Dharma-Aktivitäten immer etwas Wunderbares sind: es zieht mich nach Hause zu meiner Familie. Daher sause ich nach Bandol und geniesse ein Bad im Meer. Das Velo und die Tour wecken ziemlich viel Interesse bei den Badegästen Am Hafen kaufe ordentlich ein, und dann beende ich die Tour am Bahnhof. Die SNCF bringt mich über Marseille nach Valence, wo ich übernachte. Am nächsten Morgen fahre ich mit dem Zug dem Vercors entlang nach Hause, und am Mittag schliesse ich meine Liebsten in die Arme
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#1516089 - 04.12.22 13:21
Re: Wallis – Côte d’Azur: Aravis, Vercors, Monges
[Re: Biotom]
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So schööön. Werde deine Strecke noch genauer anschauen wenn ich wieder in Europa bin😉 Grüsse aus Lesotho Kurt
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#1516107 - 04.12.22 16:46
Re: Wallis – Côte d’Azur: Aravis, Vercors, Monges
[Re: Biotom]
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Das ist eine ganz wunderbare Tour durch eine ebenso wunderbare Gegend, die ich, mangels ausreicheinder Fahrfähigkeiten auf unbefestigen Untergründen in Verbindung mit nicht unergeblich größeren Gepäckmengen und altersbedingten Schwächen v.a. bergab etwas teerlastiger baldmöglichst in Angriff nehmen möchte.
Merci für den überaus lebendigen Bericht, der Lust macht auf mehr.
Gruß
Nat
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#1516117 - 04.12.22 18:21
Re: Wallis – Côte d’Azur: Aravis, Vercors, Monges
[Re: Biotom]
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Es ist mal wieder so, als hättest du ein paar meiner Touren - besonders auch der letzten beiden Jahren - gut durchgeschüttelt und neu sortiert, möglichst quer zu den fahrbaren Apshaltbändern über Rumpelwiesen. (Aravis, Arpettaz, Aiguille usw. war ich z.B. im Sommer, Grimone war da nicht gesperrt. Aber wie gesagt, ich habe mich weitgehend an Straßenlininie orientiert.) Es sieht allerdings nicht nur deswegen alles etwas anders aus, man merkt auch die ausgedörrte Herbstwiesen, die ja schon vom Sommer vorgetrocknet waren. Ich erkenne jedenfalls eine stimmungsvolle Tour, die du gehabt hast, aber ich würde in der Tat nicht tauschen wollen. Wie schön, das die gleichen Gegenden so viele Varianten zulassen. Danke für diese wärmenden Oktobermomente. Ich glaube, es war ja um die Zeit überall recht angenehm, mal rein von den Temeraturen her gesehen.
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Liebe Grüße! Ciao! Salut! Saludos! Greetings! Matthias Pedalgeist - Panorama für Radreisen, Landeskunde, Wegepoesie, offene Ohren & Begegnungen | |
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#1516296 - 06.12.22 19:16
Re: Wallis – Côte d’Azur: Aravis, Vercors, Monges
[Re: Biotom]
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Ich bin wirklich sehr beeindruckt - von deiner Tour - von deinen toll fotografierten Bildern - von der Art, wie du humorvoll erzählst... Danke, dass du uns an dieser Tour hier teilhaben lässt.
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Leben und leben lassen Liebe Grüße, Peter | |
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#1516385 - 07.12.22 22:31
Re: Wallis – Côte d’Azur: Aravis, Vercors, Monges
[Re: Biotom]
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Vielen Dank fürs mitnehmen! Wie immer schön fotografiert und unterhaltsam erzählt.
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#1518025 - 01.01.23 20:45
Re: Wallis – Côte d’Azur: Aravis, Vercors, Monges
[Re: misto]
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Vielen Dank für die netten Rückmeldungen - ich finde das immer erfreulich und motivierend!
Ich muss aber leider trotzdem sagen, dass Aufwand und Ertrag für mich hier immer wie weniger zusammenpassen. Daher veröffentliche ich meine Berichte vermehrt anderswo. Ich werde aber wohl auch künftig hier im Rad-Forum einen Link setzen - und sonst gibt es ja noch das in der Signatur verlinkte Inhaltsverzeichnis.
Ich wünsche allen ein gutes neues Jahr!
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#1518032 - 01.01.23 21:38
Re: Wallis – Côte d’Azur: Aravis, Vercors, Monges
[Re: Biotom]
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Hi,
ich lese deine Reiseberichte ausgesprochen gerne. Habe viel Anregungen erhalten. Daher wäre ich für zukünftige Links dankbar. Magst du eventuell noch konkretisieren, was genau du als "Ertrag" erwartest oder erhofft hast? Würde mich ganz wertneutral interessieren... Gruß aus dem Saarland Uli
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#1518096 - 02.01.23 18:58
Re: Wallis – Côte d’Azur: Aravis, Vercors, Monges
[Re: Biotom]
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Ein wirklich schöner Bericht! Wie immer unterhaltsam und informativ geschrieben, und die Kartenansichten des Routenverlaufs sind natürlich offroad von unschätzbarem Vorteil!
Eine Frage an dieser Stelle: Denkst Du, die traversee du vercors du VTT wäre auch mit einem geländegängigen Reiserad (26", 55-60 mm MTB-Reifen, Disc v+h, klassische Ortlieb Backroller) machbar?
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#1518107 - 02.01.23 21:07
Re: Wallis – Côte d’Azur: Aravis, Vercors, Monges
[Re: Biotom]
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Tausend Dank für deinen wie immer supertollen Bericht -- ich genieße jedesmal deine Fotos ebenso wie deine Texte! Viele liebe Grüße, Erik
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#1518202 - 03.01.23 21:13
Re: Wallis – Côte d’Azur: Aravis, Vercors, Monges
[Re: Sklodowska226]
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Eine Frage an dieser Stelle: Denkst Du, die traversee du vercors du VTT wäre auch mit einem geländegängigen Reiserad (26", 55-60 mm MTB-Reifen, Disc v+h, klassische Ortlieb Backroller) machbar? Ich habe ja nur den südlichen Teil der Traversée gemacht, mit 29x2.1 und MTB-Übersetzung. Ich habe ja schon allerlei Blödsinn gemacht, aber der Abschnitt nach der Schlaufe auf den Grand Veymont (= der südlichste Teil der Traversée; nochmals die Karte) war wirklich vom Übelsten, was ich je erlebt habe - aber landschaftlich halt auch der schönste Abschnitt. Du brauchst dort also nicht nur dicke Pneus, sondern auch einen dicken Schädel und eine starke Affinität für schöne Landschaften Am Ende habe ich mich ganz fest nach Teer gesehnt; entsprechend sah ob dem Col de Rousset meine Nachricht an meine Frau aus: Ich würde mir das glaub kein zweites Mal antun. Vielmehr würde ich die Wanderschlaufe auf den Grand Veymont machen und auf dem gleichen Weg wieder zurück auf Teer irgendwo nördlich vom Col de Rousset, und dann über die normale Passstrasse auf den Pass. Der nördliche Teil der Traversée ist glaub landschaftlich nicht ganz so schön, aber technisch einfacher. Im Endeffekt bin ich gar nicht unglücklich darüber, dass ich den nördlichen Teil verpasst habe, denn die Teerstrecke über den Col d'Herbouilly und St-Martin-en-Vercors war nett (und effizient - für mich stets zeitknappen Familienvater ein wichtiges Kriterium...).
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#1518206 - 03.01.23 21:34
Re: Wallis – Côte d’Azur: Aravis, Vercors, Monges
[Re: Uli aus dem Saarland]
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Magst du eventuell noch konkretisieren, was genau du als "Ertrag" erwartest oder erhofft hast? Würde mich ganz wertneutral interessieren... Ertrag ist glaub das falsche Wort. Halt irgendein Feedback, so dass man ein bisschen weniger das Gefühl hat, in die weite Leere des Netzes hinauszuschreiben. Klar, ich sehe, dass den Bericht Tausende angeklickt haben - aber das ist halt sehr abstrakt. Aber ich bin ja mit den paar Rückmeldungen (nochmals Danke ) schon total verwöhnt - teils hat es ja hier tolle Berichte, wo absolut nix druntersteht. Ich muss mich da auch selber an der Nase nehmen, denn ich schreibe nur sehr selten was zu den Berichten von anderen. Irgendwie scheint mir oft, dass bei Tourberichten das Internetz nicht ein Ort der Kommunikation, sondern der reinen Konsumation ist. Andererseits: was soll man schon gross unter einen Bericht schreiben? Und der Tourist hatte ja schon seine schöne Tour (auf die man in vielen Fällen selber gerne gegangen wäre ), da braucht er ja nicht auch noch Komplimente o.ä. für den Bericht - so geht's zumindest mir beim Berichtegucken Aber eigentlich alles egal: der "Ertrag" ist auf anderen Plattformen ähnlich schlecht - hier ist einfach der Aufwand wegen der veralteten Forensoftware wesentlich grösser. Und dass ich die Beiträge hier nicht editieren macht kann, mich als Perfektionisten auch immer ein bisschen kirre
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#1518234 - 04.01.23 10:41
Re: Wallis – Côte d’Azur: Aravis, Vercors, Monges
[Re: Biotom]
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OK, Danke für deine Erklärung. Jetzt habe ich verstanden, was du meinst. Ich bewundere alle, die hier so viel Zeit opfern, um uns mit ihren Reiseberichten zu begeistern. Ich selbst scheue den Aufwand bisher (sowohl was aufwändige Fotodokumentation unterwegs angeht als auch Aufbereitung hinterher. Bin weder sehr Foto-affin noch Software-affin...)
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Off-topic
#1518447 - 05.01.23 21:50
Re: Wallis – Côte d’Azur: Aravis, Vercors, Monges
[Re: Biotom]
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Magst du eventuell noch konkretisieren, was genau du als "Ertrag" erwartest oder erhofft hast? Würde mich ganz wertneutral interessieren... Ertrag ist glaub das falsche Wort. Halt irgendein Feedback, so dass man ein bisschen weniger das Gefühl hat, in die weite Leere des Netzes hinauszuschreiben. Klar, ich sehe, dass den Bericht Tausende angeklickt haben - aber das ist halt sehr abstrakt. Das kann ich sehr gut nachvollziehen. Aber ich bin ja mit den paar Rückmeldungen (nochmals Danke ) schon total verwöhnt - teils hat es ja hier tolle Berichte, wo absolut nix druntersteht. Ich muss mich da auch selber an der Nase nehmen, denn ich schreibe nur sehr selten was zu den Berichten von anderen. Irgendwie scheint mir oft, dass bei Tourberichten das Internetz nicht ein Ort der Kommunikation, sondern der reinen Konsumation ist. Andererseits: was soll man schon gross unter einen Bericht schreiben? Ich denke, es spielen da mehrere Faktoren zusammen. Zum einen das Thema Reizüberflutung und damit einhergehend immer kürzere Standzeiten der inneren Erlebnisse nach Konsum von fremdem Inhalt. Man kann ja zB mal versuchen sich vorzustellen, wie es der Landbevölkerung vor 6-700 Jahren ging. Die hatten Naturerlebnisse und sonst tendenziell nichts. Wenn die zu einer Kirche kamen: was für uglaublich tiefstgehende Eindrücke müssen die Bilder und Töne hervorgerufen haben. Und wir heute? Oder mal auf die Unterschiede von Filmen von heute und von vor 50 Jahren schauen: Thema Schnitte. Heute ein Werbeclip: in 10 Sekunden gefühlt 100 wechselnde Bilder. Würden wir im Kino aushalten, 5 Minuten lang dieselbe Einstellung zu sehen? Wir dröhnen uns zu, unsere Erlebnisse werden immer flacher. Zum anderen Gewöhnung. Hier kann ich von meinen eigenen Reiseberichten ausgehen. Es gibt eine gewisse Anfangsneugier, was nun jetzt wieder kommt, aber dann stellt sich heraus: der zeigt ja nun doch irgendwie immer wieder dasselbe. Das Durchklicken wird schneller, man sucht nach den erwarteten besonderen Bildern und man hat nach kurzer Zeit eben doch fertig. Ich sehe das sehr klar an den Klicks der einzelnen Bilder. In Teil 1 eines Berichts wurden die Fotos meinetwegen 4 Wochen nach Erscheinen 500x angeklickt, in Teil 6 noch 60x. Für mich war es dieselbe Reise, die Betrachtenden ermüden. Das stelle ich vollkommen wertfrei fest, ich selber reagiere ähnlich. Auch ich schreibe dann oft wenig bis nichts zu Berichten Das Verfassen eines Berichts ist ja eine vielschichtige Angelegenheit. Die Freude, die vergangenen Erlebnisse aufzubereiten und dadurch wieder in sie einzutauschen ist das eine, das andere eine Freude, es den Lesinnen und Lesern zu präsentieren und als Drittes die Vorfreude auf ein Echo, denn schließlich soll es zumindest hier im Forum ja keine Einbahnstraße sein sondern eine soziale Angelegenheit. Die dazu erforderliche Arbeit mache ich gerne, sie ist ja eine Art von Fortsetzung der eigenen Aufarbeitung der Fotos: deren Bearbeitung und Sortierung usw. Daß das Einbringen hier ins Forum etwas umständlich ist, mag sein, ich habe mich daran gewöhnt, es macht mir nichts aus. Wenn ich mir vorstelle, das ginge alles mit ein paar Klicks: sicher superklasse. Aber dann wäre man noch schneller damit fertig und könnte noch früher zum Nächsten übergehen, was dann auch wieder ruckzuck vonstatten geht, weil wir ja so optimiert sind. Die Hektik steigt, die inneren Erlebnisse verflachen tendenziell. Ein Teufelskreis. Irgendwie sind wir alle auf der Suche nach Substanz und verfallen dem Irrtum, sie könnte durch Tempo erreicht werden. Und ja, Radreisen verhilft zu jeder Menge Erlebnissen und innerer Substanz. Tendenziell aber eben doch gemeinsam einsam. Die meisten fahren hier eben doch alleine. Dann will man nachher "teilen" (extrem blöde neue Bedeutung dieses Wortes). Das wird meistens eher enttäuschend enden. Zum Glück gibt es auch ganz reale gemeinsame Unternehmungen.
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...in diesem Sinne. Andreas |
Geändert von iassu (05.01.23 21:52) |
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#1518523 - 06.01.23 16:23
Re: Wallis – Côte d’Azur: Aravis, Vercors, Monges
[Re: Biotom]
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Danke für die Erläuterungen. Auch ich kann mich an die eigene Nase fassen und mir als gute Vorsätze mehr Rückmeldungen und mehr Reiseberichte vornehmen. Deine Berichte stechen hier im Forum ja schon etwas heraus, finde ich. Von der Gepäckmenge her bist du deutlich unterdurchschnittlich, bei den Höhenmetern deutlich überdurchschnittlich zum gefühlten Mittelwert des Forums unterwegs. Meine Tendenz geht zwar langsam auch in die Richtung mehr Höhenmeter mit weniger Gepäck. Aber das ist ja ein Prozess, die Berge in Norddeutschland überschaubar und der Weg das Ziel. Gerade deswegen lese ich mit Freude von Deinen Bergmomenten. Bildsprache, Tonfall und Wortwahl sprechen mich zumindest sehr an. Von daher freue ich mich auf weitere Ein- und Ausblicke von Dir.
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#1518544 - 06.01.23 19:36
Re: Wallis – Côte d’Azur: Aravis, Vercors, Monges
[Re: Biotom]
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Ich kann das gut verstehen, weil mir das auch oft so geht und dann denke - herrjeh, Deine bescheidenen Touren sind für so richtige Reiseprofis vermutlich einfach zum Gähnen langweilig, zu kurz und zu unspektakulär, die Bilder eher zufällige Schnappschüsse, was willst Du Dir bei Deiner geringen Freizeit da die Mühe machen ins Leere zu schreiben. Andererseits machen vermutlich viele ähnlich unexotische Touren und fühlen sich inspiriert. Es gibt ja schon mehrere Personen mit engem Zeit- oder / und Finanzpolster. Also schreibe ich doch oft ein Berichtle. Außerdem halte ich persönlich die Rubrik Reiseberichte, neben den Ländern für eine der zentralen hier im Forum, auch wenn das viele anders sehen und einem das Berichte schreiben seitens der Software nicht allzu einfach gemacht wird. Deine Tourberichte sind in jedem Fall spannend und bereichern meiner Ansicht nach unser Forum sehr. Radreisen kann halt sehr vielfältig sein und Deine Art des Tourens und auch der Berichterstattung ist eben eine ganz spezielle. Außerdem freue ich mich über jeden berglastigen Beitrag, den ich sehe . Das mit dem Feedback ist tatsächlich manchmal mau, das gilt nicht nur für Berichte, sondern auch für etliche andere Aktivitäten hier im Forum. Das hat sicher sehr verschiedene Gründe, die ich hier aber ungern diskutieren möchte, weil es diesen schönen Bericht torpedieren würde. Gruß Nat
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Off-topic
#1518553 - 06.01.23 21:37
Re: Wallis – Côte d’Azur: Aravis, Vercors, Monges
[Re: natash]
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Ich kann das gut verstehen, weil mir das auch oft so geht und dann denke - herrjeh, Deine bescheidenen Touren sind für so richtige Reiseprofis vermutlich einfach zum Gähnen langweilig, zu kurz und zu unspektakulär, die Bilder eher zufällige Schnappschüsse, ... Andererseits machen vermutlich viele ähnlich unexotische Touren und fühlen sich inspiriert. Diese These von "richtigen" Reiseprofis, die nur in exotischen Ländern rumreisen und sich nicht mehr profane Touren im Nahbereich des eigenen Lebens interessieren, mag vereinzelt für Globetrotter zutreffen, ich halte sie aber für irreführend und letztlich für einen Mythos. "Reiseprofis", die damit Geld verdienen (Influencer, mit Sponsoren etc.), sind immer noch wenige und nicht der Kern in diesem Forum. Sie sind auch keine große Radreisegruppe, sondern die größte Radreisegruppe sind profane Radwegfahrer, die in ganz vertrauten Regionen unterwegs sind, ggf. auch in den Alpen - wie auf Donauradweg, Via Rhone, EV 6, Via Claudia Augusta oder einfach mal Radwege an Neckar oder Saale. Für die meisten sind Berge und Steigungen immer noch die größte Hürde - trotz des Erfolgs von E-Bikes & Co. Diese Gruppe wird hier bei vielen Stammschreibern häufig ganz ausgeblendet. Eine weitere Gruppe von "Reiseprofis" verdient damit Geld, dass sie professionelle Touren durchführen (Guides, Tourenanbieter) - meistens in sich wiederholenden Revieren. Die sind selten exotisch und reichen von einfachen Radtouren an Wasserwegen über organisierte Rennradtouren meist im mittleren Europa oder Mallorca bis zu Alpencrossern zwischen Garmisch und Gardasee. Wahrscheinlich meinst du beide Gruppen nicht wirklich. "Reiseprofis" sind aber im üblichen Sprachgebrauch auch Leute, die ihre Radreisen vergleichsweise professionell gestalten (eigene Planung, geeignete Ausrüstung usw.) und dabei auf eine reiche Erfahrung zurückgreifen können. In diesem Sinne bist du selber ebenso Radreiseprofi wie ich auch, und biotom natürlich auch. Über die Reviere sagt das zunächst mal nichts aus. Eine Spezialisierung auf bestimmte Regionen führt aber sicherlich dazu, dass man mehr "Reiseprofi" für eine Region wird als andere. Weltreisende sind oft schon dadurch "Reiseprofis", weil sie sich entsprechend vielfältigen organisatorischen Herausforderungen stellen müssen. Das qualifisziert sie aber noch nicht zu Spezialwissen über Regionen oder professionelle Radtourengestaltung für die Masse (auf Radwegen usw.). Nicht nur hier, sondern noch weit mehr außerhalb des Forums, kannst du eine immer stärkere Segmentierung der Radreisegruppen finden: E-Biker, Bikepacker, Mountainbiker, Flussradwegfahrer, Straßenfahrer, Querfeldeinfahrer, Alpentourer, EV-Transeuropafahrer, Globetrotter, Wildcamper, Hotelfahrer, Schnee- und Eisfahrer, Städteradler, Kulturfahrer, Seniorenradler, Familienradler, Charity-Radler und und und... Die Abgrenzung der Gruppen hat sich schon seit Jahren immer stärker ausgeprägt, gegenseitiges Interesse verengt sich, man sucht Identität in engsten Kreis. Früher war mal jeder Radreisende als solcher schon interessant ( ein Begriff reichte aus), die Gruppe war auch überschaubarer. In Social Media kann man das noch besser studieren, in Facebook gibts für fast jede denkbare Variante eine oder mehrere Gruppe(n). Das macht sich eben auch in der gegenseitigen Kommunikation und dem gegeneitigen Interesse insgesamt negativ bemerkbar. Die soziale Interaktion sinkt trotz Social Media, wahrscheinlich sogar wegen Social Media. Im weitesten Sinn ist auch das Forum "Social Media", Foren sind eigentlich der Vorläufer davon. Biotom macht Touren, die sich weitgehend abseits vom Mainstream bewegen = exotisch (exotisch heißt nicht automatisch Urwald auf fernen Kontinenten). Weiters sind die Touren extrem, was die Wegebeschaffenheit angeht (=SEHR exotisch). Damit scheiden die meisten Reiseradler gänzlich aus, ist eher ein Mountainbikethema, manchmal sogar eher was für eine Wandergruppe. Selbst bei Bergtouren auf Straßen steigen schon viele Radreisende aus, der Kreis wird kleiner. Radwegfahrer & Co fallen ganz raus, finden da keine Inspiration, können es allenfalls bewundern. Damit fehlen die ganz großen Gruppen schon gänzlich. Dass ich mich für biotoms Touren interessiere, hat mit meinem Interesse für mitteleuropäische Gebirge, insbesondere den Alpen, zu tun. Schon bei der Routenführung bin ich aber raus, das meiste ist für mich unfahrbar, obwohl ich nicht unbedingt nur "einfach" fahre. Man sollte sich seines Exotenstatus auch schon etwas bewusst sein - das erklärt dann auch das eine oder andere fehlende Interesse. Das alles wird nicht viel weiterhelfen, denn die Hauptursachen für die geringe Teilhabe am aktiven Austausch im Forum und ggf. auch woanders sehe ich wo ganz anders. Und das hast du auch angedeutet, es beschränkt sich nicht allein auf die Rubrik Reiseberichte und letztlich auch nicht allein aufs Radreisen als solches, sondern betrifft den gesamten sozialen Austausch in modernen Zeiten.
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Liebe Grüße! Ciao! Salut! Saludos! Greetings! Matthias Pedalgeist - Panorama für Radreisen, Landeskunde, Wegepoesie, offene Ohren & Begegnungen | |
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Off-topic
#1518591 - 07.01.23 10:50
Re: Wallis – Côte d’Azur: Aravis, Vercors, Monges
[Re: veloträumer]
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Ein Kriterium, nach dem sich die segmentierte Diversität an Radlern ordnen ließe, ist doch die Frage, ob deren Touren sich vom neugierigen Blick auf die durchfahrenen Welten leiten lassen ("Touristen"), oder ob sie ihre Umwelt eher als Parcours für ihren Sport interpretieren ("Parcouristen").
Gleichgültig, ob es sich bei den "Touristen" um Flussradwegler, Gravelovernighter oder Globetrottel handelt; aller Gruppen Reiseberichte können doch anregend und hilfreich sein für's eigene Pläne schmieden. (Wohin soll's denn das nächste Mal gehen?) Gleichgültig, ob es sich bei den "Parcouristen" um Asphalt- oder Wurzeltrailjunkies handelt; beider Gruppen Reiseberichte können doch anregend und hilfreich sein für's eigene Pläne schmieden. (Wie geht's am geschicktesten von X nach Y?)
Langer Rede, kurzer Sinn: Dank an alle, die ihre Erfahrungen und Erradelungen hier teilen!
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Geändert von Muskatreibe (07.01.23 10:52) |
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Off-topic
#1518671 - 07.01.23 22:02
Re: Wallis – Côte d’Azur: Aravis, Vercors, Monges
[Re: veloträumer]
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Hallo zusammen! Dass ich mich für biotoms Touren interessiere, hat mit meinem Interesse für mitteleuropäische Gebirge, insbesondere den Alpen, zu tun. Schon bei der Routenführung bin ich aber raus, das meiste ist für mich unfahrbar, obwohl ich nicht unbedingt nur "einfach" fahre. Man sollte sich seines Exotenstatus auch schon etwas bewusst sein - das erklärt dann auch das eine oder andere fehlende Interesse. Auch ich bekenne mich als Fan von Biotoms Touren. Wir sind letzten Sommer auch wieder mit den MTBs in den Westalpen unterwegs gewesen. Bei der Tourplanung habe die Berichte ausführlich studiert und werde dies auch beim vorliegenden Bericht tun, da der Vercors ein vielfach unterschätztes Gebirge ist. Auch die Bilder vom Col de Monges machen Lust auf mehr. Bisher kam ich noch nicht dazu, einen Bericht unserer letztjährigen Sommertour zu verfassen, das hole ich vielleicht bald nach. Denn die Westalpen sind einfach ein tolles Bergradelrevier, da gibt es noch viel zu tun und zu entdecken! Gruß LUTZ
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#1518687 - 08.01.23 08:15
Re: Wallis – Côte d’Azur: Aravis, Vercors, Monges
[Re: Biotom]
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Moderator
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Beiträge: 18.346
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[…] Andererseits: was soll man schon gross unter einen Bericht schreiben?[…] Das ist halt ein Punkt. Große DIskussionen entspinnen sich eher selten, manchmal vielleicht Nachfragen. Aber dass Reiseberichte nicht zu viel Reaktionen verleiten, sieht man ja auch schlicht an den Zahlen. Obwohl es tatsächlich Bereiche gibt, die noch weniger Beiträge pro Thema haben, habe eben mal Excel gespielt. Aber wie dem auch sei: Ich hole mal nach, Deine Berichte lese ich auch sehr gerne. Mir gefallen die Fotos gut - und Du reist in Regionen, in denen ich auch gerne unterwegs bin. Ganz sicher aber nicht auf Wegen, auf denen ich unterwegs bin - aber genau deshalb lese ich sie auch sehr gerne.
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Off-topic
#1518696 - 08.01.23 09:01
Re: Wallis – Côte d’Azur: Aravis, Vercors, Monges
[Re: veloträumer]
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Moderator
abwesend
Beiträge: 18.346
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[…]Diese These von "richtigen" Reiseprofis, die nur in exotischen Ländern rumreisen und sich nicht mehr profane Touren im Nahbereich des eigenen Lebens interessieren, mag vereinzelt für Globetrotter zutreffen, ich halte sie aber für irreführend und letztlich für einen Mythos. "Reiseprofis", die damit Geld verdienen (Influencer, mit Sponsoren etc.), sind immer noch wenige und nicht der Kern in diesem Forum. Sie sind auch keine große Radreisegruppe, sondern die größte Radreisegruppe sind profane Radwegfahrer, die in ganz vertrauten Regionen unterwegs sind, ggf. auch in den Alpen - wie auf Donauradweg, Via Rhone, EV 6, Via Claudia Augusta oder einfach mal Radwege an Neckar oder Saale. Für die meisten sind Berge und Steigungen immer noch die größte Hürde - trotz des Erfolgs von E-Bikes & Co. Diese Gruppe wird hier bei vielen Stammschreibern häufig ganz ausgeblendet. Das sehe ich ähnlich. VIele von der letzten Gruppe kennen das Forum gar nicht, auch das ist eine Realität, der man ins Auge blickt, wenn man sich mit anderen Radreisenden unterhält. Im Vergleich zur Grundgesamtheit der Radreisenden in DACH dürften hier sich hier im Forum sicher mehr aufhalten, die "exotische" Radreisen machen. Aber es ist auch hier nur ein sehr geringer Teil, das denke ich auch. […]In Social Media kann man das noch besser studieren, in Facebook gibts für fast jede denkbare Variante eine oder mehrere Gruppe(n). Das macht sich eben auch in der gegenseitigen Kommunikation und dem gegeneitigen Interesse insgesamt negativ bemerkbar. Die soziale Interaktion sinkt trotz Social Media, wahrscheinlich sogar wegen Social Media. Im weitesten Sinn ist auch das Forum "Social Media", Foren sind eigentlich der Vorläufer davon.[…] Das sehe ich auch so. Foren sind für mich auch eine Art Social Media. Ob die soziale Interaktion nachlässt - da bin ich mir nicht so sicher. Es ist eine Frage, was man darunter versteht. Sie verändert sich auf jeden Fall. Ich kann jetzt nur meine Erfahrungen wiedergeben, ich nutze Social Media nun mal anders als ein 30jähriger oder ein 15jähriger. Auf Twitter gibt es durchaus viel soziale Interaktion - ich meine damit etwa Diskussionen. Sicher häufig solche, auf die man verzichen kann, und das kann noch schlimmer werden. Aber abgesehen davon gab und gibt es wertvolle Diskussionen. Auf Facebook gibt es immerhin diese Gruppen, die z. T. , das sehe ich auch so, ziemlich spezialisiert sind. Doch dort gibt es hin und wieder auch noch Interaktionen, die über das Lesen und das Liken hinausgehen. Facebook ist aber - wie auch das Forum - etwas eher für ältere, also Menschen in der zweiten Hälfte ihres Lebens, vielleicht bei Facebook noch nicht so ausgeprägt wie hier. Instagram ist die nächste Stufe, soziale Interaktion, wie man sie aus Foren kennt, gibt es da noch weniger. Aber auch dort bekomme ich Informationen zu Radreisen, etwa zu den Regionen, in denen ich reise. Häufig allerdings flüchtige Informationen, die nach 24 h verschwindet. Und natürlich vor allem Bild- oder Videoinformationen. Instagram nutze ich eher konsumierend und postend, die soziale Interaktion beschränkt sich auf liken und den einen oder anderen Kommentar. Sehr fremd ist mir TikTok. Bei Twitter, Instagram und Facebook suche ich mir selbst das aus, was ich sehen möchte, indem ich Personen etc. folge, die mich interessieren. Bei Tiktok übernimmt die Auswahl dieser seltsame Algorithmus. Leider bei Facebook inzwischen zum Teil auch, bei INstagram kann man es immerhin noch abschalten. […] Radwegfahrer & Co fallen ganz raus, finden da keine Inspiration, können es allenfalls bewundern. […] Man sollte sich seines Exotenstatus auch schon etwas bewusst sein - das erklärt dann auch das eine oder andere fehlende Interesse.[…] Aber nur zum Teil. In den Top 10 der meistgelesenen Themen unter "Reiseberichte" finden sich auch "Auf Schotterpisten durch die Westalpen" und "Lappland im Winter 2012". Der Punkt oben, "bewundern", ist nicht zu vernachlässigen. Oder etwas tiefer aufgehängt, sich für etwas interessieren. Das können ja auch Dinge sein, die man sicher nie machen würde - oder die man sich ganz am Ende seiner Phantasien vorstellen kann. Abgesehen davon bin ich gar nicht so sicher, ob biotom das mit dem "fehlenden INteresse" überhaupt so meint. Er schreibt ja, dass er sieht, dass es viele anklicken. Es geht um darüber hinausgehendes Feedback. Und da bin ich mir nicht so sicher, ob das bei Flussradreisen anders ist - auch da wird gelesen, aber doch selten ein Beitrag dazu geschrieben.
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